Es waldet im waldigen Wald, oder nicht?

Das Landschaftserlebnis der Römer ist auf Räumlichkeit, Offenheit ausgerichtet. Es gibt die wunderbar leichten römischen Wandmalereien, mit Unschärfe als Hilfsmittel der Perspektive.
Und dann gibt es die Barbaren, diejenigen mit denen man nicht zurecht kommt, die auf irgendeine Art militärisch unerwartet erfolgreich waren.
Was man ja auf keinen Fall als eigenes Versagen der eigenen römischen Denkweise und militärischen Taktik sehen wollte.
Also war die Lesart: ein unwirtliches dunkles Land, mit Kälte und Regen, feindlichen Wäldern und feindlichem Wetter, in dem es nur die zotteligen Barbaren aushalten.

Keinesfalls durfte die Lesart sein: unsere eigenen Truppen haben sich gegen uns gestellt (denn die Hypothese, es seien die germanischen Auxiliartruppen gewesen, hat unwiderlegten Charme), wir haben uns in ungeeignetes Gelände begeben, wir haben die Beweglichkeit unserer Gegner unterschätzt, wir haben einen "immensum bellum" geführt, Tribut von ohnehin gebeutelten Einheimischen verlangt, Gewalt gegen Menschen und Dörfer geführt, und uns dann gewundert dass diese Barbaren unseren Schutz nicht wollen und uns in die Falle locken.

Und unsere Schwächen und Fehler beobachtet haben und eine überlegene Taktik anwenden.

Die Lesart musste sein: Wetter und Unwirtlichkeit des Landes waren gegen uns.

Irgendwie mag ich diese Sichtweise, aber andererseits will ich auch nicht so recht glauben dass die Menschen damals wirklich so dumm gewesen sein sollen und das so geglaubt haben. Eher glaube ich, dass Publius Cornelius Tacitus und Cassius Dio nichts „Falsches“ sagen/schreiben wollten, da das den damaligen Kaisern sicher nicht gefallen hätte. Könnte das nicht auch sein?
 
Eher glaube ich, dass Publius Cornelius Tacitus und Cassius Dio nichts „Falsches“ sagen/schreiben wollten, da das den damaligen Kaisern sicher nicht gefallen hätte. Könnte das nicht auch sein?

Tacitus hat den Agricola geschrieben, eine Schrift über seinen Schwiegervater. In der beschreibt er u.a. wie Domitian Trauer über den Tod seines (also Tacitus‘) Schwiegervater heuchelte. Gut Domitian war da bereits zwei Jahre ermordet und der damnatio memoriae unterworfen worden. Aber auch die Annalen sind vor allem eine Kritik am julisch-claudischen Kaiserhaus. Es ist also nicht denkbar, dass Tacitus Angst vor Repressionen hätte haben müssen. Wie viel weniger Cassius Dio, der mit einem riesigen zeitlichen Abstand schrieb?
 
Ja klar: es ist diese Sichtweise der römischen Geschichtsschreibung, die unseren Vorfahren des 16. bis 19. Jahrhunderts dieses Bild des feindlich-unwirtlichen, wilden Germaniens vermittelt hat.
Und ich denke dass die Sicht der militärischen Planer, der römischen Verwaltungsfachleute eine ganz andere war.
Da war ein spärlich besiedeltes, leider mit wenig Städten und Infrastruktur versehenes Land, das unter guter Planung und Erschließung Wohlstand für das Imperium versprochen hätte.
 
Ich dachte, da seien wir uns alle von Beginn an mehr oder weniger einig gewesen.
...anfangs konnte man in diesem Faden den Eindruck bekommen, es habe zu Varus' und Arminius' Zeiten keine Wälder in Germanien gegeben - um das satirisch fort zu spinnen, müssten die Römer als Erfinder der fiktiven Wälder Germaniens betrachtet werden (und schlachteten ihre Erfindung rhetorisch je nach Gusto aus, mal feindliche Wälder, mal für das eigene Militär günstige). Das wirft prinzipiell kein günstiges Licht auf die römischen Quellen - sofern es keine Wälder in Germanien gab ;) Letzteres ist mindestens ebenso zu bezweifeln wie manche propagandistische Übertreibung in den röm. Quellen.
 
Tacitus hat den Agricola geschrieben, eine Schrift über seinen Schwiegervater. In der beschreibt er u.a. wie Domitian Trauer über den Tod seines (also Tacitus‘) Schwiegervater heuchelte. Gut Domitian war da bereits zwei Jahre ermordet und der damnatio memoriae unterworfen worden. Aber auch die Annalen sind vor allem eine Kritik am julisch-claudischen Kaiserhaus. Es ist also nicht denkbar, dass Tacitus Angst vor Repressionen hätte haben müssen. Wie viel weniger Cassius Dio, der mit einem riesigen zeitlichen Abstand schrieb?

Ja gut. Sueton hat auch über die vormaligen Kaiser offen berichtet und sich bei seinen Zeitgenossen zurückgehalten. Aber hier denke ich eher an einen globaleren Kontext, im Sinne einer römischen Identität. Denn viele Menschen waren damals im Militär tätig und konnten lesen. Die hätten das doch später als Zivilvolk, mit ihren Erfahrungen wohl kaum geglaubt, mit den bösen Bäumen und dem Regen usw... Daher verstehe ich nicht so recht warum sie das hätten so schreiben sollen. Es kann nur darum gegangen sein sich selbst, also die Römer nicht in zu schlechtem Licht darzustellen, denn auch nach Jahrhunderten hätte sich ein Geschichtsschreiber bestimmt was eingefangen, wenn er zu offensiv über die eigenen Vorväter geschrieben hätte, in Bezug auf eine Gesamtrömische Identität. Das war mein Gedanke. Ich zumindest fühle mich dabei unwohl wenn ich mich da rein versetze.
 
Es kann nur darum gegangen sein sich selbst, also die Römer nicht in zu schlechtem Licht darzustellen,
Ich bezweifele, dass das bspw. bei Tacitus so zutrifft. Ich denke eher, dass er seinen Lesern eine Art Spiegelbild vorhalten will, wenn er Germanen zwar als ungehobelt darstellt aber gleichzeitig auch als "unverdorben", als eine Art "edle Wilde". Und ähnlich kann es auch mit dem unwirtlichen Wald und seinen unzivilierten Bewohnern sein, die es schaffen die römische Zivilisation zu schlagen. Es könnte sich um eine Art ermahnender Zeigefinger an die römischen Leser handeln, um zur "Sittenstrenge der Vorfahren" zurückzukehren - der "taciteische Germane aus dem wilden Wald" als Gegenstück zum "dekadenten Römer in der Zivilisation".
 
der "taciteische Germane aus dem wilden Wald" als Gegenstück zum "dekadenten Römer in der Zivilisation".
so wird die taciteischen "Germania" gerne interpretiert (und die dort als "früher wohlbekannt" bezeichnete Elbe, "die man heute nur noch dem Namen nach kennt" wird als Kritik an Tiberius & Co. gewertet)
bei Tacitus ist es halt nicht immer leicht, den Literaten und Stilisten, den Chronisten und den tendenziösen Kritiker auseinander zu dividieren.
 
Eigentlich hatte ich ja versucht, das Waldthema von dem leidigen "Die Römer in Germanien"-Thema zu lösen. Hat nicht funktioniert, sei's drum.

Skizzieren wir noch mal den Feldzug nach:
Germanicus hatte in diesem Jahr bereits einen Feldzug gegen die Marser geführt und einen gegen den Stammesteil der Cherusker, der den Stammesteil um Segestes bedrängt abgebrochen, nachdem die Belagerung aufgehoben worden war.
Dann hat er sich mit verschiedenen Truppenteilen an die Ems aufgemacht. Die Reiterei durch das Gebiet der Friesen, Caecina mit vier Legionen durch das Gebiet der Brukterer, Germanicus selbst per Schiff. Und dann trifft man sich irgendwo zwischen Lingen und Greven und zieht gemeinsam durch das Gebiet zwischen Ems und Lippe, verheert das Bruktererland.
Dann zieht man, einer plötzlichen Eingebung folgend, zum Varusschlachtfeld, verfolgt dann Arminius, der sich offenbar die Römer beobachtend in der Nähe aufhielt, mit dem man aber nur ein kleines Scharmützel liefert und kehrt dann zur Ems zurück, dort trennt man sich. Dass die Germanen, die man zuvor noch über eine unbestimmt Zahl von Tagen verfolgt hatte, nun auf dem Rückweg einen Hinterhalt legen, und zwar relativ weit im Westen, irgendwo südwestlich der Ems, ist nichts, was man zwingend erwarten muss.

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Sieht sehr realistisch aus. Warum ist die gelbe Linie im oberen Bild so hakenförmig gekrümmt?
 
das mag auch daran liegen, dass das malen "in der Natur" eigentlich lange zeit nicht en vogue war. Man arbeitete mit Versatzstücken und schematischen Darstellungen, die im Atelier zu einer Gesamtdarstellung zusammengesetzt wurden
d.h. bei Städteansichten musste die Anzahl der Türme stimmen ,auf weitere detailgetreue Ausführung der Grossbauten hat man grossteils verzichtet ,und die Umgebung und Lage wurde auch nur vage angedeutet.
 
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