Die Versorgung römischer Truppen in der Germania

Bronzeeimer mit Delphin-Anbringungen [...] Wo sind die überhaupt gefunden worden und wie viele davon? In welchem Fundkontext? Z.B. einheimische Gräber? Siedlungen?

Stupperich in Bemerkungen zum römischen Import im sogenannten Freien Germanien, in: Franzius, G.: Aspekte römisch-germanische Beziehungen in der frühen Kaiserzeit. Vortragsreihe zur Sonderausstellung "Kalkriese - Römer im Osnabrücker Land", Bramsche 1995 berichtet von einem solchen Eimer in einem einheimischen Brandgrab augusteischer Zeitstellung, in Harsefeld bei Stade und von weiteren Exemplaren (allerdings nicht explizit solchen mit Delphin-Attachen) in Polen und Skandinavien. Das belegt, dass römische Waren ins Barbaricum gelangten, was aber auch niemand in Zweifel gezogen hat. Militärische Bewegungen belegen sie nicht. Der Eimer in Harsefeld wurde repariert. Für die Gräber des Typs Lübsow (benannt nach dem eponymen Fundort im heutigen Polen) sind Bronzeeimer römischer Provinienz nach Stupperich sogar typisch. Was also willst du damit belegen, Hermundure?
 
Ein anderer Artikel von Stupperich:

Die Formenvielfalt der Metallgefäße im freien Germanien, zumal solcher mit figürlichen Verzierungen oder Attachen, ist im Allgemeinen recht eingeschränkt. Die meisten stammen aus Gräbern; so wurden verzierte Eimer gerne als Urnen in Brandgräbern verwendet. Votivfunde sind seltener; in Sieldungen findet man nur gelegentlich Fragmente. Auch in römischen Militärlagern sind nur wenige Gefäße entdeckt worden, jedoch kaum mit figürlichem Schmuck. [...] Mehrere Stücke aus augusteischen Lagern wie Haltern und Oberaden dienen mehr noch als die zahlreichen aus germanischen Grabkontexten zur eindeutigen Eingrenzung der Zeitstellung; hinzu kommen die Werkstattstempel... [...]
Frühkaiserzeitliche figürliche Bronzen im nordwestlichen Germanien. Ein Überblick. In: Trier, B. (Hrsg.), Die römische Okkupation nördlich der Alpen zur Zeit des Augustus, Bodenaltertümer Westfalens 26, 1991, S. 167 - 184.
 
@ ELQ

ganz einfach, du findest Sie hauptsächlich da wo es auch die Münzen des Germanicus-Horizont gibt. Diese Form der römischen Bronzeeimer fehlen in Haltern (habe gestern mit Frau Dr. Tremmel deswegen telefoniert). Es gibt zwar Eimer, jedoch nicht diese spezielle Form E18. Hier die Karte von Jürgen Kunow dazu. Sie sind selten und wurden auch nicht an irgend einem X-beliebigen mit ins Grab gegeben.

Zitat J. Kunow S. 17:

"Sieht man von den nicht näher datierbaren Eimern der keltischen Oppida ab, gibt es meines Wissens keine gesicherten Funde aus der 1. H. des 1. Jh. v. Chr., so dass man wohl vorerst Werner zustimmen kann, der die Produktion schwerpunktmäßig erst in augusteischer Zeit beginnen und in tiberischer enden lässt, da bislang erst seit augusteischer Zeit gesicherte Funde vorliegen."

Der Römische Import in der Germania Libera
 

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Ja, das kannst du auch bei Stupperich nachlesen, dass es die delphinattachierten Eimer in Haltern und Oberaden nicht gibt, freilich mit einem Stand der 1990er Jahre. Die Frage bleibt aber bestehen warum du sie in die Diskussion zur Versorgung römischer Legionen in der Germania Libera einbringst. Denn gefunden wurden sie selten in militärischen Kontexten und meist in einheimischen Gräbern, u.a. auch in Polen und Skandinavien. Was also willst du damit zur Fragestellung der Versorgung römsicher Truppen in der Germania Libera beisteuern, bzw. noch enger gefasst: Wie willst du damit belegen, dass das Operationsgebiet Germanicus' weiter östlich gelegen hat, als die Quellen uns berichten? Deine These bezieht sich ja auf den thüringisch-anhaltinischen Raum, zumindest hast du uns noch nicht mit Thesen überrascht, dass Germanicus sich in Pommern, Dänemark oder Schweden tummelte.
 
Auf perfide Art Unfrieden gestiftet

Soll nur als Beispiel dienen, mehr nicht. Ich glaube kaum das der Beschuldigte "wortbrüchig" noch dazu "untreu" gegenüber der anderen Person war.
Das wird wirklich langsam albern, Hermundure. Du versucht gerade, den umgangssprachlichen neuhochdeutschen Sprachgebrauch für ein Wort (hinterhältig) der lateinischen Bedeutung überzustülpen. Es gibt so etwas wie semantische Verschiebung, Erweiterung oder Verengung. So gibt es ein Wort im Deutschen, welches vor 200 Jahren noch 'gerecht' bedeutete, heute aber 'schrottwertig, schlecht' bedeutet. Die alte Bedeutung ist nur noch in Verben und Redewendungen erhalten. Ich rede von billig. Und das musst du doch zubilligen, dass es sich um billige Versuche handelt, nicht über deinen Schatten zu springen und eine fehlerhafte Übersetzung zuzugeben. Da war Silesias Hinweis mit dem wegschwafeln, den du durchaus als moderative Ansage verstehen darfst, nur recht und billig.
Es gibt auch andere Beispiele für semantische Verschiebungen. So bedeutete etwa das indoeuropäische Etymon von dt. Gast und lat. hostis so etwas, wie 'Fremder'. Das hat sich so weit auseinanderentwickelt, dass der Gast gewissermaßen der Besucher ist, den man bewirtet, wohingegen im Lateinischen die Fremdheit eher mit Feindseeligkeit gleichgesetzt wurde: hostis ist der 'Feind'. Zum Spanischen hat hier wiederum eine radikalere semantische Verschiebung stattgefunden, das davon abgeleitete hueste ist völlig wertneutral das 'Heer', also das eigene, wie das feindlich gesonnene.
Wenn Leute von chillen sprechen, dann wollen sie abhängen - oder auch ("Jetzt chill' mal!") andere auffordern, runterzukommen, aber denken sicherlich nicht an die englische Bedeutung 'abkühlen'.
 
@ ELQ

wie du sicherlich der Karte entnommen hast, befindet sich das Gros dieses Typs im Thüringischen Raum und an der Elbe. Ich habe auch vereinzelt germanicuszeitliche Münzen im rechtselbischen Raum und darüber hinaus. Es stellt sich schlussendlich die Frage, warum wurden bis dato keine dieser Eimer in Westfalen gefunden? Hatte Germanicus gar Unterstützer? Ja das denke ich. Der "Haudrauf" und "Hirnlose" bzw. "Erfolglose" wie Germanicus erst jüngst wieder durch R. Aßkamp in der Presse dargestellt wurde können wir vergessen. Der kam nicht mit leeren Händen.

Wegen dem Latein, weißt du doch das ich anders darüber denke. Dabei will ich es auch belassen.
 
fides hat mehrere Bedeutungen (Glauben, Treue, Vertrauen, Zutrauen, Ehrlichkeit, Gewissenhaftichkeit, Redlichkeit, Versprechen, (Ehren-)Wort, Zusage, Eid, Schwur).

Aber nicht die Bedeutung "Frieden".
Zwar steht pax in erster Linie für Frieden, jedoch bedeutet pax auch still! genug! basta! (Pons Latein online).

Was genau hat jetzt "pax" mit dem fraglichen lateinischen Satz zu tun? Da steht nichts von "pax".
Vertrauen, Treue, Zutraulichkeit kann ich wohl kaum in kriegerischer Absicht gewinnen. Übersetzt du im Englischen auch alles wortwörtlich? - wohl kaum.

Übersetzt du Sätze so, dass das rauskommt, was du gerne hättest? Falls ja, dann kann man diese Übersetzungen einfach so in die Tonne kloppen, denn sie besitzen Null komma Null Wert!

Wenn du über Latein so denken solltest, dass man lateinische Sätze so übersetzen kann, dass das gewünschte rauskommt - unabhängig vom lateinischen Inhalt, dann solltest du deine Verwendung des Lateinischen dringend überdenken!
 
Guten Morgen ELQ,

die Eimer wurden nicht irgend jemandem mit ins Grab gegeben, sondern nur Gefolgschaftsführern. Allein schon die Bewaffnung mit Lanze, Schild und vor allem das Schwert zeigt die gehobene Stellung des Verstorbenen an (Vollbewaffnung). Die Vollbewaffnung der Gefolgschaftsführer hat sich im Elbe-Saale-Gebiet bis in die Zeit des Thüringer Reiches durchgezogen (Behm-Blancke, Gesellschaft und Kunst der Germanen). Wenn die Eimer ein "Massenprodukt" wären, dann müssten sich diese vielfach in Resten (vor allem die Attachen bzw. Henkelösen) finden lassen - tun sie aber nicht. Einfache Eimer kommen natürlich im Lager Haltern und dem Haltern-Horizont vor, jedoch keine der Form E18 und E19. Diese kommen vorrangig in der Germania in Niedergermanien, Böhmen und dem Elbe-Gebiet vor (dazu schon damals H. Willers - Neue Untersuchungen über die römische Bronzeindustrie von Capua und von Niedergermanien; 1907 und C. Schuchardt in Berliner Philologische Wochenschrift vom 28.01.1911, S. 115-117). Die meisten Gegenstempel des Germanicus wurden wo gefunden? - in Niedergermanien! Wo baute Germanicus seine Flotte auf? In Niedergermanien bei den Batavern. Die Eimer der Gefolgschaftsführer zeigen an, dass es ein Abkommen bzw. vertragliche Regelung gegeben haben muss. Schon C. Schuchardt fällt die Qualität der Eimer auf und bezeichnet die Eimersorte I (E18 und E19) als sehr vornehm. Wenn Germanicus so ein "Mordbrenner" gewesen wäre, dann hätte man wohl kaum solche edlen Pretiosen verteilt. Das diese Eimer auch in den Gräbern der Marbod-Zeit in Böhmen (Dobrichov) vorkommen, zeigt, dass Werner mit seiner Datierung augusteisch/tiberisch Recht hat. Denn dort wurden auch Münzen mit dem Gegenstempel des Varus aufgefunden (J. Militky 2013).

Grüße
 
die Eimer wurden nicht irgend jemandem mit ins Grab gegeben, sondern nur Gefolgschaftsführern. Allein schon die Bewaffnung mit Lanze, Schild und vor allem das Schwert zeigt die gehobene Stellung des Verstorbenen an (Vollbewaffnung). Die Vollbewaffnung der Gefolgschaftsführer hat sich im Elbe-Saale-Gebiet bis in die Zeit des Thüringer Reiches durchgezogen (Behm-Blancke, Gesellschaft und Kunst der Germanen). Wenn die Eimer ein "Massenprodukt" wären, dann müssten sich diese vielfach in Resten (vor allem die Attachen bzw. Henkelösen) finden lassen - tun sie aber nicht.
Niemand hat behauptet, dass die meist als Urnen verwendeten Bronzegefäße* "Massenprodukte" waren. Alles was du schreibt trägt nichts zur Frage bei, wie die Römer in Germania versorgt wurden und ist auch kein Beleg für Anweseheit von römischen Truppen in Thüringen oder Sachsen-Anhalt. Noch einmal: Man findet diese Eimer auch in Polen und Skandinavien in Grabkontexten; sie sind gerade zu typisch für die Gräber des (eponym) Lübsower Typs. Dagegen findet man sie sehr selten in militärischen Kontexten.

Das diese Eimer auch in den Gräbern der Marbod-Zeit in Böhmen (Dobrichov) vorkommen, zeigt, dass Werner mit seiner Datierung augusteisch/tiberisch Recht hat. Denn dort wurden auch Münzen mit dem Gegenstempel des Varus aufgefunden (J. Militky 2013).
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich der Datierung der Eimer widersprochen hätte. Nur ist es methodisch nicht möglich, von Eimern, die als Urnen verwendet hauptsächlich in einheimischen Gräbern gefunden wurden, Rückschlüsse auf römische Militärbewegungen zu ziehen. Das ist aber leider das, was du versuchst.


*Ich finde den in der Archäologie etablierten Ausdruck für die Gefäße als Eimer ein wenig unglücklich, da er aber etabliert ist, verwende ich ihn weiter.
 
@silesia

wenn jemand "perfide" ist, ist er dann friedlich - oder stiftet er Unfrieden ? Hör auf mich belehren zu wollen.

In erster Linie wird hier nur perfide herumgetrollt, und ein Latein-Blödsinn wird auf den nächsten getürmt.
Da muss man auch nicht die „Latein-Verwendung“ überdenken, wie tela anregt.
Da ist nix „zum verwenden“.
 
Kleiner Nachtrag zum Beitrag vom 3.März: Getreideanbau in Niedergermanien:
Ich habe im Buch "Köln in römischer Zeit" von W.Eck, Kapitel Landwirtschaft nachgeschaut:
die Berechnungsgrundlagen von Werner Eck beruhen mehr auf Schätzungen, er nimmt 200.000 Hektar Anbaufläche für Getreide im Territorium der Kölner Civitas an, und kommt auf eine Mindestproduktion von 80.000 Tonnen Getreide pro Jahr (bei 150.000 geschätzten Einwohnern der Colonia im 2.Jahrhundert n.Chr.). Der Getreideanbau wäre ein Eckpfeiler der wirtschaftlichen Entwicklung und der Reichtumsbildung der Civitas gewesen, und Getreide Exportgut, nicht nur die Truppen im gesamten Niedergermanien zu versorgen, sondern auch als Ware für die regionalen Märkte in der nördlichen Belgica und dem nördlichen Niedergermanien, deren Böden weniger geeignet für Getreideanbau sind. Die Ernennung zur Colonia und Ansiedelung von Veteranen ab 50 n.Chr. hat den Getreideanbau und die Latifundienwirtschaft wahrscheinlich noch initial verstärkt.
weiterführende Literatur:
Die Wirtschaftsstrukturen im südlichen Niedergermanien.
Untersuchungen zur Entwicklung eines Wirtschaftsraumes an der Peripherie des Imperium Romanum.
Peter Rothenhöfer, VML-Verlag, 2005

Nachtrag zum Beitrag vom letzten Mittwoch:
Um Missverständnissen vorzubeugen: die Rangfolge der "keltischen" Anbaupflanzen richten sich nach der durchschnittlichen Stetigkeit der Funde an verschiedenen Standorten/Fundstelllen - als verkohlte Körnerfunde. Es gab auch in der vorrömischen Eisenzeit auch Standorte in der Wetterau, an dem der Dinkel das dominante Getreide gewesen ist, siehe dazu die angehängte Karte: Vergleich Hallstatt und Frühlatene in der Wetterau (hellgrau= Dinkel).
Ob die Wetterau als Anbaugebiet für die römische Logistik mit eine Rolle gespielt hat, ist anzunehmen, jedoch gab es in Hessen nach dem Ende der Oppidakultur und der Migration der Ubier einen Wechsel in der Landwirtschaft. Das römische Versorgungslager Rödgen inmitten der Wetterau, mit drei großen Getreidespeicherbauten /Lagerhäusern (horrea), der größte 47 m lang und 29 m breit, konnte mehrere Legionen einige Monate versorgen (60.000 Zentner Speicherkapazität); könnte es auch von den umliegenden Anbauflächen profitiert haben? Zur Veränderung der Landwirtschaft um die Zeitenwende in Hessen folgender Text:
Archäobotanische Ergebnisse der eisen- und kaiserzeitlichen Siedlung Mardorf 23, Kr. Marburg-Biedenkopf − Hinweise auf kulturelle Beziehungen nach Süden und Norden (PDF Download Available)
8bc10ab1-0713-47c3-8207-a12f42f7c3da.png
 
Zuletzt bearbeitet:
Guten Morgen,

@Biturigos

"Ob die Wetterau als Anbaugebiet für die römische Logistik mit eine Rolle gespielt hat, ist anzunehmen, jedoch gab es in Hessen nach dem Ende der Oppidakultur und der Migration der Ubier einen Wechsel in der Landwirtschaft. Das römische Versorgungslager Rödgen inmitten der Wetterau, mit drei großen Getreidespeicherbauten /Lagerhäusern (horrea), der größte 47 m lang und 29 m breit, konnte mehrere Legionen einige Monate versorgen (60.000 Zentner Speicherkapazität); könnte es auch von den umliegenden Anbauflächen profitiert haben?"

Die Wetterau spielte als Anbaugebiet für die Truppen des Germanicus eine wichtige Rolle - das zeigen ja auch die Münzfunde sehr deutlich (Karte Germanicuszeitliche Münzfunde Anhang). Wie man sehr schön anhand deiner Karte rechts (Laténe) erkennen kann, ist für die Wetterau der Dinkel (Ur-Weizen) und die Gerste die dominierenden Getreidesorten. Noch später im 4./5. Jh. beanspruchte Rom formell das Gebiet an der Elbe (K.-P. Johne 2006). Wenn das Getreide aus der Kölner Bucht schon die kompletten Truppen Niedergermaniens versorgen konnte, das Gebiet ist vom Löss-Anteil wesentlich kleiner als Mitteldeutschland, und Exportgut(!) in die Belgica sogar war, dann ist es umso begreiflicher für mich, warum die Münzen des Germanicus in der Elb-Saale-Region und nicht an der Lippe gefunden werden. Logistisch wären bis zu 8 Legionen zu Schiff und über Landweg allein nicht zu versorgen gewesen.

Grüße
 

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Die Wetterau spielte als Anbaugebiet für die Truppen des Germanicus eine wichtige Rolle - das zeigen ja auch die Münzfunde sehr deutlich (Karte Germanicuszeitliche Münzfunde Anhang).

Sogar wenn bewiesen wäre, dass es sich hier um germanicuszeitliche Münzfunde handelt, besagen Münzfunde an sich nichts darüber, in welchen Tellern das in der Wetterau geernetete Getreide gelandet ist.
 
Zur Wetterau: ich habe ein bischen weitergelesen, kurz zusammengefasst:
1. Versorgungslager Rödgen und die umliegenden Anbauflächen:
Gabriele Rasbach, zusammen mit Armin Becker Grabungsleitung der Ausgrabung Waldgirmes, schreibt in "Kontaktzone Lahn", dass Rödgen nicht nur als Depot, "sondern auch als Zentrum für beschlagnahmtes Getreide und für Getreideabgaben aus dem Umfeld verstanden werden kann" (S.84). In einer Anmerkung weist sie darauf hin, dass auf beide Funktionen bereits H.Schönberger aufmerksam gemacht hätte (H.Schönberger-H.-G.Simon, Römerlager Rödgen (Limesforsch. 15,1976).
2. Struktur der zentralen Wetterau: zur Überraschung der Forschung im DFG-Projekt Romanisierung:
"Das Bild zur Siedlungskontinuität von der späten Eisenzeit bis zur Gründung der Provinz Germania superior hat sich aufgrund der archäologischen Analysen von M. SEIDEL und den davon unabhängigen vegetationsgeschichtlichen Ergebnissen von A. STOBBE konkretisiert (SEIDEL 1995, STOBBE 1996). Nahm man bislang an, die Wetterau sei in dieser Zeit relativ siedlungsarm gewesen, so erhärten neue Fundplätze die Vermutung, daß man mit wesentlich dichterer Besiedlung zu rechnen hat......
Die ersten Ergebnisse der pollenanalytischen Untersuchungen in der Wetterau sind sehr überraschend, denn Zeichen für massive Veränderungen, die durch die einschneidende Umgestaltung der Agrarlandschaft und des Wirtschaftssystems während der Römerzeit zu erwarten sind und sich auch in den Ergebnissen der Großresteanalysen abzeichnen, lassen sich von palynologischer Seite bislang nicht wiederfinden. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, daß es gegenüber der Eisenzeit zu einer intensivierten landwirtschaftlichen Nutzung innerhalb der Wetterau kam. Weder im Bereich der Siedlungszeigerpollen, noch der Baumpollen sind markante Unterschiede festzustellen. Gerade ein gesteigerter Holzbedarf für private und militärische Bereiche müßte sich aber aus dem Kurvenmuster der Baumpollen ablesen lassen. Massive Rodungen in der Wetterau und ihren Randlagen sind dagegen bereits für die gesamte vorrömische Eisenzeit belegt und zeigen in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt keine Steigerung." (Archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen zur Romanisierung in der römischen Civitas Taunensium, 1995).
Bekannt ist, dass die latenezeitliche Saline in Bad Nauheim einen hohen Holzbedarf hatte, was zusätzlich zur Urbarmachung für die intensive landwirtschaftliche Nutzung zur Abholzung um Bad Nauheim führte. Die Versorgung der "Handwerkerstadt" rund um die Saline führte sicher auch zu einer an Überschüssen orientierten Landwirtschaft - auf die die römischen Logistik aufgebauen konnte.
3.Bevölkerung der Wetterau zur Zeitenwende:
Rasbach und Becker vertreten 2007 die These, dass "Im Rhein-Main-Gebiet, der Wetterau und im Lahntal scheint sich die römische Besatzungsmacht gezielt an den Resten der spätlatenzeitlichen Bevölkerung orientiert zu haben, vermutlich, weil dort immer noch die Anknüpfungspunkte städtischer Strukturen und Wirtschaftsformen vorhanden waren." Becker/Rasbach:"Städte in Germanien"in Wiegels, Varusschlacht, Wendepunkt der Geschichte?, 2007
Der Name der späteren Civitas Taunensium gibt keinen Hinweis, um welche Gentes es sich handelte: ein Teil der Ubier, wie Cassius Dio schreibt, dass sie nicht völlig ihr Territorium rechtsrheinisch aufgegeben hätten (54,36,3)?
4. Politische Beziehung zu Rom: Armin Becker stellt die These auf, dass das Rhein - Main - Lahngebiet weiter fortgeschritten pazifiziert und provinzialisiert war, als die Landesteile nördlich.
"Während in Westfalen für das Jahr 9 n. Chr. nur Haltern als fest ausgebauter Stützpunkt belegt ist, ist dies in Hessen für Waldgirmes gesichert. Da jedoch in Höchst,Bad Nauheim, Brechen-Oberbrechen und Wiesbaden die Funde kein vorzeitiges Ende innerhalb des Halternhorizontes nahelegen, ist eine römische Belegung auch dieser Plätze im Jahr 9 n. Chr. nicht auszuschließen, bei Wiesbaden, Höchst und Bad Nauheim erscheint mir dies sogar als wahrscheinlich.
Zudem lässt sich bezweifeln, ob die Wetterau und das Rhein-Main Gebiet von den Ereignissen nach der Varusschlacht überhaupt betroffen waren. Derzeit jedenfalls deuten gerade die Befunde von Waldgirmes darauf hin, dass dieser Raum das Aufmarschgebiet des Germanicus und nicht seine erste Eroberung darstellte."(S. 233/234, Die römische Okkupation des Rhein-Main Gebietes und der Wetterau unter Augustus,in "Über die Alpen und über den Rhein..."Beiträge zu den Anfängen und zum Verlauf der römischen Expansion nach Mitteleuropa, 2015)
https://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858/00-001S-0000-002D-B505-B/9783110354478_AdW37_10_Die römische Okkupation des Rhein-Main Gebietes_Becker.pdf?sequence=1
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/article/viewFile/17655/11465
Kontaktzone Lahn. Studien zum Kulturkontakt zwischen Römern und germanischen Stämmen, Wiesbaden, 2010
Brot für die Salinenarbeiter — das Keltenbrot von Bad Nauheim aus archäobotanischer Sicht. Untersuchung zur latènezeitlichen Ernährung in Bad Nauheim, Wetteraukreis


 
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Guten Morgen,

@Biturigos

"Ob die Wetterau als Anbaugebiet für die römische Logistik mit eine Rolle gespielt hat, ist anzunehmen, jedoch gab es in Hessen nach dem Ende der Oppidakultur und der Migration der Ubier einen Wechsel in der Landwirtschaft. Das römische Versorgungslager Rödgen inmitten der Wetterau, mit drei großen Getreidespeicherbauten /Lagerhäusern (horrea), der größte 47 m lang und 29 m breit, konnte mehrere Legionen einige Monate versorgen (60.000 Zentner Speicherkapazität); könnte es auch von den umliegenden Anbauflächen profitiert haben?"

Die Wetterau spielte als Anbaugebiet für die Truppen des Germanicus eine wichtige Rolle - das zeigen ja auch die Münzfunde sehr deutlich (Karte Germanicuszeitliche Münzfunde Anhang). Wie man sehr schön anhand deiner Karte rechts (Laténe) erkennen kann, ist für die Wetterau der Dinkel (Ur-Weizen) und die Gerste die dominierenden Getreidesorten. Noch später im 4./5. Jh. beanspruchte Rom formell das Gebiet an der Elbe (K.-P. Johne 2006). Wenn das Getreide aus der Kölner Bucht schon die kompletten Truppen Niedergermaniens versorgen konnte, das Gebiet ist vom Löss-Anteil wesentlich kleiner als Mitteldeutschland, und Exportgut(!) in die Belgica sogar war, dann ist es umso begreiflicher für mich, warum die Münzen des Germanicus in der Elb-Saale-Region und nicht an der Lippe gefunden werden. Logistisch wären bis zu 8 Legionen zu Schiff und über Landweg allein nicht zu versorgen gewesen.

Grüße
Salve,
Deine Übersichtskarten mit den Münzfunden im Germanicus-zeitlichen Geschehen sind in der Tat bemerkenswert. Sie sind vielleicht noch kein Beweis, dass die Truppe da langgezogen ist, als deutlicher Beleg taugt sie jedoch allemal.
Ebenso bemerkenswert finde ich, dass da so wenig darauf eingegangen wird, obwohl die Funde deutlich der bisherigen Interpretation eines Weges der Germanicus-Leute widersprechen. Hier deuten ja nun doch die Funde darauf hin, dass ein Geschehen deutlich südlich an der Weser stattgefunden haben könnte. Für so eine Überlegung habe ich mir letztens sagen lassen, dass sei gar nicht denkbar....
In der Literatur ist jedoch eine große Lücke nach der Landung an der Ems und dem Auftauchen an der Weser...:rolleyes:
 
Salve,
Deine Übersichtskarten mit den Münzfunden im Germanicus-zeitlichen Geschehen sind in der Tat bemerkenswert. Sie sind vielleicht noch kein Beweis...

Zunächst einmal fehlt mir der Beweis, dass es sich hier tatsächlich um den "Germanicus-Horizont" handelt.


... dass die Truppe da langgezogen ist

Wo Germanicus mit seinen Truppen anno 15 langgezogen ist, wird bei Tacitus beschrieben:

Germanicus hatte vier Legionen (darunter wahrscheinlich die in Mainz stationierten) unter sich, Caecina ebenfalls vier Legionen (darunter wahrscheinlich die in Xanten stationierten).

Germanicus zog - wahrscheinlich von Mainz aus - gegen die Chatten.
Unterwegs legte er "in monte Tauno" (das war eher nicht der heute so genannte Taunus) ein Kastell an, an einer Stelle, wo schon Drusus gelagert hatte. Das könnte das auf dem Burgberg von Friedberg entdeckte Lager gewesen sein.

Dann verfolgte Germanicus die Chatten, die sich hinter die Adrana (sicher mit der Eder zu identifizieren) zurückgezogen hatten. Er schlug eine Brücke über die Eder, zerstörte Mattium (nicht sicher lokalisierbar), den Hauptort der Chatten, und zog sich dann wieder zum Rhein zurück.

Caecina lieferte sich derweil ein Gefecht mit den Marsern.
 
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