Gegenstempel und Varus-Schlachtfeld

Dann ist da natürlich die Frage, ob Geld zur Zeitenwende für die Germanen schon Geld war, oder noch Wertgegenstand.

genau DAS ist der springende Punkt. Denn die Münzen vereinfachte den innergermanischen Handel. Niemand musste mehr 12 Hühner mitnehmen, um ein Schwein einzuhandeln. Es genügte das Silbergeld. Nicht vor umsonst sagt ja Cassius Dio das die Germanen sich an die römische Lebensweise gewöhnt hatten. Für die germanische Stammeselite wie Segestes, welche sich mit den Römern arrangierten, waren die Colonias Novas (Tacitus) eine willkommene Einnahmequelle.

Nun kam aber Varus und verlangte Steuern (Cassius Dio). Das war gar nicht nett . . .
 
Dann ist da natürlich die Frage, ob Geld zur Zeitenwende für die Germanen schon Geld war, oder noch Wertgegenstand.

genau DAS ist der springende Punkt. Denn die Münzen vereinfachte den innergermanischen Handel. Niemand musste mehr 12 Hühner mitnehmen, um ein Schwein einzuhandeln. Es genügte das Silbergeld. Nicht vor umsonst sagt ja Cassius Dio das die Germanen sich an die römische Lebensweise gewöhnt hatten. Für die germanische Stammeselite wie Segestes, welche sich mit den Römern arrangierten, waren die Colonias Novas (Tacitus) eine willkommene Einnahmequelle.

Akzeptierten die Germanen nur Silbermünzen? Und sonst kein römisches Geld?
Das hieße, dass für sie nur der Materialwert zählte, nicht der aufgeprägte Geldwert. Der Händler hätte für das Schwein statt der Silbermünzen auch einen ungeprägten Silberklumpen mitbringen können.

Die Antwort auf Riothamus' Frage wäre dann also: Eine römische Münze war für den Germanen kein Geld, sondern allenfalls ein Wertgegenstand.
 
Wobei wir aber auch zugeben müssen, dass in einer Subsistenzwirtschaft, in der auch die Gastfreundschaft hochgehalten wird, kleinere Nominale eine geringere Rolle spielen. Dennoch müsste man auch sie finden.
 
Wo steht dort etwas von der Verteilung von Geldern?

Wenn ich etwas haben will - in dem Fall den Frieden, dann muss ich der anderen Partei etwas anbieten. Da nach Cassius Dio die Germanen sich an die römische Lebensweise angepasst hatten, ist Geld das einfachste und naheliegendste.


Wieso war es dann wichtig, dass der Reiter der lateinischen Sprache kundig war? Germanisch und allenfalls Keltisch hätten vollkommen ausgereicht.

Auch Hilfstruppen wurde Latein gelehrt. Jedoch glaube ich kaum das ein Gallier sich mit einem Sueben sprachlich verständigen konnte. Das ging aber über das Latein sehr wohl.

Nicht wenn ihnen klar war, dass es sich nur um eine List handelte. Außerdem müssen sie gar nicht gewusst haben, dass ihr Anführer einen Reiter zum römischen Lager schickt und Versprechungen machen lässt. (Außerdem, wenn man Deiner Argumentation folgt: Hätte er dann seinen Leuten nicht auch Ackerland und Frauen verschaffen müssen, damit sie nicht sauer werden?)

An eine List glaube ich nicht.
 
Freies Land wird es gegeben haben. Ehemalige Legionäre werden auch in den gerade erwähnten Colonias Novas angesiedelt worden sein. Da den Gesellschaften Germaniens der Krieg nicht fremd war, wird es Frauenüberschuss gegeben haben. Arminius lies also sagen: Was ihr in den Legionen erreichen könnt, könnt ihr auch bei uns bekommen, für einen wesentlich kürzeren Dienst. Da musste doch kein freier Germane neidisch werden.
 
Der Händler hätte für das Schwein statt der Silbermünzen auch einen ungeprägten Silberklumpen mitbringen können.

Woran sollte der Gegenüber erkennen, ob in dem Silberklumpen nicht noch etwas anderes steckt ? Nach Tacitus aber vertrauten die Germanen in die Serrati und Bigati. Und Vertrauen ist bei einem Geschäft der wesentlichste Punkt.
 
Wieso war es dann wichtig, dass der Reiter der lateinischen Sprache kundig war? Germanisch und allenfalls Keltisch hätten vollkommen ausgereicht.

Weil das es ist, was Tacitus an der Stelle tatsächlich hervorhebt:
"hostium, Latinae linguae sciens"

An eine List glaube ich nicht.
Klar, Arminius hatte einen DukatenSesterzenesel, dass er den übergelaufenen Legionären das Vierfache ihres Tagessolds zahlen konnte, Frauenüberschuss und die ollen Germanen hatten eine riesige Lust ihr Ackerland mit überlaufenden Römern zu teilen... :nono:

Woran sollte der Gegenüber erkennen, ob in dem Silberklumpen nicht noch etwas anderes steckt?

Das ist doch bei den ganzen Hacksilberfunden auch kein Problem.
 
Das ist doch bei den ganzen Hacksilberfunden auch kein Problem.

Bis auf den Hildesheimer Silberschatz, welcher geteilt wurde, lassen sich in den frühen Siedlungfunden keine Hacksilberfunde nachweisen. Dieses Phänomen tritt erst wieder mit dem Schatzfund von Großbodungen/TH (5. Jh. n. Chr.) in Erscheinung.
 
[...] und die ollen Germanen hatten eine riesige Lust ihr Ackerland mit überlaufenden Römern zu teilen... :nono:
[...]

Es steht also fest, dass es kein freies Land mehr gab, was man urbar machen konnte?
Die Wirtschaft der Germanen basierte bekanntlich nicht auf der Ackerwirtschaft, sondern auf der Viehwirtschaft, weshalb die Ackerflächen sehr klein waren. Das galt für Mitteleuropa bis in das Frühmittelalter hinein. Eine andere Frage ist, wie es mit den Nutzungsrechten an der Feldmark für die Hude von Vieh und zur Brennholzgewinnung aussah. Doch bekanntlich lagen zwischen den Stämmen oftmals breite Streifen Landes, die nicht besiedelt waren. Und z.B. die Höhen des Teutoburger Waldes sollen erst im Frühmittelalter zur Weide genutzt worden sein. Damals entstand aus dieser Nutzung jedenfalls die Bezeichnung 'Winfeld' für die Gegend nördlich der Dörenschlucht. Um zu übertreiben: In der Senne nördlich von Paderborn konnten noch im 19.Jh. Höfe angesiedelt werden, da der Sandboden wenig attraktiv war.


Mal davon abgesehen, dass solche Angebote im Lauf der Geschichte eigentlich immer Lockvogelangebote waren, sollten wir doch in der Argumentation ehrlich bleiben.
 
In dem Thread wurde ja der Sinn der Gegenstempel diskutiert. Ich hatte darauf hingewiesen, dass der Gegenstempel die Soldaten noch mal daran erinnerte, von wem sie ihr Geld ausgezahlt bekamen. Dem wurde teils heftig widersprochen, teilweise wurden dabei recht absonderliche Hypothesen vertreten, ein durchaus ernstzunehmendes Gegenargument war aber die Aussage, dass die Soldaten doch wussten, wem sie die Treue schuldeten, die Gegenstempel daran nicht erinnern müssten bzw. man die Gegenstempel sonst als Usurpation auffassen müsse, was ich jedoch beides in Abrede stelle. Als neues Argument will ich Münzen anführen, die wir nicht auf dem Varusschlachtfeld finden - und wenn wir sie fänden hätten wir ein gravierendes Datierungsproblem: sind sind das typische Soldatengeld im 3. Jhdt. Auf diesen Münzen finden finden wir auf dem Revers - teilweise ausgeschrieben, teilweise in abgekürzter Form - die Mahnung an die Soldaten: FIDES MILITUM - 'Treue der Soldaten'. Diese schulden sie natürlich demjenigen, der auf dem Avers abgebildet ist: etwa Maximinus, Elagabal, Probus.
 

Anhänge

  • 450px-ELAGABALUS-RIC_IV_78-191571_FIDES_MILITUM.jpg
    450px-ELAGABALUS-RIC_IV_78-191571_FIDES_MILITUM.jpg
    34,9 KB · Aufrufe: 310
  • i2005-fidesmilitum.jpg
    i2005-fidesmilitum.jpg
    64,1 KB · Aufrufe: 444
In dem Thread wurde ja der Sinn der Gegenstempel diskutiert. Ich hatte darauf hingewiesen, dass der Gegenstempel die Soldaten noch mal daran erinnerte, von wem sie ihr Geld ausgezahlt bekamen. Dem wurde teils heftig widersprochen, teilweise wurden dabei recht absonderliche Hypothesen vertreten, ein durchaus ernstzunehmendes Gegenargument war aber die Aussage, dass die Soldaten doch wussten, wem sie die Treue schuldeten, die Gegenstempel daran nicht erinnern müssten bzw. man die Gegenstempel sonst als Usurpation auffassen müsse, was ich jedoch beides in Abrede stelle. Als neues Argument will ich Münzen anführen, die wir nicht auf dem Varusschlachtfeld finden - und wenn wir sie fänden hätten wir ein gravierendes Datierungsproblem: sind sind das typische Soldatengeld im 3. Jhdt. Auf diesen Münzen finden finden wir auf dem Revers - teilweise ausgeschrieben, teilweise in abgekürzter Form - die Mahnung an die Soldaten: FIDES MILITUM - 'Treue der Soldaten'. Diese schulden sie natürlich demjenigen, der auf dem Avers abgebildet ist: etwa Maximinus, Elagabal, Probus.

Salve El Quijote,
der Gedanke, den Du äusserst, ist natürlich zunächst verführerisch für Deine
Argumentation. Dennoch gebe ich zu bedenken, dass es sich bei Fides wohl um eine Göttin (freilich die der Treue) handelt, der ein eigener Kult geweiht gewesen sein soll. Insofern taucht das Fides Revers häufiger auch in anderen Zusammenhängen auf. Ich hielt es für vermessen, wenn der jeweilige Münzstifter das Revers der Göttin benutzt, um daran zu erinnern, dass das Geld von ihm kommt. Könnte es sich nicht auch einfach um eine Ehrung, Stiftung oder Spende, bezogen auf die Gottheit handeln? Warum hätte Varus andernfalls nicht auch Fides auf (vermeintlich) seine Münzen schreiben sollen, um an seine Großzügigkeit zu erinnern?
 
Um Varus' Münzen geht es nicht, allenfalls um seine Gegenstempel. Die Gegenstempel wurden nachträglich auf bereits existenten Münzen angebracht. Von Varus sind nur eigene Münzprägungen aus seiner africanischen Statthalterschaft, aus Achulla, bekannt. Die FIDES MILITUM-Münzen haben den Ausgeber auf dem Avers. Sie beschwören die Treue der Soldaten bzw. in der Variante FIDES EXERCITUS die Treue des Heeres. Natürlich handelt es sich bei der dargestellten Frauengestalt, welche die Signa trägt um eine allegorische Darstellung der Fides. Aber nicht auf allen Beispielen der FIDES MILITUM ist sie auch dargestellt, s.o.
 
Hallo El Quijote,

vielen Dank für das "Wiederbeleben" dieses Fadens!
Im Zusammenhang mit Deinem neuen Argument greife ich zwei der Unterschiede zu den weiter oben diskutierten Münzen heraus.
Einerseits befinden wir uns mit den Severern und speziell mit den sich anschließenden Soldatenkaisern in einer Zeit, als die Legionen einen sehr hohen Einfluss auf die Thronbesetzung bekamen. Die unumschränkte Macht der Prinzeps auf das Heer verlor sich im 3.Jhdt. faktisch.
Andererseits sind die von Dir angeführten Münzen allesamt bereits so geprägt, wie sie uns vorliegen, während die obigen Gegenstempelungen keineswegs irgendwie ästhetisch wirken, sondern offenbar in Eile und ohne große Sorgfalt durchgeführt wurden, so zumindest mein Eindruck beim Betrachten.
Warum diese neueren Prägungen in Deinem Beispiel durchgeführt wurden, beleuchtet sehr anschaulich Marcus Handy in seiner Dissertation, aus der ich kurz zitiere:

Marcus Handy „Die Severer und das Heer“., Verlag Antike 2006, Seite 238ff.
"Die von Elagabal geprägten fides exercitus, fides militum und concordia militum-Münzen beziehen sich eindeutig auf Militärrevolten und bedeuten einen Aufruf des Prinzeps zur Loyalität.
Auch im Falle von Severus Alexander konnten die numismatisch bezeugten Appelle zu fides exercitus und fides militum die vielen Militärrevolten während seiner Herrschaft nicht verhindern.
Reverslegenden, die um die Unterstützung des Heeres werben, waren in der Severerzeit nichts Neues. Sucht man nach ähnlichen Münzinhalten, so gelangt man in das Vierkaiserjahr, als im Frühjahr 69 Vitellius Appelle an die Truppen zur fides exercituum richtete. … Um seine Hoffnungen auf den Thron … zu wahren, wenden sich Prägungen des Vitellius speziell an seine Soldaten, um sie an ihren Treueid zu erinnern.
Concordia militum, fides exercitus und fides militum erwähnen ebenso Münzen des Commodus aus den Jahren 184 bis 186. …Die feierliche Erwähnung von concordia- und fides militum auf Münzen steht mit den Militärunruhen in Britannien in Beziehung, sie entspricht allerdings nur einer Wunschvorstellung des Herrschers, da zum Zeitpunkt der Emissionen die Unruhen noch nicht erstickt waren.
Die These, wonach die behandelten Reversumschriften lediglich Wünsche und Anliegen des Prinzeps ausdrücken, konnte anhand der Fallbeispiele aus der Severerzeit bestätigt werden. Sie zeigen dass im Augenblick des Prägedatums Beistand aus der Armee oft in wenig zufriedenstellendem Maße vorhanden war.“


Eine Gemeinsamkeit beider "Münzarten", wenn ich Handys Ausführungen betrachte, kann ich dann doch feststellen:
Die von mir angenommene Aufwertung geringwertiger Münzen wegen Münzknappheit im Jahre 14 durch Germanicus mittels Gegenstempelung (und deren Rücktausch in ordentliches Geld zu einem späteren Zeitpunkt - daher wurde es auch nicht ausgegeben) fand auch zu einem Zeitpunkt statt, als der Beistand der Armee äußerst unzufriedenstellend war. Nur kam die Revolte bei Germanicus sehr plötzlich, die späteren Kaiser hatten noch Zeit, ordentliche Münzen prägen zu lassen.

Beste Grüße
Ostfale
 
Andererseits sind die von Dir angeführten Münzen allesamt bereits so geprägt, wie sie uns vorliegen, während die obigen Gegenstempelungen keineswegs irgendwie ästhetisch wirken, sondern offenbar in Eile und ohne große Sorgfalt durchgeführt wurden, so zumindest mein Eindruck beim Betrachten.
Wieso bringst du jetzt die Ästhetik ins Spiel, was hat diese mit der Frage zu tun?

Warum diese neueren Prägungen in Deinem Beispiel durchgeführt wurden, beleuchtet sehr anschaulich Marcus Handy in seiner Dissertation, aus der ich kurz zitiere:

Siehe auch:
Handy, Markus: Die Severer und das Heer. Berlin 2009, S. 249: "Die Severer bedienten sich dieser Reverstypen [gemeint sind u.a. fides militum, fides Legionum, fides exercitus und concordia militum] zur Stärkung der eigenen Position. Bei der Forderung nach Treue und Eintracht wurde ein vom Prinzeps erhofftes Bindungsverhältnis ausgedrückt, da zum Zeitpunkt des Prägedatums eben jene Unterstützung aus der Armee oft nur begenzt vorhanden war."
und
Körner, Christian: Phillipus Arabs. Ein Soldatenkaiser in der Tradition des antoninisch-severischen Prinzipats. Berlin, NY 2002, S. 156, FN 182: "Die Prägungen, die die Treue der Truppen beschworen, könnten natürlich auch als Reaktion auf die Usurpationen in der zweiten Regierungshälfte geprägt worden sein [einige Exemplare] sind durch die Kaisertitulatur auf die Jahre 244 bis 247 datiert."
 
Zurück
Oben