Die Schlacht von Kadesch: Sieg, Patt, Niederlage?

Wieso meinst Du das?

Ravenik hat doch oben den Ablauf dargestellt, und danach wurde der hethitische Angriff mit der Einkesslung abgewehrt. Ramses sah sich offenbar trotz der Verstärkungen nicht in der Lage, Kadesch einzunehmen, und brach die Kampagne ab. Siehst Du in dem Abbruch den Sieg, der überzeugender hätte sein können?

Über die Verluste wird wohl gestritten, ebenso wie über die Truppenstärken.
Ich weiß nicht ob es noch dem aktuellen Stand der Forschung entspricht, aber im Nachklang der großen Hethiterausstellung vor einigen Jahren wurden Tontafeln präsentiert, die den Gegenangriff der ägyptischen Verstärkungen beschreiben. Demnach wurden die hethischen Streitwagen überrascht weil Wachposten zu sorglos aufgestellt wurden. Da ich diese Art der Schuldzuweisung bei den Hethitern nicht als politisch motiviert einstufe, war der Schreiber wohl der Meinung hier hätte es besser laufen können.

Eine Gefangennahme von Ramses wäre natürlich stark gewesen, aber die Möglichkeit war wohl nach dem Verlauf der Schlacht nicht gegeben.
 
Eine Gefangennahme von Ramses wäre natürlich stark gewesen, aber die Möglichkeit war wohl nach dem Verlauf der Schlacht nicht gegeben.
Was seht ihr alle so positiv daran, dass ägyptische Reich stark zu schwächen und so ein Machtvakuum in der heutigen Region Syrien, Libanon, Israel, Jordanien zu erzeugen? Der tatsächliche Ausgang der Schlacht war für die Hethiter viel besser, als ein großer weiterführender Machtkampf dort.
 
Was seht ihr alle so positiv daran, dass ägyptische Reich stark zu schwächen und so ein Machtvakuum in der heutigen Region Syrien, Libanon, Israel, Jordanien zu erzeugen? Der tatsächliche Ausgang der Schlacht war für die Hethiter viel besser, als ein großer weiterführender Machtkampf dort.

Ich verstehe das nicht, daß du einerseits eine Destabilisierung der Levante andeutest (Machtvakuum aufgrund Schwächung Ägyptens), andererseits den Schlachtausgang für das Hethiterreich als positiv bewertest; mitnichten, daß ich dir im letzten Punkt widersprechen wollte, aber ich habe während meiner Beschäftigung mit dem Thema den Eindruck gehabt, daß die Hethiter ihren Einflußbereich ausdehnen konnten. Karkemisch bspw. setzte die hethische Tradition noch über den "Seevölkersturm" hinaus fort, soweit ich weiß.
 
Okay ich drücke es nochmal anders aus:
Hypothetisch: Hethiter lassen sich auf die Schlacht ein und gewinnen diese und nehmen Ramses gefangen oder töten ihn. Infolge dessen wäre Ägypten stark geschwächt und müsste sich von der Levante zurückziehen. Nun hätten die Hethiter die Möglichkeit ihr Einflussgebiet auf die gesamte Levante auszudehnen, aufgrund der großen Entfernung würden sie die neuen Gebiete nicht halten können, schon ihr jetziges Herrschaftsgebiet ist schwer zu halten. Im Osten werden Reiche im Euphrat-Tigris Gebiet stärker und streben in Richtung Levante, dadurch muss wahrscheinlich dort öfters gekämpft werden, jedoch haben die Hethiter auch noch ihre traditionellen Gebietsstreitigkeiten mit den Kaskäer im Norden und im Westen an der Küste Anatoliens.
Man erkennt, dass sich Probleme häufen würden und der ertragsreiche Handel dort erschwert wird.
Was passiert ist: Die Hethiter geben Ramses die Möglichkeit sein Gesicht zu waren und schaffen stabile Verhältnisse auf der Levante, welche für sie mehr als günstig sind. Sie setzten auch Bentesina ab und haben wieder den alleinigen und vollkommenen Einfluss über das abgefallene Kadesch und Amurru. Von Osten werden nicht so schnell neue Reiche in Richtung Levante vorstossen, da dort zwei, miteinander verbundene Reiche, sich einvernehmlich das Gebiet aufgeteilt haben. Zudem können die Hethiter nun auch die West- und Nordgrenze ihres Reiches endgültig stärken.
@Muspilli Ich hoffe es ist nun verständlich was ich auszudrücken versuchte. Und dass in Karkamis die hethitischen Traditionen fortgesetzt wurden, liegt daran, da es ziemlich lange und stetig hethitisch war, weiter im Landesinneren liegt und ein starkes Vizekönigtum dort herrschte
 
Okay ich drücke es nochmal anders aus:
Hypothetisch: Hethiter lassen sich auf die Schlacht ein und gewinnen diese und nehmen Ramses gefangen oder töten ihn. Infolge dessen wäre Ägypten stark geschwächt und müsste sich von der Levante zurückziehen. Nun hätten die Hethiter die Möglichkeit ihr Einflussgebiet auf die gesamte Levante auszudehnen ...

Die gewonnene Schlacht ist nicht hypothetisch - falls man dieser verbreiteten Version vom Ausgang der Schlacht Glauben schenken will. Allerdings fühlten sich die Hethiter anscheinend nicht stark genug, diesem Sieg ein Vordringen auf ägyptisches Gebiet und die Annexion ägyptischer Territorien folgen zu lassen.

Das mag daran liegen, dass innenpolitisch nicht alles bestens bestellt war. König Muwatallii II. verlegte seine Hauptstadt von Hattusa nach Tarhuntašša, da er Angriffe fürchtete, entweder von innenpolitischen Gegnern oder von den Kaskäern im Norden. Aus dieser Pattsituation und der Schwäche beider Staaten heraus kam es im Jahr 1259 v. Chr. zum Friedensvertrag, der alles beim alten beließ und freundschaftliche Beziehungen zwischen den Kontrahenten anstrebte.
 
@Ravenik Die Ägypter und Hethiter waren auf derselben Seite des Orontes
Sicher?

Es gibt ein paar hethitische Quellen, die ich mal versuchen werde als Übersetzung zu finden oder als Umschrift, so dass ich diese versuchen werde zu übersetzen, die die Schlacht von Kadesch betreffen. Dann erkennt man bestimmt besser, dass die Hethiter alle Ziele erreicht haben und die angebliche Schwäche der Genehmigung eines Rückzuges von Ramses, gar keine Schwäche war, sondern ein strategisch kluger Schachzug war.
Wie sollen diese Quellen belegen können, was der Plan war? Dazu müsste es schon ein vor der Schlacht erstelltes hethitisches Dokument geben, in dem steht, wir wollen den Ägyptern durch einen Überraschungsangriff Verluste zufügen, aber das feindliche Heer nicht wirklich schlagen, vor allem aber wollen wir dafür sorgen, dass Ramses sich mit dem Großteil seines Heeres ungefährdet zurückziehen kann, denn das ist politisch viel besser für uns als eine klare ägyptische Niederlage. Dass es so ein Dokument gibt, bezweifle ich mal. Aber selbst wenn es ein Dokument aus der Zeit nach der Schlacht geben sollte, in der eine solche Strategie skizziert wird, würde das noch nicht beweisen, dass es wirklich vorab so geplant war. Feldherren nehmen für sich hinterher gerne in Anspruch, den ganzen Schlacht- und sogar Kriegsverlauf genau so vorhergeplant zu haben, wie es wirklich kam. In der Realität aber galt meist, was, glaube ich, Moltke schrieb: Kein Plan überlebt die erste Feindberührung.
Kurzum: Dass sich das verhaltene Ergebnis der Schlacht für die Hethiter letztlich günstig ausgewirkt haben mag, beweist nicht, dass das von Anfang an so geplant war.

Was seht ihr alle so positiv daran, dass ägyptische Reich stark zu schwächen und so ein Machtvakuum in der heutigen Region Syrien, Libanon, Israel, Jordanien zu erzeugen? Der tatsächliche Ausgang der Schlacht war für die Hethiter viel besser, als ein großer weiterführender Machtkampf dort.
Mag sein, aber auch das ist eine ex-post-Betrachtung. ("Mag sein" schrieb ich, weil wir ja das Alternativszenario nicht kennen, also gar nicht wirklich wissen und beurteilen können, was passiert wäre, wenn die Ägypter klar geschlagen und ihnen womöglich sogar der Pharao abhanden gekommen wäre.) Tatsächlich war es so, dass Ägypten und die Hethiter zu einer stabilen friedlichen Koexistenz fanden. Nur: War das auch ex-ante klar? Dass zwei Großmächte mit überlappenden Interessensphären dauerhaft friedlich koexistieren, ist keineswegs selbstverständlich und auch nicht gerade der Normalfall, siehe Rom und Karthago, Seleukiden und Ptolemaier, etc. Die Hethiter konnten unmöglich vorab wissen, ob es zu einem Ausgleich mit Ägypten kommen würde, oder ob Ramses bei nächster Gelegenheit mit einem erneuerten Heer wieder einen Großangriff starten würde, bei dem es für ihn womöglich wesentlich besser laufen würde. Oder noch schlimmer: Wer garantierte eigentlich, dass er sich beim nächsten Versuch nicht mit anderen Feinden der Hethiter zusammentun würde? Bei einer so unklaren Lage ist es ex-ante betrachtet wohl allemal besser, eine Bedrohung möglichst abzuschwächen als sie bewusst bestehen zu lassen und das Beste zu hoffen.
 
Die gewonnene Schlacht ist nicht hypothetisch - falls man dieser verbreiteten Version vom Ausgang der Schlacht Glauben schenken will. Allerdings fühlten sich die Hethiter anscheinend nicht stark genug, diesem Sieg ein Vordringen auf ägyptisches Gebiet und die Annexion ägyptischer Territorien folgen zu lassen.

Das mag daran liegen, dass innenpolitisch nicht alles bestens bestellt war. König Muwatallii II. verlegte seine Hauptstadt von Hattusa nach Tarhuntašša, da er Angriffe fürchtete, entweder von innenpolitischen Gegnern oder von den Kaskäern im Norden. Aus dieser Pattsituation und der Schwäche beider Staaten heraus kam es im Jahr 1259 v. Chr. zum Friedensvertrag, der alles beim alten beließ und freundschaftliche Beziehungen zwischen den Kontrahenten anstrebte.

Mit "Auf die Schlacht einlassen" ist der Kampf der beiden gesamten Heere gegeneinander gemeint, wie er vorher in die Diskussion eingebracht worden ist und nicht wie du hier grad sagst der gewonnene Überraschungsangriff der Hethiter.
Für Muwatalli waren es einfach strategisch bessere Gründe seine Hauptstadt mehr in der Mitte seines Herrschaftsgebiet zu haben, als am Rande. Die dauernden Konflikte mit den Kaskäern waren zu der Zeit aber eher minimal. Hattusili hatte den Norden ziemlich befriedet und die Kaskäer hatten sogar Truppen zur Schlacht von Kadesch geschickt.
Die Versetzung der Hauptstadt hat dafür gesorgt, dass er mehr innenpolitischere Gegner hatte als vorher, ist also nicht der Grund gewesen.
Ich würde Ägypten und Hatti 1259 v. Chr. nicht als schwach bezeichnen. Sondern wie du es sagst, man hat es mit 2 gleichstarken Großreichen zu tun, welche sich verbündet hatten, durch einen Vertrag und eine Heirat (es war sogar die beste Heirat die ein ägyptischer Pharao je mit einer ausländischen Prinzessin eingegangen ist). Dadurch haben beide mehr Vorteile als sie bei einer gegenseitigen Anfeindung hätten.
 
Ramses lagerte direkt am Westen der Stadt Kadesch und der Orontes fließt meines Wissens nach nicht durch Kadesch, sondern Kadesch liegt westlich in der Nähe des Orontes.

Wie sollen diese Quellen belegen können, was der Plan war? Dazu müsste es schon ein vor der Schlacht erstelltes hethitisches Dokument geben, in dem steht, wir wollen den Ägyptern durch einen Überraschungsangriff Verluste zufügen, aber das feindliche Heer nicht wirklich schlagen, vor allem aber wollen wir dafür sorgen, dass Ramses sich mit dem Großteil seines Heeres ungefährdet zurückziehen kann, denn das ist politisch viel besser für uns als eine klare ägyptische Niederlage. Dass es so ein Dokument gibt, bezweifle ich mal. Aber selbst wenn es ein Dokument aus der Zeit nach der Schlacht geben sollte, in der eine solche Strategie skizziert wird, würde das noch nicht beweisen, dass es wirklich vorab so geplant war. Feldherren nehmen für sich hinterher gerne in Anspruch, den ganzen Schlacht- und sogar Kriegsverlauf genau so vorhergeplant zu haben, wie es wirklich kam. In der Realität aber galt meist, was, glaube ich, Moltke schrieb: Kein Plan überlebt die erste Feindberührung.
Kurzum: Dass sich das verhaltene Ergebnis der Schlacht für die Hethiter letztlich günstig ausgewirkt haben mag, beweist nicht, dass das von Anfang an so geplant war.

Wo habe ich behauptet, dass die Hethiter VORHER geplant haben, Ramses einen Deal anzudrehen, der für beide Seiten große Vorteile hat.
Dass aber der Überraschungsangriff eindeutig geplant war, so wie er durchgeführt wurden ist, lässt sich beweisen und bestreitet auch keiner. Die fehlende Reaktion Muwatallis nachdem Ramses eingekesselt ist, scheint auch zu zeigen, dass sein Plan besser umgesetzt werden konnte als erwartet und dann macht er seinen klugen Schachzug und handelt diesen Waffenstillstand aus. Du versuchst also gerade etwas zu widerlegen was nicht behauptet wurde.

Mag sein, aber auch das ist eine ex-post-Betrachtung. ("Mag sein" schrieb ich, weil wir ja das Alternativszenario nicht kennen, also gar nicht wirklich wissen und beurteilen können, was passiert wäre, wenn die Ägypter klar geschlagen und ihnen womöglich sogar der Pharao abhanden gekommen wäre.) Tatsächlich war es so, dass Ägypten und die Hethiter zu einer stabilen friedlichen Koexistenz fanden. Nur: War das auch ex-ante klar? Dass zwei Großmächte mit überlappenden Interessensphären dauerhaft friedlich koexistieren, ist keineswegs selbstverständlich und auch nicht gerade der Normalfall, siehe Rom und Karthago, Seleukiden und Ptolemaier, etc. Die Hethiter konnten unmöglich vorab wissen, ob es zu einem Ausgleich mit Ägypten kommen würde, oder ob Ramses bei nächster Gelegenheit mit einem erneuerten Heer wieder einen Großangriff starten würde, bei dem es für ihn womöglich wesentlich besser laufen würde. Oder noch schlimmer: Wer garantierte eigentlich, dass er sich beim nächsten Versuch nicht mit anderen Feinden der Hethiter zusammentun würde? Bei einer so unklaren Lage ist es ex-ante betrachtet wohl allemal besser, eine Bedrohung möglichst abzuschwächen als sie bewusst bestehen zu lassen und das Beste zu hoffen.

An sich hast du Recht, dass die Hethiter nicht sicher sein konnten, dass die Ägypter nicht wieder kommen. Nur sie wussten, dass sie gerade den Ägyptern überlegen waren. Sie hatten mit ihren 2+1 Streitwagen die bessere Ausgangsposition. Sie kämpften in ihrem eigenen Land, bei einer gut gelegenen und starken Festung und hatten die Ägypter schon besiegt, wussten also, dass die Ägypter nicht so übermächtig sind wie früher.
Aber du hast natürlich mit deiner Kritik recht. Nachher ist man immer schlauer.
Ich behaupte trotzdem, dass das politische Können der Hethiter größer war, als das von anderen Mächten zu der Zeit (dafür waren die Hethiter in anderen Künsten unterlegen) und dieses große Können wird ihnen in Literatur öfters nachgesagt und kann man auch in ihrer Geschichte wiedererkennen.
Beweisen wirds man wahrscheinlich nie können, dass die Hethiter das Risiko kannten und abschätzen konnten, was von ihrem Handeln ausging.
 
Ramses lagerte direkt am Westen der Stadt Kadesch und der Orontes fließt meines Wissens nach nicht durch Kadesch, sondern Kadesch liegt westlich in der Nähe des Orontes.
Richtig, aber die Hethiter lagerten doch östlich des Orontes und schickten ihre Streitwagen über den Fluss?

Wo habe ich behauptet, dass die Hethiter VORHER geplant haben, Ramses einen Deal anzudrehen, der für beide Seiten große Vorteile hat.
Dass aber der Überraschungsangriff eindeutig geplant war, so wie er durchgeführt wurden ist, lässt sich beweisen und bestreitet auch keiner. Die fehlende Reaktion Muwatallis nachdem Ramses eingekesselt ist, scheint auch zu zeigen, dass sein Plan besser umgesetzt werden konnte als erwartet und dann macht er seinen klugen Schachzug und handelt diesen Waffenstillstand aus. Du versuchst also gerade etwas zu widerlegen was nicht behauptet wurde.
Okay, ich habe in Deinen Text wohl zu viel hineininterpretiert. Du meinst also, dass Muwatalli erst nach dem erfolgreichen Überraschungsangriff und nachdem die Ne'arin den Kessel aufgebrochen haben, beschlossen habe, die Schlacht abzubrechen, um die von Dir skizzierten Folgen zu erreichen? Möglich, aber unbeweisbar. Die Quellen scheinen hier aber auch nicht eindeutig zu sein: Teilweise ist anscheinend davon die Rede, dass die Hethiter nach dem Eingreifen der Ne'arin noch einen zweiten Angriff durchführten, der aber erfolglos blieb. Das würde gegen Deine Interpretation sprechen, sondern eher dafür, dass Muwatalli nur aufgab, weil ihm das Risiko einer weiteren Fortsetzung zu groß schien, nicht weil er Ramses abziehen lassen wollte.

Nur sie wussten, dass sie gerade den Ägyptern überlegen waren. Sie hatten mit ihren 2+1 Streitwagen die bessere Ausgangsposition.
Ob die hethitischen Streitwagen so unbedingt überlegen waren, bezweifle ich, denn sonst wären die Ägypter vermutlich auch auf das hethitische Modell umgestiegen. Zumindest müsste er größer und schwerer und somit auch schwerer zu handhaben gewesen sein.
 
Richtig, aber die Hethiter lagerten doch östlich des Orontes und schickten ihre Streitwagen über den Fluss?
Ich muss mich entschuldigen, ich hatte die Behauptung mit der gleichen Flussseite aus einem älteren Buch. Der neuere Stand der Forschung scheint zu sein, dass die Hethiter auf der anderen Flussseite lagen.

Okay, ich habe in Deinen Text wohl zu viel hineininterpretiert. Du meinst also, dass Muwatalli erst nach dem erfolgreichen Überraschungsangriff und nachdem die Ne'arin den Kessel aufgebrochen haben, beschlossen habe, die Schlacht abzubrechen, um die von Dir skizzierten Folgen zu erreichen? Möglich, aber unbeweisbar. Die Quellen scheinen hier aber auch nicht eindeutig zu sein: Teilweise ist anscheinend davon die Rede, dass die Hethiter nach dem Eingreifen der Ne'arin noch einen zweiten Angriff durchführten, der aber erfolglos blieb. Das würde gegen Deine Interpretation sprechen, sondern eher dafür, dass Muwatalli nur aufgab, weil ihm das Risiko einer weiteren Fortsetzung zu groß schien, nicht weil er Ramses abziehen lassen wollte.
Ob dieser weitere Angriff stattfand ist umstritten. Johannes Lehmann schreibt in seinem Buch "Die Hethiter - Volk der tausend Götter" (1975) noch, dass noch weitere Kämpfe stattgefunden haben. Birgit Brandau hingegen, schreibt in "Hethiter - Die unbekannte Weltmacht" (2001) nur von dem Überraschungsangriff und weiter hätte Muwatalli nicht angegriffen.
Nur die Ägypter scheinen über diesen weiteren Angriff zu schreiben und beide bewerten den Wahrheitsgehalt der ägyptischen Quelle anscheinend anders.
Ob die hethitischen Streitwagen so unbedingt überlegen waren, bezweifle ich, denn sonst wären die Ägypter vermutlich auch auf das hethitische Modell umgestiegen. Zumindest müsste er größer und schwerer und somit auch schwerer zu handhaben gewesen sein.
Die Streitwagen schienen sich nicht wirklich unterschieden zu haben in der Bauweise. Logischerweise müssten die hethitischen Streitwagen langsamer und weniger wendig sein, jedoch hatten sie den grossen Vorteil auf einem Streitwagen doppelt so viele Soldaten in einen Kampf führen zu können.
 
Ich könnte mir vorstellen, dass bei der "Interpretation" der Schlacht von Kadesch noch etwas entscheidend war.

Zunächst wurde davon ausgegangen, dass die Schlacht von den Ägyptern gewonnen wurde, aufgrund der ägyptischen Darstellung. Dabei dürfte der Umstand, dass die Hethiter bzw. ihre damalige tatsächliche Bedeutung als "Großmacht" über Jahrhunderte vergessen waren, eine entscheidende Rolle gespielt haben. Erst mit der "Wiederentdeckung" des Hethiterreiches" (Ende des 19. Jahrhunderts) sollte sich das ändern, und erst dann wurde durch die Entdeckung des "Friedenvertrags" zumindest erkennbar, dass Kadesch eindeutig nicht der "großartige" ägyptische Sieg war, was bisher angenommen war. In der Folge wurde der vermeintliche ägyptische Sieg ins Gegenteil verkehrt. (Bei C. W. Ceram, einem populärwissenschaftlichen Autor, wird z. B. in den 1950er-Jahren Ramses II. als Geschichtsfälscher bezeichnet, der aus einer Niederlage einen Sieg gemacht hat. Damals wurde offensichtlich von einem Sieg der Hethiter ausgegangen, und sogar angenommen, dass Ramses und sein Heer dumm genug waren sich in eine Falle locken zu lassen, obwohl der entscheidende strategishe Fehler, den die Ägypter gemacht haben, vielleicht nur auf eine Fehlinformation zurückzuführen ist. Was Ramses und seine angebliche Geschichtsfälschung betrifft, so dürfte sie wohl eher das Ergebnis einer Fehlinterpretation der Nachwelt gewesen sein.)

Die neueste Forschung dürfte sich inzwischen auf einen weniger extremen Standpunkt geeinigt haben, der die Schlacht jedenfalls nicht als vollständige ägyptischen Niederlage sieht und die Möglichkeit einer Patt-Situation einräumt, als in der Folge offensichtlich der Krieg nicht fortgeführt wurde.
 
Die Pattsituation ändert im Grunde nichts daran, de ägyptischen Bericht als exzellente Propaganda und damit als falsche Geschichtsdarstellung anzusprechen, denn Ramses II ließ sich in seinen Bildern und Inschriften als Sieger darstellen: „In Ägypten wurde die Niederlage von Kadesch in einem bebilderten Schlachtbericht und einem längeren Gedicht, das die Not des Königs schildert, der, von seinem heer verlassen, sich der Übermacht der Feinde stellen mußte, zu einem grandiosen Sieg verklärt.“ (Schlögl, 2001, S.101) Das dürfte sich auch in einer Neuausgabe vom Alten Ägypten (Beckverlag) nicht geändert haben.
 
Hier kommen jetzt auch die hethitischen Quellen zur Schlacht von Qades (es hat dann doch ein wenig länger gedauert).

Hattusili erwähnt die Schlacht in KUB XXIII 1 I 28-34 (siehe auch "Hattusili III - Teil 1: Hattusili bis zu seiner Thronbesteigung" von Ahmet Ünal, Seite 81)

"Als aber Muwatalli , der Bruder des Vaters der Sonne,
König wurde, versündigten sich die Leute von Amurru gegen
ihn und teilten ihm das mit : 'Wir sind ergebene Untertanen
gewesen. Jetzt (sind) wir dir nicht (mehr) Untertanen'. Sie
schlössen sich dem König von Ägypten an.
Als es aber kam, dass mein Bruder irgendwie gegen das Land Ägypten auszog, aus den Ländern, die ich besiedelte, führte ich die Truppen und Wagenkämpfer dieser Länder zu meinem Bruder zum Feldzug ins Land Ägypten hinab. Was ich vor Angesicht meines Bruders an Truppen und Wagenkämpfer besass, die kommandierte ich"


Nur über den Ausgang der Schlacht wird nichts erwähnt. Dies bedeutet wohl, dass entweder Hattusili keinen Anteil daran hatte oder dass er den Ausgang nicht als Sieg wahrgenommen hatte.

Im Sausgamuwa Vertrag wird auch auf den Kampf zwischen Muwatalli und Ägypten hingewiesen:
"And they went over to the king of Egypt. Then, the brother of the father of the Sun, Muwattalli, and the king of Egypt fought over the people of the land of Amurru, and Muwattalli defeated him."

in deutsch: "Und sie (das Herrschaftsgeschlecht von Amurru) gingen zu dem König von Ägypten (Ramses II.). Dann kämpften der Bruder (Muwatalli II.) des Vaters (Hattusili III.) der Sonne (Tudhalija IV.) und der König von Ägypten um Menschen des Landes von Amurru, und Muwatalli besiegte ihn."

Hier erkennt man dass ein paar Jahrzehnte später die Schlacht von Kadesch aus hethitischer Sicht als gewonnen betrachtet wurden war.

In CTH 86, 98 und 99 könnten auch noch Erwähnungen der Schlacht stehen, aber das habe ich noch nicht herausgefunden. Wahrscheinlich könnten weitere Schriften in Tarhuntassa liegen.
 
Die neueste Forschung dürfte sich inzwischen auf einen weniger extremen Standpunkt geeinigt haben, der die Schlacht jedenfalls nicht als vollständige ägyptischen Niederlage sieht und die Möglichkeit einer Patt-Situation einräumt, als in der Folge offensichtlich der Krieg nicht fortgeführt wurde.

Die Pattsituation ändert im Grunde nichts daran, de ägyptischen Bericht als exzellente Propaganda und damit als falsche Geschichtsdarstellung anzusprechen, denn Ramses II ließ sich in seinen Bildern und Inschriften als Sieger darstellen.

Ich muss zugeben ein deutlicher Sieg der Hethiter scheint doch wohl etwas unwahrscheinlich, doch sehe ich bis jetzt immer noch einen kleinen Vorteil bei den Hethitern. So dass es militärisch vielleicht ein Patt war, jedoch moralisch und politisch ein Sieg.
 
Ob dieser weitere Angriff stattfand ist umstritten. Johannes Lehmann schreibt in seinem Buch "Die Hethiter - Volk der tausend Götter" (1975) noch, dass noch weitere Kämpfe stattgefunden haben. Birgit Brandau hingegen, schreibt in "Hethiter - Die unbekannte Weltmacht" (2001) nur von dem Überraschungsangriff und weiter hätte Muwatalli nicht angegriffen.
Nur die Ägypter scheinen über diesen weiteren Angriff zu schreiben und beide bewerten den Wahrheitsgehalt der ägyptischen Quelle anscheinend anders.
Daraus könnte man dann wohl zwei mögliche Schlüsse ziehen:
a) Die Ägypter haben den erfolglosen zweiten Angriff erfunden - z. B. um ihren eigenen Erfolg zu vergrößern.
b) Die Hethiter haben den erfolglosen zweiten Angriff verschwiegen - z. B. um ihren Anfangserfolg nicht durch einen erfolglosen zweiten Angriff noch mehr zu beflecken als es durch das erfolgreiche Eingreifen der Ne'arin ohnehin schon der Fall war.

Alles in allem sehe ich jedoch bei den Ägyptern das geringere Motiv, denn da sie die Schlacht ohnehin schon als Sieg darstellten und so taten, als hätte der Pharao quasi im Alleingang die Hethiter geschlagen, wäre die erfolgreiche Abwehr eines weiteren hethitischen Angriffs nicht mehr als ein zusätzliches Sahnehäubchen gewesen.

Ich muss zugeben ein deutlicher Sieg der Hethiter scheint doch wohl etwas unwahrscheinlich, doch sehe ich bis jetzt immer noch einen kleinen Vorteil bei den Hethitern. So dass es militärisch vielleicht ein Patt war, jedoch moralisch und politisch ein Sieg.
Dem würde ich zustimmen.
 
Alles in allem sehe ich jedoch bei den Ägyptern das geringere Motiv, denn da sie die Schlacht ohnehin schon als Sieg darstellten und so taten, als hätte der Pharao quasi im Alleingang die Hethiter geschlagen, wäre die erfolgreiche Abwehr eines weiteren hethitischen Angriffs nicht mehr als ein zusätzliches Sahnehäubchen gewesen.

Das würde ich auch so sehen. Es scheint als ob dieser weitere Kampf für beide Seiten gleich schlecht verlief. Anscheinend verloren beide Seiten nur Truppen, aber konnten sich keinen Vorteil erkämpfen.
 
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