Gewaltexzesse bei Eroberung von Jerusalem

Ich will die Diskussion ja gar nicht neu führen (auch wenn ich auf dieselbe angespielt habe). Ja, es geht hier um die Motivation für das Massaker und nicht um die Motivation generell, am Kreuzzug teilzunehmen. Insofern ist der Verweis auf Riley-Smith (von dem ich inzwischen viel gelesen habe und der mich bezüglich der Motivation der Kreuzfahrer - wenn wir von den Anführeren und der "Ritterelite" des ersten Kreuzzugs reden - immer noch nicht so ganz überzeugt hat) hier nicht so passend.

Natürlich; hier geht es eben um eine Erscheinung der Kreuzzugsbewegung.

Die Verweise erfolgten auf Deine Anspielung hin, da hier wahrscheinlich einige später ins Forum eingestiegene Mitglieder sonst nicht so recht wissen werden, worüber wir da gesprochen haben ;)

Übrigens: Riley-Smiths "The Oxford Illustrated History of the Crusades" erschien zwar 1999 in Deutschland, ist aber Jahr 1995 erstmals in England erschienen - und damit "nur" sieben Jahre neuer als Milgers Buch.

Du hast Recht; ich habe gerade noch einmal nachgeschaut und muß mich bzgl. des Ersterscheinungsjahres korrigieren :hoch:
(Wie nachlässig von mir, wo ich das Buch doch neben mir liegen habe... :rotwerd::S:motz:)
Allerdings ändert dies nichts daran, daß während der 90er Jahre - ausgehend eben von der britischen Kreuzzugsforschung bzw. der Society for teh Study of the Crusades - eine Neubewertung der Kreuzzugsthematik(en) erfolgte.



Wegen des EDITs Deinerseits noch eine Anmerkung zu Peter Thorau ohne Zitat Deines Beitrags...

Peter Thorau versammelt in seinem Buch verschiedene Forschungsaussagen, wobei er Jonathan Riley-Smith in der Tat nicht ungeteilt zustimmt - was auch sein gutes Recht ist.
Dennoch sehe ich da lediglich - wie in unseren "Disputen" auch - eine Differenz bzgl. Gewichtung: keiner schließt den Aspekt, den der andere hervorhebt, kategorisch aus.
Von daher... :fs:



Jetzt aber wieder zurück zum eigentlichen Threadthema - sonst muß ich mich noch selbst wegen Off Topic ermahnen... :pfeif:
 
Und damit ich nicht Schuld am off-topic trage ... bin bei Recherchen noch darüber gestolpert:

Albert von Aachen: Die Unseren scheuten nicht nur davor nicht zurück, getötete Türken und Sarazenen zu essen, sondern sie aßen auch Hunde.

... also ist Hunde essen schlimmer?

Schreiben an den Papst (Raimund von Toulouse, Gottfried von Bouillon)

"An unseren Heiligen Vater den Papst, an die Römische Kirche, an alle Bischöfe und an alle Christen:
Wir wurden bald einer so grausamen Hungersnot ausgesetzt, dass einige von den Unseren in ihrer Verzweiflung nicht weit davon entfernt schienen, sich mit menschlichem Fleisch zu ernähren. Es würde zu lange dauern, Bericht über alles zu geben, wie wir aus dieser Ursache zu leiden hatten. ...
Eine schreckliche Hungersnot, die unsere Armee überfiel, brachte diese zu der grausamen Notwendigkeit, sich von den Leichnamen der Sarazenen zu ernähren, die schon in Verwesung waren."

Ein fränkischer Chronist:
"Die Armen unter unseren Pilgern hatten begonnen, die Körper der Heiden zu zerlegen, um die in deren Mägen versteckten Goldmünzen zu finden; andere, vom Hunger gequält, zerteilten deren Fleisch in Stücke und kochten es, um es zu verzehren."

Es geht hier um die Eroberung Maarat-an-Numans, die im Zusammenhang mit der Belagerung Antiochias steht.

und wer des Englischen mächtig ist:

cannibalism during the crusades

Crusaders and babies
 
Zum Thema Hungersnot:
In einer Doku hiess es mal,dass die Kreuzfahrer nach der Einnahme von Aleppo oder Antiochia (weiss nicht mehr genau welche) die Exkremente ihrer Pferde (würzten und) aßen,weil nach der sehr langen Belagerung keine Lebensmittel mehr da waren und es nur noch Gewürz gab.
 
Papa Leo sagte:
"Das ist meiner Ansicht nach nicht ganz richtig. Erstens wurde schon bei der Eroberung Antiochias ein Großteil der Bevölkerung unterschiedslos getötet - von einer "normalen" Behandlung kann nicht die Rede sein."

Es stellt sich nun die Frage,wie man "normal" definiert!

Wenn es öfter praktiziert wird wie später auch in Akkon, wird es zum Standard und die Beteiligten und die damalige Welt sehen es als "normal".

Wenn man nach heutiger Sicht argumentiert, wo solche Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden und sowas nicht toleriert wird,gilt es natürlich nicht als normal.
 
Es war auch damals nicht "normal" - und Akkon kam später. Möglicherweise war es da schon "normal" geworden, aber 1099 war es das kaum.
 
Als ich vor kurzem für den Thread http://www.geschichtsforum.de/f77/d...as-de-tolosa-anfang-vom-ende-al-andalus-7003/ den Jiménez de Rada las, war dort in einer Fußnote der Fortgang der nichtspanischen kreuzfahrenden Streitkräfte mit einer Auseinandersetzung zwischen "Spaniern" und "Nichtspaniern", wie man mit gefangenen Muslimen zu verfahren habe, angegeben: Die Spanier, das Zusammenleben mit Muslimen gewohnt, schonten die Gegner, die "Transpyrenäer", hauptsächlich Franzosen, aber auch Italiener und Deutsche, wollten diese enthaupten. Das ist natürlich um einiges später als 1099, mehr als hundert Jahre, aber eben aus dem Kreuzfahrterlebnis heraus. So mancher, der hier mitkämpfte, hatte eben schon Palästinaerfahrung.
 
Ich habe da mal in meinen Büchern nachgeschaut und folgende interresante Ausagen bezüglich der Chronistenaussagen und ihrer Übertreibungen gefunden:

"Die genaue Zahl der massakrierten Bürger Jerusalems ist nicht bekannt.Nach den Angaben der Chronisten schwankt sie zwischen zehntausend und hunderttausend. Der persische Reisende Nasr-i-Khosraw, der Jerusalem um 1050 besuchte, hatte allerdings die gesamte Einwohnerschaft Jerusalems nur auf zwanzigtausend Menschen geschätzt. Außerdem waren die Christen vor Beginn der Belagerung weitestgehend aus der Stadt ausgewiesen worden, um alle Möglichkeiten einer Kollaboration mit dem Feind auszuschliesen. Auch muss man noch die Garnison abziehen, welche der Stadt bereits den Rücken gekehrt hatte. Es ist daher nicht auszuschließen, dass für die Opfer vielfach genannten Zahlen überzogen waren."

An anderer Stelle schreibt der Autor: "Merkwürdigerweise deckt sich dieser Bericht(von dem Chronisten Raimund von Aguilers, Nachtrag von mir) über die Menge des vergossenen Blutes , das angeblich "bis zu den Zügeln der Pferde" reichte, nahezu wortgleich mit der"Offenbarung der Johannes"(14, 19-20), ...

Diese Zitate habe ich aus dem Buch "die Hospitaliter im Königreich Jerusalem" von Ernst Staehle entnommen.
 
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