Fragen zur Sozialpolitik Bismarcks

Tobey

Neues Mitglied
Hallo, ich habe ein paar Fragen zur Sozialpolitik Bismarcks. Wäre super, wenn mir da vielleicht jemand weiterhelfen könnte. :)

a) Versicherungsgesetze

  1. Wer waren die Träger der Versicherungsgesetze? (Art der "Organisation")
  2. Warum hat man für die Renten-/Invalidenversicherung (1889) so lange gebraucht?
  3. Ab wann wurde die Rente gezahlt? Ich laß, dass zunächst sofort gezahlt wurde, später dann erst nach 23 Jahren. Aber wie lange wurde sie "sofort" gezahlt, bis man den Modus änderte? Und wie errechnete sich in dieser Phase die Rente, wenn es doch eigentlich nach Beitragsjahren und Einzahlung ging.
  4. Wie hoch waren die Beiträge in RM bzw. prozentual vom Einkommen?
  5. Wie hoch war die durchschnittliche Rente/das durchschnittliche Einkommen eines Arbeiters Ende des 19. Jahrhunderts?

    b) Sozialistengesetz
  6. Wer entschied über die Organisationsverbote, Gewerbeverbote, Ausweisungen und kleinen Belangerungszustände?

Wäre super, wenn mir da vielleicht jemand weiterhelfen könnte. :)
 
Wer waren die Träger der Versicherungsgesetze?(Art der "Organisation")
die Träger waren selbstverwaltete öffentlich-rechtliche Körperschaften, die sich je zur Hälfte aus Versicherten und Arbeitgebervertretern zusammengesetzten.

Warum hat man für die Renten-/Invalidenversicherung (1889) so lange gebraucht?
Wofür lang gebraucht? Die Entwicklung? Meinst du von der Verabschiedung bis zur Einführung? Oder meinst du bis zur Anspruchserwirtschaftung?

Ab wann wurde die Rente gezahlt? Ich laß, dass zunächst sofort gezahlt wurde, später dann erst nach 23 Jahren. Aber wie lange wurde sie "sofort" gezahlt, bis man den Modus änderte? Und wie errechnete sich in dieser Phase die Rente, wenn es doch eigentlich nach Beitragsjahren und Einzahlung ging.
Die Rente wurde nie sofort bezahlt. Voraussetzung für einen Rentenanspruch waren grundsätzlich 30 Beitragsjahre. Nichts desto trotz bekamen auch Arbeiter eine Rente die aufgrund ihres Lebensalters keine 30 Beitragsjahre mehr erwirtschaften konnten. Die Berechnung der Rente erfolgte in der Tat aus dem bisherigen Einkommen und der Beitragsdauer. Zunächst zahlte man aber bis zur Rentenreform 1957 auf ein eigenes Rentenkonto ein, das Umlageverfahren und den Generationenvertrag kannte man damals noch nicht. Und: die Bismarckrente sicherte noch nicht mal das Existenzminimum, sollte sie auch bewusst nicht, da man davon ausging dass der Rentner (so er denn überhaupt das Rentenalter erreichte, schließlich lag das Renteneintrittsalter bei 70 Jahren und das bei einer deutlich geringeren Lebenserwartung als heute) hauptsächlich von seiner Familie unterstützt wurde.

Wie hoch waren die Beiträge in RM bzw. prozentual vom Einkommen?
Der Beitragssatz lag zu Beginn bei 1,7% des Einkommens

Wie hoch war die durchschnittliche Rente/das durchschnittliche Einkommen eines Arbeiters Ende des 19. Jahrhunderts?
Hab ich irgendwo, ich suche mal... Aus dem Kopf raus lag die Rente bei gut 10 RM, der Durchschnittsverdienst eines Arbeiters um die 90 RM im Monat.

Sozialistengesetz
Wer entschied über die Organisationsverbote, Gewerbeverbote, Ausweisungen und kleinen Belangerungszustände?
Verstehe ich nicht... Wer über das Gesetz entschied? Oder wer darüber entschied ob es sich nun um einen einschlägigen Gesetzesbruch handelte, oder nicht?
 
Vielen Dank! Deine Antworten helfen mir sehr weiter! :)

Wofür lang gebraucht? Die Entwicklung? Meinst du von der Verabschiedung bis zur Einführung? Oder meinst du bis zur Anspruchserwirtschaftung?

Die beiden ersten Gesetze kamen ja recht fix hintereinander, 1883 und 1884, während die Rentenversicherung erst 1889 kam. Kann das mit den Streiks der Bergarbeiter im Ruhrgebiet zusammenhängen?


Lili schrieb:
Verstehe ich nicht... Wer über das Gesetz entschied? Oder wer darüber entschied ob es sich nun um einen einschlägigen Gesetzesbruch handelte, oder nicht?
Ich meinte, wer entschied im Endeffekt darüber, ob eine Organisation oder Schrift sozialistisch und zu verbieten sei.
Wer durfte den Kleinen Belagerungszustand ausrufen?
Wer durfte Ausweisungen vornehmen?

Der Beitragssatz lag zu Beginn bei 1,7% des Einkommens
Für Krankenversicherung und Rentenversicherung zusammen?

Und nochmals Danke für Deine Hilfe!! :)
 
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Die beiden ersten Gesetze kamen ja recht fix hintereinander, 1883 und 1884, während die Rentenversicherung erst 1889 kam. Kann das mit den Streiks der Bergarbeiter im Ruhrgebiet zusammenhängen?

Das war ein mehrjähriger Reformprozeß, der auch erhebliche institutionelle Probleme zu überwinden hatte. Auch die übrigen Versicherungen scheiterten mW mehrfach am Reichstag.

Man sollte sich die Ausgangslage anschauen:
Ende der 1870er war ein vermischtes System von Versicherungsträger bereits vorhanden (neben den unversicherten Arbeitnehmern in der Masse). Zahlreiche kleine Kranken-, Unfall-, Alters- und Invalidenkassen standen isoliert nebeneinander, dazu kamen kleine und kleinste Hils- und Steerbekassen, Knappschaftskassen, und Innungskassen als Reste aus der Zunftzeit, Gewerkvereine, einzelne Kassen der Fabrikunternehmen und Eisenbahngesellschaften.

Vom Organisationsgrad gab es Zwangskassen und freie Kassen, lokale und nationale Kassen, berufsgenossenschaftliche und gemischte Kassen ohne Ordnungsprinzip.

Zahlreiche Kassen waren überdies insolvenzreif. Dies war die Ausgangslage für eine Reform sowie die Einbeziehung der Masse der Unversicherten. Speziell für die Renten- und Erwerbsunfähigkeitsvorsorge gab es Sparkassen, freie Hilfskassen, einige Gemeinde mit Kassenzwang sowie Gewerkvereinskassen.

Die Renten- und Invalidenversicherung wurde so nach langjährigen Arbeiten erst unter Friedrich III. dem Bundesrat vorgelegt und unter Wilhelm II. in die gesetzliche Verabschiedung gebracht. Ein Grund war neben dem institutionellen Wirrwarr auch die Notwendigkeit, hier statistische Grundlagen erheben bzw. schätzen zu müssen. Es gab keine zuverlässigen Alters- und Invaliditätsstatistiken für die Deckungsrechnungen. Diese waren Basis für den Reichs-Zuschußbedarf sowie die Beitragshöhe bei den Versicherten und Unternehmen. Diese Reform war am schwierigsten in ihren Kosten zu berechnen und daher in diesem Sinn am riskantesten.
 
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