Geschichtspolitik und meinungsbildende Eliten?

Man sollte vielleicht unterscheiden zwischen dem, was einflussnehmende Instanzen wollen und was sie tatsächlich erreichen.

Natürlich sind die Schulbücher wichtig für die Meinungsbildug, aber sind sie immer der entscheidende Faktor ?

Mein Eindruck : In der DDR ist die mit gewaltigen staatlichen Anstrengungen über Jahrzehnte aufgebaute "Meinung" der Leute von einer Sekunde auf die andere zu Staub zerfallen.

Die Sissi-Filme ("die reizendste Geschichtslüge der Filmgeschichte") wirken aber heute noch.
 
Wenn ich schon Geschichts"politik" höre!
Ich mag es nicht, wenn eine Wissenschaft für manipulative Zwecke eingesetzt wird, egal welche.
 
Wenn ich schon Geschichts"politik" höre!
Ich mag es nicht, wenn eine Wissenschaft für manipulative Zwecke eingesetzt wird, egal welche.

Naja, ich würde nicht generell von einer negativen Konnotation des Begriffes ausgehen. Aus einer Fülle von historischen Ereignissen werden eben bestimmte hervorgehoben, daran muß nichts zu beanstanden sein. Problematisch ist nur, wenn aufgrund des politischen Systems außerhalb der offiziellen Version keine weiteren geduldet werden.
Dies ist in demokratischen Staaten doch aber gegeben.. innerhalb von Diskursen finden und fanden ja Korrekturen der jeweiligen Geschichtspolitik statt.. veränderte Setzung von Schwerpunkten unter anderen politischen Rahmenbedingungen, etc.
Aktuelles Beispiel wäre etwa der Versuch, eine europäische Geschichte in "sSchulbuchform" zu pressen, ob das gelingt, ist freilich eine andere Frage.
 
Ich weiß nicht, ob du, oder ihr, schon dieses Projekt gesehen habt, mit downloadbaren Schulbüchern:

http://www.geschichtsforum.de/251874-post11.html

Sehr spannend, danke!!

Obgleich ich nicht glaube, dass dies in Südosteuropa unter den gegebenen politischen Bedingungen möglich ist, aber das es versucht wird, ist ja sehr interessant!
Damit jedoch eine stimmige "Version" einer "Balkangeschichte" (die Kroaten würden da sicher schon beim Begriff in Proteste ausbrechen) entstehen könnte, müßte auf einige liebgewonnene Mythen verzichtet werden bzw zugelassen werden, dass Historiker sie wieder auf eine objektive Ebene reduzieren und ich denke nicht, dass man hierzu bereit ist.
 
Mein Eindruck : In der DDR ist die mit gewaltigen staatlichen Anstrengungen über Jahrzehnte aufgebaute "Meinung" der Leute von einer Sekunde auf die andere zu Staub zerfallen.
Wer sagt das?

Das generelle Bild von archaischen und rückständigen Zuständen im Feudalismus und die Vorzüge der Revolution usw. welches wenig diferenzierte, sehe ich nirgendswo angegriffen. Recht geben würde ich Dir maximal zur Bewertung während der DDR-Zeit zum Jahrhundert von Karl Marx. Das hat einen völligen Wandel in Gewichtung und Auslegung erfahren, denn ab 1848 waren dann Geschichtstheoretiker selber am Ball und gestalteten Geschichte, mit deren Ansichten sich das DDR-Geschichtsbild deckte.
 
Mein Eindruck : In der DDR ist die mit gewaltigen staatlichen Anstrengungen über Jahrzehnte aufgebaute "Meinung" der Leute von einer Sekunde auf die andere zu Staub zerfallen.
Leider nicht - da wirkt immer noch sehr viel nach.
Wie man nicht nur am deutlich anderen Wahlverhalten sieht ...
 
Leider nicht - da wirkt immer noch sehr viel nach.
Wie man nicht nur am deutlich anderen Wahlverhalten sieht ...
Du meinst, das hat was mit der Geschichtsvermittlung in der Zeit zwischen 1949 und 1989 zu tun?
Wie kommst Du darauf?
(Ich weiß es ist schwierig bei dieser Thematik nicht in die Tagespolitik abzugleiten, also aufgepasst!)
 
Besteht ein Unterschied zwischen Gedenk- und Geschichtspolitik?
Wenn dann wäre er doch sehr fließend. Das Beispiel Thomas Müntzers wurde schon angesprochen, Körner noch nicht. Dies waren z.B. in der DDR historische Vorbilder, deren Leiden, Tod und was damit verbunden war, man gedachte.
Ebenso die Allgegenwärtigkeit von Käthe Kollwitz und der Geschwister Scholl (bei mir in der Heimatstadt gab es gleich beide in den Namen von Schulen vertreten und mit Straßennamen geehrt) waren dann noch zeitlich nähere Beispiele dieses Gedenkkultes, welcher von der Geschichtspolitik zumindest zu der Zeit nicht zu trennen war, wenn man denn dieses Wort Geschichtspolitik benutzen will.
Aber ich finde es schon sinnig. Mit Geschichte wurde schon immer Politik gemacht und Beispiele wurden ihrer entnommen, um existierende Staatsformen zu legitimieren. Etwas weiter in der Vergangenheit liegen Napoleon I. Bienchen und seine Beanspruchung in der Tradition von Karl dem Großen zu stehen und von den Symbolen her wurde die Erinnerung an das Römische antike Imperium hervorgerufen. In der Zeit des Klassizismus war das für jeden lesbar, da diese Vergleiche modern waren. (schon im 18.Jh. u.a. von den Kaisern des HRR oder den franz. Königen bemüht)
 
Was ich in der alten DDR recht interessant fand, war daß man in den 80ern durchaus auch Preußen und Fridericus Rex wiederentdeckte, und 1986 als Kohl König Friedrichs Umbettung im Park von Sanssoucci beging, ebenfalls verschiedene Veranstaltungen und Sendungen arrangierte.
 
Besteht ein Unterschied zwischen Gedenk- und Geschichtspolitik?

Die Gedenkpolitik sicher eines der zentralern Felder politisch-historischer Kultur. Dennoch kann Geschichtspolitik weiter gehen. Ein aktuelles Beispiel wäre der § 130, (3) als Straftatbestand, der sich gezielt auf die Verherrlichung des Nationalsozialismus bezieht.
Geschichte kann auch dazu benutzt werden, eine politische Handlung zu begründen oder zu rechtfertigen - hier sei zum Beispiel an Joschka Fischer erinnert, der das Engagement der Bundeswehr im Kosovo mit Bezugnahme auf Auschwitz begründet werden.
 
Du meinst, das hat was mit der Geschichtsvermittlung in der Zeit zwischen 1949 und 1989 zu tun?
Auch.
Eine recht merkwürdige Art der Geschichtsvermittlung war untrennbarer Bestandteil der sozialistischen Erziehung. Und die wirkt immer noch stark nach (ist eben nicht "zu Staub zerfallen"), die Wahlergebnisse für die PDS sind da nur ein Indiz (aber ein recht deutliches).

Wie groß nun genau der Faktor "Geschichtsvermittlung" beteiligt ist läßt sich natürlich nicht exakt messen, deswegen brauche ich auch nicht in Tagespolitik abgleiten ;-)
Wenn aber in vielen Fragen à la Afghanistan-Einsatz, Nahostpolitik oder Verhältnis zu Polen Ostdeutsche und Westdeutsche signifikant andere Mehrheiten haben, dann hat das auch etwas mit Geschichtsverständnis zu tun.
 
Auch.
Eine recht merkwürdige Art der Geschichtsvermittlung war untrennbarer Bestandteil der sozialistischen Erziehung. Und die wirkt immer noch stark nach (ist eben nicht "zu Staub zerfallen"), die Wahlergebnisse für die PDS sind da nur ein Indiz (aber ein recht deutliches).

Ich denke, man kommt in der Frage weiter, wenn das Ganze kühl betrachtet. Ähnlich wie in demokratischen Systemen auch, wird die Geschichte häufig als historische Legimitation herangezogen. Die Frage ist nun, welche geschichtlichen Ereignisse kann ich als Beispiel heranziehen, um die DDR sinnhaft zu machen? Welche Ereignisse kann mal also herausgreifen, die den IST-Zustand, in dem Fall die DDR, bestätigen und vor allem legitimieren?
Da wäre zum einen der Arbeiter-und Bauernstaat als Antithese zur kapitalistischen BRD (dem vermeintlich faschistischen) und historisch gesehen bietet sich etwa im sinne der Ideologie die Geschichte der Arbeiterbewegung an.

Worin ich mir nicht ganz so sicher bin, wie und ob ein vom Staat verordnetes Erinnerungsdiktat tatsächlich auf das Volk wirkt? Ich bezweifle ganz stark, dass dem vorgegebenen Bild tatsächlich en gros zugestimmt wird. Auch sehe ich die Wahlergebnisse der PDS - die mich persönlich ärgern - auch eher vor dem Hintergund der hohen Arbeitslosigkeit, der wirtschaftlichen Probleme, die es einigen offensichtlich schwerer machen die BRD als "neues" System zu akzeptieren.
Wenn Ihr Euch mal kommunistischen Geschichtsbücher betrachtet, so fällt doch auf, dass diese aus sehr selektierende und verkürzte Darstellungsweisen an sich problematisch sind, weil wenig glaubhaft - gerade wenn man sie in Bezug setzt zum Bewußtseinshorizonts eines DDR- Bürgers in den 1950ger / 1960ger Jahren.
 
Was ich in der alten DDR recht interessant fand, war daß man in den 80ern durchaus auch Preußen und Fridericus Rex wiederentdeckte, und 1986 als Kohl König Friedrichs Umbettung im Park von Sanssoucci beging, ebenfalls verschiedene Veranstaltungen und Sendungen arrangierte.

Das ist wohl nicht weiter ungewöhnlich, soviel ich weiß, hat man in der Sowjetunion stalinistischer Prägung in den 1930ger Jahren auch Zar Peter den Großen "wiederentdeckt".
 
Auch.
Eine recht merkwürdige Art der Geschichtsvermittlung war untrennbarer Bestandteil der sozialistischen Erziehung. Und die wirkt immer noch stark nach (ist eben nicht "zu Staub zerfallen"), die Wahlergebnisse für die PDS sind da nur ein Indiz (aber ein recht deutliches).

Wie groß nun genau der Faktor "Geschichtsvermittlung" beteiligt ist läßt sich natürlich nicht exakt messen, deswegen brauche ich auch nicht in Tagespolitik abgleiten ;-)
Wenn aber in vielen Fragen à la Afghanistan-Einsatz, Nahostpolitik oder Verhältnis zu Polen Ostdeutsche und Westdeutsche signifikant andere Mehrheiten haben, dann hat das auch etwas mit Geschichtsverständnis zu tun.


Mein lieber R.A.
Du rutscht aber ganz schön, entgegen deiner Behauptung, in Tagespolitik ab.
Und dann unterstellst du auch noch den ostdeutschen(Wer erfindet eigentlich solche Trennungen?)
17 Jahre nach dem Beitritt, ein anderes Geschichtsverständniss zu haben.
Bisher hatte ich dich positiver eingeordnet. So kann man sich täuschen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch eine kurze Anmerkung dazu...

Eine recht merkwürdige Art der Geschichtsvermittlung war untrennbarer Bestandteil der sozialistischen Erziehung. Und die wirkt immer noch stark nach (ist eben nicht "zu Staub zerfallen")...

Dem lag eine politisierte Geschichtsbetrachtung zugrunde, welche vor dem Hintergrund des sozialistischen Weltbildes stark moralisierte - sprich: eigentlich einen Kardinalfehler historischer Methodik beging, nämlich historische Kontexte mit aktuell gültigen Wertvorstellungen zu messen.
Allgemein zu sagen, daß dies noch heute nachwirkt, wäre ich jedoch vorsichtig, denn obwohl sicher derartige Geschichtsbilder bei einigen noch immer präsent sind (einmal ungeachtet, ob bewußt oder unbewußt), gibt es genauso diejenigen, welche dem nicht gefolgt sind bzw. sich von derartigen Bildern verabschiedet haben - und um vollständig zu sein, seien noch diejenigen erwähnt, welche jenes Geschichtsbild, welches ihnen seinerzeit vermittelt wurde, zugunsten esoterischer Theorien oder gar noch älterer Geschichtsbilder wie bspw. der Nationalromantik des 19. Jh. aufgegeben haben.
Bezüglich dessen, wie dies bei der Mehrheit der Betroffenen aussieht, bräuchte es allerdings eine repräsentative Erhebung und/oder Befragung... :fs:
 
Du rutscht aber ganz schön, entgegen deiner Behauptung, in Tagespolitik ab.
Da hast Du wohl recht.

Nochmal zur Erinnerung: Das Zitat, daß ich wiederlegen wollte, hieß "In der DDR ist die mit gewaltigen staatlichen Anstrengungen über Jahrzehnte aufgebaute "Meinung" der Leute von einer Sekunde auf die andere zu Staub zerfallen."
Und wenn ich nun meine, daß heute durchaus noch Reste dieser staatlich oktroierten Meinung vorhanden sind, dann landet man wohl automatisch in der Tagespolitik.
Ich hatte versucht, dem auszuweichen - aber es geht wohl nicht.

Und dann unterstellst du auch noch den ostdeutschen(Wer erfindet eigentlich solche Trennungen?)
17 Jahre nach dem Beitritt, ein anderes Geschichtsverständniss zu haben.
Diese Trennung erfunden haben diverse "Staatsmänner" vor 60 Jahren ...
Und daß diejenigen, die diese Trennung über lange Jahre erlebt haben, die in ihren Schulen in Ost bzw. West völlig unterschiedliche Weltansichten gelernt haben - das die das alle so komplett aus ihrem Gedächtnis gestrichen haben sollen, kann das plausibel sein?

Und ohne tagespolitische Streitfragen aufzuwerfen: Das Wahlverhalten ist doch signifikant unterschiedlich.
Nimm' zwei beliebige Landkreise, einen z. B. Thüringen oder Sachsen-Anhalt, den anderen benachbart in Hessen oder Niedersachsen - dann können die strukturell sehr ähnlich aussehen, aber in einem hat die PDS 23%, im anderen 3%.
Mindestens 20% der Bevölkerung haben also noch eine sehr unterschiedliche Weltsicht, je nachdem auf welcher Seite der ehemaligen Grenze sie in die Schule gegangen sind.

Bisher hatte ich dich positiver eingeordnet. So kann man sich täuschen.
Das fände ich jetzt sehr schade, weil ich nicht wirklich glauben kann, daß wir hier auseinander sind.
Falls diese ausführlichere Darstellung noch nicht ausreicht, kann ich auch gerne noch per PM zu erklären versuchen.
 
Was ich in der alten DDR recht interessant fand, war daß man in den 80ern durchaus auch Preußen und Fridericus Rex wiederentdeckte, und 1986 als Kohl König Friedrichs Umbettung im Park von Sanssoucci beging, ebenfalls verschiedene Veranstaltungen und Sendungen arrangierte.
Ich sehe ein dauerndes historisches Interesse zur Zeit der DDR an Friedrich II.. Zwar wurde seine Rolle in einem angeblich agressiven (gegen Sachsen und Polen gerichtet) Außenpolitik und der Fortführung eines preußischen Militarismus scharf kritisiert, aber die Aufklärer in Berlin, waren eben auch z.T. die Wegbereiter der Revolution. Ich habe derzeit nicht die Literatur zur Verfügung, aber glaube mich entsinnen zu können, dass die Verlage (Militärverlag bspw.) schon allein wegen der militärisch interessanten Vorgehensweise schon früh einen Fokus auf Friedrich II. hatten. Außerdem war die wirtschaftliche Entwicklung auch immer wieder Gegenstand der Forschung und Geschichtsdarstellung, weil sich zu einem guten Teil daraus auch noch strukturelle Weichenstellungen der Wirtschaft in der DDR herleiten ließen. Die Vorteile der landesfürstlichen Wirtschaftsförderung wurden bspw. hervorgehoben, in gewisser Weise lassen sich da ja sogar Parallelen zur Ausrichtung ökonomischer Maßnahmen in der DDR ziehen. (Spitzenproduktion in Plauen, Porzellan aus Sachsen usw. wurden ja natürlich fortgeführt...) Außerdem hatte der Denkmalschutz in der DDR auch einen gewissen Stellenwert, auch wenn bisweilen die finanziellen Mittel fehlten, sind mir einige Bücher zu interessanten Gebäuden des Barock und Rokoko in Berlin bspw. bekannt. Die Geschichte im Allgemeinen und die des Absolutismus insbesondere fand, meines Erachtens großen Niederschlag auch im Geschichtsbild der DDR, wenngleich zu den Gebieten wie Franz. Revolution, Befreiungskriege und Rev. von 1848 eher noch mehr geforscht wurde.

Das rein militärtheoretische Interesse an der Geschichte war zu DDR-Zeiten imens und fand auch seinen Niederschlag in den Stadt- und Kreisbibliotheken. Natürlich waren die Darstellungen zu der Geschichte der Kriege, immer mit einer Rüge gegen den Imperialismus verbunden, dem man unterstellte, seit je her einen Kriegszustand schon in der Urgeschichte angenommen zu haben. Dem gegenüber wurden die eigenen Streitkräfte (@ Scarlett ein Beispiel der Legitimation) als Wahrer von Freiheit angesehen. Nicht umsonst wurden Kasernen nach Akteuren der Befreiungskriege benannt, den theoretischen Schriften von Scharnhorst bspw. viel Bedeutung beigemessen und tatsächlich von militärhistorischer Seite sehr geforscht und ausgewertet.
 
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