Die kleinen Verbrechen der 'Kleinen Leute'!

clemens

Premiummitglied
in der schlechten zeit, zum ende des krieges und die erste zeit nach dem krieg, ging es ums
nackte überleben. essen und heizmaterial mußte beschafft werden, irgendwie. hamsterfahrten zu den
bauern auf dem lande, bei denen man lebensmittel gegen wertgegenstände eintauschen konnte, der
schwarzmarkt überhaupt,tabakanbau im blumenkasten, arbeit für brot als bezahlung, waren alltag.
der ruhrbischof selbst erklärte den diebstahl von kohlen, die von den kohlenzügen der zechen
heruntergefallen waren und die von den menschen des reviers von den bahngleisen aufgesammelt
wurden (natürlich auch aus den waggons:rolleyes: ), als rechtens und dies keine sünde sei (manch eine/r
büßte das kohlensammeln mit dem verlust eine beines oder armes). die zechenleitungen sahen es
als diebstahl an und ließen die züge bewachen. aber das schreckte die menschen nicht ab, die not
war zu groß, der winter kalt und das bißchen essen mußte gekocht werden.
aber auch 'schwarzgeschlachtet' wurde in den letzten kriegstagen, als die versorgung nicht mehr
funktionierte, was streng verboten war! dazu mußten schweine versteckt gehalten und aufgezogen
werden. ein schlachtort und vertrauenswürdiger metzger gesucht, fleisch und wurst so hergestellt
werden, das kein fremder es roch oder sehen konnte. der akt des schlachtens durfte nicht bemerkt,
die schreie des schweines nicht gehört werden - es wurde laute musik gespielt und mit dem 'motteck'
(=vorschlaghammer) dem tier der garaus gemacht. die beteiligten personen teilten sich ihre beute
dann je nach anspruch und leistung, ohne trichinenbeschau des fleisches.
wohnungen waren knapp. die wohnungen der bergarbeiter waren nicht so stark vom bombenhagel in
mitleidenschaft gezogen worden, sie standen weiter auseinander als stadtwohnungen und hatten sehr
große gartenflächen hinter den häusern. viele männer, die aus dem krieg und gefangenschaft nach
hause zurück gekommen sind, 'fingen auf dem pütt an' um eine wohnung und die depotatkohle zu
bekommen. aber strom mußte bezahlt werden! um die stromrechnung niedrig zu halten, wurde der
stromzähler seitlich, in höhe der sich drehenden scheibe mit ganz dünnem bohrer angebohrt, so
klein, dass eine stecknadel gerade durch das bohrloch gesteckt werden konnte, deren spitze die
sich drehende, stromzählende scheibe anhielt (sie hatte seitlich kleine zähnchen, in die sich
die nadelspitze einhakte). ;)
schnaps wurde natürlich auch selbst gebrannt. nachts, damit der geruch nicht so auffallen und der
standort nicht so leicht aufgespürt werden konnte. anderntags versteckte man die 'privatbrennerei'
und den 'stoff' an einer anderen stelle, weg vom brennort, damit sie bei einer denunziation nicht
gefunden wurden. einige erblindeten nach dem genuß des selbstgebrannten zeitweise, was tut man
nicht alles um in solchen zeiten mal lustig zu sein...! :prost:

vielleicht haben einige mitglieder auch gelegenheit und lust hier von diesen zeiten, aus ihrer heimat,
zu erzählen, in denen nicht alles 'legal' zuging! :winke:
 
Es war zwar eine andere Zeit, aber dazu kann ich auch etwas beitragen.
So um 1979 war es in der tiefsten DDR.
Ich wollte mein erstes Haus ausbauen. Das meiste Material hatte ich mir von diversen Baustellen " besorgt". Steine, Zement, Kalk usw. Aber Holz war knapp.
Man musste einen Bezugsschein vom Rat des Kreises haben, um an Bauholz zu kommen. Mehr als 5 Kubikmeter waren aber nicht drin. Nun stelle sich das man aber nicht so einfach vor, zum Baumarkt fahren und das fertige Holz abholen. Nein, erst musste man zum Förster, der sagt, gut, du kannst diese Bäume schlagen, dann musste man eine Bescheinigung von einem Sägewerk haben, die dir bescheinigten, das sie dir das Holz auch sägen. Nun finde mal ein Sägewerk, das sich nicht VEB nannte. Ich habe aber 10 kubikmeter gebraucht.Ich fand noch drei Freunde, die für mich auch diesen Antrag gestellt haben. Das hat viel Bier und Schnitzel gekostet. Jetzt hatte ich 10 Kubik über und die konnte ich gegen Kalksandsteine und Dachziegel eintauschen. Für die Dachziegel, die ich zuviel hatte, konnte ich wiederum einen Glaser davon überzeugen, das ich Glas ohne Lufteinschlüsse brauche.
Ach, da könnte ich noch ne ganze Menge mehr erzählen. Zb. wie wir uns nachts gegenseitig mit dem Handwagen aus einem offenstehenden Silo einer LPG für Schweinefutter rausgeholfen haben.
Ein Schwein zu verkaufen, brachte 1000 Mark. Das war viel Geld. Zu dem Zeitpunkt habe ich nur 600 verdient.

Meine frau war auch so verrückt. Sie hatte erfahren, das in einem Geschäft Fliesen aus Ungarn angekommen sind, die aber nur unter dem Ladentisch verkauft wurden.Sie hatte dort angerufen und mit der Parteikontrollkommision gedroht und Flo durfte dann hin und sich die Muster aussuchen.
 
Zuletzt bearbeitet:
kleine lokalpatriotische korrektur zu clemens beitrag: es war nicht der ruhrbischof, den es erst seit 1958 gibt, der im kohlenklau keine sünde sah, sondern der kölner erzbischof, kardinal frings. die nicht ganz legale beschaffung nannte man dann auch "fringsen".

da ich, dank der flucht meiner eltern 1956, im westen geboren und aufgewachsen bin, kann ich keine persönlich anekdote beitragen. ich weiss von einer tante, die mitglied einer solchen kontrollkomission war, um an bückware heranzukommen. und ein angeheirateter cousin, bauarbeiter, klaute sich das material für die renovierung seines häuschens von den baustellen, auf denen er arbeitete. ich habe bei meinen verwandtschaftsbesuchen in der ddr nie so ein luxuriöses, aber auch "kreatives" badezimmer wie bei ihm gesehen.
 
1947
Mein (viel älterer) Bruder brauchte einen Studienplatz. Maschinenbau sollte es sein. Gab es aber nicht.
Aber einen Professor an der TH der ein Radio brauchte.
Zu Blaupunkt hatte mein Onkel "Beziehungen", dort gab es Radios, man brauchte aber Mehl.
Nun gab es einen Mühlenbesitzer dessen Sohn dringend ein Motorrad brauchte.
Da hatte mein Vater seine Verbindungen. Aber, in die franz. Zone durfte man keine Motorräder einführen! Nur Teile. Also baute man aus Teilen ein Motorrad.

Der Sohn des Mühlenbesitzers hatte ein Motorrad.
Bei Blaupunkt hatten sie Mehl.
Der Professor ein Radio.
Mein Bruder einen Studienplatz.
Und alle waren glücklich!

Irgendwie geht es immer!


Grüße Repo
 
In schwierigen Zeiten überleben die, die improvisieren und organisieren können.
Da helfen halt "kleine Verbrechen" um überhaupt zu existieren. Ehrliche, gesetzestreue Leute geraten ins Hintertreffen.
 
collo schrieb:
kleine lokalpatriotische korrektur zu clemens beitrag:...
sicher nicht, es bleibt ja alles eh im rheinland !
collo schrieb:
... es war nicht der ruhrbischof.... sondern der kölner erzbischof, kardinal frings.
was natürlich richtig ist, da habe ich die ämter verwechselt! :rolleyes:

flo schrieb:
..Ach, da könnte ich noch ne ganze Menge mehr erzählen. ..
hört sich 'da werde ich noch ne menge mehr erzählen...' nicht besser an? ich finde schon! ;)


und wo bleiben die anderen? kramt in euren erinnerungen, fragt ältere personen und erzählt uns bitte alles. damit nichts verloren geht! :winke:
 
weniger ein 'verbrechen', aber doch eine kleine geschichte, die aus den lebensumständen jener
zeit geboren wurde, erzählt von meiner tante. diese bekam gerade ihr zweites kind und lag im
krankenhaus.
mein onkel war mit dem ungewohnten haushalt und der pflege des erstgeborenen voll im streß.
als windeln wurden zu der zeit noch lappen benutzt, die aus ausgedienter bekleidung hergestellt
wurden und nach der benutzung gewaschen werden mußten. es gab natürlich noch keine modernen
waschmaschinen und trockner wie heute und einem gestandenem bergmann bereitete es damals doch einige
mühe die windeln zu waschen und 'schrankfertig' zu machen. bei so einem windelwechsel, mein onkel
hielt den kleinen mann mit der einen, entfernte die benutzte windel mit der anderen hand und mit
dieser legte er auch die neue, mit viel arbeit frisch gesäuberte windel unters kind. mit schrecken
stellte er in diesem entscheidenden augenblick das rotwerden des gesichtes und ein 'drücken' seines
kleinen fest. klar, das produktionsergebnis der letzten fütterung wollte ans tageslicht - nur, oh
schreck, die neue windel lag direkt unter der austrittsöffnung! schnelles handel war gefordert - die
linke hielt noch das kind an den füßen, aber die rechte war noch frei und wozu hat man denn zwei
große bergmannshände, in die viel hineinpaßt.....? :rolleyes: :D
 
Ich habe mal einen Sowjetleutnant verprügelt. Das muss so um 77 gewesen sein.
Wir Jugendlichen hatten in unserer Dorfkneipe, im Park eine Party ( ja, wir konnten auch feiern ).
Da kamen, wie immer am Wochenende die Offiziere rein um sich zuzunähen ( man muss sich doch wundern, wieviel Wodka in so einem Russen reinpasst ). Jedenfalls kam so ein junger Leutnant zu meiner Freundin und fragte sie, ob sie mit ihm tanzen will. Sie blickte mich an und ich schüttelte mit dem Kopf. Er wurde immer aufdringlicher und ich schüttelte immer mehr mit dem Kopf. Da hat mich ein Kumpel zurückgezogen und sagt" Mensch mach kein Mist, die haben immer eine Plempe in der Tasche". Wir passen auch alle auf. Die anderen drei Offiziere lagen schon unterm Tisch. Ich habe mich dann doch überreden lassen. Aber als er anfing sie zu befummeln, war es vorbei mit meiner Beherrschung.
Am nächsten tag kam der ABV bei uns vorbei und fragte, was passiert sei. Aber niemand wusste etwas.

Der AbV hatte sowieso eine besondere Vermittlerstelle. Es passierte nicht selten, das er Leute aus den feuchten Kellerräumen der Russenkaserne rausholen musste. Wir sind immer durch den Zaun geschlüpft um im Magazin einkaufen zu gehen. Eigenartigerweise hatten die immer Bananen und Apfelsienen und den Madgas in den Magazienen war es egal, wer das kauft. Aber wehe die Streife kam.
 
Festus621 schrieb:
Flo, kläre uns dumme Wessis mal auf, was die Abkürzung AbV bedeutet.

Kann ich auch machen; ich kenne die Leute aus meiner Jugendzeit auch noch.

ABV = Abschnittsbevollmächtigter

Darunter verstand man denjenigen Polizisten (konkret: Angehörigen der Deutschen Volkspolizei der DDR), der für einen bestimmten Ort oder Stadtbezirk o.ä. zuständig war - eben seinen Abschnitt.
Lax formuliert der "Dorf Sheriff" =)
 
Genau Timo.
Und so schlecht war der gar nicht. Der hat mal einen Freund von mir, damals 16 vor der stasi gerettet. Der Freund war betrunken und hatte am ersten Mai, Nachts als er nach hause ging eine DDR Fahne abgerissen. Die Lappen waren ja so lang, das sie einem dauernd vor der Nase wedelten. Und eine alte Frau wollte das beobachtet haben. Drei tage später war Vollversammlung in der Schule. 8., 9, und 10. Klasse mussten teilnehmen. Die haben den armen Kerl so fertig gemacht und wollten ihn von der Schule schmeissen und die Stasi wollte noch ganz was anderes.
Viel später, nach der Wende hat mir der, inzwischen pensionierte Polizist erzählt, das er das so gedreht hat, das ein kurz vor der Entlassung stehender Rotarmist die Flagge geklaut hat. ( Das war gang und gäbe, so als Andenken mit nach hause nehmen). Wir hatten uns schon gewundert, das nichts mehr kam.
 
die aus der schlechten zeit stammenden gewohnheiten wie sparsamkeit, nichts wegwerfen was noch vielleicht
mal gebraucht werden könnte, möglichst alles selber machen usw. behielten viele menschen ihr leben lang
bei. die erlebte not war eine tüchtige lehrerin! so auch meine eltern.

war im haus etwas defekt oder aufzubauen, mußte, nein durfte, mein vater ran! bevor ein anderer, z.b.
ein fachmann (was ist das?) etwas falsch machen konnte, erledigte es lieber mein vater selber,
preiswerter und natürlich besser. seine alles umfassende werktätigkeit konnte man sogar spüren. wenn
der wasserhahn und der elektroherd (funktionierte auch über den metallenen topf/wasserkessel)
gleichzeitig angefasst wurde, bekam derjenige einen fürchterlichen stromschlag. meine mutter gewöhnte
sich rasch daran und fasste nicht beide teile gleichzeitig an, holte sich aber den kick hin und wieder
in unaufmerksamen momenten. geändert wurde natürlich nichts daran- was fertig war, war auch erledigt
und uninteressant, etwas 'für später'. dank linoleumbodens blieb die kopfzahl unserer familie konstant.
mein vater hatte an den roten erdungsdraht den strom angeschlossen, weil für ihn die rote farbe
gefahr=strom und nicht sicherheit signalisierte. :rolleyes:

auch als der henkel seiner alten, geliebten aktentasche entzwei ging, hatte er sogleich eine lösung des
problems gefunden. wozu hat man denn jede menge drahtreste in der kramkiste gesammelt? mit viel liebe
zwischen den beiden metallösen geflochten und das muster nach der zweiten flasche bier immer gewagter
werdend, hatte seine tasche bald einen neuen griff und meine mutter einen stolzen mann. die tasche
sah jetzt aber auch tip-top (total beschissen) aus. dieser meinung waren auch die kollegen und schenkten
ihm, als wink mit dem zaunpfahl, eine rolle draht - sehr schön eingepackt! :cool:

wofür mein vater allerdings absolut nicht zu begeistern war, neben fenster putzen und kinderwagen schieben
(='frauenarbeit' bei der man gesehen werden konnte), war die arbeit im garten. ja er hasste sie wie die pest.
nun war er aber nach der heirat in das elternhaus seiner frau gezogen und deren mutter lebte noch mit darin.
diese, seine schwiegermutter, stammte aber, wie viele menschen im revier, aus einer ländlichen gegend und
achtete nur menschen, natürlich den schwiegersohn im besonderen, die einen garten bestellen und eine
gute ernte einfahren konnten. bis zum beweis dieser fähigkeit wurde mein vater nicht richtig ernst
genommen, heute schwer vorstellbar, aber damals war's halt so. nun waren viele vertriebene auch ins
ruhrgebiet verschlagen worden und einer davon aus schlesien und ein ass in sachen gartenanbau, war ein
arbeitskollege meines vaters. der sagte ihm wann er was zu pflanzen hatte, wie er die beete anlegen und
welche pflanzen er nahe zusammen pflanzen mußte. setzte meine großmutter nun etwas ein, fragte mein vater
ob er auch setzen sollte - oft kam da 'noch warten, zu früh, zu naß...erst später'- argwöhnisch beobachtet
von seiner schwiegermutter hegte und pflegte er, nach den ratschlägen seines kollegen, sein stück garten.
sein erfolg war groß und größer als der seiner prüferin, die von seinem ratgeber nichts wußte. er hatte
bestanden, sein stück garten holte sich die freie natur wieder zurück, ich habe ihn nie bei irgendeiner
gartenarbeit gesehen. :D
 
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