Dion bezieht sich m.E. hier auf Karl Marx.
Bei Karl Marx heißt es in der „Kritik zum Gothaerprogramm“ – Randglossen zum Programm der Deutschen Arbeiterpartei“ im Abschnitt I., Absatz 3 „Die Befreiung der Arbeit erfordert …“:
„In einer höheren Phase der Kommunistische Gesellschaft... Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“.
Das es sich bei @Dions Einlassung um eine Verunstaltung dieses Zitats handelt, hatte ich mir wegen des ersten Teils auch schon gedacht.
Das ändert allerdings nicht daran, dass bei Marx Forderung wie "Jeder soll sich so viel nehmen, wie er braucht, aber aus moralischen Gründen bitte möglichst minimalistisch", nicht vorkommen.
Solche Einlassungen finden sich vielleicht in der Bibel, im Hinblick auf hungernde Personen, denen es dem Text nach gestattet sein soll im Weinberg des Nachbarn den eigenen Hunger zu stillen, aber nichts darüber hinaus zu entwenden.
Solche Einlassungen finden sich gegebenenfalls in irgendwelchen esotherischen Bewegungen, in anarcho-syndikalistischen Gruppen und in modernen Nachhaltigkeitskonzepten, aber eben gerade nicht bei Marx.
Marx hat weder irgendjemanden aufgefordert sich individuell etwas zu "nehmen", im Gegenteil, er hat explizit darauf abgestellt, dass es nicht mehr möglich sein sollte, sich fremdes Arbeitsprodukt im kapitalistischen oder despotischen Sinne anzueignen und irgendeine auf Moral abstellende Genügsamkeitsethik ist der Marxismus auch nicht, er ist letztenendes das glatte Gegenteil davon.
Auch steht bei Marx nirgendwo etwas davon, dass jeder nur so viel arbeiten soll, wie er gerade lustig ist, so wie
@Dion das kolportiert.
Dementgegen hat Marx im "Manifest" ausdrücklich einen allgemeinen Arbeitszwang für alle vorgeschlagen/eingefordert.
Auch diese Thematik kommt in bestimmten kommunistisch/sozialistischen Strömungen ja durchaus vor, im theoretischen Marxismus aber gerade nicht.
Viel mehr ist "jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen", vor dem Hintergrund der Ablehnung "entfremdeter Arbeit", den mieserablen Arbeitsbedingungen, dem Faktum der weitgehend unregulierten Kinderarbeit etc. zu sehen, nicht im Sinne zeitökonomischer Lifestyle- und Selbstverwirklichungskonzepte der letzten 30-40 Jahre.
In diesen Zusammenhang entwickelte man in Sozialismus das „Sozialistische Leistungsprinzip“ als „Prinzip der Verteilung“.
Dieses Konzept hat man eigentlich nicht entwickelt, sondern man hat damit im Grunde wesentlich ältere Konzepte aufgegriffen.
Letztendlich hat man damit ein bereits seit mehreren Jahrtausenden existierendes wirtschaftliches Konzept wieder aus der Mottenkiste geholt und zwar dasjenige der "Palastwirtschaft":
Palastwirtschaft – Wikipedia
Neu war daran eigentlich nichts und marxistisch war das eigentlich genau so wenig wie es neu gewesen wäre, denn an der "Entfremdung der Arbeit", der Aneignung des Arbeitsprodukts" durch den Inhaber der Produktionsmittel und der Abschöpfung des Mehrwerts im Sinne der Marx'schen Arbeitswertlehre änderte sich ja nichts.
Nur das der Inhaber dieser Produktionsmittel dann eben nicht mehr ein privater Kapitalist sondern der Staat war, womit die einzige Veränderung im Hinblick auf die Ausbeutung im marx'schen Sinne darin bestand, dass sie nicht mehr nach originär kapitalistischen Gesichtspunkten (der Staat arbeitet nicht nach Maßgabe persönlicher Gewinnmaximierung durch Verkonsumieren menschlicher Arbeitskraft), sondern nach despotischen oder, wenn man so möchte "bürokratischen" Gesichtspunkten organisiert war.
Inwiefern genau dass ein Schritt in Richtung des Kommunismus im Rahmen Marxistischer Theorie sein soll, müsste mir mal jemand erklären.
Es ließe sich nämlich genau so gut, wenn nicht sogar plausibler argumentieren, dass es sich im Gegenteil um einen Schritt wieder auf die Gesellschaftsstrukturen der Vormoderne hin handelte, der der bei Marx angestrebten Emanzipation der Arbeit diametral entgegen lief.
Die kommunistischen Führer hatten es aber allesamt eilig noch zu ihren Lebzeiten in der kommunistischen Gesellschaft anzulangen.
Das war allerdings reiner Aktionismus bzw. Populismus und eröffnete Räume für so manche Phantasterei.
Mindestens im Hinblick auf die theoretischen Ansätze bei Marx würde ich dass nicht teilen.
Tatsächlich einigermaßen theoriefest inn diesen Dingen zu sein und versucht zu haben die kommunistische Revolution und Gesellschaftsordnung übers Knie zu brechen, würde ich den Hauptaktueren der Bolschewiki tatsächlich attestieren. Lenin, Trotzki, Bucharin, Sinowjew etc. handelten wohl tatsächlich in diesem Sinne.
Bereits für Stalin halte ich das für durchaus hinterfrag, aber jedenfalls noch für diskutierbar.
Hinterfragbar, weil Stalins Marx-Kenntnisse, nach dem Stand, den ich dazu habe eher rudimentär waren, diskutierbar, weil er einen großen Teil seiner politischen Sozialisation im Umkreis von Personen durchlaufen hat, die von diesen Ideen tatsächlich geprägt waren, und deren Gedankengänge er zum Teil übernahm oder wenigstens zu immitieren versuchte.
Was aber hatten alle, die danach noch kamen mit dem theoretischen Marxismus am Hut? Eigentlich nichts.
Jetzt wäre es natürlich eine unzulässige Verengung des Diskurses den Begriff "Kommunismus" mit dem theoretischen Marxismus gleichzusetzen, Personen, die sich als "Kommunisten" verstanden haben gab es ja bereits deutlich vor Marx/Engels, die diesen Begriff lediglich aufgegriffen haben und entsprechend gibt es natürlich auch nicht marxistisch beeinflusste Vorstellungen davon, was eine kommunistische Gesellschaft sein und ausmachen könnte.
Daher auch meine Rückfrage an
@Dion , wo man diese angeblichen Ideale nachlesen könnte.
MMn wirft er da nämlich marxistische Vorstellungen davon, was Kommunismus sein könnte mit diversen anderen Konzeptionen aus ganz anderen Ecken durcheinander, vermengt das alles zu einem nicht mehr wirklich definierbaren Brei und klebt dem dann das Ettikett "Kommunismus" bzw. "Ideale des Kommunismus" an.
Und das ist eben kein wirklich sinnvoller Diskussionsstil. Entweder man bzieht sich auf den theoretischen Marxismus oder den "Realsozialismus" als die wirkmächtigsten Vorstellungen in diese Richtung, oder man bezieht sich auf irgendetwas anderes, dann müsste man aber schon einigermaßen benennen worauf, damit das sinnvoll diskutierbar ist.
Was
@Dion hier aufgestischt hat, hat in dieser Form jedenfalls weder mit dem theoretischen Marxismus, noch mit dem "Realsozialismus" irgendwas zu tun.