Die Rolle des Kapitäns?

Wieso sagte man eigentlich, der Kapitän muss mit seinen Schiff untergehen?

Dies ist ein Mythos aus Hollywood. Verkauft sich einfach besser.
Aber nun zu den Hintergründen. Das hat mit den Traditionen der Royal Navy zu tuen. Ein Kapitän hat ein Beiboot als letzter betreten und als erster verlassen. Durch die Beladung mit Matrosen liegt ein Beiboot stabiler und man kann es Gefahrloser betreten. In der Flotte wurde zum Bsp. auch auf See Besprechungen angesetzt. Um das Schiff zu verlassen und zu betreten wurden meist Strickleiter benutzt. Die sind auch stabiler wenn unten jemand sie hält. Und bist nach 1700 haben die Seeoffiziere zumindest bei Gefechten Kürassen getragen. Wenn man damit über Bord geht.... :weinen:
Zum anderen, ein Kapitän,welcher sein Schiff verloren hat, wie auch immer, ob im Sturm untergegangen, auf ein nicht kartographiertes Riff aufgelaufen oder auch durch eine Meuterei verloren musste sich schon sehr früh (vor 1650) einem Kriegsgericht stellen.

@ Hans forscht

Blight ist nach seiner Rückkehr aus Polynesien zum Postcaptain befördert worden. Und der ältere Bruder von Fletcher Christian hat danach einen PR-Feldzug gegen Blight gestartet. Hollywood hat sich nachher auf die Briefe der Familie Christian gestützt.

Apvar
 
Dies ist ein Mythos aus Hollywood.

Nicht nur, sondern kommt auf die Marine an.

Es gibt zunächst einmal die Suizidfälle, deutlich durch die Weigerung, als Letzter von Bord zu gehen.

Sodann gibt es den rationalen Hintergrund der höchsten Befehlsgewalt, die bis zur Aufgabe des Schiffes auszuüben ist. Bei Sinkvorgängen kann es dabei zuweilen den Kapitän erwischen, vom Rest der Mannschaft in den Unterdecks o.ä. ist hinterher ohnehin keine Rede.
 
Nun, soweit ich weiß, gilt nach Seerecht ein Schiff ohne Besatzung als "herrenloses Gut".
Wer den Kahn an den Haken nimmt, dem gehört er. Ist da noch der Kapitän drauf, gibts nur Bergungsgeld. Auch nicht schlecht, aber so´n Kahn ist meist mehr wert
 
Von wegen mit seinem Schiff untergehen. Ich kannte einen alten Kapitän der spanischen (republikanischen) Marine. Einen Basken der nach Ende des Bürgerkrieges ins Exil gehen musste und dann im 2 WK von den Briten engagiert wurde, Handelsschiffe durch die Biskaya zu führen. Ihm sind drei Schiffe durch Minen- oder Torpedotreffer unter den Füssen versenkt worden. Sein ganzer Stolz war, dass er dabei keinen einzigen Matrosen verloren hat.
 
Nicht nur, sondern kommt auf die Marine an.

Es gibt zunächst einmal die Suizidfälle, deutlich durch die Weigerung, als Letzter von Bord zu gehen.

Sodann gibt es den rationalen Hintergrund der höchsten Befehlsgewalt, die bis zur Aufgabe des Schiffes auszuüben ist. Bei Sinkvorgängen kann es dabei zuweilen den Kapitän erwischen, vom Rest der Mannschaft in den Unterdecks o.ä. ist hinterher ohnehin keine Rede.

Hier möchte ich noch hinsichtlich der Suizidfälle ergänzen, solange es bei einer Marine keine "Echtzeit" Kommunikation mit wie auch immer gearteten Stäben gab, mußte der Kapitän eines Schiffes die allermeisten Befehle autonom entscheiden. Dabei können Fehler passieren, meistens ist er sich der Fehler auch bewußt. Der Suizid erspart ihn dann eine marinegrichtlichen Untersuchung mit all den daraus folgenden Konsequenzen.

M.
 
Wieso sagte man eigentlich, der Kapitän muss mit seinen Schiff untergehen?

Es kann sich hier um niemanden gehandelt haben, der irgendwas zu sagen gehabt hätte.
Es wird eher andersherum ein Schuh draus: Bis bummelich um die Jahrhundertwende 18. auf 19. Jahrhundert galt die Autorität eines Kommandanten nur, solange das Schiff intakt war. War dieses verloren oder in einer hoffnungslosen Lage, war die Grundlage für die Befehlsgewalt von Kommandant und Offizieren perdu - es galt von dem Zeitpunkt an der Grundsatz Jeder für sich. Man musste als Kommandant dann schon eine starke persönliche Autorität haben, um die Disziplin aufrechtzuerhalten.

(Dazu kommt - für viele Romanleser und Hollywoodkonsumenten völlig überraschend - dass es bis in die 80er Jahre des 18. Jahrhunderts ein starkes proto-demokratisches Element gerade in der Royal Navy gab.)

Die erschröckelichen Beispiele: der Verlust der Grosvenor (hier die jugendfreie Version: HMS Grosvenor ? Wikipedia ), oder der Verlust der Wager HMS Wager (1739) - Wikipedia, the free encyclopedia (Siehe hier "The Wager mutiny").


Konsequenterweise kam es durchaus vor, dass der Kommandant sich rettete, während der Großteil der Besatzung mit dem Schiff unterging - da war zu dem Zeitpunkt (noch!) nichts ehrenrühriges dran. Beispiel: Der Verlust der Centaur 1782/1783 mit Mann, Maus und Ausnahme des Kommandanten höchstselbst und einiger weniger. John Nicholson Inglefield - Wikipedia, the free encyclopedia
Nach den mir bislang vorliegenden Berichten hat Inglefield seine Besatzung zusammengerufen, ihnen gesagt, dass er die Lage des Schiffes für aussichtslos hält, sein eigenes Vorhaben bekanntgegeben, sich in den Booten zu retten und seine Leute vor die Wahl gestellt, mitzukommen oder an Bord zu bleiben. Die allerallermeisten entschieden sich dafür an Bord zu bleiben....

An dieser Stelle übrigens mal wieder ein Beweise, dass es keine blöden Fragen gibt - Dank an unseren Gast, dass er mich auf diese mir unbekannte Quelle gestoßen hat:
http://ia700401.us.archive.org/14/items/captinglefieldsn00ingliala/captinglefieldsn00ingliala.pdf :yes:

Das ganze wuchs sich erst vollends raus, als der Kommandant nicht mehr in erster Linie Kommandant des Schiffes, sondern Kommandant von Schiff und Besatzung wurde.


Post Scriptum:
Habe jetzt gerade selber zum ersten Mal Inglefields eigenen Bericht gelesen. Einerseits herzzerreissend, wie er das Dilemma eigener Überlebenswillen versus Aufgabe seiner Besatzung schildert, andererseits tatsächlich verständlich, dass Inglefield seitens diverser Mitoffiziere erhebliche Kritik für sein Verhalten einstecken musste. Dass der Captain das sinkende Schiff als erster verließ, ist in vielen Werken der Sekundärliteratur gar nicht angekommen...
 
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Es kann sich hier um niemanden gehandelt haben, der irgendwas zu sagen gehabt hätte.
Es wird eher andersherum ein Schuh draus: Bis bummelich um die Jahrhundertwende 18. auf 19. Jahrhundert galt die Autorität eines Kommandanten nur, solange das Schiff intakt war. War dieses verloren oder in einer hoffnungslosen Lage, war die Grundlage für die Befehlsgewalt von Kommandant und Offizieren perdu - es galt von dem Zeitpunkt an der Grundsatz Jeder für sich. Man musste als Kommandant dann schon eine starke persönliche Autorität haben, um die Disziplin aufrechtzuerhalten.[...]An dieser Stelle übrigens mal wieder ein Beweise, dass es keine blöden Fragen gibt[...][/QUOTE]

Man kann mir wohl keinen Vorwurf daraus machen, im komplexen Gebiet des englischen Seerechts keine Ahnung zu haben.

Danke allerdings, diese Tatsachen sind mir neu.

(Dazu kommt - für viele Romanleser und Hollywoodkonsumenten völlig überraschend - dass es bis in die 80er Jahre des 18. Jahrhunderts ein starkes proto-demokratisches Element gerade in der Royal Navy gab.)

Welches demokratische Element?
 
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