Zur Beachtung bei dem Bosnien-Beitrag in Meyers Lexikon ist das Bosnien von 1886.
Tatsächlich gehört Novi Pazar zum bis 1872 Vilâyat Bosnien. Raszien war als genau Herzegowina ein Teil der osmanischen Provinz Bosnien.
Nach 1872 gehörte es kurzzeitig zum osmanischen Provinz Kosovo.
1878 bis 1908 hielten die Habsburger Novi Pazar sowie Bosnien unter der Bezeichnung-Herzegowina besetzt.
Die zitierte Volkszählung erfolgte unmittelbar nach der Besetzung.
Der Lexikon-Artikel sagt also denkbar wenig: Bosniaken in Bosnien, Herzegowinesen in Herzegowina, Raizen in Raszien
Im Gegensatz zu den eigentlich Serben (gemeint ist die Bevölkerung im Fürstentum Serbien) werden die dortigen Südslawen nach den jeweiligen Landschaft bzw. früheren Herrschaften benannt. Weitere Zusammenhänge bleiben unklar.
Die völkerrechtliche Zugehörigkeit zum Osmanischen Reich wird geleugnet, ebenso fallen etwaige serbische Ansprüche sowieso.
Interessant ist sicherlich noch die Bemerkung, dass die muslimischen Bosnier meist in den Städten wohnen würden. Damit stehen sie natürlich schon im krassen Gegensatz zu den Pomaken, die ja versteckt in den Bergen Bulgarien etc. lebten. Auffällig ist ohnehin, dass oft ein Zusammenhang zwischen Ethnie und sozialem Status zu bestehen scheint. Am bekanntetesten ist die Verwischung des Vlachen-Begriffs: Transhumanz-Hirten oder Balkan-Romanen? Beim Serbenbegriff scheint es ja eine bäuerliche Bedeutung zu geben.
Ganz anders klingt hingegen dieser frühe
Reisebericht von 1530:
Bosnien war gerade einmal 100 Jahre von den Osmanen erobert.
Im osmanischen Wossen (Bosnien) leben, Türken und Serben, so berichtet der mehr oder weniger slowenische Reisende in seinem deutsch-sprachigem Reisebericht. Die Serben gehen in eine Kirche, die der griechische Kaiser Stefan (gemeint Zar Stefan Dusan) gestiftet hat, die dortigten Türken folgten dem türkischen Kaiser.
Dann nennt er noch "Zitzen" und "Marthalosen", die gleich den Serben unter türkischer "Tyrannei" in Bosnien leiden.
Danach schreibt er, dass die besten Janitscharen, Beamten und Hauptleute der Türken "Wossner" seien, was folglich Bosnier bedeutet. Die "Wossner" seien größer schöner etc. als die "rechten" Türken. Das impliziert natürlich, dass die "Wossner" die anderen, wohlmöglich neuen Türken seien.
Das Wort Muslim kommt hier gar nicht vor. Kein Wunder, im Deutschen war das Wort lange Zeit nicht üblich, man sprach pauschal von Sarazenen oder Türken. Die Mühe einer genauen Unterscheidung von "rechten Türken" und slawischen Muslimen, Albanern, Griechen usw. machte man sich in der Regel nicht.
Im 18. und 19. Jahrhundert tritt der
Bosniaken-Name als Bezeichnung für die leichte Reiterei muslimischer Hilftstruppen in Polen, Ungarn und Preußen auf. Die genaue Herkunft der Soldaten bleibt unklar und verwirrend, was vielleicht durchaus der reale ethnische Hintergrund im Osmanischen Reich gewesen sein könnte. Bei den westlichen Zeitgenossen wurde ihr exotischer Charakter und ihr muslimischer Glaube hervorgehoben.