Alles was hier von Gandolf steht, ist in hohem Maße richtig. Das Deutsche Reich, wo die preussische Politik und Art tongebend waren, verhielt sich auf mannifaltige Weise im Reichsland nicht vernünftig. Dazu aber möchte ich die folgenden Punkte hinzufügen:
1 Eine erhebliche militäre Präsenz im Reichsland - besonders im neuen Grenzgebiet - war wegen weiterer Versuche auf Seite Frankreichs den Frankfurter Vertrag zu untergraben nötig. Jedoch war vermutlich der Charakter dieser Präsenz viel zu stark und berücksichtigte nicht genug die 'Elsässische Volksseele' (Friedrich Lienhard, Jugendjahre). Edouard Teutsch, Abgeordneter ab 1874 im Reichstag warf dem dt. Reich und implizit Preussen vor 'siegestrunken' zu sein. (Reichstagsprotokolle) Das waren sie auch, denn wer hätte 1870 geglaubt, das die von Preußen geführte Koalition so schnell und definitiv Frankreich niederlegen würde?
2 Nach der frz. Abtretung Elsass-Lothringens musste das neugegründete Reich eine Verwaltung in EL schnell bilden. Beamte mussten aus den altdt. Bundesstaaten geholt werden, und zeitgenössische Berichte weisen darauf hin, dass man diejenigen schickte, die man eigentlich loswerden wollte und in ihrem eigenen Staat keine Förderungschancen gehabt hätten. Man kann sich leicht vorstellen, wie das zu keiner guten Situation führte (Rittner 1894, Erinnerungen ... , Sachse 1927, Elsass-lothringisches Jahrbuch: Erinnerungen ... )
3 Den meisten Elsässern - und das waren in großem Maße Bauern, Landleute, Arbeiter - machte es keinen Unterschied, ob sie zu Frankreich oder Deutschland gehörten. Die entscheidende Schicht war die Bourgeoisie, die u.a. sich weigerte Deutsch zu sprechen und sich erhebliche Mühe gab, dass die frz. Kultur weiterleben sollte.
4 Zu Ende des ersten Weltkrieges wussten die Elsässer, dass der Krieg für Deutschland verloren war und, dass die Franzosen unter den Bedingungen für einen Waffenstillstand oder Friedensvertrag darauf bestehen würden, dass das Elsass und Lothringen wieder zu Frankreich zurückkehrt. Man muss aber schon merken, dass das Frankreich von 1918 nicht das Frankreich von 1870 war, und dass eine kleine aber rege Autonomiebewegung sich fortgesetzt hat und immer noch besteht. Es wäre von ihnen unter diesen Umständen höchst unratsam gewesen jedes Gefühl für Deutschland zu äußern. Doch bei vielen war wohl der Wunsch wieder französisch zu sein ganz echt. Bloß fragt es sich, warum die Franzosen keine Volksabstimmung erlaubten. Aus Angst?
Etwas provozierend würde ich auch hinzufügen, dass ich in Anbetracht des Wirtschaftswunders der BRD nach dem Zweiten Weltkrieg, ihrer bis heute relativ stärkeren wirtschaftlichen Leistung und des mindestens halbdeutschen Charakters des Elsass eigentlich nicht verstehen kann, warum die Elsässer Franzosen sein wollen!
Aus Sicht eines Engländers, der sich sehr für die Geschichte Deutschlands und dieser Region interessiert.