Scorpio
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Was mir gestern beim Schauen der 2. Folge auffiel war:
1. Die Lanzen bei der österr. Kavallerie. Was soll das darstellen? Ich hielt diese Reiter für Kürassiere. Trugen österr. Kürassiere Lanzen zu der Zeit? Die Lanze war bei den westlichen Mächten um 1700 eine äußerst unübliche Waffe.
Eine Lanze effektiv als Reiterwaffe zu führen, muss große Geschicklichkeit und jahrelanges Training erfordern. Vor etlichen Jahren lernte einen alten Herren kennen, der als junger Ulan noch den 1. Weltkrieg miterlebt hatte. Der Mann war ein hervorragender Reiter und Pferdeexperte, der noch mit weit über 70 Jahren über eine bewundernswerte Geschicklichkeit zu Pferde verfügte. Um 1890 wurden auf allerhöchsten Befehl deutsche Kavalllerieregimenter mit Lanzen ausgerüstet. Er gestand aber freimütig ein, dass er und die meisten seiner Kameraden die Lanzen verflucht hätten und kaum einer es geschafft hätte, die Dinger geschickt zu führen, weshalb sich der Gebrauch auch auf den Paradeplatz beschränkt hätte. Im 100.000 Mann Heer der Weimarer Republik muss es bis in die 20er Jahre einige Ulanenregimenter gegeben haben, die noch mit Lanzen bewaffnet waren.
Außer den Kosaken verwendeten in Europa im 18. Jahrhundert nur noch polnische Ulanen die Lanze als Reiterwaffe. Die aber mussten es fertig gebracht haben, effektiv damit umzugehen, sonst hätte es wohl kaum in den schlesischen Kriegen und stärker noch in napoleonischer Zeit einen derartigen Boom von Lanzenreitern, Ulanen, Chevauxleger Lanciers, Lancers etc. gegeben. Im Gegensatz zu den polnischen Flügelhusaren handelte es sich bei den Ulanen um leichte Kavallerie.
Vermutlich gab es Vorbilder in der sächsisch-polnischen und in der kaiserlichen Kavallerie, jedenfalls stellte 1741 Friedrich II. von Preußen aus Kriegsgefangenen und Deserteuren ein eigenes Ulanenkorps auf, das recht exotisch, im türkisch-orientalischen Stil kostümiert wurde. Bosniaken nannte man diese Reiter. Napoleon nahm polnische Ulanen in seine Armee auf, und diesem Beispiel folgten Gegner wie Verbündete, die ebenfalls Ulanen und Cheveauxlegers mit Lanzen ausrüsteten. In der Ausrüstung orientierte man sich an der polnischen Militärmode mit der charakteristischen Tschapka oder rüstete einfach Cheveauxlegers und Dragoner mit Lanzen aus.
Die Briten bewaffneten auch ihre Kolonialverbände mit Lanzen, und es gab in der indischen Armee mehrere "Lancers". Der junge Winston Churchill kämpfte als Leutnant mit den 21st Lancers bei Omdurman.
Sicher ist, dass Joseph II. nach den polnischen Teilungen ein Ulanenregiment aufstellte und bis 1850 existierten mindestens drei in der österreichischen Armee, wobei einige ehemalige Husaren und Cheveauxlegers Verbände in Ulanenregimenter umgewandelt wurden. Allerdings schafften die meisten k.k. Kavallerieverbänden die Lanzen wieder ab. Die polnische Legion, die unter dem späteren Diktator Polens Josef Pilsudski auf Seiten der Donaumonarchie am 1. Weltkrieg teilnahm, war allerdings noch mit Lanzen bewaffnet, ebenso wie Budjonnys Kosaken, die unter den "Roten" am russischen Bürgerkrieg teilnahmen und denen Isaak Babel in "Budjonnys Reiterarmee" ein literarisches Denkmal setzte.
In der polnischen Armee gab es noch im 2. Weltkrieg Ulanen. Die NS- Propaganda verbreitete die Falschmeldung, dass Ulanen auf der Tucheler Heide deutsche Panzer angegriffen hätten. Joachim Fest sprach in diesem Zusammenhang in seiner Hitler- Biographie von einer "tödlichen Donquichoterie". Tatsächlich aber lässt sich das nicht belegen, vielmehr griffen polnische Ulanen durchaus erfolgreich versprengte Panzerverbände, denen der Sprit ausging.