@ Wer konnte was? 1: Es ging um folgende Aussage von mir:
"Der ausgebildete Ritter dürfte trotzdem immer noch die Oberhand über den freien, wenig mit Waffen trainierten Bauern haben."
Es ging somit nicht um den untrainierten, nur des Geldes wegen zum Ritter Geschlagenen. Und auch nicht um den trainierten Stadtbürger oder Bauern. Bezweifelt jemand ernsthaft, dass es weniger trainierte freie Bauern gab? Ich glaube nicht.
Vielleicht haben wir beide unsere Beiträge in einer Weise verfasst, die allzu schwarz-weiß-malerisch wirkte. So konnte ich in Deine Beiträge hineininterpretieren, dass jeder Ritter immer jedem "Bauern" überlegen gewesen sei. Und Du konntest in meine Beiträge hineininterpretieren, dass jeder Bauer jedem Ritter hätte Paroli bieten können. Wir diskutieren also gerade über Dinge, die wie beide so nicht geschrieben haben... Damit sollten wir aufhören. Ich fange an:
Selbstverständlich sind wir uns einig, dass der "Ritter", der von Beruf Krieger war, sein Handwerk besser verstand als irgendein beliebiger Bauer. Wir diskutieren ja auch nicht über die Stände an sich, sondern wir reden über die Individuen, die bereit waren, vor ein Gericht zu treten und dann - in der logischen, weil vorher absehbaren oder gar gewünschten Konsequenz - in einem Kampf auf Leben und Tod den Nachweis anzutreten, dass sie sich im Recht fühlten. Mir geht es nur darum, dass kein fußlahmer einäugiger Bauer sich auf so ein Wagnis eingelassen hätte. Das wäre Selbstmord gewesen. Meine These: Die Leute, die zu einem derartigen Stunt bereit waren, konnten mit Waffen gut genug umgehen, um berechtigte Hoffnung auf ihr eigenes Überleben hegen zu dürfen.
Meine zweite These: "Waffenkundigkeit" war nicht auf die höheren Stände beschränkt. Es gab auch "Bürgerliche", die sich ihrer Haut zu wehren wussten. Als Beleg dafür hatte ich die Tatsache angeführt, dass keiner der uns heute noch namentlich bekannten Schwertmeister "adelig" war. Das waren alles "Bürgerliche". Kann natürlich sein, dass das "Militär" eigene Schwertmeister hatte, die bloß keine Bücher geschrieben haben. Das halte ich aber für eher unwahrscheinlich, da es ein "bürgerlicher" Meister Liechtenauer war, der zum großen Guru der Kunst im Umgang mit dem langen Schwert wurde.
Sinn meiner Aussage war darauf hinzuweisen, dass der psychische Druck des Schuldigen durchaus durch die Gewohnheit gegen einen ungeübten Gegner wettgemacht werden konnte. Mehr zu sagen, war damit nicht beabsichtigt.
Das hatte ich schon verstanden. Ich halte es nur immer noch nicht für plausibel. Wir reden über Zweikämpfe, bei denen die Beteiligten ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben. Sie konnten entweder gleich während des Kampfes sterben oder anschließend vom Gericht zum Tode verurteilt werden. Da ging es ums nackte Überleben. Dass hierbei möglicherweise vorhandene "Schuldgefühle" eine nennenswerte Rolle gespielt haben könnten, bezweifele ich. Mir erscheint es sogar fraglich, ob es damals überhaupt sehr oft vorkam, dass Prozessbeteiligte sich von vornherein ihrer eigenen Schuld bewusst waren. Beweise kann ich natürlich nicht anführen. Nur das Alltagswissen, dass sich noch heute immer wieder in Gerichtssälen Menschen begegnen, einander anschreien und dabei völlig überzeugt sind, im Recht zu sein.
Der Sachsenspiegel sieht nur für Behinderte die Stellung eines Ersatzkämpfers vor.
Das kann sich eigentlich nicht auf meine Aussagen beziehen. Von Ersatzkämpfern habe ich nirgends geredet. Nur davon, dass das Reglement der Gerichtskämpfe immer darauf abzielte, die Chancen gleich zu halten.
@ Wer konnte was? 2: Die Städte waren wehrhaft und verlangten dies auch von ihren Bürgern. Während es Vorteil von Rittern und Söldnern war, die Kampfkunst exklusiv zu beherrschen, waren die Städte auf deren Vermittlung angewiesen. Es ist also kein Wunder, dass die Fechtbücher von bürgerlichen Autoren geschrieben wurden.
Warum ist das "kein Wunder"? Dass die berufsmäßigen Kämpfer (Ritter) gute Kämpfer waren, ist zwischen uns doch gar nicht umstritten. Es stellt sich da nur die Frage: Warum haben die berufsmäßigen Kämpfer keine Bücher hinterlassen, in denen es um die Lehre von Kampfkunst ging? Und warum haben "Bürgerliche", denen man Kampfkunst gar nicht zutrauen mag, so nachhaltige Wirkung gehabt wie Liechtenauer oder Talhoffer oder...? Die Fechtbücher belegen, dass Kampfkunst nicht auf die berufsmäßig-militärische Elite beschränkt war. Anmerkung: Das hat sich im Verlauf der geschichtlichen Entwicklung auch stark verändert. Im 14. Jahrhundert sahen die gesellschaftlichen Verhältnisse völlig anders aus als im 8. Jahrhundert.
Der Knappe lernte das Fechten vom Ritter, der Bürger vom bürgerlichen Fechtmeister gegen Geld. Das ist bekannt. Wie lernte es der Bauer? Da es bäuerliche Bogenschützen gab, müssen auch Bauern trainiert haben. Ich kenne dazu allerdings keine Quellen.
Das kann durchaus so sein. Es erklärt nur nicht, warum die "Amateure" diverse Quellen hinterlassen haben, die "Profis" aber gar keine. Und es erkärt nicht, warum es überhaupt "Amateure" gegeben haben soll. Die Fechtbücher sind der Beleg dafür, dass Kampfausbildung nicht auf die Ritterschaft beschränkt war. Was natürlich nicht heißt, dass JEDER Bauer eine Fechtausbildung genossen hat. Es heißt nur, dass individuelle Kampffertigkeiten einer breiteren Bevölkerungsschicht vermittelt worden sein müssen als wir heute vermuten würden.
@ Stände: Die Rechte beziehen sich auf die Geburt, also den Stand. Die Rechte der Standesgenossen hingegen sind gleich.
Ich habe nichts anderes behauptet. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass es innerhalb der Stände Rangunterschiede gab. Und ich habe die Vermutung geäußert, dass sich die Passagen im Sachsen- oder Sonstwas-Spiegel auf die Rangunterschiede und nicht auf Standesunterschiede bezogen. Jedenfalls habe ich bislang noch nirgends gelesen, dass Zweikämpfe zwischen Angehörigen verschiedener Stände üblich oder auch nur häufig gewesen wären. Aber - wie gesagt - dazu habe ich auch noch nicht ernsthaft nach Quellen gesucht. Vielleicht hat ja hier jemand Informationen, die fundierter sind als mein Wissensmangel.
Die mittelalterlichen europäischen Stände waren keine indischen Kasten.
Ich habe auch nicht behauptet, dass Europa im Mittelalter nach dem indischen Kastensystem organisiert war. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Stände sehr starre Grenzen hatten. Ich habe auch nicht behauptet, dass es unmöglich gewesen ist, diese Grenzen zu überschreiten. Ich habe nur gesagt, dass solche Grenzüberschreitungen sehr unwahrscheinlich waren und nur in Ausnahmefällen vorkamen.
Und es gab auch soziale Mobilität. Sonst hätten z.B. die Regeln diese Mobilität einzuschränken keinen Sinn.
Das habe ich nicht verstanden. Die Tatsache, dass institutionalisiere Regelungen die Überschreitung von Ständegrenzen erschwerten, soll der Beweis sein, dass es solche Überschreitungen gab?
MfG