De Bello Gallico

In 90 Jahren von einem besiegten Feindesland zum gleichberechtigten Teil des Reiches... Für die damalige Zeit eine beachtliche Integrationsleistung.
"Gleichberechtigt" allerdings maximal für die Oberschicht, nicht für die Masse der Bevölkerung, die noch lange aufs Bürgerrecht warten musste. Aber auch bei den Adligen stellt sich die Frage, wie viele von ihnen wirklich Senatoren wurden. Mir sind keine Zahlen bekannt, aber ich bezweifle, dass das Verhältnis der gallischen Senatoren zu den italischen Senatoren auch nur ansatzweise dem zahlenmäßigen Verhältnis der Gallier zu dem der Italiker entsprach. Im großen Stil waren Provinzialen erst ab dem späteren 2. und dem 3. Jhdt. im Senat vertreten.

Das zweite Drittel wollte er sich einfach nehmen. Das erste Drittel ist ihm als Lohn für die militärische Unterstützung gegen die Haeduer überlassen worden.
Wo steht das?
In BG 1,31,4 steht nur, dass die Germanen "mercede", also für Lohn, angeheuert wurden, ohne dass näher spezifiziert wird, worin der Lohn bestehen sollte. Aber da die Gallier über gemünztes Geld verfügten und auch Schätze hatten (man denke nur an den Schatz von Tolosa), kann durchaus an Sold in Form von Edelmetall gedacht gewesen sein.
In 1,31,10 steht dann, dass Ariovist sich im Land der Sequaner niedergelassen (consedisset) und den dritten Teil ihres Ackers, des besten in ganz Gallien, besetzt (occupavisset) hätte. Jetzt fordere er die Sequaner auf, noch aus einem weiteren Drittel abzuziehen, weil er es für die Haruden brauche. Eine vertragliche Abtretung des ersten Drittels kann ich daraus nicht herauslesen.
Dass die Gallier dem Ariovist sein Gebiet freiwillig abgetreten hätten, steht nur in Ariovists Rechtfertigungsrede (1,44,2).
Somit ist die "freiwillige" Abtretung wohl zumindest arg zweifelhaft. Ich sehe auch keinen vernünftigen Grund, wieso die Sequaner freiwillig ein Drittel ihres Landes aufgeben sollten, bloß um sich die Vorherrschaft in Gallien zu verschaffen. So etwas macht doch allenfalls ein Stamm, der am Rande des Abgrunds steht, in seiner Verzweiflung. Dagegen könnte man natürlich einwenden, dass die Sequaner selbst einen Teil des Häduerlandes übernahmen (6,12,4), vielleicht als Kompensation. Allerdings wäre es naheliegend gewesen, dass die Sequaner, wenn bei ihnen wirklich alles auf Freiwilligkeit beruht hätte, ihr eigenes Land behalten und den Ariovist auf Häduerland ansiedeln.

Anders als bei den Germanen mussten die Römer also nur - sei es mit Gewalt oder durch "Bestechung" - eine kleine Elite auf ihre Seite bringen, um die breite Masse zu beherrschen.
"Nur" ist gut gesagt, das war ja eben das Problem, dass es in den Stämmen normalerweise mehrere mächtige Adlige gab, von denen zumindest ein Mächtiger gegen die Römer opponierte - ob aus Überzeugung oder nur um das römerfreundliche Stammesoberhaupt stürzen zu können, sei dahingestellt.
Damit wären wir aber wieder bei den Germanen: Auch Arminius war kein armer Schlucker aus dem einfachen Volk. Auch bei den Germanen hatten einige Höhergestellte den maßgeblichen Einfluss. Tacitus berichtet, dass die germanischen "principes" wichtige Angelegenheiten erst einmal unter sich berieten, ehe sie vor die Volksversammlung gebracht wurden, und auch in der Volksversammlung dann zuerst der König oder Häuptling sprach. Ich stimme Dir zu, dass bei den Germanen die breite Masse anscheinend mehr Einfluss hatte und die Stammesoberen weniger Zwangsmittel hatten. Aber die Meinungsführer waren dennoch wohl auch bei den Germanen einige Angesehene. Ich bezweifle daher auch für die Germanen, dass, solange die Oberschicht relativ geschlossen zu den Römern hielt, es zu "spontanen Volkserhebungen" gegen die Römer kam; zumindest wird das die Ausnahme gewesen sein. Wirklich problematisch wurde es für die Römer wohl erst, wenn sich auch Führungspersönlichkeiten erhoben.
 
"Gleichberechtigt" allerdings maximal für die Oberschicht, nicht für die Masse der Bevölkerung, die noch lange aufs Bürgerrecht warten musste.
Standesunterschiede gab es auch in Rom. Auch dort war der "Plebs" alles andere als gleichberechtigt. Wie viele Gallier in den Senat aufrückten, weiß ich auch nicht. Jedenfalls wurde die neue Provinz nach "relativ kurzer Zeit" nicht anders behandelt als andere Provinzen. Dass der Princeps in Rom jederzeit der Boss blieb, ist natürlich keine Frage...


Wo steht das?
...
Dass die Gallier dem Ariovist sein Gebiet freiwillig abgetreten hätten, steht nur in Ariovists Rechtfertigungsrede (1,44,2).
1.314 und 1.31.10 hattest Du schon erwähnt. In 1.31.10 wird nur gesagt, dass Ariovist das erste Drittel des Landes "besetzt halte" und es wird beklagt, dass er nun ein zweites Drittel fordere. Wie es zur "Besetzung" des ersten Drittels kam, steht (imho!) in 1.32.5. Da erzählt Diviciacus im Namen der wegen ihrer Eide schweigenden Sequaner, dass alle gallischen Stämme wenigstens die Möglichkeit zur Flucht hätten - nur eben nicht die besagten Sequaner, weil die nämlich den Ariovist "in ihr Gebiet aufgenommen" hätten. Auch die Eide haben sie ihm geschworen und sich sogar noch während ihres Hilfsersuchens an Caesar daran gehalten. Diese drei Textstellen lassen das, was Ariovist in seiner Rechtfertigungsrede sagt, durchaus glaubwürdig erscheinen.

"Nur" ist gut gesagt, das war ja eben das Problem, dass es in den Stämmen normalerweise mehrere mächtige Adlige gab, von denen zumindest ein Mächtiger gegen die Römer opponierte - ob aus Überzeugung oder nur um das römerfreundliche Stammesoberhaupt stürzen zu können, sei dahingestellt.
Damit wären wir aber wieder bei den Germanen: Auch Arminius war kein armer Schlucker aus dem einfachen Volk. Auch bei den Germanen hatten einige Höhergestellte den maßgeblichen Einfluss.
Wie maßgeblich der Einfluss der Mächtigen war, ist zweifelhaft. Einen Unterschied sehen wir darin, dass die gallischen Mächtigen erstmal eine Position an der Spitze des Staates einnehmen mussten, um einen Aufstand gegen Rom anzuzetteln oder wieder Frieden zu schließen. Egal wer an der Spitze stand: Er sprach für den ganzen Stamm und legte fest, wie der Stamm sich zu verhalten hatte. In Germanien dagegen konnte sich der eine Mächtige für Rom erklären, ein anderer dagegen. Beide fanden Anhänger. Prominentestes Beispiel dafür sind die Cherusker: Eine Fraktion des Stammes blieb Rom treu, eine andere Fraktion hat gleichzeitig Legionäre niedergemacht.

Tacitus berichtet, dass die germanischen "principes" wichtige Angelegenheiten erst einmal unter sich berieten, ehe sie vor die Volksversammlung gebracht wurden, und auch in der Volksversammlung dann zuerst der König oder Häuptling sprach.
Und Tacitus berichtet weiter, dass niemand an das gebunden war, was die "Könige" oder "Adeligen" oder Angehörigen sonstiger Eliten vor der Volksversammlung gesagt haben. Wenn die "Mächtigen" gesprochen hatten, konnte das Volk Beifall zollen - oder auch nicht. Das Volk hatte die Wahl, welcher Fraktion es sich anschließen wollte. Und erst wenn jemand in der Volksversammlung Gefolgschaft zugesichert hatte, galt es als "Fahnenflucht", wenn er dann diese Zusage nicht einhielt.

Der Unterschied in den Beschreibungen römischer Autoren ist schon eklatant: Caesar schreibt, die "freien" Gallier der Unterschicht würden fast wie Sklaven wirken. Tacitus dagegen schreibt, die germanischen Sklaven würden fast wie freie Pächter erscheinen. Allein daraus lese ich schon ab, dass die gallisch/oppida-keltische Gesellschaft sehr viel "hierarchischer" aufgebaut war als die germanische.

Übrigens habe ich jetzt mal ein bisschen in dem weiter oben erwähnten Buch von Raimund Karl geschmökert. Bislang finde ich nur Informationen, die meine These belegen.

MfG
 
Zitat:
Caesar schreibt, dass Ariovist einfach ein Drittel des Sequanerlandes okkupiert habe; zumindest habe Diviciacus das behauptet. Groß gefragt wurden die Sequaner also offenbar nicht.
.......

Das zweite Drittel wollte er sich einfach nehmen. Das erste Drittel ist ihm als Lohn für die militärische Unterstützung gegen die Haeduer überlassen worden.

.......
Diese Stelle ist auch so eine Propagandageschichte von Cäsar. Laut Cäsar forderte Ariovist 1/3 des Sequanerlandes für seine Männer (120,000) und für die neu angekommenden Haruden forderte er ein weiteres Drittel. Alle Städte der Sequaner befänden sich in seiner Hand und die Sequaner würden nichts gegen seinen Willen tun. Bei Magetobriga hätten die Germanen zudem die Gallier schwer geschlagen. Die Häduer hätten Landstrihe am Arar und Klienten an die Sequaner verloren. Wunderbare Geschichte.
Doch was war wirklich? Die Sequaner hatten Ariovist zu Hilfe gerufen, um sich gegen Häduer im Kampf um die Zölle am Arar durchzusetzen und wie es scheint, waren die Sequaner dort erfolgreich. Merkwürdig erscheint allerdings, das der Häduer Dumnorix anscheinend diese Zöller kontrollierte und ein freundschaftliches Verhältnis mit den Sequanern pflegte. Diviciacus hingegen hatte um Beistand in Rom gebeten. Handelte es sich daher wirklich um einen Häduisch-Sequanischen Konflikt oder waren die Seiten durchaus gemischter? Rom scheint unter dem Konsulat Cäsars diesen Konflikt rasch diplomatisch gelöst zu haben, denn Ariovist erhielt damals seinen Titel eines rex et amicus. Catamantaloedes des Sequanerkönnte dort ebenfalls bedacht worden sein.
Wenn Dumnorix aber vom Sieg der Sequaner und Ariovists profitierte, dann kann die macht der Germanen so groß nicht gewesen sein. Zudem wurden in gallien und Germanen häufig Geiseln bei Vertragsabschlüssen getauscht. Das Ariovist Geiseln hatte deutet weniger auf Willkür, als auf ein Vertragsverhältnis hin. daher konnten geiseln auch nicht so einfach zurückgegeben werden, denn damit löste man den Vertrag. Es ist dann auch davon auszugehen, daß Sequaner und Häduer ebenfalls gegenseitig und mit Ariovist geiseln tauschten, was Cäsar nicht erwähnt.
Nun waren also alle Städte der Sequaner in der hand Ariovists, der sich anschickte Gallien zu erobern. Doch wo war er? Cäsar mußte in Gewaltmärschen tief ins Elsaß vordringen, bis er Ariovist antraf. keine Rede von Städten, die von Cäsar befreit wurden. Ariovist saß friedlich im fernen Elsaß. Es scheint, als ob tatsächlich haruden zu ihm gezogen waren, doch warum ca. 25,000 Haruden ebensoviel Land beanspruchen sollen, wie 120,000 Germanen Ariovists, erschließt sich nicht.
Was war also wirklich los? das ist leider schwer zu sagen. Es scheint, als ob Cäsar bei Häduern und Sequanern auf Personen setzte, die ihm ergeben waren. Bei den Sequanern gab es anscheinend eine herrschende Fraktion, die das so, nicht mehr war, siehe Auszug der Helvetier/Orgetorix-Verschwörung. Dumnorix und Ariovist scheinen diese Fraktion unterstützt zu haben. gegen Dumnorix konnte man (noch) nicht vorgehen, ohne die Häduer zu verlieren. Die römische Fraktion bei den Sequanern konnte man hingegen am Besten dadurch unterstützen, daß man Ariovist beseitigte.
 
Standesunterschiede gab es auch in Rom. Auch dort war der "Plebs" alles andere als gleichberechtigt. Wie viele Gallier in den Senat aufrückten, weiß ich auch nicht. Jedenfalls wurde die neue Provinz nach "relativ kurzer Zeit" nicht anders behandelt als andere Provinzen.
Ich wollte nicht auf die Standesunterschiede, sondern auf das Bürgerrecht hinaus. Dass die gallischen Provinzen schon relativ bald nicht anders behandelt wurden als andere Provinzen (sondern vielleicht sogar besser, wenn man an den Landtag der drei gallischen Provinzen denkt, der als Einrichtung nicht für alle Provinzen nachgewiesen zu sein scheint), ändert nichts am Unterschied zwischen Gallien und Italien.

1.314 und 1.31.10 hattest Du schon erwähnt. In 1.31.10 wird nur gesagt, dass Ariovist das erste Drittel des Landes "besetzt halte" und es wird beklagt, dass er nun ein zweites Drittel fordere. Wie es zur "Besetzung" des ersten Drittels kam, steht (imho!) in 1.32.5. Da erzählt Diviciacus im Namen der wegen ihrer Eide schweigenden Sequaner, dass alle gallischen Stämme wenigstens die Möglichkeit zur Flucht hätten - nur eben nicht die besagten Sequaner, weil die nämlich den Ariovist "in ihr Gebiet aufgenommen" hätten.
Das kann man natürlich im Sinne einer Freiwilligkeit interpretieren. Ich lese allerdings aus dem "recepissent" trotzdem nicht zwingend heraus, dass die "Aufnahme" freiwillig erfolgte.
Aber gut, wirklich klären wird sich das nicht lassen.

Wie maßgeblich der Einfluss der Mächtigen war, ist zweifelhaft. Einen Unterschied sehen wir darin, dass die gallischen Mächtigen erstmal eine Position an der Spitze des Staates einnehmen mussten, um einen Aufstand gegen Rom anzuzetteln oder wieder Frieden zu schließen. Egal wer an der Spitze stand: Er sprach für den ganzen Stamm und legte fest, wie der Stamm sich zu verhalten hatte.
In der Theorie vermutlich ja. Nur in der Praxis war das eben schwieriger, wie das Beispiel des häduischen Vergobreten Liscus zeigt, der sich nicht gegen Dumnorix durchsetzen und daher nicht seine Verpflichtungen gegen Caesar erfüllen konnte. Auch heute können theoretische und reale Macht von Staatsorganen schon mal auseinanderklaffen. Letztlich kommt es aber auf die reale an. Orgetorix auf der anderen Seite scheint kein formales Stammesoberhaupt gewesen zu sein und konnte trotzdem seinen Willen durchsetzen.
Es geht mir darum, dass bei den Galliern in der politischen Praxis an den mächtigen Adligen offenbar kein Weg vorbeiführte: Wenn der mächtigste Adlige selbst (gewähltes oder erbliches) Stammesoberhaupt war und seine Konkurrenten niederhalten konnte, dann konnte er wohl tatsächlich für den ganzen Stamm sprechen und dessen Verhalten festlegen. Wenn es allerdings mehrere konkurrierende mächtige Adlige gab, dann hatte das formale Stammesoberhaupt häufig ein Problem - und dann wurde der ganze Stamm für Caesar zum Unsicherheitsfaktor, weil sich nicht vorhersagen ließ, wie sich die stammesinternen Machtkämpfe weiter entwickeln würden - und ob der Stammesführer seine Verpflichtungen gegenüber den Römern im Stamm wirklich durchsetzen könne.
Das relativiert dann aber auch die (vermeintlich) leichtere Eroberbarkeit/Beherrschbarkeit Galliens aufgrund seiner Gesellschaftsstruktur.

In Germanien dagegen konnte sich der eine Mächtige für Rom erklären, ein anderer dagegen. Beide fanden Anhänger. Prominentestes Beispiel dafür sind die Cherusker: Eine Fraktion des Stammes blieb Rom treu, eine andere Fraktion hat gleichzeitig Legionäre niedergemacht.
Dann war der Unterschied zwischen Galliern und Germanen Deiner Meinung nach also der, dass bei den Galliern erst einmal die Adligen im Stamm um die Macht kämpften und der Sieger dann das Verhalten des ganzen Stammes bestimmte (zumindest bis zum nächsten Umsturz), während bei den Germanen Stämme geteilt agieren konnten, jeder mächtige Adlige mit seinem Anhang für sich?
Grob gesprochen könnte das hinkommen, wenngleich wir nicht wissen, wie geschlossen die Stämme in Gallien wirklich agierten; ich verweise dazu vor allem auf die Beiträge von beorna. Außerdem bleiben natürlich Fälle wie der von Liscus, in denen sich das Stammesoberhaupt in seinem Stamm nicht durchsetzen konnte und der Stamm gelähmt war. Auch sonst könnte ein Teil eines Stammes (also die Adligen und ihr Anhang, die mit der offiziellen Stammespolitik nicht einverstanden waren) sich zumindest passiv oder gar sabotierend verhalten haben, man denke an Dumnorix.

Und Tacitus berichtet weiter, dass niemand an das gebunden war, was die "Könige" oder "Adeligen" oder Angehörigen sonstiger Eliten vor der Volksversammlung gesagt haben. Wenn die "Mächtigen" gesprochen hatten, konnte das Volk Beifall zollen - oder auch nicht. Das Volk hatte die Wahl, welcher Fraktion es sich anschließen wollte. Und erst wenn jemand in der Volksversammlung Gefolgschaft zugesichert hatte, galt es als "Fahnenflucht", wenn er dann diese Zusage nicht einhielt.

Der Unterschied in den Beschreibungen römischer Autoren ist schon eklatant: Caesar schreibt, die "freien" Gallier der Unterschicht würden fast wie Sklaven wirken. Tacitus dagegen schreibt, die germanischen Sklaven würden fast wie freie Pächter erscheinen. Allein daraus lese ich schon ab, dass die gallisch/oppida-keltische Gesellschaft sehr viel "hierarchischer" aufgebaut war als die germanische.
Ja, das sehe ich auch so.

Doch was war wirklich? Die Sequaner hatten Ariovist zu Hilfe gerufen, um sich gegen Häduer im Kampf um die Zölle am Arar durchzusetzen und wie es scheint, waren die Sequaner dort erfolgreich. Merkwürdig erscheint allerdings, das der Häduer Dumnorix anscheinend diese Zöller kontrollierte und ein freundschaftliches Verhältnis mit den Sequanern pflegte. Diviciacus hingegen hatte um Beistand in Rom gebeten. Handelte es sich daher wirklich um einen Häduisch-Sequanischen Konflikt oder waren die Seiten durchaus gemischter?
Dumnorix erscheint doch öfters als Abweichler von der offiziellen häduischen Stammespolitik. Da die Häduer bei Magetobriga eine schwere Niederlage erlitten hatten und danach entsprechend geschwächt (und ihre damalige Führung wohl Geschichte) waren, ist naheliegend, dass Dumnorix das nutzen konnte, um die Führung der Häduer zu übernehmen und dann eine sequanerfreundliche Politik zu betreiben. Das (vor allem dass er anscheinend die Abtretung eines Teils des Häduerlands an die Sequaner akzeptierte) passte aber natürlich nicht allen, vor allem nicht seinem Bruder Diviciacus, der sich nach Rom begab.
Einen Widerspruch zu Caesars Darstellung sehe ich nicht.

Rom scheint unter dem Konsulat Cäsars diesen Konflikt rasch diplomatisch gelöst zu haben, denn Ariovist erhielt damals seinen Titel eines rex et amicus. Catamantaloedes des Sequanerkönnte dort ebenfalls bedacht worden sein.
Das haut chronologisch nicht hin. Caesar schreibt ausdrücklich, dass Ariovist unter seinem Konsulat, also 59 v. Chr., mit den Titeln "König" und "Freund" bedacht worden sei. Die Verschwörung des Orgetorix wird von Caesar ausdrücklich in das Jahr 61 datiert. Für die damalige Zeit schreibt Caesar im Plusquamperfekt (obtinuerat, appellatus erat), dass Catamantaloedes viele Jahre die Sequaner beherrscht gehabt habe und von den Römern Freund genannt worden sei. Somit war 61 die Herrschaft des Catamantaloedes also bereits vorbei, und auch seine Auszeichnung muss davor stattgefunden haben.

Wenn Dumnorix aber vom Sieg der Sequaner und Ariovists profitierte, dann kann die macht der Germanen so groß nicht gewesen sein.
Warum nicht? Es war doch im Interesse der Sequaner und Ariovists, dass bei den Häduern eine ihnen wohlgesonnene Person regierte. Vielleicht halfen sie auch aktiv mit, dass er bei den Häduern die Macht übernehmen konnte.

Zudem wurden in gallien und Germanen häufig Geiseln bei Vertragsabschlüssen getauscht. Das Ariovist Geiseln hatte deutet weniger auf Willkür, als auf ein Vertragsverhältnis hin. daher konnten geiseln auch nicht so einfach zurückgegeben werden, denn damit löste man den Vertrag.
Wer sagt denn, dass die Geiselstellung freiwillig erfolgte? Auch die Römer ließen sich gerne Geiseln stellen, z. B. von den Karthagern oder dem Achaischen Bund. Freiwillig war daran nichts. Auch Verträge wurden keineswegs immer freiwillig geschlossen, sondern dem Besiegten/Schwächeren blieb nichts anderes übrig.

Es ist dann auch davon auszugehen, daß Sequaner und Häduer ebenfalls gegenseitig und mit Ariovist geiseln tauschten, was Cäsar nicht erwähnt.
Eine Mutmaßung, die auf einer Mutmaßung beruht. Eine doppelte Mutmaßung kann man wohl kaum als Beleg dafür nehmen, dass Caesar zwecks Propagandalüge etwas verschwiegen habe.

Nun waren also alle Städte der Sequaner in der hand Ariovists, der sich anschickte Gallien zu erobern. Doch wo war er? Cäsar mußte in Gewaltmärschen tief ins Elsaß vordringen, bis er Ariovist antraf. keine Rede von Städten, die von Cäsar befreit wurden.
Wieso hätte sich Caesar mit der Belagerung von Städten aufhalten sollen? Den Ariovist galt es zu schlagen, nicht seine allfälligen Städtebesatzungen. Nach Ariovists Niederlage würden sich die Städte voraussichtlich ohnehin freiwillig ergeben. Außerdem hatte Caesar in diesem Jahr bereits gegen die Helvetier Krieg geführt, somit war die Jahreszeit vermutlich schon etwas fortgeschritten. Caesar hätte es sich gar nicht leisten können, Zeit mit Städtebelagerungen zu vergeuden, wenn er den Krieg noch in diesem Jahr beenden wollte. Vor allem aber erwartete Ariovist neuen Nachschub von jenseits des Rheins, somit musste sich Caesar beeilen, wenn er den Ariovist vor dessen Eintreffen schlagen wollte, was ihm auch gelang.

Es scheint, als ob tatsächlich haruden zu ihm gezogen waren, doch warum ca. 25,000 Haruden ebensoviel Land beanspruchen sollen, wie 120,000 Germanen Ariovists, erschließt sich nicht.
Wie Ariovist so schön gesagt haben soll: Das Recht des Krieges gestattet es dem Sieger, dem Besiegten nach Belieben zu gebieten. Wer die Macht hat, braucht keine rationale Rechtfertigung für seine Forderungen, er kann einfach verlangen.

Es scheint, als ob Cäsar bei Häduern und Sequanern auf Personen setzte, die ihm ergeben waren. Bei den Sequanern gab es anscheinend eine herrschende Fraktion, die das so, nicht mehr war, siehe Auszug der Helvetier/Orgetorix-Verschwörung. Dumnorix und Ariovist scheinen diese Fraktion unterstützt zu haben. gegen Dumnorix konnte man (noch) nicht vorgehen, ohne die Häduer zu verlieren. Die römische Fraktion bei den Sequanern konnte man hingegen am Besten dadurch unterstützen, daß man Ariovist beseitigte.
Vor allem wollte Caesar wohl bei den Häduern die romfreundlichen Kräfte stärken und an sich binden. Und wenn er die Hegemonie über Gallien anstrebte, konnte er keinen konkurrierenden Machtfaktor wie Ariovist dulden. Da kam ihm das Hilfsersuchen von Ariovists Gegnern gerade recht. Diese wiederum werden sich darüber im Klaren gewesen sein, dass sich jemand wie Caesar gegen Ariovist mobilisieren lassen würde.
Das alles widerspricht aber nicht Caesars Darstellung über Ariovists Umgang mit den Galliern. Im Gegenteil: Da Caesar den Ariovist einst selbst ausgezeichnet hatte, war es für ihn eigentlich peinlich, wenn er jetzt eingestehen musste, dass er einen Tyrannen ausgezeichnet hatte. Caesar hätte also eher Grund gehabt, den Ariovist möglichst reinzuwaschen und die Schuld für den Krieg gegen Ariovist z. B. dem Dumnorix und den Sequanern anzulasten, die durch ihre Umtriebe dafür gesorgt hätten, dass es zum Konflikt zwischen Caesar und Ariovist kam.
 
Dumnorix erscheint doch öfters als Abweichler von der offiziellen häduischen Stammespolitik. Da die Häduer bei Magetobriga eine schwere Niederlage erlitten hatten und danach entsprechend geschwächt (und ihre damalige Führung wohl Geschichte) waren, ist naheliegend, dass Dumnorix das nutzen konnte, um die Führung der Häduer zu übernehmen und dann eine sequanerfreundliche Politik zu betreiben. Das (vor allem dass er anscheinend die Abtretung eines Teils des Häduerlands an die Sequaner akzeptierte) passte aber natürlich nicht allen, vor allem nicht seinem Bruder Diviciacus, der sich nach Rom begab.
Einen Widerspruch zu Caesars Darstellung sehe ich nicht.
Es heißt. die Häduer verloren Adel, Senat und Reierei. Scheint, als hätten wohl doch ein paar überlebt. Komisch, daß die Häduer trotz dieser totalen Niederlage ihre Klienten halten konnten. Zumindest wird nicht berichtet, daß die Sequaner den Häduern ihre Klienten wieder zurückgaben. Dumnorix erscheint auch nicht als Marionette der Sequaner oder gar des Ariovist. Er hat Einfluß auf die Sequaner. Von einem Einfluß der Sequaner oder Ariovists auf Dumnorix spricht Cäsar hingegen nicht. Dumnorix baut hingegen seinen Einfluß auf große wirtschaftliche Macht, u.a. durch Zölle (etwa die Arar-Zölle?), nicht nur bei den Häduern, sondern auch durch Beziehungen mit Helvetiern, Biturigen, Sequanern u.a.
Interessant ist bei der Auseinandersetzung zwischen Häduern und Sequanern - von den Arvernern, die zwar kurz genannt werden, dann aber nicht wieder auftauchen - daß die Häduer Geiseln stellen, aber nicht Diviciacus. warum ist er nicht in die verträge mit den Sequanern und Ariovist eingebunden? Dumnorix ist interessanter Weise in die häduischen Verpflichtungen gegenüber Cäsar eingebunden.


Das haut chronologisch nicht hin. Caesar schreibt ausdrücklich, dass Ariovist unter seinem Konsulat, also 59 v. Chr., mit den Titeln "König" und "Freund" bedacht worden sei. Die Verschwörung des Orgetorix wird von Caesar ausdrücklich in das Jahr 61 datiert. Für die damalige Zeit schreibt Caesar im Plusquamperfekt (obtinuerat, appellatus erat), dass Catamantaloedes viele Jahre die Sequaner beherrscht gehabt habe und von den Römern Freund genannt worden sei. Somit war 61 die Herrschaft des Catamantaloedes also bereits vorbei, und auch seine Auszeichnung muss davor stattgefunden haben.
Wann Catamantaloedes den Titel bekam ist ungewiß, das ist richtig. Doch Rom war lange relativ untätig in Gallien. Vielleicht gab es den Titel auch 72 oder dazwischen. Ob Catamantaloedes Herrschaft aber schon lange davor zu Ende ging nur anhand von Cäsars PQP abzulesen, halte ich für recht spekulativ. Genauso gut könnte Cäsar das PQP auch nur verwendet haben, damit es klänge also ob die Herrschaft schon lange her wäre.

Warum nicht? Es war doch im Interesse der Sequaner und Ariovists, dass bei den Häduern eine ihnen wohlgesonnene Person regierte. Vielleicht halfen sie auch aktiv mit, dass er bei den Häduern die Macht übernehmen konnte.
Was sind denn die Beweise, die auf eine schwere Niederlage der Häduer gegen Sequaner und Germanen hindeuten? Ich habe es zuvor bereits beschrieben, nichts weist auf eine total niederlage der Häduer hin, nichts auf eine spätere unterwerfung der Sequaner unter Ariovist.

Wer sagt denn, dass die Geiselstellung freiwillig erfolgte? Auch die Römer ließen sich gerne Geiseln stellen, z. B. von den Karthagern oder dem Achaischen Bund. Freiwillig war daran nichts. Auch Verträge wurden keineswegs immer freiwillig geschlossen, sondern dem Besiegten/Schwächeren blieb nichts anderes übrig.
Und wieso konnten die Sequaner den Häduern ihre Geiseln nicht zurückgeben? Anscheinend wollten sie ja wieder gute Beziehungen zu en Häduern. Sieht man Dumnorix Einfluß bei diesen und bedenkt man, daß andererseits Leute wie Diviciacus gar keine Geiseln gestellt haben, dann erscheint Cäsars darstellung sehr fraglich.

Eine Mutmaßung, die auf einer Mutmaßung beruht. Eine doppelte Mutmaßung kann man wohl kaum als Beleg dafür nehmen, dass Caesar zwecks Propagandalüge etwas verschwiegen habe.
Man kann natürlich Cäsar folgen, daß die Häduer ihren gesamten Adel und Senat verloren, die Sequaner und ganz Gallien nur in einem geheimen Versammlung es wagten sich Cäsar zu Füßen zu werfen und über ihre Misere zu klagen wagten, aus Angst vor der Rache Ariovists. Ganz Gallien, man höre und staune. Jammerten den die Belgen, die so tapfer waren, weil sie ständig mit den Germanen kämpften? Die waren doch wohl kaum auf cäsars landtag. Oder klagten die Aremoriker und Aquitanier oder die Arverner. Irgendein Anzeichen, daß Ariovists Arm bis dorthin reichte?

Wieso hätte sich Caesar mit der Belagerung von Städten aufhalten sollen? Den Ariovist galt es zu schlagen, nicht seine allfälligen Städtebesatzungen. Nach Ariovists Niederlage würden sich die Städte voraussichtlich ohnehin freiwillig ergeben. Außerdem hatte Caesar in diesem Jahr bereits gegen die Helvetier Krieg geführt, somit war die Jahreszeit vermutlich schon etwas fortgeschritten. Caesar hätte es sich gar nicht leisten können, Zeit mit Städtebelagerungen zu vergeuden, wenn er den Krieg noch in diesem Jahr beenden wollte. Vor allem aber erwartete Ariovist neuen Nachschub von jenseits des Rheins, somit musste sich Caesar beeilen, wenn er den Ariovist vor dessen Eintreffen schlagen wollte, was ihm auch gelang.
Nun, Vesontio nahm er ohne jeden Widerstand.Cäsars Schilderungen sind reine Fiktion. Es gab keinen Grund und das war auch beim Heer bekannt. Deshalb gab es die Meuterei.
Ich zitiere mal Cäsar frei. nach drei Tagesmärschen war auch Ariovist bereits drei Tagesmärsche aus seinem Gebiet ausgezogen. Und er rückte nun gegen Vesontio vor, um diese zu besetzen. Nanu? Hatte er denn nicht schon alle Städte der Sequaner besetzt? Nach neuen gewaltmärschen erreicht Cäsar Vesontio, bleibt dann noch ein paar Tage dort und, wo ist Ariovist? Nach dem die Meuterei beendet wurde, zieht Cäsar sechs Tage lang in Gewaltmärschen gegen Ariovist und ist dann immer noch 24 Meilen von ihm entfernt. Also von Besancon nach Straßburg sind es rund 200 km. Ein Tagesmarsch bei den Römern sind rund 20km. Sechs Tage zieht man in Gewaltmärschen gegen Ariovist hatten wir gesehen. Das sind mindestens 120km, eher deutlich mehr, um dann immer noch rund 36km entfernt zu sein. davon, das Ariovist ja vorher schon drei Tage gegen Besancon gezogen ist, will ich gar nicht reden. Man spürt geradezu Ariovists Aggressivität!
Ach ja, die 100 Gaue der Sueben. Die mußte Cäsar natürlich auch stoppen. Und, als Ariovist scheiterte, haben die abgedreht und waren nie mehr gesehen? Hat außer den Treverern, falls die diese Gaue je gesehen oder gemeldet hatten, überhaupt jemand je zu Gesicht bekommen? Und dann heißt der eine Führer auch noch Cimbrius. na wenn das nicht Grund zu Besorgnis in Rom ist!

Wie Ariovist so schön gesagt haben soll: Das Recht des Krieges gestattet es dem Sieger, dem Besiegten nach Belieben zu gebieten. Wer die Macht hat, braucht keine rationale Rechtfertigung für seine Forderungen, er kann einfach verlangen.
Hier spricht allein Cäsar und er legt Ariovist in den Mund, was Cäsar möchte, das es seine Leserschaft in Rom liest.

Vor allem wollte Caesar wohl bei den Häduern die romfreundlichen Kräfte stärken und an sich binden. Und wenn er die Hegemonie über Gallien anstrebte, konnte er keinen konkurrierenden Machtfaktor wie Ariovist dulden. Da kam ihm das Hilfsersuchen von Ariovists Gegnern gerade recht. Diese wiederum werden sich darüber im Klaren gewesen sein, dass sich jemand wie Caesar gegen Ariovist mobilisieren lassen würde.
Das alles widerspricht aber nicht Caesars Darstellung über Ariovists Umgang mit den Galliern. Im Gegenteil: Da Caesar den Ariovist einst selbst ausgezeichnet hatte, war es für ihn eigentlich peinlich, wenn er jetzt eingestehen musste, dass er einen Tyrannen ausgezeichnet hatte. Caesar hätte also eher Grund gehabt, den Ariovist möglichst reinzuwaschen und die Schuld für den Krieg gegen Ariovist z. B. dem Dumnorix und den Sequanern anzulasten, die durch ihre Umtriebe dafür gesorgt hätten, dass es zum Konflikt zwischen Caesar und Ariovist kam.
Zum Teil gebe ich dir Recht. Cäsar mußte erklären, warum er jetzt Ariovist angriff, hatte er ihn doch 59 selbst mit der Würde eines rex et amicus ausgezeichnet. ih denke auch, daß Ariovist mittlerweile nicht mehr nur Juniorpartner der Sequaner war, der für ihre Interessen Söldner stellte. Mit seinen ca. 15,000 Mann war er sicherlich ein Größe, die Haruden führten dann noch zusätzlich Truppen zu. Allerdings muß man sich die Frage nach der Art von Ariovists Herrschaft stellen. Herrschte er über Triboker, Nemeter und Vangionen und zudem über die Haruden, Markomannen, Sedusier und Sueben oder führte er diese Gruppen nur gegen Cäsar, sonst waren sie ihm aber nur lose unterstellt oder allenfalls Verbündete?
 
Ich wollte nicht auf die Standesunterschiede, sondern auf das Bürgerrecht hinaus. Dass die gallischen Provinzen schon relativ bald nicht anders behandelt wurden als andere Provinzen (sondern vielleicht sogar besser, wenn man an den Landtag der drei gallischen Provinzen denkt, der als Einrichtung nicht für alle Provinzen nachgewiesen zu sein scheint), ändert nichts am Unterschied zwischen Gallien und Italien.
Das ist natürlich richtig. Man könnte jetzt fachsimpeln, ob die Frage nach dem Bürgerrecht für die einfachen Gallier überhaupt Auswirkungen hatte, da die Menschen in Klientelstrukturen und sonstige Abhängigkeiten eingebunden blieben (gallisches Gesellschaftssystem bestand unverändert fort). Aber im Grundsatz gebe ich Dir Recht. Die "einfachen Leute" werden vom römischen Bürgerrecht lange nicht profitiert haben.

Es geht mir darum, dass bei den Galliern in der politischen Praxis an den mächtigen Adligen offenbar kein Weg vorbeiführte:
...
Wenn es allerdings mehrere konkurrierende mächtige Adlige gab, dann hatte das formale Stammesoberhaupt häufig ein Problem - und dann wurde der ganze Stamm für Caesar zum Unsicherheitsfaktor, weil sich nicht vorhersagen ließ, wie sich die stammesinternen Machtkämpfe weiter entwickeln würden - und ob der Stammesführer seine Verpflichtungen gegenüber den Römern im Stamm wirklich durchsetzen könne.
Auch hier Zustimmung. Ich sehe es so, dass die keltische Gesellschaft eine Pyramide von Klientelbeziehungen war. Ganz oben gab es eine Gruppe von Mächtigen, die miteinander um die Vorherrschaft konkurrierten. Durchaus auch mit wechselnden "Köpfen" an der Spitze. Die vielen Aufstände belegen, dass diese Häuptlinge aus Caesars Sicht unsichere Kantonisten waren. Das ist aber nicht weiter verwunderlich, denn all das spielte sich noch während des Krieges ab - der für die Gallier insgesamt sehr blutig war. Da war Widerstand zu erwarten. Allein mit militärischer Gewalt ließ sich dieser Widerstand nicht beseitigen - ganz wie Clausewitz es beschrieben hat: Der eigentliche Zweck eines Krieges ist mit den Mitteln des Krieges zumeist nicht zu erreichen. Das muss politisch geschehen. Nachdem Gallien mit Gewalt unter römische Herrschaft gezwungen worden war, begann diese Politik - indem die Römer kritische Häuptlinge links liegen ließen und die romfreundlichen Kräfte begünstigten.

Von den "typischen" Aufständen nach der Einführung von Steuern abgesehen, hat das ganz gut funktioniert.

MfG
 
Interessant ist bei der Auseinandersetzung zwischen Häduern und Sequanern - von den Arvernern, die zwar kurz genannt werden, dann aber nicht wieder auftauchen - daß die Häduer Geiseln stellen, aber nicht Diviciacus. warum ist er nicht in die verträge mit den Sequanern und Ariovist eingebunden? Dumnorix ist interessanter Weise in die häduischen Verpflichtungen gegenüber Cäsar eingebunden.
Hieß es nicht irgendwo, dass Diviciacus auch Druide war? Die standen abseits der Stammespflichten und waren unter anderem von den üblichen Kriegsfolgen nicht betroffen - wenn ich mich recht erinnere (ohne Gewähr).

Was Deine Zweifel an der Reinheit von Caesars Motiven betrifft: Man kann getrost davon ausgehen, dass er seinen Bericht "geschönt" hat, um sein Vorgehen in Gallien zu rechtfertigen. Er "brauchte" die Germanen als Feinde, um die Eroberung Galliens begründen zu können. Ich würde aber nicht so weit gehen, die Berichte Caesars insgesamt in Frage zu stellen. Caesars Bericht gilt allgemein als zuverlässig.

Dass es Kämpfe zwischen Germanen (gemeinsam mit Sequanern) gegen die Haeduer gab, steht so nicht nur bei Caesar, sondern auch bei anderen römischen Geschichtsschreibern. Appian zum Beispiel berichtet, dass Ariovist schon vor dem Eintreffen Caesars in Gallien den Rhein überschritten und mit seinen Truppen einen Teil des Landes der Haeduer besetzt hatte. Laut Appian war eben das der Hintergrund dafür, dass Ariovist zum "König und Freund des römischen Volkes" ernannt worden war: Die Römer hätten verlangt, dass die Sueben das Haeduer-Land räumen, Ariovist habe sich diesem Befehl gefügt und im Gegenzug um seine Ernennung zum Freund bebeten.

Schon das zeigt, dass die Römer mit Ariovist durchaus verhandeln konnten und dass Caesars Kriegszug möglicherweise nicht wirklich notwendig war.

Allerdings muß man sich die Frage nach der Art von Ariovists Herrschaft stellen. Herrschte er über Triboker, Nemeter und Vangionen und zudem über die Haruden, Markomannen, Sedusier und Sueben oder führte er diese Gruppen nur gegen Cäsar, sonst waren sie ihm aber nur lose unterstellt oder allenfalls Verbündete?
Wie gerade geschrieben, waren es die Römer, die Ariovist zum "König" ernannt hatten. Welche Befugnisse er innerhalb der germanischen Gesellschaft hatte, bleibt damit völlig offen. Ich vermute, dass er gar keine Befehlsgewalt über irgendwelche Stämme hatte. Es sieht eher so aus, als wäre er der Anführer einer Landnahmeaktion gewesen, deren Teilnehmer Freiwillige aus ganz verschiedenen Stämmen waren. Wer Lust hatte, in Gallien zu leben und vielleicht ein bisschen zu plündern, war eingeladen mitzumachen.

MfG
 
Hieß es nicht irgendwo, dass Diviciacus auch Druide war? Die standen abseits der Stammespflichten und waren unter anderem von den üblichen Kriegsfolgen nicht betroffen - wenn ich mich recht erinnere (ohne Gewähr).
Cicero erwähnt einen Diviciacus bzw. Divitiatus, der während einer Delegationsreise bei ihm gewohnt hat. Es deutet vieles darauf hin, daß dies unser Diviciacus ist, der 61 v. in Rom weilte. In wie weit Cäsars Informationen über die Druiden aber der realität entspricht, kann man nur spekulieren. Sicherlich könnte dies auch eine Erklärung dafür sein, warum Diviciacus keine Geiseln stellte.

Was Deine Zweifel an der Reinheit von Caesars Motiven betrifft: Man kann getrost davon ausgehen, dass er seinen Bericht "geschönt" hat, um sein Vorgehen in Gallien zu rechtfertigen. Er "brauchte" die Germanen als Feinde, um die Eroberung Galliens begründen zu können. Ich würde aber nicht so weit gehen, die Berichte Caesars insgesamt in Frage zu stellen. Caesars Bericht gilt allgemein als zuverlässig.
Ich wiederhole mich da gern, Cäsar ist zuverlässig, wo er sich klar sein muß, daß man ihm in Rom auf die Finger schauen konnte. Wo er davon ausgehen konnte, daß man es in Rom nicht besser wußte, weicht Cäsar gerne mal von der Wahrheit ab oder ein beliebter Stil Cäsars ist es, Unwahrheiten stets von anderen Berichten zu lassen. Die Treverer berichten über 100 pagi, die Remer berichten über den Angriff von Unmengen Belgen, die Häduer stellen die sequanische Situation dar, die Häduer behaupten, die Bellovaker wären einst ihre Klienten gewesen und, und, und.


Dass es Kämpfe zwischen Germanen (gemeinsam mit Sequanern) gegen die Haeduer gab, steht so nicht nur bei Caesar, sondern auch bei anderen römischen Geschichtsschreibern. Appian zum Beispiel berichtet, dass Ariovist schon vor dem Eintreffen Caesars in Gallien den Rhein überschritten und mit seinen Truppen einen Teil des Landes der Haeduer besetzt hatte. Laut Appian war eben das der Hintergrund dafür, dass Ariovist zum "König und Freund des römischen Volkes" ernannt worden war: Die Römer hätten verlangt, dass die Sueben das Haeduer-Land räumen, Ariovist habe sich diesem Befehl gefügt und im Gegenzug um seine Ernennung zum Freund bebeten.

Schon das zeigt, dass die Römer mit Ariovist durchaus verhandeln konnten und dass Caesars Kriegszug möglicherweise nicht wirklich notwendig war.
Ich gehe durchaus davon aus, das Sequaner und Ariovist einen Sieg über Häduer errangen und dadurch Einfluß auf Zölle am Arar erhielten. Ob die Ariovist-Germanen aber wirklich Häduerland besetzt hielten, halte ich für zweifelhaft. Ich will jetzt nicht Appian niedermachen. Er erwähnt vieles, was wir von Cäsar nicht erfahren. Er schreibt aber auch fast 200 Jahre nach den Ereignissen. Was wirklich bei magetobriga passierte, wissen wir nicht. ich las gerade mal wiki zum Thema Magetobriga. "Ariovist vernichtete in dieser Schlacht einen Großteil der gegnerischen Armee und unterwarf dadurch große Gebiete in Gallien." Was für ein Quatsch. Gibt es dafür auch nur irgendeinen stichhaltigen Beweis?

Wie gerade geschrieben, waren es die Römer, die Ariovist zum "König" ernannt hatten. Welche Befugnisse er innerhalb der germanischen Gesellschaft hatte, bleibt damit völlig offen. Ich vermute, dass er gar keine Befehlsgewalt über irgendwelche Stämme hatte. Es sieht eher so aus, als wäre er der Anführer einer Landnahmeaktion gewesen, deren Teilnehmer Freiwillige aus ganz verschiedenen Stämmen waren. Wer Lust hatte, in Gallien zu leben und vielleicht ein bisschen zu plündern, war eingeladen mitzumachen.

MfG
Zum König ernannt hatten sie ihn nicht. Sie gestatteten ihm den protokollarischen Rang eines rex et amicus. Das ist vergleichbar mit mittelalterlichen Quellen, wenn fränkische Chronisten Personen mit dux anreden, nichtfränkische Quellen aber mit rex. Ariovist war auch ohne den römischen Titel König über irgendwelche Germanen. ich gebe dir aber völlig Recht, über welche dauerhaft und über wieviel ist vollkommen ungewiß. Cäsar nennt ihn König der Germanen, rex germanorum. Ariovist war das sicher nicht.
 
@beorna
Ein kurzer Zwischenruf:

Ich glaube beobachtet zu haben, dass Völker auch gut leben ohne
"Adel, Senat und Reierei"

Mein Topfavorit für den Schreibfehler der Woche. Passt aber.
 
@beorna
Ein kurzer Zwischenruf:

Ich glaube beobachtet zu haben, dass Völker auch gut leben ohne
"Adel, Senat und Reierei"

Mein Topfavorit für den Schreibfehler der Woche. Passt aber.
Ich sollte nachts das Licht anmachen, wenn ich schreibe und nochmal Korrektur lesen. Ich hatte die Reierei schon bemerkt, aber war zu spät es zu ändern. Schon mal ne Vorschau auf so manchen morgen :D
 
Hi:winke:,
Ich interessiere mich sehr für die Kelten und frage mich, warum bloß Caesar die Kelten vor allem in Gallien erobern konnten...
Wie konnte er das schaffen, es waren doch soo viele Stämme? Ich habe in Büchern schon etwas darüber gelesen, aber da wurde meine Frage nicht wirklich zufriedenstellend für mich beantwortet. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich noch zu jung bin, um so was zu verstehen=).
Könnt ihr mir helfen?

Ich hab Cäsers Buch auch schon mal gesesen u. finde die Antworten auf Deine Frage o.k. Vielleicht als Ergänzung, weil es soo viele Stämme gab, die untereinander oft Streit hatten... die Römer dagegen einen Staat (ob Republik od. Imperium) u. konnten ihre Militärkräfte besser bündeln.
Cäser war ein genialer Stratege, der die Kelten meisterhaft gegeneinander ausspielte.
Darüber hinaus waren die Kelten zu jener Zeit (80-70 v.Chr.) von den Germanen bedrängt, die in riesigen Massen schon seit längerem in den süddeutschen Raum drangen. Zur Zeit Cäsars gab es rechtsrheinisch lediglich noch die Helvetiker (im heutigen schweizer Voralpenland). Die Böer, nach denen Böhmen benannt ist, die Cäser die legendärsten Kelten nannte, waren schon im heutigen französischen Raum.
U. die Treverer z.B. (nach denen Trier benannt ist), die bei Nohfelden, Saarland (fahr mal hin) die größte Keltenburg Europas hatten, werden von ihm als kelto-germanisches Mischvolk bezeichnet.
Aber wenn Du Dich ernsthaft für die Kelten interessiert, les einfach mal Cäsars Buch De Bellum Gallico (od. so ähnl.) natürlich in deutscher Übersetzung (ich habe eine kostengünstige Reclameausgabe). Ich kann es Dir nur empfehlen.
Cäsar kannte die Kelten sehr gut u. gilt als glaubhafter Historiker.
 
Zur Zeit Cäsars gab es rechtsrheinisch lediglich noch die Helvetiker (im heutigen schweizer Voralpenland).
Caesar schreibt selbst, dass auch rechts des Rheins noch Gallier siedelten: In 6,24 des "Gallischen Krieges" erwähnt er, dass noch zu seiner Zeit Tektosagen im Herkynischen Wald lebten.

Die Böer, nach denen Böhmen benannt ist, die Cäser die legendärsten Kelten nannte, waren schon im heutigen französischen Raum.
Eigentlich kamen sie doch erst dorthin. In 1,5 schreibt Caesar, dass die Helvetier bei ihrer Auswanderung die rechtsrheinischen Boier, die in Noricum eingefallen waren und Noreia angegriffen hatten, mit sich nahmen. Nach der Schlacht bei Bibracte siedelte er sie im Gebiet der Haeduer als deren Klienten an (1,28; 7,9), und zwar bei der Stadt Gorgobina (7,9).
Wo bezeichnet er sie als die "legendärsten" Kelten?

Cäsar kannte die Kelten sehr gut u. gilt als glaubhafter Historiker.
Das sehe ich zwar auch so, wird aber vielfach anders gesehen, wie auch aus diesem Thread hervorgeht.

Das beginnt schon ganz am Beginn, wo Caesars Darstellung, dass die Auswanderungspläne der Helvetier eine Bedrohung für Gallia Narbonnensis gewesen seien, gerne als reine Propaganda abgetan wird, um seinen Angriff auf sie zu rechtfertigen. Ich will nicht abstreiten, dass Caesar der Anlass als Kriegsvorwand recht kam, aber frei konstruiert war er nicht, denn dass man sogar in Rom die Helvetier als Bedrohung sah, beweist ein Brief Ciceros (Ad Atticum 1,19) aus dem Jahr 60 v. Chr. (also noch vor Caesars Konsulat und Statthalterschaft), in denen er von Einfällen der Helvetier in die Provinz berichtet und dass der Senat die Lage zeitweise als so ernst ansah, dass er von den beiden amtierenden Konsuln dem einen Gallia Cisalpina und dem anderen Gallia Narbonnensis zuteilen wollte, Truppen ausgehoben werden sollten und Gesandte nach Gallien geschickt werden sollten, um die gallischen Stämme davon abzuhalten, sich an die Helvetier anzuschließen. Eine Art "Krieg in Sicht"-Stimmung also.
 
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