Die Frau als Herrscherin

Auf die Frage oben kann man antworten: Ja. Es gab Herrscherinnen, wenngleich nur wenige, z.B. Mathidle von Canossa, Eleonore von Aquitanien, die bereits erwähnte Margate von Tirol, in Polen König Hedwig, und in Neapel gleich zwei Johannas suo jure. Die weibliche Erbfolge und Herrschaft galt nicht als wünschenswert, war aber nur in wenigen Territorien (bspw. Frankreich) explizit verboten.

Dass Frauen dennoch kaum jemals aus eigenem Recht regieren konnten, hatte meines Erachtens nur bedingt religiöse oder misogyne Gründe*, sondern vor allem dynastische. Im Feudalstaat gründete die Macht des Herrschers auf der Kontinuität des Herrscherhauses, denn nur sie konnte den Vasallen politische und rechtliche Sicherheit garantieren. Häufige Wechsel an der Spitze der Lehnspyramide torpedierten ihre eigenen Ambitionen und brachten sie in Gefahr, zugunsten von Anhängern der neuen Dynastie verdrängt zu werden.

Das Problem einer hypothetischen Herrscherin war weniger, dass im Falle ihrer Heirat ihr Ehemann Mit- oder alleiniger Herrscher aus ihrem Recht geworden wäre; schon die Furcht vor fremder Einflussnahme garantierte vielen Erbinnen zumindest die fortgesetzte Co-Herrschaft, siehe z.B. Maria von Burgund oder Maria Tudor (die auch nach der Heirat mit Philipp von Spanien faktisch allein regierte).

Viel problematischer war der dynastische Wechsel, der mit einer Herrscherin einhergehen musste, da ihre Kinder der Familie ihres Mannes zugerechnet wurden. Mit einer regulären weiblichen Erbfolge (oder gar bei einem Erbgang ohne Ansehen des Geschlechts) wäre also jedes Mal eine neue Familie an die Macht gekommen. Angesichts der oft gewaltsam ausgetragenen Erbstreitigkeiten war das nicht erstrebenswert, es war sinnvoll, die Zahl der möglichen Erben der Herrschaft maximal zu beschränken.

*) In diesem Zusammenhang wird immer wieder auf 1. Korinther 11:3 verwiesen, aber es gab ja Herrscherinnen, und in noch größerer Zahl Regentinnen, die den Grundsatz, die Frau sei dem Manne untertan, durchbrachen.

Und auch wenn die Auffassung, dass Frauen zum Regieren nicht "taugten" (schon weil man sie nicht als waffenfähig ansah), gewiss weit verbreitet war, so war dies doch nur eine Facette der Erwartungshaltung der Feudalgesellschaft an die Person an der Spitze der Staates. Minderjährige, alte, gebrechliche, unfruchtbare oder sonstwie körperlich eingeschränkte Männer wurden ebenso beargwöhnt.
 
Das Problem einer hypothetischen Herrscherin war weniger, dass im Falle ihrer Heirat ihr Ehemann Mit- oder alleiniger Herrscher aus ihrem Recht geworden wäre; schon die Furcht vor fremder Einflussnahme garantierte vielen Erbinnen zumindest die fortgesetzte Co-Herrschaft, siehe z.B. Maria von Burgund oder Maria Tudor (die auch nach der Heirat mit Philipp von Spanien faktisch allein regierte).
Ich denke, dass es unterschwellig auch von anderer Seite her etwas mit dem Wunsch nach Stabilität zu tun haben konnte, aber das ist nur eine theoretische Überlegung von meiner Seite her:

Bei Frauen, bestand natürlich immer die Gefahr von Komplikationen während Schwangerschaften oder auch des Todes infolge davon, die Müttersterblichkeit war ja für Frauen durchaus als Risiko gegeben und hinzu kommt natürlich, dass das in der Regel durch häufige Schwangerschaften relativ durchgängig der Fall war.

Nun war es aber sicherlich nicht im Sinne der Stabilität eines Personenverbands oder eines Territorialstaates, wenn man sich auf eine Frau als Herrscherin festlegte, bei der vielleicht im Schnitt alle 2-3 Jahre die Frage im Raum stand, ob sie eine aktuelle Schwangerschaft ohne schwerwiegende Komplikationen überstehen und überleben würde.
Ausgenommen bei geistlichen Herrschaften, wo sich die Problematik nicht stellte.

Natürlich war der plötzliche Tod eines Herrschers oder einer Herrscherin bedingt durch Krankheiten o.ä. immer mit einzupreisen und nie ganz auszuschließen, aber bei Frauen dürfte wegen der Schwangerschaftsproblematik das Risiko größer gewesen sein, während zu viele Herrscherwechsel in kurzer Zeit natürlich aber nicht wünschenswert sein konnten.
 
Wenn es um Frauen sich handelt sollte man unerscheiden:
  • Herrscherinn und
  • Regentin.
Und in der Tat da gibt es im dentschsprachigen Raum wenige.

Ich glaube unter den Herrscherinnen war wohl die erste Herrscherinn:

Margarete von Tirol-Görz (um 1366 erstmals auch als Margarete Maultasch erwähnt) (* 1318 in Tirol - † 3.Oktober 1369 Wien). Was ihr Aussehen anbelangt so gibt es unterschiedliche Meinunugen von hässlich bis schön.


Danach war erstmal Ruhe bis

Maria Theresia von Österreich (* 13. Mai 1717/Wien - † 29. November 1780 ebenda) an die Macht kam.

Unter den Regentinnen sah es etwas anders aus.
  • Den Reigen eröffnete da die Konkubine Fredegunde († 597).
  • Es folgte (?) Loretta von Sponheim (* um 1300 - † 1346).
Weiter ging es dann mit
  • Charlotte Amalie von Hessen-Philippsthal (* 11. August 1730 in Philippsthal (Werra) - † 7. September 1801 Meinigen),
  • Karoline Louise von Hessen-Homburg (* 26. August 1771/Bad Homburg von der Höhe - † 20. Juni 1854/Rudolstadt
Und das wars dann.

Anmerkung:
Nicht erwähnt habe ich die Frauen die durch Heirat Gemahlinnen in anderen Lädern wurden.
Das markanteste Beispiel ist ja Katharina II. – Die Große - in Rußland. Sie heiratete erstmal 1743 den russischen Thronfolger Großfürst Peter Fjodorowitsch.

Und zu Schluß...
Wem habe ich vergessen?

Dann ergänzen ich einmal, wobei ich jetzt mit Absicht die konkreten Hintergründe bzw. die Argumentationen für oder gegen tatsächliche Herrschaft weglasse, damit es nicht zu kompliziert wird. (Bei Regentschaften ist außerdem anzumerken, dass diese im Mittelalter oft nicht von einer Einzelperson übernommen wurde und die Forschungslage oft genug schwierig ist - die Urkunden wurden gewöhnlich im Namen der Person, für die eine Regentschaft geführt wurde, ausgestellt; wenn ein Regentschaftsrat, dem auch die Witwe, Mutter etc. angehörte, einvernehmlich und ohne wesentlichen Konflikte, die Herrschaft führen konnte, lässt sich eine beteiligte weibliche Person leicht übersehen, besonders wenn ohnehin davon ausgegangen wird, dass Frauen dazu nicht berechtigt waen ....), hinzu kommt, dass eigentlich im Heiligen Römischen Reich viele Gebiete in den Geschichtsquellen gar nicht so präsent sind - es macht halt doch einen Unterschied, ob für den Kaiser eine Regentschaft geführt wird oder für einen Grafen oder Herrschaftsinhaber.

(Falls sich mein Beitrag mit anderen überschneiden sollte, bitte ich im Voraus um Entschuldigung. Als ich mit dem Schreiben und der Suche begonnen habe, waren alle von mir angeführten Frauen, ausgenommen Margarete Maultasch und Maria Theresia noch nicht genannt.)

1.) Regentinnen

Regentinnen für Herrscher über das Heilige Römische Reich:

- Kaiserin Theophanu, für den späteren Kaiser Otto III. (Mutter) - Heiliges Römisches Reich
- Kaiserin Adelheid, für den späteren Kaiser Otto III. (Großmutter) - Heiliges Römisches Reich
- Kaiserin Agnes (Agnes von Poitou), für den späteren Kaiser Heinrich IV. (Mutter) - Heiliges Römisches Reich

Regentinnen in Territorien des Heiligen Römischen Reiches
- Adelheid von Susa (gest. 1091), erbte Teile der Grafschaften Ivrea, Auriate, Aosta und Turin, war de facto Markgräfin von Turin und eigentliche Herrscherin, auch wenn der Markgrafentitel nicht von ihr, sondern von ihren Ehemännern geführt wurde, heute nur mehr als Schwiegermutter von Kaiser Heinrich IV. in Fachkreisen bekannt
- Markgräfin Beatrix von Tuszien (gest. 1076), als Witwe Regentin von Tuszien für ihren Sohn Friedrich und nach dessen Tod für ihre Tochter

- Mathilde von Tuszien (gest. 1115), ihre Tochter
- Gertrud von Braunschweig (gest. 1117), Regentin für Markgraf Heinrich II. von Meißen
- Sophia von Bayern (gest. vor 1147), Herzogin von Zähringen und steirische Markgräfin, Regentin für den steirischen Markgrafen Otakar III.
- Kaiserin Richenza (Richenza von Northeim) (gest. 1143) und ihre Tochter Gertrud (gest. 1143), Regentinnen in Sachsen für Heinrich den Löwen
- Kunigunde von Vohburg (gest. 1184), steirische Markgräfin, Regentin für den steirischen Markgrafen Otakar IV., später erster Herzog von Steier
- Agnes von Loon und Rieneck (gest. um 1191), Regentin für Herzog Otto II. von Bayern

- Helena von Dänemark (gest. um 1233), Regentin für den späteren Herzog Otto I. von Braunschweig-Lüneburg
- Mechthild von der Niederlausitz (gest. um 1255), Regentin für die Markgrafen Johann (I.) und Otto (III.) von Brandenburg
- Jutta von Thüringen (gest. 1235), Regentin für Markgraf Heinrich III. von Meißen
- Adelheid von Tirol (gest. nach 1278), Regentin für Graf Meinhard II. von Tirol und Görz (später Herzog von Kärnten) nach dem Tod seines Vaters bis zur Entlassung aus der Salzburger Geiselhaft

- Kaiserin Margarete (Margarete von Holland, Seeland und Hennegau) (gest. 1356), Regentin der Grafschaft Holland und Seeland für ihre Söhne Wilhelm und Albrecht, sie war außerdem Gräfin von Hennegau aus eigenem Recht, bis zu ihrem Tod

- Elisabeth von Brandenburg (gest. 1558), bekannt als Reformationsfürstin, Regentin für Herzog Erich II. von Braunschweig-Calenberg-Göttingen
- Christina von Dänemark (gest. 1590), Regentin für Herzog Karl III. von Lothringen
- Claudia de’ Medici (Toskana) (gest. 1648), Regentin der Grafschaft Tirol und der Vorderen Lande für Erzherzog Ferdinand Karl von Österreich, Graf von Tirol

- Anna Amalia von Braunschweig-Wolfenbüttel (gest. 1807), Regentin des Herzogtums Sachsen-Weimar für Herzog Carl August von Sachsen-Weimar

2.)
Herrscherinnen aus eigenem Recht:
- Bei Margarete von Tirol-Görz wäre anzumerken, dass die Quellenlage unklar ist. Herrscherin aus eigenem Recht war sie nur in der Zeit nach dem Tod ihres Sohnes Meinhard III., bis zur Abdankung zugunsten der Habsburger. Nach dem Tod von Ludwig (V.) von Oberbayern ("Ludwig dem Brandenburger") dürfte sie mit dessen Bruder Stephan um die Regentschaft für ihren Sohn Meinhard III. eine Auseinandersetzung gehabt haben,, die Forschungslage für diese Zeit ist allerdings bisher nicht eindeutig geklärt; ebenso umstritten ist bisher, ob bzw. in wie weit sie während ihrer zweiten Ehe in Abwesenheit von Ludwig dem Brandenburger tatsächlich die Regentin war

- Gertrud von Babenberg (gest. 1288), umstrittene Herzogin von Österreich und Steier, wenn gleich zunächst vom Papst als solche anerkannt, konnte letztlich weder sich in dieser Position behaupten noch als Regentin für ihren Sohn

- Johanna von Mömpelgard, auch Johanna von Burgund (gest. 1349), durch Ehe Gräfin von Pfirt und Gräfin von Württemberg, gelangt als Erbin in den Besitz mehrere Grafschaften im Elsass
- Maria von Burgund, Erzherzogin von Österreich, über jene Teile der Burgundischen Lande, die Lehen des Heiligen Römischen Reichs waren
(mit dem späteren Kaiser Maximilian I. als Mitregent)
- Maria von Jever (gest. 1575), Herrin von Jever

- Bei Maria Theresia wäre noch zu ergänzen, sie war Erzherzogin von Österreich, böhmische und ungarische Königin aus eigenem Recht, mit Kaiser Franz I. Stephan und nach dessen Tod Kaiser Joseph II. als Mitregenten

3.)
Sonderfälle - Regentinnen mit Bezug zum Heiligen Römischen Reich bzw. dessen Kaiser
- Kaiserin Konstanze (Konstanze von Hauteville), für den späteren Kaiser Friedrich II. - allerdings nicht ihn als zukünftigen Kaiser, sondern nur als König beider Sizilien
- Elisabeth von Luxemburg, Königin von Ungarn, umstrittene Regentin für ihren König Ladislaus Postumus
(in der Forschung nicht eindeutig geklärt, ob sie de facto nicht als Königin aus eigenem Recht gesehen werden kann)

4.)
Wenn wir Fredegunde zu den Regentinnen im späteren Heiligen Römischen Reich zählen, wären auch sämtliche andere Merowinger- und Karolinger-Regentinnen zu nennen: Brunichilde, Nanthilde und Bathildis, außerdem vermutlich auch Plektrud und Bertrada.

Es werden sich für Gebiete des Heiligen Römischen Reichs sicher noch weitere Frauen als Regentinnen und vielleicht auch als Herrscherin aus eigenem Recht finden. Daneben gibt es auch noch eine Reihe von angeblichen oder tatsächlichen Erbtöchtern, deren Rolle zu diskutieren wäre.
 
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Hier noch ein zwei Literaturtipps:

Fössel Amalie: Die Königin im mittelalterlichen Reich. Herrschaftsausübung, Herrschaftsrechte, Handlungsspielräume. Mittelalter Forschungen Band 4 Hrsg. Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfureter. Jan Thorbecke Verlag. Stuttgard. 2000. 443 Seiten.

Fössel Amalie (Hg). Die Kaiserinnen des Mittelalters. Friedrich Pustet Verlag Regenbsburg. 2011. 326 Seiten
 
Da habe ich ja mit „Wikipedia“ voll daneben gegriffen.

Da es mir zum wiederholten male passiert, werde ich hier sicher nicht wieder auf halbfertige Aussagen bei Tante "Wiki" zu rückgreifen.
 
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Du musst ja nicht gleich in Sack und Asche gehen deswegen.
Zunächst einmal haben wir das Klischee, dass Frauen eigentlich immer nur Beherrschte gewesen seien und niemals Herrscherinnen, zumindest nicht aus eigenem Recht.

Wenn wir das Ganze mal systematisieren, dann können wir teilen in weltliche und kirchliche Herrschaften.
Die kirchlichen Herrschaften waren in der Regel männlich dominiert, es gab aber eben die Damenstifte, die oft dazu dienten, unverheiratete (und kinderlos verwitwete) hochadelige Damen zu versorgen. Hier war die Fürstäbtissin die Herrscherin über die Herrschaft, reichsunmittelbar.

Bleiben die weltlichen Herrschaften. Dort, wo das salische Recht galt (und angewandt wurde), hatten Frauen aus eigenem Recht keine Herrschaftsoptionen. Der erstgeborene Sohn eines Herrschers war der zukünftige Herrscher und wenn eine Linie im Mannesstamm ausstarb, dann ging die Herrschaft - zumindest in der Theorie - auf die nächste Linie über, welche die Herrschaft für sich beanspruchen konnte (oft führte dsa in der Realität zu Fehden zwischen Familienzweigen, oft wurde auch über die weibliche Linie das Herrschaftsrecht beansprucht, was im Widerspruch zum salischen Gesetz stand, aber naja, Rechtstheorie und Rewchtspraxis sind eben zwei Paar Schuh!

Wenn nun eine Königin/Kaiserin sehr charismatisch war und einen Thronerben geboren hatte, dann konnte sie, verwitwet, an Sohnes statt regieren, solange dieser minderjährig oder zu schwach war, um egenständig zu regieren. Der Sohn war König, aber de facto regierte die Mutter oder Großmutter (etwa Mathilde und Theophanu).
Oft versuchten auch Onkel oder Herzöge die Herrschaft an sich zu reißen. Als z.B. der schottische König James I. englische Geisel war, war das dessen Onkel, dem Regenten gar nicht so unlieb. Und Heinrich IV. wurde als Kind entführt, um seine Mutter Agnes die Herrschaft zu entreißen.
 
Wäre die Möglichkeit einer weiblichen Thron-/Erbfolge generell verneint worden, hätte ja davon ausgegangen werden müssen, dass das Haus Habsburg damit endgültig erloschen sei und sich damit die Stände der jeweiligen Länder auf eine neue Dynastie hätten festlegen können, oder dass die Herrschaft der betreffenden Länder damit vakannt sei und im Prinzip jeder die Möglichkeit habe sich das anzueignen.
Es hätte sich, soweit die Länder zum HRR gehörten, wohl um "heimgefallene" Reichslehen handeln müssen.

Böhmen allerdings war im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit eine Wahlmonarchie, bis das infolge des Abfalls Böhmens im Dreißigjährigen Krieg abgeschafft wurde. Ob im Falle eines Erlöschens der Dynastie das Wahlrecht der Stände wieder aufgelebt wäre, weiß ich nicht.
Bei Frauen, bestand natürlich immer die Gefahr von Komplikationen während Schwangerschaften oder auch des Todes infolge davon, die Müttersterblichkeit war ja für Frauen durchaus als Risiko gegeben und hinzu kommt natürlich, dass das in der Regel durch häufige Schwangerschaften relativ durchgängig der Fall war.

Nun war es aber sicherlich nicht im Sinne der Stabilität eines Personenverbands oder eines Territorialstaates, wenn man sich auf eine Frau als Herrscherin festlegte, bei der vielleicht im Schnitt alle 2-3 Jahre die Frage im Raum stand, ob sie eine aktuelle Schwangerschaft ohne schwerwiegende Komplikationen überstehen und überleben würde.
Ausgenommen bei geistlichen Herrschaften, wo sich die Problematik nicht stellte.

Natürlich war der plötzliche Tod eines Herrschers oder einer Herrscherin bedingt durch Krankheiten o.ä. immer mit einzupreisen und nie ganz auszuschließen, aber bei Frauen dürfte wegen der Schwangerschaftsproblematik das Risiko größer gewesen sein, während zu viele Herrscherwechsel in kurzer Zeit natürlich aber nicht wünschenswert sein konnten.
Im Mittelalter und zum Teil auch noch in der frühen Neuzeit nahmen Herrscher jedoch häufig selbst an Kampfhandlungen teil. Also auch bei männlichen Herrschern konnte das Risiko eines Ausfalls, nämlich bei jedem Krieg, bestehen.
 
Es hätte sich, soweit die Länder zum HRR gehörten, wohl um "heimgefallene" Reichslehen handeln müssen.
Dazu hätte es allerdings erstmal eines Kaisers bedurft, der den Heimfall der Lehen an das Reich hätte postulieren können. Hier wird es aber knifflig und zwar deswegen, weil natürlich eine Kaiserwahl ohne die Teilnahme des Königs von Böhmen als vornehmstem weltlichen Kurfürsten rechtlich gar nicht durchführbar war, oder jedenfalls anfechtbar gewesen wäre. also zunächst mal eine Neubesetzung mindestens des böhmichen Throns ohne kaiserliche Belehnung notwendig gewesen wäre, um das weitere Prozedere für die restlichen Territorien überhaupt abwickeln zu können.

Böhmen allerdings war im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit eine Wahlmonarchie, bis das infolge des Abfalls Böhmens im Dreißigjährigen Krieg abgeschafft wurde. Ob im Falle eines Erlöschens der Dynastie das Wahlrecht der Stände wieder aufgelebt wäre, weiß ich nicht.
Hätte es ja gar nicht müssen.
Die Stände hätten ja durchaus einer anderen Dynastie die Krone im Rahmen einer Erbmonarchie antragen können, vorrausgesetzt diese wäre bereit gewesen die Ständeverfassung grundsätzlich zu achten.


Im Mittelalter und zum Teil auch noch in der frühen Neuzeit nahmen Herrscher jedoch häufig selbst an Kampfhandlungen teil. Also auch bei männlichen Herrschern konnte das Risiko eines Ausfalls, nämlich bei jedem Krieg, bestehen.
Ich würde meinen, dass das jedenfalls seit dem Spätmittelalter, seit dem man tendenziell nicht mehr mit Lehensaufgeboten aggierte, sondern Söldner für sich kämpfen ließ, aber deutlich rückläufig war.
 
Das Böhmen eine Wahlmonarchie war, war gar nicht so eindeutig - im Mittelalter (mein Eindruck) war Weitervergabe eher komplex.
Nach dem Aussterben der Przemysliden erklärte König Albrecht I. das böhmische Königreich zum rückgefallene Lehen und vergab es neu an seinen Sohn Rudolf (III.). (Was von den böhmischen Ständen sogar weitgehend akzeptiert wurde. Nicht mehr einverstanden waren sie allerdings, als sie entdeckten, dass König Albrecht I. nicht nur seinen Sohn Rudolf als neuen böhmischen König einsetzte, sondern auch gleich alle seine Söhne, zumindest in den Urkunden dazu, mitbelehnte. (Das ging ihnen dann zu weit.)

Die Opposition unter den böhmischen Adligen brachte dann ins Spiel, dass Wenzel III. drei Schwestern hatte und die eigentlich erbberechtigt waren. Die Älteste der Schwester war Anna, die inzwischen Heinrich von Kärnten, Graf von Tirol, geheiratet hatte. Er wurde damit der Gegenkandidat, konnte sich aber gegen Rudolf nicht durchsetzen,

Rudolf hatte inzwischen die Witwe von Wenzel II. geheiratet. Das war eine verwandtschaftliche Anbindung an die Przymysliden, wobei nicht ganz klar ist, ob er so auch Ansprüche auf die ungarische Krone auszubauen versuchte oder weil eine Ehe mit einer der Töchter von Wenzel II. und Schwester von Wenzel III. wegen zu naher Verwandtschaft sehr schwierig gewesen wäre. Tatsächliche zu nahe Verwandtschaft war damals noch weitgehend ein Hindernis, auch für einen Dispens - da die Mutter dieser Damen eine Schwester von Albrecht I. war, waren sie Rudolfs Cousinen ersten Grades.

Rudolf setzte sich zunächst durch, starb aber dann, dann wurde sein Vater ermordet, die Habsburger hatten jetzt andere Prioritäten, es gab eine Einigung, Heinrich wurde von ihnen anerkannt, musste allerdings ihre Ansprüche finanziell ablösen.

Als wenig später eine Opposition Heinrich und Anna ausschaltete und die Luxemburger an die Macht brachte, lässt sich das selbe Vorgehen beobachten. Der spätere Kaiser Heinrich VII. wollte eigentlich (wie bereits Albrecht I.) das böhmische Königreich als erledigtes Lehen einziehen und (an jemanden aus seiner Familie, vermutlich seinen Bruder Walram, neu vergeben. Der böhmische Adel wollte Heinrich und Anna los werden, akzeptierte aber das Vorgehen des späteren Kaisers Heinrich VII. nicht und bestand auf Mitsprache. Sie anerkannten Anna und ihrem Ehemann (und wohl auch den Kindern) die Rechte ab und erklärten die nächste Tochter von Wenzel II., Elisabeth, zur rechtmäßigen Erbin.

Der spätere Kaiser Heinrich VII. und die böhmischen Stände bzw. der böhmische Adel einigte sich auf einen Kompromiss. Heinrich zieht das böhmischen Königreich als erledigtes Lehen ein und vergibt es neu an ein Familienmitglied von ihm. Dieses muss Elisabeth heiraten, womit die Mitsprache der Stände / des Adels anerkannt wird. Heinrich möchte seinen Bruder als neuen König, die Adligen entscheiden sich für seinen Sohn. Heinrich akzeptiert, belehnt diesen mit dem Königreich, der heiratet Elisabeth, alle sind zufrieden.

Für mich ein gutes Beispiel, wie so eine Lehens-Neuvergabe gewöhnlich ablief. Allerdings lässt sich die Mitsprache des Adels und der Stände nicht nur in diesem Fall beobachten. Przemysl Ottokar konnte in den Herzogtümern Österreich und Steier die Herrschaft auch nur übernehmen, weil ih die dortigen Adligen bereit waren anzuerkennen. Sie waren es allerdings auch, die von ihm die Ehe mit einer Babenbergerin verlangten. Als Ottokar schließlich versuchte, ihren Einfluss wieder einzugrenzen, nachdem er seine herzogliche Stellung für ausreichend stabil hielt, begann die Konflikte, von denen Rudolf als neuer König bestens profitierte. Rudolf hätte Ottokar keineswegs so einfach die Herzogtümer als erledigte Reichslehen wieder abnehmen können, trotz einer "rechtlichen" Rücksicherung, wenn die österreichischen und steirischen Adeligen loyal zu Ottokar gestanden hätten ...

Dass der steirische Markgraf nach dem Tod des letzten Eppensteiners den Großteil von dessen Ministerialen erbte und es schaffte, diese auch für sich zu gewinnen, hatte zur Folge, dass das Herzogtum Kärnten zwar weiterbestand, die Spanheimer (Sponheimer) aber, die dort auf die Eppensteiner gefolgt waren, einen Teil des Territoriums an den Markgrafen verloren.

Immer wieder lässt sich beobachten, dass es nicht ausreichend war, ein Lehen neu zu vergeben, auch die Untertanen musste damit einverstanden sein.
 
Nach dem Aussterben der Przemysliden erklärte König Albrecht I. das böhmische Königreich zum rückgefallene Lehen und vergab es neu an seinen Sohn Rudolf (III.). (Was von den böhmischen Ständen sogar weitgehend akzeptiert wurde. Nicht mehr einverstanden waren sie allerdings, als sie entdeckten, dass König Albrecht I. nicht nur seinen Sohn Rudolf als neuen böhmischen König einsetzte, sondern auch gleich alle seine Söhne, zumindest in den Urkunden dazu, mitbelehnte. (Das ging ihnen dann zu weit.)
Neben den Widerständen in den Territorien selbst, wird man bei der Einziehung erledigter Lehen und deren potentieller Neuvergabe sicherlich auch Wiederstände unter den anderen Fürsten ins Kalkül ziehen müssen, jedenfalls wenn der Verdacht bestand, dass der Herrscher auf die Idee verfallen könnte, die eigezogenen Territorien einzubehalten, sich selbst oder nahe Verwandte zu belehnen.
 
Interessant ist auch ein Blick nach Byzanz, wo ebenfalls mehrmals Frauen der Griff nach der Herrschaft gelang: Irene (790 und 797-802), Zoe (1042), Theodora (1042 und 1055-1056) und Eudokia Makrembolitissa (1071).

Aufschlussreich sind die Vorkommnisse um Zoe und Theodora.

Einleitend möchte ich darauf hinweisen, dass das Oströmische Reich nie eine Erbmonarchie war. Kaiser werden konnte jeder, der es schaffte, von Senat, Volk (von Konstantinopel) und Armee anerkannt und vom Patriarchen gekrönt zu werden. Faktisch herrschte aber dennoch ein dynastisches Denken.

Mit dem Tod von Kaiser Konstantin VIII. erlosch 1028 die seit 866 regierende ruhmreiche "Makedonische Dynastie" im Mannesstamm. Konstantin hinterließ drei (allesamt unverheiratete) Töchter: Eudokia, Zoe und Theodora. Eudokia, durch eine Krankheit entstellt, war freiwillig ins Kloster gegangen. Somit blieben nach dem Tod des Kaisers Zoe und Theodora, die grundsätzlich problemlos als Erbinnen und Kaiserinnen anerkannt wurden. Zumindest theoretisch, praktisch hatte "Mann" schon ein Problem damit, dass sie tatsächlich selbst regierten. Daher musste Zoe auf Druck ihres Vaters einen vornehmen Mann heiraten, der als Romanos III. Argyros die Herrschaft (1028-1034) übernahm. Nachdem alle Versuche, mit der bereits 50-jährigen Zoe einen Erben zu zeugen, gescheitert waren, verlor Romanos jedes Interesse an seiner Frau und drängte sie völlig in den Hintergrund. Diese legte sich einen jungen Liebhaber zu, der nach Romanos' Tod (mutmaßlich durch Vergiftung) als ihr neuer Ehemann Michael IV. Paphlagonios den Thron bestieg (1034-1041). Zoe geriet schnell wieder ins Abseits und wurde außerdem dazu veranlasst, einen Neffen des Kaisers zu adoptieren, der nach Michaels IV. Tod als Michael V. Kalaphates Kaiser wurde (1041-1042). Michael V. wollte Zoe endgültig loswerden und schickte sie in die Verbannung. Damit hatte er den Bogen jedoch überspannt: Immerhin galt Zoe als rechtmäßige Erbin der Makedonier und rechtmäßige Kaiserin; ihre Ehemänner und ihr Adoptivsohn wurden als Kaiser nur akzeptiert, um für sie an ihrer Seite zu herrschen, aber nicht ohne sie. Ein Volksaufstand brach los, der Michael V. hinwegfegte, Theodora (die bis dahin eher zurückgezogen gelebt hatte) in den Palast führte und Zoe zurückbrachte.
Nun übernahmen Zoe und Theodora erstmals die tatsächliche Herrschaft - allerdings nur für anderthalb Monate. Mit tatsächlich regierenden Kaiserinnen konnte man sich immer noch nicht anfreunden, und so heiratete Zoe ein weiteres Mal. Kaiser Konstantin IX. Monomachos (1042-1055) behandelte seine Gattin und seine Schwägerin besser als seine Vorgänger.
Nach seinem Tod übernahm Theodora (Zoe war verstorben) wiederum die Macht, und zwar diesmal endgültig. Bis zu ihrem Tod eineinhalb Jahre später war sie tatsächlich regierende Kaiserin.

Es wurden also Frauen als rechtmäßige Erbinnen (obwohl das Reich de jure gar keine Erbmonarchie war) anerkannt, aber eine eigenständige Herrschaft wollte man ihnen nicht zugestehen. Stattdessen sollten Männer an ihrer Seite die Macht ausüben. Dennoch wurde Wert darauf gelegt, dass diese Männer für die Kaiserinnen (und formal mit ihnen) regierten und nicht statt ihnen. Ihre (faktische, nicht rechtliche) Legitimation bezogen sie daraus, dass sie mit einer Kaiserin verheiratet oder von ihr adoptiert waren. Versuchte jemand, die Kaiserin gänzlich loszuwerden, verlor er in den Augen des Volkes dadurch seine eigene Legitimation.
 
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Auf die Frage oben kann man antworten: Ja. Es gab Herrscherinnen, wenngleich nur wenige, z.B. Mathidle von Canossa, Eleonore von Aquitanien, die bereits erwähnte Margate von Tirol, in Polen König Hedwig, und in Neapel gleich zwei Johannas suo jure. Die weibliche Erbfolge und Herrschaft galt nicht als wünschenswert, war aber nur in wenigen Territorien (bspw. Frankreich) explizit verboten.

Dass Frauen dennoch kaum jemals aus eigenem Recht regieren konnten, hatte meines Erachtens nur bedingt religiöse oder misogyne Gründe*, sondern vor allem dynastische. Im Feudalstaat gründete die Macht des Herrschers auf der Kontinuität des Herrscherhauses, denn nur sie konnte den Vasallen politische und rechtliche Sicherheit garantieren. Häufige Wechsel an der Spitze der Lehnspyramide torpedierten ihre eigenen Ambitionen und brachten sie in Gefahr, zugunsten von Anhängern der neuen Dynastie verdrängt zu werden.
Vielleicht spielten dennoch auch religiöse Gründe eine Rolle. Die Tudor-Frauen - Maria (Bloody Mary) und Elisabeth I - waren ja wohl Herrscherinnen und nicht bloss Regentinnen. Und als sie regierten war die anglikanische Kirche bereits eingeführt. Ob Heinrich VIII die weibliche Thronfolge ebenfalls durchgesetzt haben könnte, wenn er katholisch geblieben wäre ?
 
Die Tudor-Frauen - Maria (Bloody Mary) und Elisabeth I - waren ja wohl Herrscherinnen und nicht bloss Regentinnen. Und als sie regierten war die anglikanische Kirche bereits eingeführt. Ob Heinrich VIII die weibliche Thronfolge ebenfalls durchgesetzt haben könnte, wenn er katholisch geblieben wäre ?
Als Heinrich VIII. verstarb, war mit Edward VI. ja durchaus ein Sohn vorhanden, so dass die Frage einer weiblichen Thronfolge zu diesem Zeitpunkt ja nicht wirklich akkut war.
Ich denke, dass man im Hinblick auf England wird berücksichtigen müssen, dass das Land vor den Tudors gerade aus den Auseinandersetzungen zwischen York und Lancaster kam, und die Erinnerung an die "Wars of the Roses" wahrscheinlich noch so sehr im kollektiven Gedächtnis verankert war, dass eine Königin vermutlich gegenüber einer Neuauflage solcher Auseinandersetzungen, die beim Erlöschen der Dynastie drohen konnte, wahrscheinlich als das kleinere Übel empfunden wurde.
Im Fall England, würde ich weniger die Autorität Heinrich VIII. oder die Konfession verantwortlich machen wollen, als den Wunsch nich noch einmal "Rosenkriege" zu haben.
 
Vielleicht spielten dennoch auch religiöse Gründe eine Rolle.
Ich wollte nicht sagen, sie hätten keine Rolle gespielt. Das taten sie freilich.
Die Tudor-Frauen - Maria (Bloody Mary) und Elisabeth I - waren ja wohl Herrscherinnen und nicht bloss Regentinnen. Und als sie regierten war die anglikanische Kirche bereits eingeführt. Ob Heinrich VIII die weibliche Thronfolge ebenfalls durchgesetzt haben könnte, wenn er katholisch geblieben wäre ?
Die anglikanische Kirche unter Heinrich unterschied sich nicht allzu sehr von der katholischen, was die meisten Doktrinen anlangt. Er blieb im Herzen Katholik. Erst Elisabeth nahm auch den doktrinären Bruch mit Rom vor.

Auch glaube ich nicht, dass man sagen kann, protestantische Territorien hätten Frauen mit politischer Macht aufgeschlossener gegenüber gestanden. Mit den Auswirkungen der Reformation auf die Stellung der adligen Frau müsste ich mich erst eingehender beschäftigen, aber zumindest im Bürgertum verschärfte sie die Benachteiligung, indem z.B. Frauen aus Handwerk und Handel gedrängt wurden.

Maria und Elisabeth profitierten vermutlich eher vom Proto-Absolutismus ihres Vaters. Sie waren nicht mehr so sehr gezwungen, Konsensherrschaft zu betreiben, und konnten sich auf einen wachsenden Amtsadel stützen.
 
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Auch glaube ich nicht, dass man sagen kann, protestantische Territorien hätten Frauen mit politischer Macht aufgeschlossener gegenüber gestanden.
Ich weiß auch nicht, ob das eine sinnvolle Vergleichsgröße ist.

Ob man bereit war eine weibliche Thronfolge zu ermöglichen, dürfte bevor es zu ausgefeilten Thronfolgeregelungen in Form detaillierter Haus- , vor allem aber über die Dynastie hinausgehender Staatsgesetze kam, situativ sehr stark davon abgehangen haben, wie dass Territorium sonst verfasst war, ob der Adel ein Interesse am Erhalt der Dynastie hatte oder einen Wechsel bevorzugte, ob er sich einig war, oder ob Spaltung und Auseinandersetzungen drohten und möglicherweise auch ob man an einem einigermaßen starken Herrscher interessiert war, oder ganz bewusst jemanden als Monarchen haben wollte, dessen oder deren Legitimation auf eher schwachen Füßen stand, um perspektivisch die Macht des Adels oder seiner oder anderer Korporationen ausbauen zu können.

Maria und Elisabeth profitierten vermutlich eher vom Proto-Absolutismus ihres Vaters. Sie waren nicht mehr so sehr gezwungen, Konsensherrschaft zu betreiben, und konnten sich auf einen wachsenden Amtsadel stützen.
Ich könnte mir neben drohenden möglichen Auseinandersetzungen auch vorstellen, dass man bei den beiden Tudor-Herrscherinnen die Erwartung hatte, dass diese als Herrscherinnen in einer eher schwachen Position sein würen und nicht da weitermachen könnten, wo Heinrich VIII. aufgehört hatte, so dass sich die unter ihm stattgefundenen Machtanmaßungen der Krone ggf. wieder zurückdrehen ließen.
Möglicherweise hatte man da auch einfach die Absicht die Krone als Institution selbst über diese Maßnahme zu schwächen.

In England fällt ja durchaus auf, dass mit der Besetzung des Throns ja durchaus gerne mal taktische Zwecke im Sinne des Adels, oder wenn man so weit gehen möchte auch im Sinne protonationaler Interessen stattfanden.
Als man die Stuarts auf dem englichen Thron installierte, hatte man damit zweifellos die Möglichkeit der Union mit Schottland im Auge, als man Willem III. von Oranien auf den englischen Thron setzte, geschah das sicherlich auch aus konfessionellen Gründen und um die protestantische Thronfolge zu sichern, letztendlich führte man mit dieser faktischen Personalunion zwischen Großbritannien und den Niederlanden aber auch eine Allianz der beiden führenden Seemächte herbei (was Großbritanniens Möglichkeiten in Übersee durchaus zu gute gekommen sein dürfte).

Mit dem endgültigen Absetzen der Stuarts und der Installation der Hannoveraner verbanden sich dann weniger außenpolitische Vorteile, allerdings holte man sich damit wahrscheinlich auch durchaus bewusst eine relativ schwache Dynastie auf den Thron, die im Land keine eigene Machtbasis hatte, deren Ressourcen, die sie außerhalb der britischen Inseln hatten, begrenzt waren.
Hier laufen, denke ich die Problematiken von Religion und innenpolitischen Machtverhältnissen zusammen, insofern die Intention keine Katholiken mehr auf dem Thron haben zu wollen* und deshalb die Stuarts abzusägen mit dem Kalkül zusammengelaufen sein dürfte stattdessen eine schwache protestantische Dynastie auf den Thron zu setzen, die weder besonderes Interesse noch die Mittel haben würde den Act of Settlement oder die Bill of Rights, als die zentralen (jüngeren) Meilensteine der innenpolitischen Aufwertung des Parlaments gegenüber der Institution der Krone anzugreifen und infrage zu stellen.


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Ich denke, dass in der großen europäischen Politik über die dynastischen Zufälle etc. so viel situativ und über Einzelfälle ablief, dass zumindest bei regierenden Fürsten, der kurzfristige Nutzen für die Akzeptanz oder Nichtakzeptanz einer Monarchin mehr prinzipielle Erwägungen über Frauen in Herrscherrollen, in der Regel ausgestochen haben dürfte.

Nehmen wir z.B. den Fall Maria-Theresia.

Die Pragmatische Sanktion Karl VI. stammt ja bereits aus dem Jahr 1713 und dürfte von dem her sehr stark unter dem Eindruck des spanischen Erbfolgekrieges (1701-1714) zustande gekommen sein.
Das es tatsächlich nach Karl VI. zu einer weiblichen Thronfolge kommen würde, konnte damals noch niemand vorraussehen.
Karl VI. selbst, war 1685 geboren, damit als Dokument entstand also gerade einmal 28 Jahre alt. Er hatte zu diesem Zeitpunkt zwar noch keine Nachkommen, Maria-Theresia wurde erst nach der Entstehung des ursprünglichen Dokuments geboren, aber es war damals durchaus nicht auszuschließen, dass er noch Söhne haben würde (er hatte später auch tatsächlich einen Sohn, der allerdings bereits als Säugling verstarb).


*dem Katholizismus wurde ja stets eine ideologische Nähe zu absolutistischen Bestrebungen unterstellt, vermutlich, weil man da Frankreich als Beispiel im Auge hatte.
 
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Als Karl VI. das verfügte, dürfte er primär 2 Ziele gehabt haben:

1. Die Nachkommen seines Bruders Joseph I. (dieser hatte zwar lediglich Töchter gehabt, aber es war ja nicht auszuschließen, dass da irgendwann einmal Enkelsöhne vorhanden sein würden, die Ansprüche geltend machen konnten), zu Gunsten der eigenen noch zu begründenden Linie des Hauses Habsburg von der Thronfolge auszuschließen.
2. Und hier dürfte der spanische Erbfolgekrieg und die Aufteilung des Spanischen Reiches in Europa eine Rolle gespielt haben, den Fortbestand des Zusammenhangs des habsburgischen Länderkonglomerats zu sichern.
Antatt der subsidiären weiblichen Erbfolge im Rahmen der pragmatischen Sanktion, hätte Karl VI. bei ausbleiben eigener männlicher Nachkommenschaft ja theoretisch auch den Mann einer potentiellen Tochter als Erben einsetzen können um der eigenen Nachkommenschaft Position und Macht zu erhalten. Dann wäre vielleicht nicht die Tochter an die Herrschaft gekommen, in the long run aber immerhin potentielle Enkel Karl VI.
Wenn es ihm um den Erhalt des Namens der eigenen Dynastie gegangen wäre, hätte er das zur Bedingung eines solchen Prozederes machen können, es wurde ja mit der Begründung des Hauses "Habsburg-Lothringen" durch Maria Theresia und Franz Stephan in ähnlicher Weise gehandhabt.

Wozu also die pragmatische Sanktion?
Das er konkret unbedingt eigene Töchter als tatsächliche Herrscherinnen, nicht lediglich als Frauen eines anderen Herrschers und Mutter zur Herrschaft berechtigter Enkel durchsetzen wollte, wird man Karl VI. nicht unterstellen können, weil die Konstellation überhaupt noch nicht absehbar war.
Ein Grund, warum dass in diesem Modus geregelt wurde und warum versucht wurde es europaweit anerkennen zu lassen, dürfte viel mehr darin bestehen, dass das Reich der österreichischen Habsburger ein zusammengesetztes Reich und eben kein homogener Raum war, in dem Teilweise die Landstände ein gewichtiges Wort mitzureden hatten, was Nachfolgefragen angeht.

Wie ich das sehe, dürfte die "Pragmatische Sanktion", deren Produkt die Herrschaft Maria Theresias dann weden sollte, weniger dem Wunsch geschuldet gewesen sein, prinzipiell Frauen auf dem Thron zu ermöglichen oder eine eigene Tochter, die es noch nicht gab zu protégieren, als viel mehr überhaupt eine einheitliche Nachfolgeregelung in den von Habsburg beherrschten Territorien zustande zu bringen.
Böhmen war seit dem 30-Jährigen Krieg für Habsburg zwar theoretisch gesichert, aber damit, dass die böhmischen Stände versuchten einen Habsburger abzusetzen, hatte man ja schonmal Erfahrungen gemacht.
In Ungarn hatte man notorisch Querelen mit den Magnaten und daüber hinaus war das Reich der österreichischen Habsburger am Ende des 17. Jahrhunderts auf Kosten des Osmanischen Reiches erheblich gewachsen und wuchs gerade, während die "Pragmatische Sanktion" zustande kam auf Kosten des "spanischen Reiches" weiter.

De facto war die habsburgische Herrschaft in den Erblanden und in Böhmen natürlich einigermaßen sicher, in Ungarn war sie bereits nicht mehr so sicher und Ungarns Bedeutung wuchs natürlich damit, dass es den Habsburgern am Ende des 17. Jahrhunderts gelungen war, mehr oder weniger das gestamte historische Königreich Ungarn den Osmanen und den regionalen Fürsten abzunehmen (so dass sich die Herrschaft nicht wie bisher faktisch auf einen Teil Transdanubiens, Kroatien-Slawoniens (im engeren Sinne) und die Slowakei beschränkte. Der spanische Erbfolgekrieg lief nach dem Tod Joseph I. weil Großbritannien und die Niederlande kein Interesse an einer habsburgischen Universalmonarchie hatten und in Verhandlungen mit den Bourbonen eintraten gerade darauf hinaus, dass die Herrschaft Habsburgs auf der iberischen Hablinsel zu Ende war, die spanischen Niederlande und die italienischen Territorien aber an die österreichische Linie gehen würden.

Damit verfügten die Habsburger, als die Pragmatische Sanktion durchgesetzt wurde über die Erblande im engeren Sinne, den Komplex der Länder der Böhmischen Krone, mit eigenem Landesreicht, den Komplex der ungarischen Krone und ihren Ländern mit deren eigenem Recht und es war einigermaßen absehabar, dass die Spanischen Niederlande, Mailand und zunächst auch Neapel mit deren eigenen überkommenen Rechten, Landständen etc. dazukommen würden.

Karl VI. war ja selbst ursprünglich gar nicht als Herrscher in Österreich, sondern als Prätendent der Habsburger (als Carlos III.) für den spanischen Thron vorgesehen und kam in Österreich selbst nur wegen des plötzlichen Todes seines Bruders Joseph I. (starb 1711 an den Pocken) zum Zug.

Er selbst hatte auf der Iberischen Halbinsel gekämpft uns zeitweise jedenfalls seine Anerkennung als König durch die aragonesischen (oder waren es lediglich die katalanischen?) Stände erreichen können (auch wenn die das wahrscheinlich nicht ganz freiwillig taten) und sich damit Unterstützung im Land selbst sichern können.

Das heißt, die Gefahr, dass die ständischen Koroprationen in Personalunion regierter Gebiete einen bloßen Erbvertrag zwischen ihm und dem Mann einer Tochter, infragestellen konnten und welche Folgen dass haben konnte, wenn die einen anderen Prätendenten anerkennen und ins Land holen würden, dürften Karl VI. sehr bewusst gewesen sein.
Ein unmissverständliches Hausgesetz über die Nachfolge unter Wahrung der Kontinuität der Dynastie, auch über weibliche Nachkommen, wird einfach das bessere Mittel gewesen sein, um die eigene Familie auch in den Nebenlanden auf dem Thron zu halten, denn es musste in Karls VI. Fall vorrangiges Ziel sein, vor allem die Stände der Nebenlande dazu zu verpflichten die Kontinuität der Dynastie Habsburg anzuerkennen und ihnen keinen Vorwand zu geben, diese als erloschen betrachten zu können.

Letztendlich hat Maria Theresia von dieser Regelung profitiert, aber es dürfte dabei weniger um die Grundsatzfrage gegangen sein, ob Frauen als Herrscher erwünscht/akzeptabel waren, als um die Notwendigkeit über die unbedingte Erhaltung der Dynastie (nicht nur im biologischen, auch im rechtlichen Sinne), das sehr heterogene Reich zusammen zu halten.
Wäre das Habsburgerreich ein homogenerer Verband, wie etwa Frankreich mit weniger starken landständischen Korporationen gewesen, deren potentiellem Widerstand man vorbeugen musste, hätte Karl VI. dass möglicherweise nicht so verfügt und die sache einfach mit einem Erbvertrag, in dem ein potentieller Schwiegersohn begünstigt worden wäre gelöst.
 
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Das Haus Hannover war über die weibliche Linie der nächste "protestantische" Verwandte. Ausschlaggebend dürfte daher weniger gewesen sein, dass es sich dabei um eine relativ "machtlose" Dynastie handelte, sondern dieser Aspekt und der Umstand, dass der Herzog bereit war, die Bedingungen zu akzeptieren, unter denen er König von England werden durfte.

Hätte sich George I. geweigert, die Bedingungen des englischen Parlaments zu akzeptieren, wäre die englische Krone wohl dem nächsten protestantischen Verwandten (über die weibliche Linie) angeboten worden.
 
Das Haus Hannover war über die weibliche Linie der nächste "protestantische" Verwandte. Ausschlaggebend dürfte daher weniger gewesen sein, dass es sich dabei um eine relativ "machtlose" Dynastie handelte, sondern dieser Aspekt und der Umstand, dass der Herzog bereit war, die Bedingungen zu akzeptieren, unter denen er König von England werden durfte.
Sagen wir mal die entfernte Verwandtschaft hat sicherlich geholfen, aber ich würde die nicht überbewerten.
George I. war letztendlich über die mütterliche, pfälzische (nicht die Braunschweigisch-Lüneburgische) Seite ein Urenkel von König Jakob I.

Das ist was die Verwandtschaft angeht schon realtiv weit entfernt und man hätte da natürlich auch andere Wege beschreiten können.
Der "Act of Settlement" hatte über 50 katholische Thronkandidaten aus dem Haus Stuart und dessen Verwandschaft de facto ausgeschlossen, natürlich hätte man es aber wie in anderen Reichen auch entsprechend flexibel halten und geeignet erscheinenden Kandidaten aus diesem Kreis die Krone antragen können, unter der Vorraussetzung der Konversion zum anglikanischen Glauben.
Das war ja im 17. Jahrhundert ein durchaus nicht ganz unübliches Prozedere.

In dem Moment, in dem man mit dem Act of Settlement mal eben ein Gesetz beschloss, dass den Nachfolgeanspruch mehrerer Duzend Kandiaten mal eben für nichtig erklärte und dass nach dem damaligen Rechtsverständnis die Herrschaft des Hauses Stuart beendete, ohne dass das zu massivem Widerstand führte, wäre man sicherlich auch in der Lage gewesen, die Hannoveraner zu übergehen und sich auf jemand ganz anderen festzulegen, wenn man das denn gewollt hätte.
Ich will nicht behaupten, dass man sich gänzlich ohne die dynastischen Verpflechtungen zu beachten, auf die Hannoveraner festgelegt hätte, weil die relativ schwach waren, aber der Umstand, dass es so war, passte sicherlich gut ins Konzept.

Hätte man die Hannoveraner trotz dynastischer Verpflichtungen Partout nicht gewollt, hätte man z.B. argumentieren können, dass die Hannoveraner den englischen Thron nicht besteigen dürften, da sie über das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg letztendlich (zummindest theoretisch) Vasallen des Römisch-Deutschen Kaisers oder im Rahmen ihrer Herrschaft im Reich, diesem mindestens als theoretischem Oberhaupt untergeordnet waren und dies also zu einer Unterordung des englischen Königs unter den Kaiser in Wien geführt haben würde, während man mit ähnlichen Konstruktionen, Stichwort 100-Jähriger Krieg, ja schonmal schlechte Erfahrungen gemacht hatte.
 
Hätte sich George I. geweigert, die Bedingungen des englischen Parlaments zu akzeptieren, wäre die englische Krone wohl dem nächsten protestantischen Verwandten (über die weibliche Linie) angeboten worden.
Ergänzend:


Es hätte sich ja weniger um die Frage gehandelt, ob der Kandidat bereit war sich dazu zu erklären die proklamierten Bedigungen des Parlaments und den Act of Settlement zu beachten, sondern ob er nach Installation auch tatsächlich danach handeln würde.

Bei einem Kandidaten ohne eigene Hausmacht in Großbritannien oder große Machtressourcen im Ausland, war das in Ermangelung von Mitteln relativ wahrscheinlich.
Bei einem Kandidaten mit einer soliden Hausmacht auf den britischen Inseln selbst oder beachtliche Ressourcen aus einer anderen Herrschaft, die sich für einen coup d'état hätten heranziehen lassen, hätte das schon anders ausgesehen.
 
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