Das politische System der Römer

Quintus Fabius schrieb:
Es stellt sich bezüglich des Ständekampfes und der Gesetzgebung auch die Frage, ob die Chronologie der Überlieferung korrekt ist. Nehmen wir mal die Fasten, dann finden wir da in der absoluten Gründungszeit schon die Namen von Plebejern als Konsuln, wir wissen aber zugleich, daß die Konsul damals noch gar nicht in der Form existierten und das Ein Prätor der obereste Magistrat war...
In jedem Fall der Geschichte, bei jeder Quelle und jeder Tradition stellt sich die Frage, ob sie korrekt ist. Nehmen wir etwa die von dir zitierten Fasten. Ursprünglich sind dies Listen über die dies fasti (Werktage) und Feiertage (dies nefasti) die im Normalfall keine 25-30 Jahre zurückreichen. Vermutlich wurden im Laufe der Zeit auf diese Listen auch die Konsulare oder andere, merkwürdige Beamte eingetragen. Daher die Sinnverfremdung als Konsularslisten.
Erst in den 330-320ern v.Chr. wurden diese Listen offiziel geführt, was der Pontifex Maximus übernahm, und erst gegen Ende des Jh. wurden die ersten marmornen Listen angelegt. So wie es viele Jahre später Livius tat wurden diese Listen recherchiert, indem man Inschriften, überlieferte Reden und handschriftliches auswertere und die Lücken dann aus der Erinnerung oder Phantasie füllte. Was dabei rumkam ist kaum verwunderlich, denn der Manipulation steht nun ja Tür und Tor offen, Caesar ist nicht der erste Pontifex Maximus der seine Möglichkeiten ausschöpfte.
Denk z.B. an L. Iunius Brutus. Dieser stammt aus einer plebejischen Familie, bekam aber schon in der Gründungszeit ein Konsulat, will man den Überlieferungen auch durch die Fasten glauben. Dies dürfte später aber erst eingetragen worden sein, um dem Stammbaum etwas mehr pep zu verleihen.

Was mich auch gleich zur Entwicklung der Titel führt: Das die Konsules nicht von Anfang an in der Form, oder die Volkstribune in ihrer letztendlichen Aufgebanestellung existierten braucht hier nicht erwähnt zu werden, ist aber letztlich für eine allgemeingültige Klassifizierung ebenso unerheblich wie die zurecht von dir kritisierte Erwähnung der letzten Jahre in der Niedergangsphase, wobei du hier mit knapp 100 Jahren bestüberlieferter Vorkomnisse und Ämterlaufbahn natürlich wesentlich stärker ausklammerst als mit 60 - 100 Jahren teilweise unrecherierbarer oder zweifelhafter Materie.

Quintus Fabius schrieb:
Dann zu den Volkstribunen nochmal kurz: Der wichtigste Punkt ist doch das Wiederspruchsrecht, also das Recht auf Interzession, eben nicht nur gegen die anderen Magistrate sondern auch untereinander ! Und bei 10 Individuen gab es de facto immer einen der gegen zu weit gehende Kollegen ebenfalls wieder seinen Wiederspruch einlegte.
Dem stimme ich nicht zu. Ihr größtes Machtinstrument ist wohl der Widerspruch, aber der wichtigste Punkt ist dies nicht. Um genau zu sein könnte ich nicht sagen ob nun ihre Repräsentation des Volkes, ihr Recht zur Volksverammlung, ihr Widerspruch oder ihre Gesetzesinitiative das wichtigste Element ihrer Existenz ist. Ihre erste große Bedeutung erhalten sie aber genau eben durch dieses reine Vorhandensein.

Bleibst du trotzdem bei deiner Theorie muß ich sagen dass genau dieser Einspruch auch auf den Senat zutrifft. Auch dieser kann sich selbst blockieren und hat dies mitunter auch getan.


Quintus Fabius schrieb:
In der Spätzeit wurde das dann z.B. mit Gewalt oder mit Tricks verhindert, so daß kein Wiederspruch eingelegt und so dem Recht scheinbar genüge getan wurde, aber nur von der theoretischen Staatskonstruktion her sehe ich das Volkstribunat nicht als so absolut entscheidend.
In der gesamten Politik, sei es der senatorischen, der tribunizischen, der konsularischen oder der magistratischen wurde zu jedem Zeitpunkt mit Tricks und Kniffen gearbeitet, diese Interpretation der Gesetze haben wir zu einem früheren Zeitpunkt unserer Diskussion schon erwähnt und sie deutet nur auf die Lebart der Römer hin, nicht zu sehr an paragraphen zu hängen, wenn es gerade nicht dienlich ist. Warum dies nun die Bedeutung der Volkstribune abschwächt weiß ich allerdings nicht.


Quintus Fabius schrieb:
Zu den Volksversammlungen: diese konnten ja nur auf Geheiß eines Konsuln, Prätor oder Volkstribunen eingerufen werden und der einberufende Magistrat hatte als Leiter dann fast absolute Verfügung über die Versammlung, d.h. er konnte sie z.:B sogar während der Abstimmung abbrechen, wenn diese Abstimmung nicht so lief wie er wollte. In der Spätzeit führte sowas dann zu Gewalt gegen den Magistrat und man stimmte einfach trotzdem weiter ab, aber rein von der Staatskonstruktion her ist das schon ein massiver Machtvorteil der Exektuive.
Wieder falsch. Die Volksversammlung konnte nach dem Erlaß des entsprechenden Gesetzes auch von Angeklagten zu ihrem Fall einberufen werden. Dies hat auf den ersten Blick natürlich nicht viel mit der Politik zu tun, beschränkt aber das Vermögen unliebsame Bürger und Rivalen auszuschalten und schützt den einfachen Bürger.



Quintus Fabius schrieb:
Prinzipiell bleibt die Frage ob Rom eine Demokratie war, wenn auch nicht im modernen Sinne:

und ich bin der Meinung, daß dies nicht der Fall war. Rom war m.M.n. eine Mischform von Oligarchie und Demokratie, in der im Endeffekt zwei Staatskonstruktionen miteinander gekoppelt waren. Das ist ja auch logisch wenn man sich die Herkunft aus dem Ständekampf ansieht, die Volksversammlung der Plebejer und die Volkstribunen, anfangs auch die Ädilen kann man ja als eine Art Gegenstaat begreifen, der dann in die alte Oligarchie integriert wurde. Rom besaß also im Endeffekt zwei zusammengekoppelte Staatssysteme, daß eine Oligarchisch, das andere Demokratisch.
Dem kann ich zustimmen, wobei ich eben die Meinung vertrete, dass die demokratischen Elemente in der Theorie überwiegten, wenn natürlich auch nicht von Angebinn an.

Quintus Fabius schrieb:
Der Ständekampf war im Endeffekt das gleiche wie in Griechenland, das Aufkommen einer demokratischen Bewegung. Während in Griechenland aber in vielen Städten diese die alte Oligarchie ablöste, verbanden sich in Rom beide Staatsformen.
Das seh ich nicht so. Auch die demkratischen Formen in Griechenland hatten eine Menge Lücken und nicht selten eine stark oligarchische Tendenz.




Quintus Fabius schrieb:
Daher eben meine Meinung: Rom ist keine Demokratie sondern auch eine Demokratie, aber eben auch eine Oligarchie.

Dem stimme ich wie gesagt zu, wir liegen nur eine Winzigkeit in der Formulierung auseinander. Dazu aber noch ein paar Fakten.

Die von dir angeführten Leges Liciniae aus dem Jahr 376 v. Chr. wurden von Volkstribunen eingebracht, fanden die Unterstützung des Marcus Furius Camillus und bringen nach einer langen Zeit des Militärtribunats die beiden Consules wieder, unter der Bedignung einer sei ein Plebejer. (liv. 6,42; Plut. Cam 42; O. fast. 1,643)


Gaius Marcius Rutilus erster "dictator de plebe", ein bedeutender Fakt.

Lex publilia volerensis de plebeis magistratibus, ein Gesetz auf Antrag eines Tribunen aus dem Jahr 471, nach dem fünf Volkstribune gewählt werden und die Patrizier dabei nicht anwesend sein durften. Ein erster Ausdruck dem Problem der Wahlbeeinflussung Herr zu werden.

Wenn das alles nicht starke demokratische Tendenzen in der Praxis wie der Theorie sind...
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Bleibst du trotzdem bei deiner Theorie muß ich sagen dass genau dieser Einspruch auch auf den Senat zutrifft.

Ich bleibe bei der Theorie und Du hast recht: der Senat hat sich ja häufig selbst blockiert, und auch im Senat gab es jede Menge Blockade, mein liebstes Beispiel da ist z.B. Cato Uticensis, da waren die Senatssitzungen sehr häufig überaus lang und unproduktiv :)

Die Volksversammlung konnte nach dem Erlaß des entsprechenden Gesetzes auch von Angeklagten zu ihrem Fall einberufen werden.

Das wusste ich bisher gar nicht. Das Bild, das man von etwas hat resultiert ja aus dem Wissen das man darüber hat.

Wer leitete den dann die Versammlung ? Der Prätor Urbanus im Fall von Bürgern ?!

Das seh ich nicht so. Auch die demkratischen Formen in Griechenland hatten eine Menge Lücken und nicht selten eine stark oligarchische Tendenz.

Sicher, aber keine so aristokratisch/oligarchische wie in Rom, also das ein Staat im Endeffekt vom Aufbau her aus zwei Staatsformen so zusammengebaut gewesen wäre, wie die Republik ist mir jetzt nicht bekannt. Was aber nichts sagt.

wir liegen nur eine Winzigkeit in der Formulierung auseinander.

So sehe ich das auch, da geht es mehr um Nuancen denn um Grundsätzliches.

Lex publilia volerensis de plebeis magistratibus.......

Da hätte ich mal eine Grundliegende Frage: ca 1/3r von dir in den verschiedenen Posts hier genannten Gesetze kenne ich gar nicht, bzw wüsste auch nicht, wo ich sie schnell nachschlagen soll. Könntest du eine Gesetzessammlung der Republik empfehlen, gibt es so was ? Also ein Nachschlagewerk in dem die wichtigsten Gesetze und ihr überliefertes Entstehungsdatum mal genannt werden, oder aus welchen Werken hast du die entnommen?
 
Meines Wissens bleibt es beim praetor urbanus, den Spruch fällten dann wohl die Bürger in offener Abstimmung. Ich glaube mich dunkel zu erinnern das es bei Coriolanus schon etwas in der Richtung gab...

Sekundärliteratur müßte ich raussuchen. Ich hatte sie aus meinen Seminarunterlagen (welche von nicht unerheblichem Umfang sind) und müßte darin jetzt erstmal etwas blättern... Ich bin kein Kind von Ordnung....
Die Quellen sind dir allerdings bekannt, Livius und Co.
 
Was man noch bezüglich der Volksversammlungen anmerken sollte, ist die Ungleichgewichtung der Stimmen, das nämlich nicht jede Stimme gleichviel zählte, sondern das sie als Teil einer Centurie oder eines Tribus galt und das dann dieser bei der Wahl Eine Stimme hatte, die er durch Mehrheitsentschied vorher festlegte. Die Ritter und die Erste Klasse hatten aber nun für den absoluten Großteil der Republik die Stimmmehrheit in diesen Gremien, und zwar z.B. bei der Centuriatversammlung 98 der Centurien von 193 insgesamt.

Darüber hinaus umfassten bestimmte Tribus (Gebiete) primär die Klientel bestimmter Gentes, so gab es z.B. einen eigenen Tribus Fabia, nun ratet mal wie der stets abgestimmt hat.
Und innerhalb ihrer Centurie umfassten die reichen Bürger der Ritter und der Ersten Klasse viel weniger Individuen, da stimmten nur 100 ab und ihre Stimme galt als eine Stimme für die Volksversammlung, auf der anderen Seite stimmten in einer niedrigen Klasse tausende ab oder zehntausende und diese ganzen Stimmen galten auch als eine Stimme.

Wenn man nun Volksversammlung sagt, muß man bedenken, daß in der Frühen und Mittleren Republik der Senat und dessen ganze Familien ebenfalls zur Ersten Klasse oder zur Ritterklasse gehörten und folglich auch in der Volksversammlung einiges Gewicht hatten, vorausgesetzt sie waren sich einig, was sie aber nur selten waren.

Werter T. Gabinius: ich hätte es doch wissen müssen können sollen. Ärgerlich, ich besitze nämlich mit Heftner, Der Aufstieg Roms doch ein Buch, in dem das Lex Valeria de provocatione auf Seite 56 explizit genannt ist. Folglich hätte es mir bekannt sein müssen, ich bitte um Nachsicht.

Wobei da auch steht, daß die Anrufung der Volksversammlung nur nach einer Verurteilung eines Bürgers durch einen Magistrat wegen eines Kapitalverbrechens erfolgen konnte.

Bleicken: Lex Publica leg ich mir jetzt als nächstes zu, dazu vom Gleichen: Die Nobilität der römischen Republik, um einen gewissen Ausgleich zur Volkstümmelei zu haben....
 
Werter Fabius, die Einschränkung hatte ich nicht genannt, da ich nicht davon ausging, dass du glaubst jeder kleine Dieb würde die Volksversammlung anrufen können :)

Zu deinem ersten Absatz: ein meiner Ansicht nach normaler Vorgang in der Entwicklung und in einigen Zügen heute noch in verschiedenen Demkratien erkennbar.

Zur Literatur, ich habe jetzt die Literaturlisten ausgegraben über meine Seminare zur röm. Republik, und ich muß sagen: die sind ewig lang... ich stelle die hier nicht rein, kann dir aber Auszüge per mail senden wenn du möchtest.
Ansonsten ist Bleicken wie Bengtson eine super Anlaufstelle.
 
Ich wäre durchaus trotz eines größeren Umfangs an einer solchen Liste interessiert.

Mein gesamtes Wissen stammt bisher zum allergrößte Teil aus dem Internet und erst seit einem Jahr oder so habe ich einige Bücher käuflich erworben.

Wie gesagt werde ich mir Bleicken als nächstes zulegen und dann mal sehen.
 
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