Frage: Gefälschte Urkunden

Also hat nach den Karolingern bis zu den Staufern eine andere Rechtsauffassung geherrscht.
Jein.
Das klingt so, als hätte vorher und nachher dieselbe Rechtsauffassung geherrscht, und dazwischen eine ganz andere. Und das würde m. E. nicht so passen.

Bei den Karolingern wurde viel aufgeschrieben, weil zu dieser Zeit großräumig viel neu organisiert wurde.
Das Rechtssystem war aber im wesentlichen genauso von germanischen Traditionen geprägt wie bei den Merowingern vorher oder den Ottonen nachher.

Erst im Hochmittelalter kommt dann der langsame Wandel zu einem mehr auf Schriftlichem beruhenden Rechtsverständnis.

In diesem Sinne:
Als wieder schriftliche Urkunden verlangt wurden, haben Spezialisten diese angefertigt und vermutlich teilweise sogar signiert.
würde ich das "als wieder" nicht so stehen lassen.
Ansonsten stimme ich zu.

Woher sonst soll heute ein "Fälscher Udarich" bekannt sein.
Der Schreiber Udarich wird bekannt gewesen sein. Und der hat halt je nach Kundenwunsch alte wie neue Urkunden gefertigt. Weder nach eigenem noch nach dem Verständnis der Zeitgenossen wird er ein "Fälscher" gewesen sein, sondern wohl ein ganz angesehener Mann.

Die Bezeichnung "Fälscher" ist wohl die m. E. ungerechtfertigte Wertung eines modernen Historikers.
 
Könnte das evtl. mit dem sich ausbreitenden "Gemeinen Recht" zu tun haben?
Tut mir leid, da bin ich jetzt überfragt.
Was ich hier dargestellt habe beruht auch nicht auf eigenen Recherchen (Rechtsgeschichte liegt mir nicht so), sondern auf m. E. sehr glaubwürdigen Darstellungen unseres Mittelalter-Profs.

Ich weiß nicht mehr, was der formale Grund war, daß zunehmend Schriftlichkeit verlangt wurde.
Es hatte inhaltlich aber damit zu tun, daß es immer großräumiger orientierte Rechtsgeschäfte gab.
D.h. im Frühmittelalter ging es in der Regel um Angelegenheit unter Nachbarn, man kannte sich und konnte sich einschätzen. Und ein ehrlicher und verständiger Zeuge ist im Zweifelsfall deutlich eine bessere Hilfe in der Rechtsfindung als ein Text, den man nicht weiter befragen kann.
Man kennt das ja aus Internet-Diskussionen, wie sehr man eine Textstelle in verschiedenste Richtungen interpretieren kann ...

Aber wie gesagt: Das funktioniert alles nur gut, wenn man die Aussagenden kennt und einschätzen kann. Wenn mehr und mehr Rechtsgeschäfte mit weiter entfernt lebenden Rechteinhabern oder Schuldnern aufkommen, dann braucht man klare schriftlich fixierte Grundlagen.
 
Irgendwo schweben da 2 Begriffe nebulös in meinem Gedächtnis.

"Germanisches Volksrecht" und "Römisches Recht"

Vielleicht liegt der Schlüssel für diese "Urkundenlose Zeit", und das anschließende Bemühen dem abzuhelfen, darin
 
"Germanisches Volksrecht" und "Römisches Recht"

Vielleicht liegt der Schlüssel für diese "Urkundenlose Zeit", und das anschließende Bemühen dem abzuhelfen, darin


Genau darauf wollte ich ja hinaus. Gewohnheitsrecht ("Germanisches Volksrecht") mit seinen lokalen Unterschieden vs. Gemeines Recht ("Römisches Recht"), das eben allgemein galt.

Letzteres hielt mit dem Aufkommen der Universitäten Einzug in Kontinentaleuropa und wurde durch die ausgebildeten Juristen verbreitet.

Aber irgendwie paßt das zeitlich wohl nicht überein... *grübel*
 
Das Problem in der Zeit der Völkerwanderung und anschließend war doch, dass sich hier „Germanen“ in einen Raum begaben, der mehr oder weniger stark vom römischen Recht durchdrungen war und dass diese „germanischen“ Stämme ihre archaischen, nicht geschriebenen Rechtsbräuche nun in Beziehung setzen mussten mit den Rechtsbräuchen der Gebiete des ehemaligem Imperium Romanum, in dem sie nun, in der Regel als herrschende Klasse, waren.

Die Rechtsbräuche der einzelnen Stämme waren unterschiedlich, mit mehr oder weniger starken Berührungspunkten, aber sie wurden nun durchdrungen auch von römisch-rechtlichen Elementen, wie sie die Bevölkerungsmehrheit gewohnt war. Eine Rolle spielte auch, dass die Germanen sich in Teilen mehr oder weniger „romanisierten“, (lateinische Sprache, katholischer Glaube), während andere Teile Arianer oder Heiden blieben.

In diesem Umfeld entstand unter Chlodwig I die „lex salica“ als erste geschriebene Rechtsquelle, später – ich glaube um 620 - revidiert zur „lex ripuaria“, dann die „lex visigothorum“, später die „lex alamannorum“ usw..

Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen, die hier zusammen kamen, verschmolzen dabei, wobei aber die Schwerpunktbildung durchaus unterschiedlich sein konnte und der römische Einfluss auch sehr unterschiedlich war.

Der geschriebene Text dieser Rechtsquellen ist ja meist auch gemischt lateinisch-germanisch und sie waren nicht Gesetze im heutigen Sinn, sondern als Volksrechte eher schriftliche Ausschnitte aus einer mündlich überlieferten Rechtsordnung. Sie wurden also nicht vom Herrscher gegeben, aber der Herrscher war in der Regel derjenige, der die schriftliche Aufzeichnung von Recht veranlasste. Die Aufzeichnung von Recht war also sozusagen eine Folge der Herausbildung staatlicher Macht.
 
Habe ich Dich richtig verstanden:
Mit dem Ende der Karolinger gewann das "schriftlose" Volksrecht eine gewisse Zeit im Ostfränkischen Reich ein Übergewicht über das "geschriebene" Römische Recht.
Im 11. Jahrhundert kehrte sich die Entwicklung um, und für die diversen "Rechte" Belehnungen, Schenkungen usw. wurden dringend entsprechende Urkunden benötigt, die dann entsprechend angefertigt wurden.

Oder ist meine Interpretation zu großzügig?
 
Die große Zeit der Volksrechte war die Zeit zwischen 500 und 800.

Im fränkischen Reich entstand etwa ab 800 Königsrecht, das vom König und seinen Beamten geschaffen wurde, das den Anspruch erhob, im ganzen Reich zu gelten.

Ob es aber befolgt wurde, hing davon ab, ob das Volk es annahm, denn das Volksrecht bestand daneben fort. Es war teilweise aufgezeichnet, wie in der "lex "salica" und ihren Fortentwicklungen im Frankenreich, teilweise wurde das Recht ermittelt durch Befragen rechtskundiger Männer; was die sagten, waren sog Weistümer.
Mit dem aufkommenden Christentum vertraute man zusätzlich darauf, dass die Wahrheit selbst die Kraft hat, sich durchzusetzen, weil die Ordnung der Welt eine gerechte und wahre ist. Das war die Grundlage für die sog. Gottesurteile.

Insgesamt war diese Zeit aber gekennzeichnet durch eine ungeheure Rechtszersplitterung. Es gab Königsrecht, meist geschrieben, aber nicht überall auch angewendet, Volksrecht, in weiten Bereichen ungeschrieben trotz der Aufzeichnungen, kirchliches Recht, es entstanden Rechte für einzelne Gebiete, für bestimmte Klassen und für besondere Rechtsverhältnisse.
Erst im 12./13. Jahrhundert ging man dazu über die bislang immer noch geltenden ungeschriebenen, auf den alten Volksrechten basierenden Rechtsvorstellungen aufzuschreiben.
 
OK
Aber was ich mich frage ist, warum es ja anscheinend tatsächlich 2-300 Jahre nur sehr wenige schriftliche Urkunden gab, im Gegensatz zur Zeit vorher und der Zeit nachher.
Und dann die "Fälschungs-Welle" im 11. Jahrhundert.

Ein für mich schlüssiges Erklärungs-Muster wäre eben, dass in diesen 2-300 Jahren das Schriftstück schlicht nicht "gebraucht" wurde. Was sich anschließend wieder änderte.
 
Zu den Fälschungen weiß ich nicht viel, ich glaube, das ist so kompliziert, dass es ein eigenes Forschungsgebiet ist.

Aber generell wenige Urkunden?

Sieh mal in den Monumenta nach:
Monumenta Germaniae Historica: Veröffentlichungen

Wenn du die verschiedenen Kapitel durchklickst, findest du tausende Seiten veröffentlichter Urkunden, zugegeben meist königliche oder kirchliche.

Als die fränkischen Merowinger begannen, da brauchte man keine Urkunden um Rechte nachzuweisen, da sie sich auf die römische Verwaltungsstruktur, die ja noch existierte, stützen konnten. Das mag ein Grund für das Fehlen von Urkunden sein. Später trat aber ein Wandel ein. Titel und Privilegien mussten von da an auf Urkunden aufgezeichnet worden sein und von den Begünstigten selbst aufbewahrt werden. Wann genau dieser Übergang war, weiß ich auch nicht.
 
So um 700-800 haben sehr viele Adlige, bemüht um ihr Seelenheil, Schenkungen an Klöster gemacht. So ziemlich jeder Ort verdankt seine 1. urkundliche Nennung solchen Schenkungen. Dann ab ca. 850 Sendepause bis ins 11. Jahrhundert.
Gleichzeitig im 11. Jahrhundert jede Menge "nachgereichte" Urkunden.

Einen Grund muss ja beides haben. Meine Vermutung, dass es derselbe ist.
 
wenn auch etwas spät, hab aber den thread erst jetzt lesen können:
So wie es aussieht, meinst Du @ repo mit dem "Fälscher Udalrich" den Secretarius Ulrich von Dapfen; es gilt als D E R Fälscher der Reichenau!
Sicherlich hat er als Schreiber nicht aus eigenem Antrieb gefälscht - und nicht nur er allein.
Zur Zeit als Bischof Salomon III. von Konstanz "am Werke" war und sich Dank der Schwäche König Konrads I. in Amt und Würden zu setzen verstand ( so war er ((wohlgemerkt, neben seinem Job als Bischof)) also nicht nur Kanzler und Berater des Königs, der hat sich auch die Abtswürde beider großer Klöster St. Gallen und Reichenau zu verschaffen gewusst) gab's natürlich einiges zu vertuschen und zu Schönen - vom vermutl. vom ihm angezettelten Meuchelmord an Hzg. Burchard bis zur Ermordnung Erchangers und Bertholds u.a. !
Und (Ursi hat dies in einem vorstehenden Beitrag schon angedeutet) als Rudolf (Gegen)-König werden sollte, mußte unbedingt das eigentlich nicht vorhandene "Geblütsrecht" nachgeschoben werden - nun, man hatte ja gute Beziehungen zur Abtei Muri und liess sich also dort entsprechende "Bewerbungsunterlagen" erstellen. Die "acta murensis" ist längst als Fälschung entlarvt worden. Man geht heute davon aus, daß auch die Rheinfelder versippt waren mit den Agilolfingern/Alaholfingern. - Aber dies wäre ja wieder ein neues Thema.
Was mich allerdings zu Ulrich von Dapfen noch interessieren würde: Aus welchem Dapfen stammt er wohl ? Es gibt auf der Alb ein Dapfen bei Münsingen - und es gibt im Aargau oder damals Zürichgau ein Münsingen - ob es wohl dort auch einen Ort Dapfen gab ? Es gibt auffällig viele namensgleiche Ort im damaligen alemannischen Schwaben ( heute nördl. Schweiz) und dem heutigen Schwabenland.
salu jeanne
 
möchte eine Berichtigung nachschieben: Ursi hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass das von mir gemeinte, schweizerische Münsingen nicht im ehem. Zürichgau liegt ( Danke Ursi ) - es liegt vielmehr südlich von Bern!
salu jeanne
 
Kloster Neustadt

Gefälscht wurde auch die Gründungsurkunde des Klosters Neustadt am Main. Mercy, du als in der Nähe wohnender Geschichtspapst weißt das bestimmt. Es gab da Auseinandersetzungen mit dem Hochstift Würzburg, das das ursprünglich dem Kaiser unterstehende Kloster vereinnahmen wollte und dann ja auch hat.
 
Gefälscht wurde auch die Gründungsurkunde des Klosters Neustadt am Main. Mercy, du als in der Nähe wohnender Geschichtspapst weißt das bestimmt. Es gab da Auseinandersetzungen mit dem Hochstift Würzburg, das das ursprünglich dem Kaiser unterstehende Kloster vereinnahmen wollte und dann ja auch hat.

Da ich ich dir zur Klarheit verhelfen, lieber Nachbar, schon mal
Peter Johanek, Die Frühzeit der Siegelurkunde im Bistum Würzburg,
Würzburg, 1969
= QFW XX
konsultiert?
 
Hallo Mercy

Ich hab schnell mal hier nachgesehen:

http://www.weyer-neustadt.de/content/DesktopDefault.aspx?tabid=116

Steht ziemlich viel über die Neustadter Fälschungen drin.
Mindestens eine scheint ja für die Auseinandersetzung mit dem Bistum Würzburg gemacht worden zu sein.
Ernst A. Englert hat sich im "Ostpessart" ziemlich viel Mühe gegeben und versucht, die Klostergrenzen nachzuvollziehen.

Deine QUelle kenne ich leider nicht. Sagt die was anderes?
 
Ich möchte doch nochmals den Faden von oben weiterspinnen, daher:


So um 700-800 haben sehr viele Adlige, bemüht um ihr Seelenheil, Schenkungen an Klöster gemacht. So ziemlich jeder Ort verdankt seine 1. urkundliche Nennung solchen Schenkungen. Dann ab ca. 850 Sendepause bis ins 11. Jahrhundert.
Gleichzeitig im 11. Jahrhundert jede Menge "nachgereichte" Urkunden.

Einen Grund muss ja beides haben. Meine Vermutung, dass es derselbe ist.

Nur als Beispiel für das regnum alemanorum:

Das mysteriöse "Blutgericht von Cannstatt" 746 ist nur durch drei relativ kurze Notizen überliefert, daher in seiner "Aussagekraft" - wie es stattfand - sehr umstritten. Dass es, in welcher Form auch immer, stattgefunden haben muß, hat die Forschung sehr schlüssig aus den Urkunden d a n a c h herausfinden können, so wie auch an den Urkunden selbst sodann erkennbar wurde, dass es sich um nachträgliche Ver-Fälschungen handelte, warum ?

Nach 746 wurde die fränkische Grafschaftsverfassung in Allemannien eingeführt ( ein Herzogtum gab es ja nun nicht mehr, da dieses 746 aufgelöst wurde). Ruthard und Warin waren die wohl bedeutendsten "Stadthalter" der Franken, die mit Hilfe vor allem der Abtei Reichenau die fränkische Königsmacht sichern sollten. Nach 746 muß eine groß angelegte Konfiszikation durchgeführt worden sein - vor allem der Besitz des karolingerungehorsamen Adels wurde zu Fiskalgut eingezogen.

Wurde nun im vormaligen Herzogtum Schwaben bis 746 nach der lex alemanorum gehandelt und geurkundet, so musste logischerweise mit der "Machtübernahme" der Franken ja nun eine erkennbare Änderung eintreten, und solche, verfassungsrechtliche Änderungen, gab es auch !

Unmittelbar nach 746 gab es plötzlich immense und sehr großzügige "Schenkungen" ( besser; Vergabungen oder Traditionen ) an bestehende und neu entstehende Klöster. Ruthard und Warin konnten ja nun leicht großzügig mit "Fiskalgut" umgehen, da sie selbst ja dadurch nicht ärmer wurden - sie handelten ja im Auftrag ihres Königs und "erkauften" für diesen Treue und Unterwürfigkeit mit eigentlich "fremdem Gut"!

Da nun alem. Stammesrecht (die Gültigkeit der lex. alemanorum blieb unangetastet) sich mit fränkischen "Staatsrecht" zu überschneiden begann, passierten Fehler, die oftmals in der Unwissenheit (nicht nur der Schreiberlinge in den Klöstern) begründet waren.

Auch das alemannische Herzogtum kanne ja Fiskalgut - es war dasjenige, daß dem Herzogum als solchem, gehörte - daneben gab es auch das Privateigentum (Allod) des Herzogs und seiner Familie. Und gleichermaßen gab es nun Fiskalgut, das als Lehen vergabt war, und es gab auch privates Eigentum , auch des Adels und der Klöster. ( die "Kirche" als solche gab es organisatorisch noch nicht - aber auch eine Eigenkirche konnte ähnlich wie ein Eigenklöster mit Gut ausgestattet werden)

Da nun vor 746 Lehensvergaben aus privatem Gut keines urkundlichen Nachweises bedurften (mündlich unter Zeugen) , mußten hingegen solche, die aus fiskalen Lehen vergabt wurden in zweierlei Urkunden abgehandelt werden: es war dies zum einen die schuldrechtliche Urkunde - meist als Stiftung eines Seelgeräts o.ä. - zum anderen der dingliche Vollzug. Das heißt, mit dem Schenkungsversprechen alleine war Besitz aus Lehen nicht übertragbar, es war die Mitwirkung des "Fiskus" erforderlich. Der zu "schenkende" Besitz mußte daher an den Fiskus zurückübertragen werden und i.d.R. der zuständige Graf mit den Schenkern und drei weiteren Zeugen urkundete nunmehr dinglich in einer sogenannten Auflassungsurkunde. Das Gut blieb nach wie vor Lehen des Fiskus. Wenn es in das "private Eigentum" des Klosters übergehen sollte, dann ward dazu eine Urkunde der königlichen Kanzlei erforderlich, die in aller Regel anlässlich eine Reise des Königs in die Nähe des Ortes ( war aber nicht zwingen ) als Bestätigung erfolgte.

Zu berücksichtigen war ferner noch das Erbrecht! Erbberechtigte (Kinder) Söhne mußten bei Vergabungen mitwirken. Töchter mussten dann nicht mitwirken, wenn ihre "standesgemässe Ausstattung" bereits erfolgt war.
Bei Übertragungen aus dem privaten Gut, war zu beachten, ob es Mannes oder der Frau Eigentum war, an dem der jeweils andere Ehegatte die "Gewehre" hatte; der Gewehre-Inhaber mußte ebenfalls mitwirken.

Verständlich also, daß in der Zeit nach 746 sich die Formmängel häuften, so daß "Schenkungen" wiederholt werden mußten. Verständlich auch, wenn es zu Vergaben gekommen war über konfiszierten, privaten Besitz, der bereits zuvor - und da eben noch formlos, mündlich unter Zeugen - tradiert worden war.

All diese Fehler wurden in der modernen Forschung decidiert aufgedeckt, was vielfach zur "Umschreibung" der individuellen Geschichte führte, denn, immerhin waren bzw. sind die Traditionsurkunden gleichzeitig die wichtigste Grundlage auch für Genealogen.

In der Folgezeit schwächte sich bekanntlich die königl. Macht im Reiche ab bis incl. König Konrad I. Die alten Adelsfamilien kamen wieder zu Macht und Bedeutung und sie kämpften um die Wiedererlangung ihrer Anerkennung und ihrer Positionen. Ich erinnere hier besonders an die Auseinandersetzungen mit den Burchharden sowie nachfolgend der Bertholde (Erchanger und Berthold) und daran, wie Bischof Salomon von Konstanz (als zugleich Kanzler des Königs) es verstand, die Wiederentstehung des alem. Herzogtums zu verhindern und neben seiner Bischofswürde auch noch die Abteien St. Gallen und Reichenau auf sich vereinigte.

In diese Zeit fallen sowohl in St. Gallen wie auch in Reichenau ganze Serien von "Fälschungen", die sich sicherlich aus vorstehendem erklären.
Viele alem. Adelige hatten ihre Eigenkirchen und kleinen Eigenklöster unter den Schutz von St. Gallen ( nicht dem fränk. Reichenau) gestellt, welches seine Privilegien noch von den Merowingerkönigen erlangt hatte, um so der fränkischen Politik entgegen zu wirken.
Die Schutzprivilegien für St. Gallen hätte auch ein Salomon weder als Bischof noch als Abt angreifen können)dürfen - auf die Bibliothek und die Schreibstuben jedoch hatte er freilich Zugriff.

Um nun hier nicht "mangels Quellen" gerügt zu werden, verweise ich zu diesem (hochinteressanten) Thema, auf die aktuelle Literatur von z.B. M. Borgolte, Geschichte der alem. Grafschaften u. Die Grafen Alemanniens ... Europa entdeckt seine Vielfalt, Goetz Hans-Werner, Europa im fr. Mittelalter, aber auch noch Hagen Keller, Mitterauer und G. Tellenbach.

salu, jeanne
 
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wenn auch etwas spät, hab aber den thread erst jetzt lesen können:
So wie es aussieht, meinst Du @ repo mit dem "Fälscher Udalrich" den Secretarius Ulrich von Dapfen; es gilt als D E R Fälscher der Reichenau!
Sicherlich hat er als Schreiber nicht aus eigenem Antrieb gefälscht - und nicht nur er allein.
Was mich allerdings zu Ulrich von Dapfen noch interessieren würde: Aus welchem Dapfen stammt er wohl ? Es gibt auf der Alb ein Dapfen bei Münsingen - und es gibt im Aargau oder damals Zürichgau ein Münsingen - ob es wohl dort auch einen Ort Dapfen gab ? Es gibt auffällig viele namensgleiche Ort im damaligen alemannischen Schwaben ( heute nördl. Schweiz) und dem heutigen Schwabenland.
salu jeanne

Vielen Dank Jeanne,

habe Deine Beiträge erst heute gesehen.

Meine Quelle zum "Fälscher Uldarich" ist die Kreisbeschreibung des Kreis Balingen aus dem Jahr 1960. Weiß im Moment nicht mehr wer der Autor dieses Beitrags ist, die Autorenliste ist aber recht hochkarätig besetzt.

Das Dapfen zwischen Marbach und Buttenhausen hat eine Martinskirche, gelten ja gemeinhin als "Urkirchen", mithin könnte der "Fälscher" schon von dort sein.

Bei dem altalemannischen Hochadel komme ich nicht mit, fehlt mir bei all den Burchardingern, der Berchtoldsbaar usw. usf. schlicht der Durchblick.
 
salu repo, mir lässt es meist keine Ruhe, wenn etwas wie eine Wolke am Himmel schwebt und nicht durchblicken lässt:
also - nein - das Dapfen (Ortsteil von Gomadingen ) Krs. Münsingen ist
nicht namensgebend für "unseren Fälscher von der Reichenau"!

Der als Reichenauer Fälscher "berühmt" gewordene "Ulrich von Dapfen" amtierte von 1142 - 1166 als "custos" ( was damals schon eine besondere Vertrauensstellung bedeutete, so eine Art "Geheimnisträger", "Schlüssel-bewahrer" , "Oberaufseher" etc. )
Vermutlich hat sich mit U.v. "Dapfen" halt eine der vielen "falschen Traditionen" breit gemacht, denn, Ulrich stammt aus dem Hauses derer von "Böbingen-Michelstein-Tapfheim" - Verwandte/Nachkommen des Rudolf v. Achalm und der Adelheid v. Wülfingen - er müsste daher eigentlich "Ulrich von Tapfheim" benannt werden ?

M.W. gibt es größere Nachforschungen ( und daher Literatur ) zu einer "Judith von Balingen" - möglicherweise ist daher der von Dir herangezo-gene Literat in KB Balingen 61 S. 33 (?) Sigmund Riezler ( Spezialgebiet Haus Fürstenberg bzw. Zähringer/ Mark-grafen ... ) ?

Da es sich hier im weitesten Sinne um Verwandte der Zähringer ( sogar d. Königreichs Burgund unter d. Welfen ), damit Kaiserin Gisela, um fdie Gründer des Klosters Zwiefalten etc. etc. etc. handelt, ein hochinteressantes Forschungsgebiet! (diese "Leute" gehören mit zu meinen historischen Lieblingen )

So, damit hätten wir wohl wieder einen Fälscher "dingfest" gemacht, können uns aber damit trösten, dass es deren noch unvorstellbar viele (zu überführen) gibt!

salu, je(h)anne

PS.: repo, könnte es ggf. sein, dass Du das Wort "Heierle" (für Pfarrer) kennst und weißt, woher es stammt ?
 
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