Die Frau in der Bibel

Ich sollte noch eine Kleinigkeit nachreichen. Die Anwesenheits-Theorie behauptet, dass Adam während des Gesprächs Eva-Schlange gegenwärtig ist. Die von mir dargestellte Argumentation ist aber nicht auf die Frage eingegangen, ob zwischen diesem Gespräch und dem Pflücken der Frucht eine größere zeitliche Lücke bestanden haben könnte, so dass Adam zwar während des Pflückens zugegen war (wofür die Argumentation Gründe geliefert hat), aber noch nicht während des Gesprächs.

Was der Text hergibt, ist das Erscheinen der Schlange und ihr weiterer Verbleib im Garten bis zum Fluch-Narrativ, d.h. die Schlange ist während des ´Sündenfalls´ und auch später im Garten anwesend.

Die Frage ist also: Hat die Schlange nach ihrem Gespräch mit Eva die Szene verlassen und sich woanders im Garten aufgehalten oder bleibt sie in der Nähe, um die weiteren Ereignisse zu beobachten? Wir wissen, dass die Schlange "klug" ist. Außerdem wissen wir, dass sie ein großes Interesse daran hat, dass Eva die verbotene Frucht probiert. Schließlich hat sie aus diesem Grund interveniert. Warum also soll sie die Szene verlassen haben? Sie wäre nicht klug, würde sie darauf verzichten, das Ergebnis ihrer ´Verführungs´-Bemühung zu überprüfen. Außerdem hat sie sicher nichts Besseres zu tun.

Daraus folgt - legt man der Geschichte und den Charakteren ein Minimum an Logik zugrunde -, dass die Schlange während des Pflückens und natürlich auch während des Essens präsent ist.

Eine zeitliche Lücke ist aus diesem Grund sehr unwahrscheinlich. Vielmehr ist anzunehmen, dass Eva ihre Entscheidung für das Probieren ohne größere Verzögerung fällt und in Gegenwart der wartenden Schlange (zufälliges Wortspiel...) in die Tat umsetzt. Dass Eva für diese Entscheidung prädisponiert ist, habe ich bereits begründet. Daher wäre eine Verzögerung unlogisch.

Für die Anwesenheits-Theorie folgt daraus, dass Adam - dessen Präsenz während Evas Pflücken und Essen der Frucht gut belegt werden kann (Argumente habe ich vorgebracht) - auch während des Gesprächs Eva-Schlange anwesend ist.
 
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Ich verstehe gar nicht, warum du so breit etwas zu belegen versuchst, was hier niemand abstreitet.

Methodisch gesehen gehst du mir zu literaturwissenschaftlich an den Text. Das ist an sich okay, aber in einem Geschichtsforum nicht immer die richtige Wahl der Mittel.

Mit literaturwissenschaftlicher Herangehensweise meine ich: Mit dem Horizont des Lesers verändert sich der Text, das was der Text dem Leser sagt.
Davon zu unterscheiden ist die historische Herangehensweise: Was hat der Autor dem Leser mitteilen wollen? Was hat der Text dem Leser zu einem zeitlichen Horizont X gesagt, vor allem aber zum Zeitpunkt der Entstehung des Textes?
 
Da Eva von seiner Seite genommen wurde, war sie ihm ebenbürtig. Und die Schlange ist der lebende Beweis, daß ein Handeln gegen Gottes Gebot nicht zwangsläufig den Tod bedeutet.

Da sah die Frau, daß der Baum gut sei zum Essen und eine Lust zum Anschauen und begehrenswert, um intelligent und weise zu werden. Sie war in diesem Moment triebgesteuert und intelligent und weise zu werden fand sie begehrenswert. Was es dann bedeutet konnte sie aber nicht „wissen“. Aber gleich nach dem Essen muß sie es erfahren haben.

Sie aß und starb nicht. Die Schlange hatte also recht gehabt. Sie erreichte auch im selben Moment eine höhere Bewußtseinsstufe. Diese beiden Erfahrungen wollte sie mit Adam teilen und gab ihm auch von der Frucht. Eva war dem Adam hier einen Schritt voraus. Und da Adam sah, daß Eva ja am Leben blieb sprach nichts dagegen auch von der Frucht zu essen. Er starb auch nicht. Daß er vielleicht irgendwann in der Zukunft zu sterben hatte konnten beide noch nicht wissen. Diese Erfahrung mußten sie noch machen. Und sie konnten sie machen, denn sie waren ja jetzt intelligent.

Die Frage, ob Adam bei dem Gespräch mit der Schlange dabei war oder nicht ist zweitrangig. Wichtiger war die sofortige Verwandlung der Eva nach dem Biß und die Tatsache, daß sie lebte und diese Erfahrung sofort mit dem noch „unwissenden“ Adam neben ihr teilen wollte.
 
Wichtig aus Sicht der Schöpfer der Geschichte war wohl vor allem die Erklärung, warum ein im Grunde guter Gott, den Menschen dem Leid von Ackerbau auf steinigem Boden, Geburtsschmerz und Tod aussetzt. Dass die Erklärung nicht sonderlich gut gelungen ist, weil hier a) die Allmacht Gottes in Frage gestellt wird - wobei dann zu fragen ist: Seit wann galt JHWH tatsächlich als allmächtig? Galt er schon als allmächtig, als der narrative Kern der Geschichte entwckelt wurde? - und b) dieser Schöpfergott diese Welt genauso so erschaffen hatte, was die mangelnde Fürsorge oder Voraussicht zum Problem für den Narrativ macht.

Aber wenn hier bezweifelt wird, dass Geschichten mangelnde Tiefe hätten: Ich habe mich eine Zeit lang recht intensiv mit Narrativen des MAs und der FNZ befasst und kann daher sagen, dass in vormodernen Gesellschaften Narrative mit geringer Tiefe alles andere als unnormal sind, wobei es die mediale Revolution des Buchdrucks ist, welche zumindest zunächst für ein Erstarken von Erzählungen mit geringer Tiefe ist. Aber gerade Geschichten, die durch die Hände mehrere Bearbeiter gehen, weisen immer wieder sogenannte unmotivierte Brüche auf, also narrative Logikfehler. Da wird etwa ein Mannweib in der Hervara Saga plötzlich und ohne dass ein Grund für den Charakterwandel aus dem Narrativ ersichtlich wird, zur liebenden Mutter, gewissermaßen von Mr. Hyde zu Dr. Jekyll.
Daher sind Brüche wie in der vorliegenden Erzählung, also das radikale Verbot des Probierens von der Frucht, welches mit dem Tod noch an demselben Tag droht und der Abmilderung durch die Wiedergabe Evas, welche dann letztenlich auch in der scheinbar abgemilderten Variante vollzogen wird, zunächst einmal nicht überraschend. Zu fragen ist allerdings, ob hier tatsächlich ein Widerspruch im Narrativ existiert.
Denn, mit dem Probieren des Apfels sind Adam und Eva gewissermaßen tot. Das ganze Leben führt auf den Tod zu und gewissermaßen ist genau das, die Strafe Gottes für Adam und Eva und ihre Nachkommen, dass sie alle Sterben müssen, was vor dem Probieren der Frucht eben noch nicht der Fall war. Die Wiedererlangung des Paradieses ist ja nicht von ungefähr der Wunsch gläubiger Juden, Christen und Muslime.
 
Denn, mit dem Probieren des Apfels sind Adam und Eva gewissermaßen tot. Das ganze Leben führt auf den Tod zu und gewissermaßen ist genau das, die Strafe Gottes für Adam und Eva und ihre Nachkommen, dass sie alle Sterben müssen, was vor dem Probieren der Frucht eben noch nicht der Fall war. Die Wiedererlangung des Paradieses ist ja nicht von ungefähr der Wunsch gläubiger Juden, Christen und Muslime.
Bei der Wiedererlangung des Paradieses geht es ja im Grunde um die Erlangung der Unsterblichkeit; eigentlich ein Frevel, da es sich um eine göttliche Eigenschaft geht, und gleichzeitig ein natürlicher und sicherlich sehr alter Wunsch des denkenden Menschen, der Angst hat vor dem Sterben.

Die Geschichte von Adam und Eva macht aber diesen Frevel zum Anspruch auf einen ursprünglichen Zustand und enthebt ihn damit der Strafbarkeit: wer unsterblich sein möchte, begeht damit – nach der Bibel– noch keine Gotteslästerung. Vieleicht lieferte genau diese Aussage den Grund für die Entstehung von Adam und Eva und nicht unbedingt die Absicht einer Schuldzuweisung. Die Frau nimmt den Apfel, da sie in der Wirklichkeit wesentlich mehr an der Enstehung von neuem Leben beteiligt ist als der Mann, d.h. das irdische Leben (im Gegensatz zur göttlichen Unsterblichkeit) repräsentiert.

Ob dies schließlich auch die Aussage beinhalten soll, dass der Mann das göttlichere Geschöpf sein soll? Wäre jedenfalls eine logische Folgerung. Hinzukommt aber die von mir bereits angetönte (und hier bislang hartnäckig ignorierte) weibliche Absenz in der Trinität, was schließlich sehr deutlich die Aussage macht, dass der Mann göttlich, die Frau jedoch irdisch sei. Eine krasse Diskriminierung der Hälfte der Menschen, bzw. eine selbstherrliche Beweihräucherung der Männer…
 
Das hebräische rûaḥ ist weiblich.
Aber mir fällt auf, dass wir wieder (fast) nur über Adam und Eva reden. Das wovon ich ja eigetlich mal weg wollte.
 
Das hebräische rûaḥ ist weiblich.
Aber mir fällt auf, dass wir wieder (fast) nur über Adam und Eva reden. Das wovon ich ja eigetlich mal weg wollte.
Soll das etwa ein Beweis für die Weiblichkeit des Heiligen Geistes sein? :D
Wiki schreibt dazu: Die häufigste Verwendung von rûaḥ im Tanach ist der Gebrauch im Zusammenhang mit Wetterphänomenen. Und weiter oben: Rûaḥ ist weiblich und soll ein onomatopoetisches Wort sein, welches das Geräusch des Windes oder des Atmens nachahmt.(1) Wurde da nicht einfach ein bestehendes Wort für den Heiligen Geist adaptiert, das zwar weiblich war, aber wohl kaum auf dessen Weiblichkeit hinaus will. Der Heilige Geist war ja ursprünglich (so viel ich weiß), noch bevor es zur Trinität ›kam‹, der Geist Gottes unter den Menschen, d.h. schlicht seine Aura auf Erden. (oh, Aura ist ja auch weiblich…)


1 https://de.wikipedia.org/wiki/Ruach


Nachtrag: Man muss eigentlich den Heiligen Geist als den irdischen ›Vertreter‹ Gottes ansehen; wäre also demnach zwar der Trinität, nicht aber dem Himmel zuzuordnen.
 
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