Der Rassebegriff biologisch und politisch

UNESCO-Erklärung gegen den "Rasse"-Begriff

UNESCO-Erklärung gegen den "Rasse"-Begriff

Übersetzt aus dem Englischen von Prof. Dr. Uwe Karrmann, Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg.

Aus: Mitteilungen, Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, ein, Folge 129, Dezember 1996, S. 4.

Rasse im Begriffsverstndnis der UNESCO
 
Dennoch sind überblicksartige anthropologische Charakterisierungen zuweilen sehr nützlich.

Wenn z.B. davon gesprochen wird, dass die in der Taklamakan-Wüste gefundenen Mumien, die etwa 2000 Jahre alt sind, einen "europiden Typus" aufweisen, so weiß jeder, was das bedeutet

Genau. Gemeint ist: "Die sehen aus wie Europäer"; der Terminus "europider Typus" hört sich noch ein wenig gelehrter an, aber damit sollte niemand Probleme haben.
 
Was machst Du dann noch hier, im Geschichtsforum?

Schlecht zitiert, wir können Rückschlusse und Analogien bilden, wir können ein Bild der Vergangenheit entwerfen, auch diese Bilder werden sich ändern und entwickeln. Die Wissenschaft wird in hundert Jahren ganz anders aussehen, man schmunzelt dann vielleicht über unserer Beiträge. Das ist ein permamenter Prozess. Das ist auch sehr interessant, deswegen bin ich hier, die historische Wahrheit (falls es so etwas gibt) erfahren wir nicht, wir versuchen ein vorsichtiges Herantasten, aber es werden immer Bilder bleiben, es wird immer Stückwerk bleiben (bis mal endlich die Zeitmaschine erfunden ist und auch das reicht nicht). Es ist wie eine Art riesiges Puzzle, deswegen macht Geschichte soviel Spass.
 
Ich wollte erst in einen rezenten Thread posten, aber der [1] hängt, wie MODseitig zu Recht bemerkt, an der Frühzeit.

Heute morgen las ich im Pressespiegel von den Bemühungen gewisser deutscher Vereinigungen, die "Abstammung von Angehörigen des deutschen Volkes" zum Beitrittskriterium zu machen [2]; das sei aber eher "bewusstseinsmäßig" gemeint und nicht etwa bezogen auf "Körpermerkmale und Gesichtszüge".

Diese Einleitung soll nicht den Versuch darstellen, auf krummen Wegen in eine - regelmäßig verbotene - tagespolitische Diskussion einzusteigen. Mir fiel bloss "schlagartig" wieder ein, dass es offenbar ein starkes Bedürfnis der Abgrenzung gibt, welches sich an alle denkbaren äußeren und inneren Merkmale heften kann; hierauf hatte ich mich schon in #28 (im Anschluß an rena8) bezogen habe.

Nun gibt es weiterhin seriöse Leute, die "Menschenrasse" für ein brauchbares Konstrukt halten [3] und sei es auch nur im Hinblick auf die Frühzeit (den ursprünglichen "Genpool" usw.), wobei aber auch das heutige "Aussehen" als signifikant angesehen wird. Als Hilfsargument kann dabei dienen, dass z.B. in den USA "rassische" Kriterien bzw. Einteilungsraster durchaus noch gang und gäbe sind [4], was man wiederum deuten könnte als "pragmatische(n) Ansatz", dessen "überblicksartige anthropologische Charakterisierungen zuweilen sehr nützlich" sind (siehe oben #33).

Bei alledem kann es kaum Zweifel geben, dass in gewissen Kreisen - nicht hier im GF! - "Rasse" immer noch als Bestandteil einer Wertordnung angesehen wird. Für viele ist das ein Grund, den Wortgebrauch, was Menschen betrifft, grundsätzlich abzulehnen. Eine Frage, die bis ins Verfassungsrecht hineinragt: Unsere Verfassungsgeber entschieden sich bekanntlich 1949 dafür, den völlig desavouierten Begriff "Rasse" im Grundgesetz zu erwähnen und gleichzeitig zu bestimmen, dass jedwede Bezugnahme darauf in rechtlicher Hinsich null und nichtig ist. Seitdem wird darüber diskutiert, ob dieses "Relikt" nicht besser beseitigt werden sollte.[5]


[1] Genetische Vielfalt des Homo sapiens - Geschichtsforum.de - Forum für Geschichte
[2] Eklat beim Jahrestreffen: Volksdeutsches Burschengefecht | Politik- Frankfurter Rundschau
[3] http://www.geschichtsforum.de/334148-post17.html
[4] http://www.geschichtsforum.de/485440-post93.html
[5] Vgl. Deutsches Grundgesetz: Menschenrechtler fordern Streichung des "Rasse"-Begriffs | Politik | ZEIT ONLINE
 
Bei alledem kann es kaum Zweifel geben, dass in gewissen Kreisen - nicht hier im GF! - "Rasse" immer noch als Bestandteil einer Wertordnung angesehen wird. Für viele ist das ein Grund, den Wortgebrauch, was Menschen betrifft, grundsätzlich abzulehnen. Eine Frage, die bis ins Verfassungsrecht hineinragt: Unsere Verfassungsgeber entschieden sich bekanntlich 1949 dafür, den völlig desavouierten Begriff "Rasse" im Grundgesetz zu erwähnen und gleichzeitig zu bestimmen, dass jedwede Bezugnahme darauf in rechtlicher Hinsich null und nichtig ist. Seitdem wird darüber diskutiert, ob dieses "Relikt" nicht besser beseitigt werden sollte.

Eigentlich sprichst Du hier mindestens 2 Ebenen an (siehe auch Themenüberschrift): den wissenschaftlichen Aspekt, für den das Kriterium offensichtlich erledigt ist, und ... alle übrigen Bereiche, in dem der Begriff Verwendung findet bzw. anzutreffen ist.

Ob man da nun das Grundgesetz heranzieht, dessen Begriffsverwendung vom unmittelbaren zeitlichen Kontext geprägt war, oder die Unesco, ist wohl von der Fragestellung abhängig. Die Verwendung im GG ist mE anhand der danach zu beobachtenden Entwicklung auch in der Wissenschaft heute auszulegen; ob der Begriff unverändert im GG erhalten bleiben soll oder eine teleologische Auslegung der Formulierung des Verbotes ausreichend ist, wäre eine tagespolitische Frage, die hier nicht erörtert werden kann.

Diskutierbar wäre sicher, warum dieser Begriff damals verwendet wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Diskutierbar wäre sicher, warum dieser Begriff damals verwendet wurde.
Seidel [1] schreibt zur Entstehungsgeschichte, dass mit der Nennung des Begriffs "der Rassenwahn aus der nationalsozialistischen Zeit thematisiert" werden sollte. Außerdem habe man sich an den Sprachgebrauch der UN-Charta und der Menschenrechtskonvention anlehnen wollen. Eine Definition von "Rasse" wurde - absichtlich oder nicht - gegeben.

[1] Rassendiskriminierung als Eingriff ... - Google Books - vgl. auch S. 38

PS: Apropos "thematisieren":
Die DDR-Verfassung von 1949 ging in die gleiche Richtung. 1968 hielt man es dann für notwendig, eigens hervorzuheben, dass man "auf ihrem [DDR-]Gebiet den deutschen Militarismus und Nazismus ausgerottet" hätte (Art. 6 Abs. 1).
 
Zuletzt bearbeitet:
Seidel [1] schreibt zur Entstehungsgeschichte, dass mit der Nennung des Begriffs "der Rassenwahn aus der nationalsozialistischen Zeit thematisiert" werden sollte.

Danke sehr!

Damit knüpft der Begriff nicht bei der Frage an, ob der Rassebegriff gesellschaftlich/politisch/naturwissenschaftlich oder sonstwo "brauchbar", berechtigt, anerkannt oder angemessen ist.
 
Der Begriff "Rasse" war damals trotz NS-Wahn noch wertfrei und blieb es noch Jahrzehnte. In allen Lehrbüchern, Ost wie West, wurde er verwendet. Ad absurdum wurde er erst, als die Genetiker Anfang der 1990er eingriffen.
 
So ganz verstehe ich noch nicht, warum man den Begriff "Rasse" beim Homo Sapiens nun völlig verworfen hat. Hat es mit dem völlig überzogenen "Rassenwahn" des ausgehenden 19. Jh. und im 20. Jh. zu tun? Und weil sich deshalb niemand mehr ernsthaft und wissenschaftlich damit beschäftigen mag?
Ob man es nun "Rasse", "Sub-Species" oder "Phänotyp" nennt (für den gemeinen Bürger ist das ohnehin genau das gleiche), fest steht, daß es in unserer Species Gruppen gibt, die sich optisch so ausreichend stark unterscheiden, daß wir sie immer wieder irgendwie in Gruppen einteilen möchten. Dieses Schubladendenken scheint in uns drin zu stecken.
Sie es drum. Fest steht auch, daß es nun mal genetisch bedingte Unterschiede "im Aussehen" gibt, die eine Einteilung in wie auch immer genannte Gruppen möglich macht. Ich erinnere da nur an die durchschnittlich geringere Körpergröße bei den Pygmäen oder eben die Schlitzäugigkeit bei den Ostasiaten etc. Natürlich haben es verschiedene "Rassen" auch so an sich, daß sie sich vermischen können.
Oder ist das der Grund? Eine inzwischen zu starke Vermischung unterschiedlicher Gruppen?
( Einfach mal laut nachgedacht... :grübel: )
 
So ganz verstehe ich noch nicht, warum man den Begriff "Rasse" beim Homo Sapiens nun völlig verworfen hat.

Hast Du den link in #50 gelesen?

Der Begriff "Rasse" war damals trotz NS-Wahn noch wertfrei und blieb es noch Jahrzehnte. In allen Lehrbüchern, Ost wie West, wurde er verwendet. Ad absurdum wurde er erst, als die Genetiker Anfang der 1990er eingriffen.

Dem steht wohl die Unesco 1950 bzgl. "Ebene 2" entgegen, siehe links oben von jschmidt und mir.
 
Lag in jeder DDR-Bibliothek...
Die Bildtafeln erinnern an einschlägige Nazi-Bücher, obwohl Nesturch ein sowjetischer Anthropologe war.
M. F. Nesturch: Menschenrassen Urania-Verlag Leipzig (Verlag für populärwissenschaftliche Literatur), Jena, Berlin 1960 "mit 16 Bildtafeln und 62 Textabbildungen
 
Lag in jeder DDR-Bibliothek...

Mag ja sein, dort wie auch in bundesdeutschen Bibliotheken lag viel herum.

Das sollte man aber nicht wie bei Abstimmungen zählen, und führt wohl nicht viel weiter. Mir lag nur daran, auf den einsetzenden Wandel hinzuweisen, der den von Dir erwähnten wertfreien Gebrauch nicht mehr als "allgemein" oder gar akzeptiert erscheinen läßt.
 
Also, @ Barbarossa
Der "Deutsche Schäferhund" als Hunderasse ist ein , ja , stehender Begriff, für Hunderasse, Rassereinheit etc. Nun gibts von dem unterschiedliche "Schläge", nicht nur den klassischen, sondern auch gewölkt, schwarz, usw.. Die langhaarigen sind schon keine mehr, nach dem DSHV?,
Wenn ich die Genetiker richtig verstanden habe, unterscheidet sich ein Pygmäe von einem Eskimo weniger bzw genauso, wie ein gewölkter Deutscher Schäferhund von einem Schwarzen Deutschen Schäferhund.
Sozusagen Homo ..., Rasse Homosapiens, kaukasische Linie, das wären wir.

Es kann durchaus passieren, das 2 Kaukasier ein schwarzes Kind bekommen, ohne das Afrikaner o.ä. in den Familien waren. Passiert ist das einmal vor Jahrzehnten in Südafrika zu Zeiten der Apartheit, den Ärger kannst Du Dir vorstellen.
 
Der "Rassebegriff" in der Haustierzucht ist ein Anachronismus aus alter Zeit. Genetisch sind die Unterschiede quasi nicht fassbar, so unterschiedlich die Phänotypen auch sind. Betrifft wahrscheinlich nur wenige loci im Gesamtgenom.
Tom Gerhardt alias Hausmeister Krause lässt mit seinem faschistoiden Züchterverein grüßen (Alles für den Dackel...).

Es kann durchaus passieren, das 2 Kaukasier ein schwarzes Kind bekommen, ohne das Afrikaner o.ä. in den Familien waren. Passiert ist das einmal vor Jahrzehnten in Südafrika zu Zeiten der Apartheit, den Ärger kannst Du Dir vorstellen.
Der Ärger kam zustande, weil beide Eltern irgendwo eine schwarze Urgroßmutter in der Ahnentafel hatten. Der Begriff Kaukasier, in den USA noch gebraucht, ist mit Verlaub Blödsinn.
 
Zuletzt bearbeitet:
Natürlich haben es verschiedene "Rassen" auch so an sich, daß sie sich vermischen können.
Bevor die Diskussion wieder auf den Hund kommt, mein Vorschlag: Diskutieren wir die "Mischung"!

Unterm Stichwort "Rasse / 2. Rassenanthropologie" schrieb Adolf Haas SJ 1961 [1]
"'Reine Rassen' gibt es beim Menschen praktisch nicht, ... Wenn von 'reinen' Vertretern eines Typus gesprochen wird, kann das nur erscheinungsbildlich-deskriptiv gemeint sein. Rassen-Mischung ist nicht biologisch schädlich. Allgemeine Regeln und Werturteile über das Ergebnis von Rassen-Kreuzungen lassen sich nicht aufstellen. Oft bilden allerdings die Mischlingseltern eine negative Auslese, und die Mischlinge selbst wachsen dann unter ungünstigen Umständen auf, was zu einem Fehlurteil über Rassenmischung führt."
Wie ist das zu beurteilen?


[1] Staatslexikon, 6. Aufl., Bd. 6, Sp. 592 f.
 
"Oft bilden allerdings die Mischlingseltern eine negative Auslese, und die Mischlinge selbst wachsen dann unter ungünstigen Umständen auf, was zu einem Fehlurteil über Rassenmischung führt."
Damals und auch heute waren Mischehen in der Ober- und Mittelschicht der USA eher eine Ausnahme. Das dürfte der Autor vor Augen gehabt haben.
 
Zurück
Oben