Das Verschwinden des Rittertums ist bedingt durch die Entwicklung der gesamten europäischen Gesellschaft, in der die Entwicklung der Militärtechnik nur ein kleinen Teilaspekt darstellt. Das zu dieser Frage ein bereits heißdiskutiertes Parallelthema existiert, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.
Was die hier aufgeworfene Frage der Bedeutung von Bögen und Armbrüsten für das Verschwinden des Rittertums angeht, so bin ich der Meinung, daß diese Waffen maßlos überschätzt werden. Auch ich bin in der Schule dahingehend unterrichtet worden, daß die Armbrust den Untergang des Ritters bedeutet habe. Diese Darstellung ist einfach und daher gut zu vermitteln, aber nicht richtig. Ich möchte meine Meinung wie folgt begründen:
Die im Mittelalter verfügbaren ballistischen Handwaffen (Armbrust und Langbogen) waren im Gefecht, insbesondere in einer Schlacht, aufgrund ihrer Natur nur Unterstützungswaffen. Jede Schlacht wurde erst durch die direkte Begegnung der Blankwaffenträger entschieden, die Unterstützungswaffen konnten diese Begegnung nur vorbereiten. Bei Schlachten, die auf andere Weise entschieden wurden, lagen immer besondere Umstände vor, wie hier an anderer Stelle bereits erwähnt wurde. Z.B. war bei Agincourt die französische Führung völlig konfus, die Aufstellung des Heeres denkbar ungeschickt und der weiche, nasse Boden ein entscheidendes Hindernis. Das Ergebnis war eine spektakuläre Niederlage der Franzosen, und das Erstaunen darüber täuscht üner die militärisch-technische Bedeutungslosigkeit der Schlacht hinweg.
Ohne zu sehr in die Spekulation abzugleiten, möchte ich behaupten, daß unter ausgeglicheneren Umständen (fester Boden, geordneter Einsatz der französischen Truppen, massiver Reitereiangriff) selbst bei einer weniger krassen numerischen Überlegenheit der Franzosen deren Sieg sicher gewesen wäre.
Der militärische Niedergang des Rittertums wurde entscheidend bedingt durch das Aufkommen einer wirklichen Infantrie, alle Fernkampfwaffen (Bogen, Armbrust und auch Feuerwaffen) waren dabei nützliche, aber nicht entscheidende Hilfsmittel. Ich möchte das an dieser Stelle nicht weiter ausführen, da ich mich dazu in der erwähnten Paralleldiskussion eingehend geäußert habe und hier nicht noch mehr Platz füllen möchte.
Eine weitere Anmerkung möchte ich mir noch erlauben:
Man sollte sich auch nicht zu dem Trugschluß verleiten lassen, daß mit dem Verschwinden des Rittertums die Reiterei ihre Bedeutung gänzlich verloren hätte. Nachdem sie ebenfalls ihre Transformation zur taktischen Einheit, der Kavallerie, vollzogen hatte, stieg ihre Bedeutung wieder stark an, so z.B. bestanden die Heere des Dreißigjährigen Krieges bis zur Hälfte aus Kavallerie. Selbst als das Pferd durch die enorme Steigerung der Feuerkraft der Heere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Reittier für das Gefecht unbrauchbar wurde, wandelte sich die Kavallerie im Ersten Weltkrieg zur Panzerwaffe und blieb als solche bis heute erhalten.