Geschichtsschreibung

Dem von Lukrezia gesagten ist noch anzufügen, dass abgesehen von den Forschungsfortschriten bei der Interpretation von Geschichte immer auch politische, philosophische und moralische Einflüsse der eigenen Epoche den Historiker beeinflussen. Daher kann es rühren, dass Nipperdey zu einem völlig gegensätzlichen Urteil kommt als Treitschke, einfach weil er die Fakten wegen o.b. genannter Einflüsse anders bewertet. Wobei ich deren Aussagen zum Thema nicht kenne.

Stimmt, genau das meinte ich mit standortgebunden. :hoch:
 
Ich weiß nicht auf wen sich Beitrag 17 von Andrea bezog, aber meine Antwort in meinem letzten Beitrag war eigentlich durchaus ernst gemeint.
http://de.wikipedia.org/wiki/Relativität
http://de.wikipedia.org/wiki/Relativismus
(Beide Links sind nicht so ergiebig aber auf der Schnelle mal rausgesucht, dass wir eine Diskussionsgrundlage haben.)
Wir alle setzen in unserer Diskussion zu verschiedenen Themen alles immer wieder in Relationen wie zum Bsp. die Grausamkeit der Tat eines Herschers des Mittelalters im Verhältnis zu den damaligen Praktiken. Ein schönes Beispiel wäre auch der "Fürst" von Machiavelli (wir haben mittlerweile einen, wie ich finde, interessanten Thread: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=12301 ). Wenn man seine Denkungsweisen nicht relativiert indem man das Jahrhundert, in dem erlebte in die Betrachtung miteinbezieht, kommt man zu einem völlig falschen Schluss über seine Denkungsweise und eigentliche Intention.

Dieses Relativieren von Geschehnissen bzw. deren Bewertung durch uns heute, kann natürlich auch Gefahren beinhalten. Zum Beispiel könnte man, ungewollt, absolut indiskutable Vorgehensweisen verharmlosen. Die Schlüsse und unsere Bewertung wäre dann auch wiederum verzerrt. Unser Blick sollte durchaus eine gute Balance zwischen Objektivität und Relativität halten. Du, Andrea, hast nach meiner persönlichen Meinung gefragt und hier ist sie.
N.S.:
Leider kann ich nicht mit der wissenschaftlichen Tiefe der Betrachtung dienen, wie sie von Lukrezia Borgia und Ashigaru geliefert wird. Aber ich bin für jeden wissenschaftlichen Einwand dankbar.
 
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Dem von Lukrezia gesagten ist noch anzufügen, dass abgesehen von den Forschungsfortschriten bei der Interpretation von Geschichte immer auch politische, philosophische und moralische Einflüsse der eigenen Epoche den Historiker beeinflussen. Daher kann es rühren, dass Nipperdey zu einem völlig gegensätzlichen Urteil kommt als Treitschke, einfach weil er die Fakten wegen o.b. genannter Einflüsse anders bewertet. Wobei ich deren Aussagen zum Thema nicht kenne.

Ich füge zu den beiden Aussagen von Lukrezia und Ashigaru noch hinzu, dass es in der Geschichtswissenschaft auch immer wieder vorkommt, dass neue Quelle gefunden werden. Die dann von den Historikern ausgewertet werden und da kann es schon zu neu Bewertungen von historischen Ereignissen kommen. Dies zeigt auch das Geschichtswissenschaft eine lebendige Wissenschaft ist und das man Geschichte nicht abschliessend betrachten kann.
 
Hey Andrea!

Wir sind hier, um einander zu helfen und ergiebige Diskussionen zu führen! Wenn jemand wie Fingalo sagt, dass er Verständnisprobleme mit der Fragestellung hat, dann liegt das sicherlich nicht daran, dass er Dich veräppeln will.

ja aber das hat er schon ein ppar mal gesagt dann soll er es odch einfach lassen und nicht so rumnerven


danke an alle anderen!
 
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Dem von Lukrezia gesagten ist noch anzufügen, dass abgesehen von den Forschungsfortschriten bei der Interpretation von Geschichte immer auch politische, philosophische und moralische Einflüsse der eigenen Epoche den Historiker beeinflussen. Daher kann es rühren, dass Nipperdey zu einem völlig gegensätzlichen Urteil kommt als Treitschke, einfach weil er die Fakten wegen o.b. genannter Einflüsse anders bewertet. Wobei ich deren Aussagen zum Thema nicht kenne.
Ich will mal auf den problematischen Teil des Relativismus-Begriffs hinaus:

In der Geschichtswissenschaft können neue Erkenntnisse, z.B. neu entdeckte Quellen, zu einer Veränderung der bisherigen Geschichtsschreibung führen. Auch kann sich der Blick auf ein historisches Ereignis verändern und mit diesem Blick auch dessen Bewertung. Insofern kann sich Geschichte sowohl im Hinblick auf die Beschreibung von Sachverhalten als auch im Hinblick auf deren Bewertung als relativ erweisen.

Ob sich aber eine frühere Beschreibung eines historischen Sachverhalts im Lichte des späteren Erkenntnisstandes als falsch erweist, kann nur durch eine kritische PRÜFUNG der entsprechenden Quellen ermittelt werden. Ohne diese Prüfung geht es nicht!!! An dieser Stelle scheidet sich der wissenschaftliche Relativismus vom unwissenschaftlichen Relativismus (= Pseudo-Relativismus) wie er z.B. von rechtsextremen Literaten vertreten wird, die eine Veränderung der Geschichtsschreibung des Dritten Reichs einfordern, ohne die Notwendigkeit dieser Veränderung wissenschaftlich-argumentativ belegen zu können.

Auch sind viele Ereignisse, insbesondere des 20. Jahrhunderts, so gut dokumentiert, dass eine Veränderung der Geschichtsschreibung nur noch in den Details zu erwarten ist. Beim inzwischen sehr gut erforschten Holocaust zum Beispiel sind sogar viele Details der Judenvernichtung hervorragend dokumentiert und belegt. Bei solcher Erkenntnisdichte schrumpft die Relativität historischer Erkenntnisse beträchtlich.

Im Hinblick auf die Bewertung historischer Sachverhalte bedeutet Relativität des Standpunktes nicht Beliebigkeit der Bewertung. Auch das will ich mal am Holocaust erläutern. Die Judenvernichtung ist ein so unmenschlich-krimineller Vorgang, dass man ihn gar nicht positiv bewerten kann, es sei denn, man übernimmt den extremen Standpunkt eines Judenhassers. Insofern ist man mit seinen Bewertungen gerade nicht "frei". Eine Ausnahme gilt freilich für jene opportunistische "Persönlichkeiten", denen schlicht und ergreifend das Gewissen fehlt, um zwischen vertretbaren und unvertretbaren Standpunkten unterscheiden zu können.
 
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So aus dem Bauch heraus: relativiert sich Geschichte bzw. Geschichtsbetrachtung nicht immer und natürlich? Ich kann da Gandolf weitestgehend zustimmen. Geschichtliche Betrachtung ist immer subjektiv, geprägt durch Erfahrungen, Lebensumstände, Weiterbildung und Charakter.
Relativierung hat (wie alles im Leben) Vor- und Nachteile.
Das dritte Reich: heute betrachten wir diesen Geschichtsabschnitt aus der zeitlichen Entfernung sicherlich objektiver und s.o.. ABER
hoffentlich nicht weniger kritisch.
Was ich damit sagen will, ist, dass ich es durchaus begrüße, dass es objektiver gesehen wird, mit weniger "nur alles negativ sehen", aber eben nicht mit Vergessen gleichzeitig einhergehen darf.

Die Fakten, Daten sind objektiv, aber je weiter ein Ereignis zurückliegt, desto nachhaltiger lassen sich diese objektiven (erhaltenen)Teile festhalten, die Geschichtsbetrachtung ist dann relativ.

Jetzt bin ich hier in eine interessante Diskussion mit meinem Lebensgefährten geraten...
und aus dem GF geflogen (das ist technisch nicht i.O.)
 
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Einige Gedanken zum Thema in Verquickung mit Gedanken von einem von mir verehrten Philosophen.
Die Worte von Goethe:
„Übrigens ist mir alles verhasst, was mich bloß belehrt, ohne meine Tätigkeit zu vermehren oder unmittelbar zu beleben.“
sind mach meiner Meinung auch auf die Beschäftigung mit der Geschichte zutreffen.

Der Philosoph Friedrich Nietzsche sagt in seinen „Unzeitgemäßen Betrachtungen“.
„Wir brauchen Geschichte zum Leben und zur Tat, nicht zur bequemen Abkehr vom Leben und von der Tat, oder gar zur Beschönigung des selbstsüchtigen Lebens und der feigen und schlechten Tat.“
Er fährt fort:
„Nur soweit die Historie dem Leben dient, wollen wir ihr dienen: aber es gibt einen Grad, Historie zu treiben, und eine Schätzung derselben, bei der das Leben verkümmert und entartet.“

Die Geschichte dient nach Nietzsche dem Leben des Menschen in dreierlei Hinsicht:
"sie gehört ihm als dem Tätigen und Strebenden, ihm als dem Bewahrenden und Verehrenden, ihm als dem Leidenden und der Befreiung Bedürftigen".

Nietzsche unterscheidet dementsprechend eine "monumentalistische", eine "antiquarische" und eine "kritische" Geschichtsbetrachtung.

Geschichte gehört vor allem dem Tätigen, dem der Vorbilder, Lehrer, Tröster braucht und sie in seiner Gegenwart oft nicht zu finden vermag. Der Tätige gebraucht die Geschichte als Mittel gegen die Resignation.
Es gibt Menschen, die sich, im Hinblick auf das vergangene Große und gestärkt durch seine Betrachtung, so beseligt fühlen, als ob, so Nietzsche,
„das Menschenleben eine herrliche Sache sei, und als ob es gar die schönste Frucht dieses bitteren Gewächses sei, zu wissen, dass früher einmal einer stolz und stark durch dieses Dasein gegangen ist, ein andrer mit Tiefsinn, ein Dritter mit Erbarmen und hilfreich - alle aber eine Lehre hinterlassend, dass der am schönsten lebt, der das Dasein nicht achtet.“
Es ist der Glaube an die Zusammengehörigkeit und Kontinuität des Großen aller Zeiten, es ist ein Protest gegen den Wechsel der Generationen und die Vergänglichkeit.
Wodurch also nützt die monumentalistische Betrachtung der Vergangenheit, die Beschäftigung mit dem Klassischen und Seltenen früherer Zeiten ? Der Mensch entnimmt daraus, dass das Große, das einmal war, jedenfalls einmal möglich war und deshalb auch wieder möglich sein wird; er geht mutiger seinen Gang, denn jetzt ist der Zweifel, der ihn in schwächeren Stunden anfällt, ob er nicht das Unmögliche wolle, aus dem Felde geschlagen.
Die monumentale Historie wird jedoch immer das Ungleiche annähern, verallgemeinern und schließlich gleichsetzen; immer wird sie die Verschiedenheit der Motive und Anlässe abschwächen, um auf Kosten der Ursachen die Wirkungen monumental, nämlich vorbildlich und nachahmungswürdig hinzustellen. Solange das Motiv der Geschichtsschreibung in den großen Antrieben liegt, die ein Mächtiger aus ihr entnimmt, solange die Vergangenheit als nachahmungswürdig, als nachahmbar und zum zweiten Male beschrieben werden muss, ist sie in Gefahr, etwas verschoben, ins Schöne umgedeutet und damit der freien Erdichtung angenähert zu werden. Nietzsche schreibt:
„Große Teile der Vergangenheit werden vergessen, verachtet, und fließen fort wie eine ununterbrochene Flut, und nur einzelne geschmückte Fakta heben sich als Inseln heraus.“
Die monumentale Historie täuscht durch Analogien: sie reizt mit verführerischen Ähnlichkeiten den Mutigen zur Verwegenheit, den Begeisterten zum Fanatismus.
Die „antiquarische“ Geschichtsbetrachtung pflegt das Vergangene. Die Geschichte gehört also auch dem Bewahrenden und Verehrenden, dem, der mit Treue und Liebe dorthin zurückblickt, woher er kommt, worin er geworden ist. Das Kleine, das Beschränkte, das Morsche und Veraltete erhält seine eigene Würde und Unantastbarkeit dadurch, dass die bewahrende und verehrende Seele des antiquarischen Menschen in diese Dinge übersiedelt und sich darin ein heimisches Nest bereitet. Die Geschichte einer Stadt (eines Landes) wird ihm zu einer Geschichte seiner selbst. Hier ließ es sich leben, sagt er sich, den es lässt sich leben; hier wird es sich leben lassen, denn wir sind zäh und nicht über Nacht umzubrechen. So blickt er, mit diesem „Wir“, über das vergängliche Einzelleben hinweg. Wie könnte Historie dem Leben besser dienen, als dadurch, dass sie auch die weniger begünstigte Bevölkerungsschichten an ihre Heimat und Heimatsitte anknüpft. Das Glück, sich nicht ganz willkürlich und zufällig zu wissen, sondern aus einer Vergangenheit als Erbe herauszuwachsen und dadurch in seiner Existenz gerechtfertigt zu werden - dies ist es, was man mit Vorliebe als den eigentlichen historischen Sinn bezeichnet.
Der antiquarische Sinn eines Menschen, einer Stadtgemeinde, eines ganzen Volkes hat jedoch immer ein höchst beschränktes Gesichtsfeld; das allermeiste nimmt er gar nicht wahr, und das wenige, was er sieht, sieht er viel zu nahe und isoliert; er kann es nicht messen und nimmt alles gleich wichtig und deshalb jedes einzelne als zu wichtig. Es besteht die Gefahr, dass alles, was dem Alten nicht mit Ehrfurcht entgegenkommt, also das Neue und Werdende, abgelehnt und angefeindet wird. Die antiquarische Historie entartet selbst in dem Augenblick, in dem das frische Leben der Gegenwart sie nicht mehr beseelt und begeistert. Sie hindert den Entschluss zum Neuen, sie lähmt den Handeln den, der immer, als Handelnder, irgendwelche Pietäten verletzen wird und muss.
Hier wird es deutlich, wie notwendig der Mensch, neben der monumentalistischen und antiquarischen Art, die Vergangenheit zu betrachten, oft genug eine dritte Art nötig hat, die kritische. Es ist ein Versuch, sich gleichsam im nachhinein eine Vergangenheit zu geben, aus der man stammen möchte, im Gegensatz zu der, aus der man stammt. Dies ist immer ein gefährlicher Versuch, weil es so schwer ist, eine Grenze im Verneinen des Vergangenen zu finden. Es bleibt zu häufig bei einem Erkennen des Guten, ohne es zu tun, weil man auch das Bessere kennt, ohne es tun zu können. Dies ist ein Ansatz der dem Wesen von Menschen entspricht, die nach vorn gerichtet tätig schaffend sind.
 
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