Das war der Ausgangspunkt. Also Deine Interpretation zur "Ärzte-Verschwörung".

Das war auch nicht so irrational wie es scheint, denn gerade aus seiner Sicht war durchaus denkbar, dass sich die Ärzte tatsächlich gegen ihn verschworen hatten;

Dieser Interpretation hab ich widersprochen und auch bereits dargestellt, welche Ziele Stalin mit dieser konstruierten innenpolitischen Hexenjagd eigentlich treffen wollte..

Dann kommt Deine Antwort.

Es ging gar nicht um Stalin? Um wen denn dann?

Natürlich geht es um Stalin. Als Täter und als Initiator, der den "Plot" auf die politische Agenda hebt. Aber nicht als Opfer von Ärzten, die ihm nach dem Leben trachten.

Im Prinzip folgten die Vorbereitungen dieser späten Säuberungswelle einer ähnlichen Logik wie die Säuberung in den 30er Jahren. Es ging darum, die Reihen von Verrätern und Abweichlern zu säubern.

Und genau diese Vermutung projizierte Stalin auf seine Umgebung. Er hielt sie für verweichlichte "Internationalisten", die den Klassenfeind nicht mehr unnachgiebig bekämpfen. In diesem Kontext wird häufiger die verächtliche Abwertung von Stalin seiner engsten politischen Umgebung zitiert.

Um die Glaubwürdigkeit zu unterstützen wurde den "verschwörenden Ärzten" unterstellt, dass sie die Spitzen der Roten Armee töten wollten und so einen "medizinischen Enthauptungsschlag" führen, der die Verteidigungsfähigkeit des Landes deutlich reduziert hätte.

Somit diente der Plot Stalin im wesentlichen dazu, eine angespannte Stimmung zu erzeugen, bei der keiner mehr dem anderen traut, wie in den dreißiger Jahren. Diese Situation beschreibt Schlögel in "Terror und Traum" eindringlich.
 
Vielleicht noch eine letzte Bemerkung von meiner Seite dazu: Ich würde vermuten, dass Stalin seine eigene verfallende Gesundheit schon auch wichtig war und dass er deshalb seine Ärzte nicht nur als mögliche Figuren eines innenpolitischen Machtspiels wahrnahm.
 
Ich persönlich halte es mit H. Arendt und gehe von einem Tötungsdelikt aus ...

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https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3228382/pdf/SNI-2-161.pdf

Sicher ist wohl, dass Stalin eine starke Blutung in der linken Gehirnhälfte hatte, was angesichts seines Bluthochdruckes, den sein Leibarzt Vinogradov bereits im Frühjahr 1952 für gefährlich genug hielt um ihm zum Rücktritt zu raten, auch nicht ungewöhnlich ist.
Doch ungewöhnlich für die Hirnblutung ist, dass er gleichzeitig Blut erbrach und bei der Autopsie zudem Blutungen am Herzmuskel festgestellt wurden. Daher, so der Autor, ist es naheliegend anzunehmen, dass dem Stalin bei dem Treffen vom 28.02 auf den 01.03 ein starker Blutverdünner in den georgischen Wein, den dieser zu sich nahm, gemischt wurde.
Sprich ein Rattengift. *
".. we now possess clinical and forensic evidence supporting the long-held suspicion that Stalin was indeed poisoned by members of his own inner circle, most likely Lavrenti Beria, and perhaps even Khrushchev, all of whom feared for their lives.[4]"
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* Ratten sind sehr misstrauisch gegenüber Nahrung und beobachten deren Wirkung auf Mitglieder ihrer Gruppe, die sozusagen Vorkoster sind, genau. Daher darf das Gift zunächst keine Symptome hervorrufen und erst mit erheblicher Zeitverzögerung seine Wirkung entfalten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Rodentizid
Sprich Warfarin „Warfarin is a tasteless chemical that in 1950 had just become patented and available in Russia as a blood thinner for patients with cardiovascular disease, and later, widely used as rat poison.“

(Man könnte versucht sein zu sagen: wie passend!
Doch habe ich die Freude gehabt eine Ratte persönlich kennenzulernen und will dem Tier nichts Schlechtes nachsagen.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Dr. Jin und Dr. Orlov

Ich lese gerade: Jung Chang – Mao, The Untold Story – (Taschenbuchausgabe) ..gibt es auch in deutscher Übersetzung.
Wohl ist das eine Anklageschrift gegen Mao, macht aber einen seriösen Eindruck und der Quellenanhang ist fulminant.
(In China, dem Herkunftsland Chang's, ist das Buch übrigens verboten, was angesichts der ausgebliebenen Entwicklung zur Liberalität nicht überrascht.)

Interessant im Themenzusammenhang „Ärzteverschwörung“ finde ich den Arzt Andrei Orlov.
Die Story beginnt in China und ich folge der Darstellung von Jung Chang.
Wang Ming ist ein Kritiker Maos.
1941, nachdem er im Oktober Mao herausfordert hatte, bricht er unerwartet zusammen, kommt ins Krankenhaus und behauptet Mao habe einen Giftanschlag auf ihn verübt.
Zu der Zeit als Wang Ming ins Krankenhaus eingeliefert wird, wird auch Dr. Jin (Mao-yue) Chefarzt.
Als der Wang Ming Anfang März 1942 entlassen werden soll erhebt der Chefarzt Dr. Jin Einspruch dagegen und übernimmt die Behandlung, worauf sich der Zustand des WM gleich wieder verschlechtert und er, misstrauisch geworden, der Verschreibung nicht mehr folgt.
Stalin und seine SU sind sehr einflussreiche, wenn nicht zeitweise dominierende, Spieler auf der Bühne des chinesischen Dramas. Und diese entsenden eine Delegation zu der der Geheimdienst-Arzt Andrei Orlov gehört, der 1943 die Überstellung des Patienten Wang in die SU fordert was zunächst am Widerstand Maos scheitert. (S.306-311)
(Erst 1956 wird Wang in die SU zur medizinischen Behandlung kommen und dort bis zu seinem Tod 1974 bleiben)
Das Verhältnis der Tyrannen Stalin und Mao wird angespannt bleiben, doch der Andrei Orlov wird Maos Vertrauen ausreichend als sein Arzt erwerben, dass sogar eine Behandlung von 'sexuellen Problemen' vom Mao gewünscht wird. (S. 477)
1949, Mao ist schon faktisch der Sieger im Kampf um China, wird der Dr. Orlov in die SU zurück beordert, und von Abamukov persönlich gefoltert, um Belastendes über den „Titoisten“ und Verräter Mao zu gewinnen. (S. 419) Noch im gleichen Jahr stirbt der Doktor unter ungeklärten Umständen.

Ja, so ein Doktor mag schon praktisch sein für einen brutalen Tyrannen. Braucht er aber selber einen, so denkt er vielleicht unwillkürlich an die Behandlung des Ming durch den Dr. Jin.

War Stalin paranoid?
Das kann man nicht einfach feststellen.
Doch sein Regime war es wohl.
 
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