Hallo, Gemeinde!
Vorweg will ich zugeben, dass ich mich mit den Punischen Kriegen nicht wirklich tiefgreifend beschäftigt habe und mich nur auf eher grobe Erinnerungen stützen kann. Deshalb setze ich mich mit den folgenden Statements dem Risiko aus, aus Informationsmangel Quark zu erzählen. Ich melde mich trotzdem zu Wort, weil mir folgende Aussagen aufgrund meiner Erinnerungen falsch erscheinen:
Hannibal hatte genug Truppen um die Römer bei JEDER Schlacht zu schlagen.
So daß sie sich schließlich geweigert haben, überhaupt noch gegen ihn anzutreten und (mit Erfolg) einen Abnützungskrieg betrieben.
Mit Nachschub hätte Hannibal denn problemlos führen können, aber auch ohne Nachschub haben ihn die Römer nicht wirklich in die Enge treiben können.
Am Ende war es die römische Landung in Afrika, die Hannibal zum Verlassen Italiens zwang.
Meiner Erinnerung nach war es eher so, dass Hannibal seine "ruhmreichsten" Siege gegen überlegene Gegner erkämpft hat. Gerade das hat ihm ja seinen Ruf eingetragen. WISSEN konnte er vorher nicht, dass er gewinnen würde!
In den 1. Punischen Krieg ist Karthago als beherrschende Seemacht im westlichen Mittelmeer gegangen. Am Ende jenes Kriegs hatte Rom die Seehoheit. Die Expansion nach Spanien war für Karthago der Versuch, Gebietsverluste auszugleichen und die eigene Position zu konsolidieren. Das musste schon "erkauft" werden mit dem Zugeständnis an Rom, sich südlich des Ebro zu halten. Mit Beginn des 2. Punischen Kriegs war schon "erkennbar", dass Roms langfristiges Ziel die "Vernichtung" von Karthago war (nicht physisch, sondern als Konkurrent). Ein Indiz dafür ist, dass Rom diesen Krieg "vom Zaun gebrochen" hat.
Unter diesem Aspekt muss man, glaube ich, auch die Zahlenangaben der römischen "Historiker" bezüglich der Truppenstärke des Hannibal betrachten. In Wahrheit war Spanien nämlich die einzige Machtbasis der Familie Hannibals. Ich halte es für ausgeschlossen, dass aus diesem schmalen Küstenstreifen südlich des Ebro 100.000 Kämpfer zu rekrutieren waren. Hannibal hatte nur ziemlich dürftige Mittel zur Verfügung. Die strategische Lage, der er sich bei Beginn des Kriegs gegenübersah, sah so aus, dass Rom sowohl auf See als auch an Land überlegen war. Daraus erklärt sich (meiner Einschätzung nach) sein ganzes Vorgehen:
1. Er konnte seine Truppen nicht auf dem Seeweg nach Italien schaffen, weil seine Schiffe (wenn er überhaupt welche gehabt hätte) versenkt worden wären. Blieb nur der Landweg.
2. Auf dem Landweg musste er sich zahlenmäßig überlegenen Römern stellen, die zudem noch näher an ihren eigenen Nachschubbasen waren als er selbst an seinen eigenen. Genau genommen hatte Hannibal gar keine Nachschubbasen.
3. Er musste mit seinen Truppen durch Regionen marschieren, die "römische Einflusssphäre" waren. Er hat sich zwar bemüht, die gallischen Stämme auf seinem Marschweg für sich zu gewinnen, aber er konnte nicht darauf bauen, dass er damit Erfolg haben würde. Hatte er ja auch nur sehr begrenzt. Schließlich wussten jene gallischen Stämme, dass zumindest in jener Region der Arm Roms deutlich länger und kräftiger war als der Hannibals. Denen musste das Hemd näher sein als die Jacke - auch wenn die Jacke ihnen vielleicht kleidsamer erschienen ist.
Fazit: Hannibal durfte sich nicht den Streitkräften Scipios stellen, weil er dann stets in der Gefahr gewesen wäre, gleichzeitig von hinten von den Galliern angegriffen zu werden. In der Situation war ihm schon EIN Gegner mehr als genug. Es wäre einem Selbstmord gleichgekommen, sich dem Risiko eines Zweifrontenkriegs auszusetzen. Damit blieb ihm im Grunde nur der Weg durch die Alpen.
Hannibal hat sich in dem Krieg als so guter Feldherr erwiesen, dass man getrost annehmen darf, dass ihm das alles vor dem Abmarsch klar war. Er wusste, dass er sich den Weg zu seinem Ziel würde freikämpfen müssen ("Besatzungstruppen" hat er sicher nicht hinterlassen. Welchen Zweck hätten die haben sollen?). Außerdem musste er hoffen, unterwegs möglichst viele Hilfstruppen zu gewinnen. Beides ist ihm gelungen. Er ist jedenfalls bis Cannae gekommen und hatte dort mehr Gallier als Karthager zur Verfügung.
Zu den offenen Fragen, die hier diskutiert werden:
- Warum wollte er nach Italien hinein?
Am relativ schmalen Durchgang zwischen Alpen und Mittelmeer konnten die Römer ihre Truppen konzentrieren und auf Hannibal warten. In Italien mussten sie ihm hinterherlaufen. Er konnte "mitbestimmen", wo er sich zum Kampf stellt.
- Warum hat er die Alpen im Herbst überwunden?
Im Herbst wird geerntet. Er konnte also davon ausgehen, dass in Italien die Scheunen voll sind, wenn er dort ankommt. Für einen "Plünderer" ist es günstig, zu wissen, dass es etwas zum Plündern gibt. Und dass er plündern muss, wusste er vorher. Wie hätte Karthago ihn denn versorgen sollen? Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als "vom Land zu leben".
- Wollte er unsterblichen Ruhm wie Alexander erlangen? Kannte er Alexander überhaupt?
Er muss ihn gekannt haben, denn er ist ja meines Wissens von einem Griechen (war es nicht sogar ein Spartaner?) erzogen worden. Das ist aber unerheblich. Alexander ist als "Schöpfer" einer neuen Waffe (makedonische Phalanx) auf einen Rachefeldzug gegen die Perser gegangen. Hannibal hat einen Verzweifelungskampf geführt. Betrachtet mal seine Lage: Am "Ziel" seines Marsches über die Alpen befand er sich mitten in Italien. Im Zentrum der Macht Roms. Er war umgeben von Feinden. Hunderte Kilometer vom eigenen Land entfernt. Ohne Nachschub. Ohne Unterstützung. Ohne Rückzugsmöglichkeit. Nicht die Alpen zu überqueren sondern am Ziel anzukommen war das Vabanque-Spiel. Erst am Ziel saß er so richtig in der Sch.... Meiner Ansicht nach hat er nicht Ruhm gesucht, sondern alles auf die einzige Karte gesetzt, die Karthago (oder seine eigene Familie) überhaupt noch hatte. Er hat alle Register gezogen, die es überhaupt noch gab. Das ganze war ein Himmelfahrtsunternehmen.
Sein Ziel war es wohl auch nicht, Rom zu besiegen, sondern die Bundesgenossen Roms zum Abfall zu bewegen. Das ist misslungen und deshalb hat er verloren.
MfG