Natürlich spekulieren wir nur - besonders ich, in dieser Hinsicht. Ich denke nämlich, wie schonmal angedeutet, dass die keltischen Stämme, die nördlich des späteren Limes saßen, die Oppida aufgegeben haben, um dem römischen Druck auszuweichen und eine "germanische" Kriegstaktik zu übernehmen, was notwendigerweise auch mit einer Übernahme von Sozialstrukturen und Lebensweise verbunden war: Die Germanen waren "primitiver" als die Kelten, genau deshalb aber auch weniger angreifbar/verwundbar. Einen Beleg für diese These sehe ich darin, dass die von mir genannten aufgegebenen Oppida genau in der Kontaktzone lagen, in der sich germanische und keltische Einflüsse gemischt haben. Die haben von einander gelernt, und nicht nur in militärischer Hinsicht, sondern auch in technologischer (zum Beispiel was Metallbearbeitung angeht).Beim Britannienfeldzug sind die Römer ähnlich vorgegangen - die Oppida durften wahrscheinlich nicht mehr besiedelt werden, stattdessen wurden in deren Nähe Flachlandsiedlungen gebaut. Am Dünsberg kämpften römische Soldaten möglicherweise gegen Bewohner des Oppidums.
Das Enddatum des Dünsbergs ist aber ebenso heiß umstritten wie die Deutung der dort zahlreich gemachten römischen Waffenfunde.
Natürlich wird es ganz schwer sein, nachzuweisen, dass das Ende des Dünsberg-Oppidums in irgendeinem Zusammenhang zu Waldgirmes steht. Der Gedanke drängt sich aber geradezu auf, weil beides räumlich und zeitlich so eng beieinander liegt und so perfekt zur römischen Standard-Eroberungsstrategie passt. Alle Theorien zum Dünsberg-Oppidum sind ja auch deshalb so umstritten, weil die Anlage offenbar nicht erobert und vernichtet wurde und weil sie nach einer "Pause" zeitweise sogar wieder benutzt wurde. Ich sehe darin Anzeichen für eine planmäßige, geordnete oder zumindest gewollte Räumung.
Deshalb komme ich auch immer wieder auf die Kleinkriegs-Taktiken zurück. Das passt alles zusammen: Wenn ich nicht stark genug bin, in einem offenen Kampf zu bestehen, dann versuche ich nicht, feste Positionen zu halten. Stattdessen weiche ich aus und biete so wenig Angriffsfläche wie möglich.
Eben. Offenbar haben die Römer sich dort in einer Gegend niedergelassen, in der es ein blühendes germanisches (keltisches? kelto-germanisches?) Gemeinwesen gab. Wetzlar ist übrigens ein Fundplatz, der auf intensive Metallbearbeitung in der Gegend schließen lässt. Viele Schlackegruben und so. Wenn ich mich nicht täusche, dann gehen die Archäologen davon aus, dass Teile der Reiterstatue nach Wetzlar geschafft wurden, um das Metall dort weiterzuverarbeiten.Die Gegend an der mittleren Lahn ist sowieso in den letzten Jahren sehr interessant, weil an mehreren Stellen bisher unbekannte germanische Siedlungen in Zeitstellungen von der jüngeren Eisenzeit bis in die Spätantike gefunden wurden.
Spektakulär schlägt sich das natürlich im Falle der Waldgirmeser Reiterstatue, von der Überreste wenige Kilometer weiter in einem germanischen Fundplatz bei Wetzlar entdeckt wurden.
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