Joho,
da ich vor nicht allzu langer Zeit mit dem Thema Moscheenbau in Deutschland konfrontiert wurde, stellt sich für mich folgende Frage:
Wie sehr unterscheiden sich die lateinischen von den orthodoxen Christen zum Zeitpunkt des Baus der Hagia Sophia?
Der Zusammenhang ergibt sich aus der Argumentation, eine Mosche sei nunmal nicht wirklich was fürs europäische Auge und dem Gegenargument, diese bilde lediglich die Hagia Sophia ab, den repräsentativsten Bau christlicher Vorstellungen des frühen Mittelalters. (in ihrer heutigen Form wurde die HS 537 neu erbaut)
Damit dieses Argument belastbar bleibt, müsste ich wissen, ob sich die lateinischen Christen damals schon so sehr von den orthodoxen unterschieden.
Bin schon auf die Antworten gespannt. ;-)
Danke im Voraus und Gruß
Du gehst also von der tagespolitischen Frage des Moscheebaus aus:
da diese Moscheen zumeist im osmanischen Stil gebaut werden (z. B. Duisburg und Köln) und damit stilistisch von der Hagia Sophia beeinflußt werden, ist Deine Meinung, daß diese "Hagia Sophia-Repliken" en miniature für Europa ein Fremdkörper sein. Dann stellt sich für Dich die Überlegung, ob die Hagia Sophia schon bei ihrem Bau als christliche Kirche ein für Europa fremder Bau sei. Fremd wäre er, wenn die Christen Konstantinopels bereis damals von den lateinischen Christen "so sehr" unterschieden hätten.
In diesen Gedankengängen werden religiöse, architektonische und nationale (bzw. kontinentale) Überlegungen zusammengepackt. Ich versuche im folgenden diese Überlegungen zu entpacken:
Architektur und Religion:
Weder das Christentum (gleichwelcher Richtung) noch das Islam sind auf eine bestimmte Bauform angewiesen. In der Praxis muß ja gewährleistet sein, daß ein großer Raum für die Versammlung der Gläubigen zur Verfügung steht. Im Christentum ist dies überwiegend eine von der römischen Basilikaform abgeleitet (lange, hohe Halle, die auf einen exponierten Abschnitt zuläuft, mit Turm). Siehe
Basilika ? Wikipedia Diese Basilikaform war in der Antike auch als Gerichts- bzw. Markthalle in Gebrauch. Die Hagia Sophia als christliche Kirche aus dem 6 Jhrdt. ist in ihrer Bauform eine Kuppel einem Unterbau. Vergleichbares gibt es auch in Rom mit dem Pantheon (
http://de.wikipedia.org/wiki/Pantheon_(Rom)).
Im Islam gibt es eine Reihe von architektonischen Formen:
Moschee ? Wikipedia
Ein Beispiel für die Säulenhalle ist die Moschee von Mekka (
File:Inside view -Masjidul Haram, Makkah.JPG - Wikimedia Commons), die Moschee von Córdoba
Mezquita de Córdoba ? Wikipedia. Letztere ist übrigens später in eine Kirche umgewandelt worden. Gleiches ist übrigens in Sevilla passiert. Von der alten Moschee ist allerdings nur noch das Minarett übrig, das als Turm der heutigen Kathedrale dient. Ein anderes Beispiel für eine ehemalige Kirche, die heute als Moschee dient, ist die Pascha-Moschee (einst St. Nicolaos-Kathedrale) in Famagusta in Zypern.
Datei:St. Nikolaos Mustafa- Pascha-Moschee C.jpg ? Wikipedia
Die Bauform des Kuppelbaus ist primär eine architektonische Form des türkischen Islam. Auch in Istanbul gibt es große Moscheen (
Sultan-Ahmed-Moschee ? Wikipedia,
Süleymaniye-Moschee ? Wikipedia), die an der Hagia Sophia architektonisch orientiert sind. Die Minarette an der Hagia Sophia sind erst nach der Umwandlung in eine Moschee gebaut worden.
Religion und Nation
Weder das Christentum noch der Islam sind an sich an eine bestimmte Nation oder Kulturkreis gebunden. Es sind beide Verkündigungsreligionen, die allen Menschen offensteht. Es sind primär historische Gründe, daß z. B. in Europa oder Amerika das Christentum vorherrscht oder in der Türkei, Nordafrika, Naher Osten der Islam. Die Frage, ob man hier lebenden Muslimen ihre Moscheen (in welcher Bauform auch immer) zugestehen will, ergibt sich aus unserem Grundgesetz, welches Religionsfreiheit zusichert.
Nation und Architektur
auch hier gilt: der Kuppelbau einer Moschee ist nichts neues oder fremdes für Europa. Seit der Antike werden Kuppeln gebaut, sei es in Kirchen oder weltlichen Gebäuden.
Soweit zu den historischen Hintergründen.