Geschichtswissenschaften - ein Wirtschaftsfaktor?

Venezia Borgia

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Hallo,

als ich vor ein paar Jahren Geschichte studierte, kamen ein paar Reporter vorbei und befragten uns nach unserem Studium. Dabei wurde die Frage, nach dem "Warum Geschichte" aufgeworfen. Man war der Meinung, dass Geschichte ein "brotlose Kunst" und für die Wirtschaft unerheblich sei.
Das sah und sehe ich immernoch anders. Ich bin der Meinung, dass gerade heute mit Geschichte weltweit Milliarden Umsätze erwirtschaftet werden!
Was meint ihr??
 
Ich bin der Meinung, dass gerade heute mit Geschichte weltweit Milliarden Umsätze erwirtschaftet werden!
Was meint ihr??

Das ist eigentlich nichts, wozu man eine Meinung haben kann, sondern wo Daten zählen. Also: Werden durch den Verkauf historischer Beiträge in Büchern und Zeitschriften sowie durch den Verkauf von Souvenirs und Dienstleistungen in Museen, Gedenkstätten, Geschichtsorten etc. signifikant Gelder erwirtschaftet oder nicht.
Um es gleich zu sagen: Milliarden halte ich - auch weltweit - für wesentlich zu hoch gegriffen (ich gebe zu, dass das auch nicht wirklich faktenbasiert ist; gibt es dazu überhaupt entsprechende Marktforschungen?). Zum anderen wäre zu fragen, wie sich das in der Wirtschaftsleistung einzelner Länder ausdrückt. Also wie viel Promill des BIPs oder BSPs das ausmacht.
Oder anders gefragt: Wie viele Einrichtungen müssen, obwohl sie erfolgreich sind und auch Produkte verkaufen, alle paar Jahre trotzdem darauf hoffen, dass sie auch weiterhin subventioniert werden? Ich kenne eine Einrichtung, die jeden Tag ein bis zwei Schulklassen zu Besuch hat, regelmäßige Vorträge, deren Mitarbeiter (feste wie freie) andauernd Bücher auf den Markt schmeißen und die trotzdem gerade kurz vor der Schließung steht, weil sie sich nicht selbst tragen kann und bezuschusst werden muss. Dabei hat sie gerade erst 1 Millionen €uro vom Land bekommen. Aber ihr Träger, die Kommune ist dummerweise pleite. Der Laden lebt von unbezahlten Praktikanten und festen Mitarbeitern, die sich - ein nicht unübliches Los unter Akademikern - selbst ausbeuten.
 
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Zu fragen ist wohl auch, wie eng oder weit man "Geschichte" sieht. Wenn man z. B. alle Umsätze, die mit Filmen, Fernsehserien, Romanen und Computerspielen, die sich (mit mehr oder weniger großer Korrektheit) historischen Stoffen widmen, erwirtschaftet werden, dazurechnet, kommen sicher beachtliche Summen zusammen. Allerdings sind an diesen Produkten normalerweise nur wenige oder gar keine studierten Historiker beteiligt bzw. fallen gegenüber den sonstigen Beteiligten zahlen- und wertschöpfungsmäßig kaum ins Gewicht, sodass die erwirtschafteten Umsätze wenig darüber aussagen, ob Geschichte eine "brotlose Kunst" sei oder von der Wirtschaft gebraucht werde.
Außerdem ist die "Erheblichkeit" für die Wirtschaft insofern zu relativieren, als ohne Geschichte eben mit anderen Stoffen Umsätze gemacht würden. Die Masse des Publikums würde also, wenn es keine Bücher, Spiele, Filme etc. über Geschichte gäbe, großteils nicht auf den Konsum von Büchern, Spielen und Filmen verzichten, sondern eben solche mit anderen Inhalten konsumieren. (Ich habe zwar tatsächlich mein erstes PC-Spiel "Age of Empires" nur wegen des historischen Inhalts gekauft, hätte also andernfalls auf den Kauf von PC-Spielen verzichtet, und auch danach kaufte ich fast ausschließlich Spiele mit historischen Szenarien, allerdings bin ich da wohl eine Ausnahme.)
 
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Hallo,

als ich vor ein paar Jahren Geschichte studierte, kamen ein paar Reporter vorbei und befragten uns nach unserem Studium. Dabei wurde die Frage, nach dem "Warum Geschichte" aufgeworfen. Man war der Meinung, dass Geschichte ein "brotlose Kunst" und für die Wirtschaft unerheblich sei.
Das sah und sehe ich immernoch anders. Ich bin der Meinung, dass gerade heute mit Geschichte weltweit Milliarden Umsätze erwirtschaftet werden!
Was meint ihr??

Als Teilzeit-Ökonom muss ich dir allerdings sagen, dass sich Milliarden-Umsätze und brotlose Kunst nicht ausschließen. Milliarden-Umsätze wird "Geschichte" sicherlich erwirtschaften, allerdings sind die Gewinne die sich mit "Geschichte" erwirtschaften lassen und aus diesen Umsätzen entstehen eher gering und wenn dann machen diesen Reibach nicht die studierten Historiker, sondern am ehesten Verleger, Händler und Rechteinhaber.
 
Ich kenne eine Einrichtung, die jeden Tag ein bis zwei Schulklassen zu Besuch hat, regelmäßige Vorträge, deren Mitarbeiter (feste wie freie) andauernd Bücher auf den Markt schmeißen und die trotzdem gerade kurz vor der Schließung steht, weil sie sich nicht selbst tragen kann und bezuschusst werden muss.

In der Marktwirtschaft konkurrieren alle Teilnehmer im die Aufmerksamkeit der Marktteilnehmer. Die zentrale und wichtigste Voraussetzung, um überhaupt als Marktteilnehmer / Historiker als Wirtschaftssubjekt im Rahmen des Angebots in Erscheinung zu treten.

Unter dieser Prämisse ist die Selbstvermarktung die zentrale, zweite Kernkompetenz, um als Historiker wahrgenommen zu werden und wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Das setzt jedoch in der Regel eine Reihe von Rahmenbedingungen voraus:

1. Es ist eine These zu formulieren, die "extrem" originell ist und nicht selten auch extrem polarisiert, vgl. A.J.P. Taylor und seine Aussagen zu WW2. Auch die Gefahr enthält, dass an unsinnige Thesen verbissen festgehalten werden und aufgrund der medialen Verwertung, "schräge" Thesen offen sind auch für eine, "schräge" politische Instrumentalisierung.

2. Dieses ermöglicht eine eindeutige Positionierung und der Historiker wird zur Marke, weil er sich mit bestimmte inhaltlichen Positionen identifiziert, vgl. z.B. S. Neitzel und die Aufbereitung der Wehrmachts-Protokolle.

3. Das gewählte Thema sollte politisch und emotional aufgeladen sein und stark polarisieren. Dann ist die Wahrscheinlich der positiven und der negativen Wahrnehmung am stärksten und beide Formen der Öffentlichkeit interagieren und verstärken sich gegenseitig.

4. Es sollten die entsprechenden Kontakte in die Medien vorhanden sein, die über das Thema / den Historiker berichten wollen.

5. Idealerweise ergeben sich, wie beim Historikerstreit, Diskussionen, die zusätzliche Historiker einbinden und so die "Öffentlichkeitswirksamkeit" des "Events" zusätzlich verstärken. Und auch zusätzlich länger in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit halten.

6. Sofern diese Bedingungen anzutreffen sind kann man von einer Situation ausgehen, bei der die betroffenen Historiker, ad personam, von der Diskussion profitieren.

Ansonsten trifft es sicherlich zu, was YoungArkas bereits geschrieben hat, dass eher Verleger oder Rechteverwerter an "Geschichte" verdienen. Auch akademischer "Content", wie es technisch auch heißt, hat im Zeitalter des Internets deutlich an Prestige, Bedeutung und Glaubwürdigkeit verloren und ist zur beliebigen, kostengünstigen !! Ware geworden.

OT. Am deutlichsten sieht man das Problem bei der Preisbildung. Es produzieren akademische Historiker Beiträge über ein Thema und eigentlich wäre es wünschenswert, dass es viele kaufen und lesen. Was passiert ist nicht selten eine "self-fullfilling prophecy". Der Verlag setzt den Preis extrem hoch an, mit dem Hinweis, dass die Nachfrage zu klein sei, und man kostendeckend über den Preis agieren muss. Und was passiert, es ergibt sich eine Preis- Absatz-Funktion und - voila - völlig überaschend ist die Nachfrage dann auch gering. Wer hätte das gedacht???:devil::motz:

Und solltest Du mal Zeit haben, dann besuche die nächste Frankfurter Buchmesse und sieh Dir, Venezia Borgia, mal die Fachverlage für historische Themen an und deren Form der Aufbereitung ihrer, auch seriösen, historischen Publikationen an, sowohl beim deutschen wie auch bei internationalen Verlagen. Ich würde es als "lustlos" oder "desinteressiert" bezeichnen.:haue:
 
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Hallo,

als ich vor ein paar Jahren Geschichte studierte, kamen ein paar Reporter vorbei und befragten uns nach unserem Studium. Dabei wurde die Frage, nach dem "Warum Geschichte" aufgeworfen. Man war der Meinung, dass Geschichte ein "brotlose Kunst" und für die Wirtschaft unerheblich sei.
Das sah und sehe ich immernoch anders. Ich bin der Meinung, dass gerade heute mit Geschichte weltweit Milliarden Umsätze erwirtschaftet werden!
Was meint ihr??

Die genaue Zahl ist wohl nicht in einer Summe zu beziffern. Das populäre Interesse an Geschichte halte ich im vergangenen Jahrzehnt für sehr groß. Dies lässt sich m.E. vor allem am Boom von Fernsehsendungen und Spielfilmen mit historischen Inhalten (u.a. erlebten wir die Wiedergeburt des Sandalenfilms) und historischen Romanen ablesen.
Im Vordergrund steht dabei aber nicht unbedingt das geschichtwissenschaftliche Interesse, was dazu führt, dass von diesem Boom nicht unbedingt die kommenden Historiker profitieren. Selbst ein großer Teil der populärwissenschaftlichen Geschichtsliteratur ist von Journalisten verfasst worden.
 
Das ist wie üblich alles eine Frage des Standpunktes und des erhofften Nutzens:
Wer Geschichte studiert hat, muss nicht unbedingt mit Geschichte oder gar Geschichtswissenschaften sein Geld verdienen.
Und wer mit Geschichte(n) sein Geld verdient, muss nicht unbedingt Geschichte studiert haben.
Wenn ich mir den Klimbober um (pseudo)historische Fernsehserien und Mittelaltermärkte anschaue, scheint dort schon einiges an Geld verdient zu werden. Daneben gibt es genügend Akademiker (wie z. B. Harry Sidebottom), die sich ihr mageres Dozentensalär einigermaßen erfolgreich mit historischen Romanen aufpäppeln. Dort wo die Geschichte aus dem verstaubten Elfenbeingrab herausklettert und unterhaltsam oder gar anregend wird, findet sich auch ein Markt für ihre Produkte.

Völlig unhandgreiflich wird es dann nämlich bei den indirekten Ein- und Ausflüssen: Ist ein Diplomat, Business Developer oder Politiker historisch tätig? Isser nich! Kommen ihm geisteswissenschaftliche Denkverfahren, Modelle, historische Lehren und Vorbilder bei seiner Arbeit zu Gute? Ich denke doch sehr. Gerade dort, wo man nach außen repräsentiert - und das tun bereits Vertriebler im außereuropäischen Exportbereich - können einem sowohl Anekdoten als auch ein Gesamtüberblick der abendländischen Kulturgeschichte mehr als gute Dienste erweisen.

Vielleicht ist für Historiker - wie auch für andere Geisteswissenschaftler - auch nur die Bandbreite, innerhalb derer sich der Broterwerb abspielt, kleiner, weil sie auch mit geringeren Materialmengen rumfuhrwerken. Die ganz große Kohle stemmen zwar Betriebswirte, Juristen und Ingenieure. Häufig genug sind's aber auch Zauberlehrlinge aus der selben Klasse, die die großen Summen gegen die Wand und in den Orkus ballern. Vielleicht wird der gemeine Historiker sich ja der Grenzen des menschlichen Handelns im allgemeinen und seiner eigenen Hybris im besonderen eher bewusst als die scheuklappen- und elitegestählten Bankster, Supertrainees oder Plutoniumnerds, die einen Powerpointvortrag, ein neues Controllingtool oder eine neue App fürs Telephon für eine gute Sache halten...

Und damit zuletzt wieder zum Anfang: Die "brotbesitzenden" Künste halte ich ganz persönlich für überschätzt. Erstens gibts auch bei Juristens, Betriebswirtens und Ingenieurens neben dem Anteil von superreichen und wohlhabenden die, die zum soliden Mittelstand gehören und keine großen Sprünge machen können. Und es gibt genügend Nischen, in die auch der Hysteriker mit Berufserfahrung gut reinpasst und wo er mit ein bisschen Elan und Neugierde gegenüber den anderen Disziplinen auch nicht zurücksteht.
Ich kenne mehr als einen Historiker, die in Technologiekonzernen und techniklastigen Berufen gutes Geld verdienen und zum Teil sogar Karriere machen. Der Durchschnittsingenieur, Rechts- oder Betriebswirt ist abseits seines jeweiligen Fachgebietes genauso oder gar noch blinder als der gemeine Geisteswissenschaftler. (Und der kann - im Gegensatz zum Ingenieur - in der Regel auch was mit Statistiken anfangen :D)
 
Und solltest Du mal Zeit haben, dann besuche die nächste Frankfurter Buchmesse und sieh Dir, Venezia Borgia, mal die Fachverlage für historische Themen an und deren Form der Aufbereitung ihrer, auch seriösen, historischen Publikationen an, sowohl beim deutschen wie auch bei internationalen Verlagen. Ich würde es als "lustlos" oder "desinteressiert" bezeichnen.:haue:

Dem kann ich nur zustimmen. Auf der letzten Messe habe ich mir geradezu die Füße platt gelaufen. Teilweise historisch waren die jugendlichen Cosplayer, allerdings auf eine sehr kuriose, aber phantasievolle Weise.
Mir stellt sich die Frage, kann ein Historiker überhaupt interessant und lustvoll genug sein, um ein breiteres Publikum zu bedienen? Oder, will er das überhaupt? Als Verlag bediene ich meine Kunden und nicht die Autoren.
Ich kann mich an eine Diskussion in diesem Forum erinnern, wo "Sinuhe der Ägypter" teilweise zerrissen wurde. Dieses Buch war seinerzeit allerdings ein Bestseller und Welterfolg.
 
Hallo,

als ich vor ein paar Jahren Geschichte studierte, kamen ein paar Reporter vorbei und befragten uns nach unserem Studium. Dabei wurde die Frage, nach dem "Warum Geschichte" aufgeworfen. Man war der Meinung, dass Geschichte ein "brotlose Kunst" und für die Wirtschaft unerheblich sei.
Das sah und sehe ich immernoch anders. Ich bin der Meinung, dass gerade heute mit Geschichte weltweit Milliarden Umsätze erwirtschaftet werden!
Was meint ihr??

Venezia,

ich denke, dass die Frage nach dem "Wirtschaftsfaktor" falsch gestellt ist.
Hebt man darauf ab welcher unmittelbarer Profit aus der Geschichtsforschung entsteht, dann mag dieser bescheiden in Umsatzzahlen sein.

Bedenkt man aber wie hoch die Schäden durch einen Mangel an Geschichtswissenschaft, und geschichtlicher Bildung, sein können und auch waren,
dann sehen wir eine ganz andere und sehr erschreckende Bilanz.
 
Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und für die Zukunft handeln! Damit wird die Geschichtswissenschaft ein enormer Faktor in der politischen Bildung und beeinflusst unser aller täglich Leben.
Allzu oft ist gerade bei historisch ungebildeten Leuten aufgrund von Unkenntnis, Fehlinterpretation oder Ignoranz ein politisches Fehlverhalten zu beobachten. Wenn man z.B. meint sich in Probleme anderer Regionen, Völker oder Länder (sei es auch in guter Absicht) einzumischen, dann kann man nur ins "Fettnäpfchen" treten, wenn man die historisch gewachsenen Strukturen, Probleme und Verhaltensweisen nicht kennt. Das beginnt aber schon vor der Haustür. Die Kenntnis der jüngeren deutschen Geschichte lehrt mich ganz bestimmte Verhaltensweisen für meine persönliches zukünftiges Handeln.
Nur wenn ich meinen gegangenen Weg kenne, weiß ich wo ich gerade stehe und kann entscheiden welchen Weg ich weitergehe. alles andere ist zielloses umherirren.

Die provokannten Fragen der Journalisten zeigen nur die mangelde Bildung und Sensationsgier dieser Herren. Man hätte ihn wohl fragen müssen, ob das provozieren armer Studenten mit Fragen, welche mit ein bischen nachdenken selbst erklärbar sind, von wirtschaftlichem Nutzen sind. ;)

Die selbe Frage kann man Philosophen, Theologen, Sozialwissenschaftlern und allen anderen Geisteswissenschaftlern stellen. Gerade die Geisteswissenschaften haben zu den modernen freiheitlichen Demokratien geführt.
 
Hallo,

als ich vor ein paar Jahren Geschichte studierte, kamen ein paar Reporter vorbei und befragten uns nach unserem Studium. Dabei wurde die Frage, nach dem "Warum Geschichte" aufgeworfen. Man war der Meinung, dass Geschichte ein "brotlose Kunst" und für die Wirtschaft unerheblich sei.
Das sah und sehe ich immernoch anders. Ich bin der Meinung, dass gerade heute mit Geschichte weltweit Milliarden Umsätze erwirtschaftet werden!
Was meint ihr??

Ich hab inzwischen mein Auskommen, aber für die Tätigkeiten, mit denen ich mein Geld verdiene, hätte ich nicht (Geschichte) studieren brauchen, und die Mehrheit meiner Kommilitonen, darunter viele Doktoren machen heute etwas ganz anderes. Viele sind frustriert wegen Überqualifizierung und Unterbezahlung. Etliche andere, die wie man sagt "es zu etwas gebracht haben sind gestresst und leben in ständiger Angst, das "etwas" zu verlieren. Von Tantiemen und Honoraren allein könnte ich auch nicht leben. Ich lebe von "Brotberuflern", die sich meine Phantasie und Rhetorik ausborgen. Ein ehemaliger Kommilitone aus den USA schreibt heute Drehbücher.
 
Zitat aus Beitrag Nummer 1:

„Man war der Meinung, dass Geschichte eine "brotlose Kunst" und für die Wirtschaft unerheblich sei.“

Und als man dies sagte, lächelte man schalkhaft... :)
Wenn nicht, dann waren es ahnungslose. :hmpf:

„Brotlose Kunst“ wird, so weit ich das kenne, immer wieder mal gern verwendet. Aber dieser Begriff ist wohl keine Domäne der Geschichtswissenschaft.

Der Hintergrund solcher Aussagen ist m.E. in der Regel der, ein Land braucht Historiker, aber diese im begrenzten Maße bezogen auf deren Anzahl.
Diese Aussage „im eng begrenzten Maße“ kann ich nicht allerdings nicht quantifizieren im Sinne von, wie viel benötigt man.
Ich gehe davon aus, das Ergebnis der Arbeit eines Historikers hat eine wichtige gesellschaftliche Bedeutung, aber hat nicht den Charakter einer Ware, so wie wir es von den verschiedensten Sektoren und ihrer fast unendlichen Verzweigung der Wirtschaft her kennen.

„Brotlose Kunst“ allgemein formuliert ist natürlich Blödsinn.
Im speziellen kann es aber für den einen oder anderen zutreffen, nämlich dann, wenn er nach seinem Studium einen übersättigten Arbeitsmarkt vorfindet. Das gibt es aber auch bei anderen Disziplinen.

Ein paar Gedanken zu der Behauptung, Geschichte sei für die Wirtschaft unerheblich.

Gleich wie man es betrachtet.
Einem Ingenieur schadet ein Geschichtswissen nicht.
Im Gegenteil...
Einerseits würde ich sagen, es gehört zu seiner Allgemeinbildung.
Andererseits würde ich sagen, er zeigt/bekundet damit auch Verantwortung. Weil, kein Mensch lebt in einem luftleeren Raum, auch nicht ein Fachidiot. Politische Vorgänge sollte man schon wahrnehmen und beurteilen können.

Da stellt sich dann immer die Frage: Wie beurteilt man politischer Vorgänge ohne Kenntnisse der Historie???

Die Geschichte kennt einige Beispiele von hervorragenden Forschern zu deren Lebensmaxime auch die Historie gehörte.
Mir fällt da z.B. A. Nobel, F. Nansen und R. Virchow ein, aber es gibt deren viele.

Hinzukommend ist es ja auch in den technischen Wissenschaften für viele erforderliche/lebenswichtig, die Fachhistorie zu kennen und das ist ja auch eine Art Geschichte.
Oft entstehen ja neue Konstruktionen und deren Technologie nur im Verständnis des Alten.
Ein Beispiel wäre da für mich der Vater der Raumfahrt K. Ziolkowski.
 
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Wirtschaftlich bedeutend scheint mir Geschichte, wo diese zur Attraktivität als Tourismusregion beiträgt. Beste Beispiele werden da Eisenach, Weimar und Co liefern. Bei Weimar könnte man natürlich auch noch literaturinteressierte Besucher dazu nehmen, aber auch das ist ohne Literaturgeschichte/Kunst- und Kulturgeschichte nicht denkbar. Wäre Weimar so ein Besuchermagnet, wenn die Museen der Weimarer Klassik nicht ansprechend - nicht zuletzt durch wissenschaftliche Mitarbeiter - gestaltet wären? Ich kann es mir nicht vorstellen. Ein Ort mag historisch noch so bedeutend sein, wenn man ihn nicht auch medial bewirbt und interessante Museen, Wanderwege etc. anlegt, die wirklich das Potenzial ausschöpfen, wird das nichts nutzen.
Dasselbe gilt für Großstädte. Natürlich besucht man Berlin auch bisweilen nur wegen eines Opernbesuches oder dergleichen. Aber sind nicht weltweit bedeutende Ausstellungen noch ein weiterer Faktor? Ich würde sagen: unbedingt! Wenn ich mir schon allein die Besuchermassen vergegenwärtige, die sich damals 2006 durch die HRR-Ausstellung im DHM wälzten und das war sicher nur begründet durch die Sonderausstellung, denn die Dauerausstellung war weitaus weniger besucht, dann sieht man doch schon welch einen Besuchermagnet Geschichte darstellt.
Und das setzt sich nach meiner Erinnerung fort. Besuche ich ein hübsches Museum, aber es gibt keine anständigen Publikationen (oftmals von der Hand von Museumsmitarbeitern) zum Objekt im Museumsshop - meinetwegen klassische "Schlossführer" - dann habe ich schon oftmals den Ärger frustrierter Besucher erlebt. Ich selber ärgere mich ja auch. Also auch hier trägt, auch beim schönsten Objekt, so eine wissenschaftliche Aufbereitung ungemein zum Gesamteindruck der Einrichtung bei.

Ich denke, es ist bei der "Vermarktung" von Geschichte so wie bei der von Kunst. Natürlich gibt es viele, viele Künstler und Historiker, die weder Geld mit ihrer Wissenschaft verdienen, noch durch ihr Tun oder Studium zum wirtschaftlichen Erfolg innerhalb der Gesellschaft beitragen. Dieser Faktor führt dazu Geschichte als brotlose "Kunst" zu verspotten. Andererseits ist aber Geschichte, gut aufbereitet, ein Standortfaktor, touristisch, kulturell und in mehr als der Hinsicht.
Es gibt ja auch durchaus einige richtig gute Historiker, die es geschafft haben, sich medial zu präsentieren und damit Geschichte nicht nur einer breiteren Öffentlichkeit vors Auge zu rücken, sondern auch sicherlich wirtschaftliche Erfolge zu erzielen.
 
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