Historisierende Blockbuster und wie Geschichte im Mainstream gelesen wird

Und: Dem Film sieht man seine Entstehungszeit (1981) nicht an. Oder bist du, @dekumatland, da anderer Meinung?
Pardon, ja ich bin da anderer Meinung, aber das müssen wir jetzt nicht ausführlich kontrovers diskutieren, denn es sind mimisch-gestische Details und es stört mich in diesem Film nicht, der mir ansonsten trotz unvermeidlichen 80er-Spuren sehr gefallen hat, insbesondere die längere mehrteilige Fernsehfassung.
 
Ich bin mir etwas unsicher in meinem eigenen Urteil. Ich habe Fotos von "Anne Boleyn" (2021) gesehen. Ich dachte mir, dass das Ganze für die Produzenten schon einen gewissen Sinn ergibt. Bei Natalie Dormer ("The Tudors" (2007)) oder vielleicht noch prominenter Geneviève Bujold ("Königin für tausend Tage" (1969) hat man sich ja noch gefragt wie gelungen die Besetzung ist und ob die Schauspielerin durch Maske, Frisur oder dergleichen den Porträts ähnelt. Blogs wie "Frock Flicks" oder auch YT-Kanäle beschäftigen sich tiefschürfend damit wie nahe man dem historischen Original kommt oder echauffiert sich wie weit die Verantwortlichen daneben lagen. Wenn ich Anne Boleyn nun mit Jodie Turner-Smith besetze, die ja auch von der Frisur und vielen anderen Details überhaupt null Ähnlichkeit mit einem Porträt aus der Zeit hat, dann entziehe ich mich ja auch der Diskussion.

Aber die letzten 20 Jahre - ausgenommen ein paar Ausnahmen (wie "Master and Commander") - zeichnen sich doch gerade in den Historienfilmen und Literaturverfilmungen durch eine Verfremdung aus. Die Musketiere von Dumas sind Motorradrocker (in der Serie von 2014-16) mit Kleidung aus Kunstleder (???), sie fliegen mit Luftschiffen und liefern sich CGI-Schlachten (2011). König Artus trifft auf Elefanten (2017), Seneca lebt in einer Postapokalyptischen Fantasykulisse (2023) und Wikinger mit Undercut... Von daher habe ich momentan eher den Eindruck, dass Filme auffallen, die nicht alles neu interpretieren wollen sondern in denen man sich in die Vergangenheit versetzt fühlt.
 
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Mir stoßen persönlich solche Änderungen der Optik weniger auf als ein verdrehen der historischen Tatsachen wie zuvor bei Alamo beschrieben.

Ist es für die Handlung in Anne Boleyn von Belang welche Hautfarbe die Darstellerin hat? (ich weiß es ehrlich gesagt nicht)
Wenn nein, dann ist es für mich so egal wie das auftauchen dunkelhäutiger Zwerge in der neuen Herr der Ringe Serie.
 
Könnte gesagt werden, dass das Publikum unberechenbarer geworden ist?

Und die historische Bildung vielleicht nur noch exemplarisch und heute-zentrisch?
 
Die letzten Beiträge sehe ich erst jetzt.

Brissotins Wahrnehmung hat etwas. Dann wäre die Frage nicht, wie es im Einzelnen gehandhabt wird und wie das mit Hautfarben ist, sondern, ob diese Entwicklung abzulehnen ist.

Es fragt sich dann auch, warum. Soll im Gefolge moderner Scheindokus*der Zuschauer nicht überfordert werden, weshalb moderne Bilder in die Vergangenheit projeziert werden?

*Terra X und Co, nicht fiktive Doken.
 
Soll im Gefolge moderner Scheindokus*der Zuschauer nicht überfordert werden, weshalb moderne Bilder in die Vergangenheit projeziert werden?
Ich glaube nicht, dass die Zuschauer von heute „blöder“ seien als die von gestern. Auch haben heute viel mehr Leute Abitur als noch vor 50 Jahren. Selbst wenn man annimmt, dass heute ein Abitur leichter zu erreichen ist als früher, so müssen 13 Schuljahre doch mehr bewirken als die früheren 9 oder 10, die die Mehrheit der Schulabgänger damals hatte.

Geändert hat sich lediglich die Kommunikation mit und über die Medien. Während es früher eine Anstrengung bedurfte, einen Leserbrief zu schreiben (der zudem wenig Aussicht auf seine Veröffentlichung hatte, es sei denn, man provozierte die Redaktion zu einer Reaktion), zu frankieren und zur Post zu bringen, kann man heute in 2 Minuten etwas Negatives über einen Film auf Twitter schreiben und posten, während man auf dem Weg aus dem Kino nach Hause in der S-Bahn sitzt und eh sonst nichts sinnvoll anderes machen kann. Und je nachdem wie einflussreich jemand ist (große Anzahl der Follower = großer Einfluss), wird sich dieses Negative im Netz schnell verbreiten, weil auch diese Follower Follower haben, die ihrerseits was dazu schreiben oder die ursprüngliche Nachricht nur „teilen“. So kann der Eindruck entstehen, ein Film sei schlecht, obwohl u.U. nur eine/r ihn gesehen hat.
 
Ich glaube nicht, dass die Zuschauer von heute „blöder“ seien als die von gestern. Auch haben heute viel mehr Leute Abitur als noch vor 50 Jahren. Selbst wenn man annimmt, dass heute ein Abitur leichter zu erreichen ist als früher, so müssen 13 Schuljahre doch mehr bewirken als die früheren 9 oder 10, die die Mehrheit der Schulabgänger damals hatte.

Ein Abitur hat weder besonders viel mit Intelligenz zu tun, noch mit historischem Interesse, noch mit Medienkompetenz.
Und vor allem an letzterem krankt es doch ganz erheblich und zwar mitunter vor allem auch im Lehrkörper.

Ich bin bis ungefähr zum Ende der 2000er zur Schule gegangen, ich hatte bis in die 13 hinein mit Lehrern zu tun, die nicht in der Lage waren eigenständig einen Videorekorder (die waren da tatsächlich in der Schule noch in Gebrauch) zu bedienen, geschweigedenn einen DVD-Player und wenn ein Lehrfilm anstand, immer die Schüler bitte mussten, das für sie herzurichten und einzustellen.
Von Dingen wie Internet nicht zu reden.
Wenn das der Stand der Medienkompetenz der Lehrkräfte ist und Phänomene, wie fake news an Hand der Bild-Zeitung erklärt werden, während das Phänomen realiter schon ganz andere Reichweiten und Erscheinungsformen erreicht hatte und der Unterricht in Teilen weil es einfacher ist, selbst auf Dokumentionen von zweifelhafter Qualität aufgebaut wird, weil das die Darstellung erleichtert, kommt dabei eben nicht allzu viel an Medienkompetenz heraus.

Ein relativ hohes Durchschnittsalter des Lehrkörpers hat sicherlich auch nicht unbedingt dazu beigetragen, Medienkompetenz auf der Höhe der Zeit zu vermitteln.

Vielleicht hat sich das in den letzten Jahren durch Corona und die Begleiterscheinungen etwas geändert, aber mit den Eindrücken aus meiner eigenen Schulzeit kann ich nur sagen, dass es mich überhaupt nicht wundert, das fake news etc. blühen, selbst wenn so schlecht gemacht, dass man sich fragen muss, wie das überhaupt jemand ernst nehmen kann.
 
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(Heute liegt der Schwerpunkt auch im Gymnasium auf der Vermittlung von Fähigkeiten und nicht von Wissen. Perserreich und Alexander der Große sind z.B. oft kein Thema und werden auch nicht mit Leseaufgaben abgehandelt. Historische Allgemeinbildung und ein Geschichtsbild wird so z.B. nicht vermittelt. Es wird exemplarisch unterrichtet. Demokratiegefährdend wurde das einst genannt. Aber das ist ein anderes Thema, das auch nur teilweise ins Forum gehört.)

Denn es ging mir bei der Frage um die Sicht von Produzenten und Regisseuren. Meine Frage beginnt mit einem "Soll ...". Ich frage nach der Intention und dem womöglichen Vorurteil der Filmschaffenden. Damit sage ich nichts über die Bildung des Publikums aus und frage auch nicht danach.

Was da so kommuniziert wird, zeigt übrigens große und teils gefährliche Bildungslücken. Aber ob die größer sind als bei einem alten Ex-US-Präsidenten, kann ich nicht sagen.
 
Sehr gut werden Frauen z.B. in der Serie „Game of Thrones“ (GOT) dargestellt, in welcher sie mehrere Hauptrollen spielen und u.a. auch ihrem ureigenen Metier nachgehen dürfen: Intrigieren. So können auch Zuschauerinnen der Serie etwas abgewinnen – für Männer gibt es trotzdem genug Kampfszenen –, was nicht wenig zum Erfolg der Serie beitrug.
Klare Rollenverteilung, Männer kämpfen, Frauen intrigieren. Es ist zu bezweifeln, dass Frauen Frauen gerne beim Intrigieren zuschauen, weil es typisch ist für Frauen zu intrigieren und Männer gerne Männer beim kämpfen, weil Männer martialischer sind. Kämpfe sind was fürs Auge, Intrigen was für die Dramaturgie.
 
Allerdings stimmt die Beobachtung nicht: Es gibt bei Game of Thrones kämpfende Frauen und intrigierende Männer.
 
Allerdings stimmt die Beobachtung nicht: Es gibt bei Game of Thrones kämpfende Frauen und intrigierende Männer.
Das weiß ich nicht. Ich hab von „GOT“ nur den Piloten etwas länger angeschaut, den fand ich schon ziemlich bescheiden und habe die Begeisterung vieler Leute für die Serie nie verstanden. Immer, wenn ich mal reingezappt habe, fand ich alles immer so unwirklich überzeichnet, dass es mich nicht triggern konnte. Für mich war das immer eine Soap Opera für Fantasy- und Mittelalterspektakelbesucher.
 
Ja, so toll sind weder Buch noch Serie. Und ich habe mich auch nicht durchringen können, es ganz zu lesen oder zu sehen. Es ist unglaublich, wie dumm und inkonsequent sich darin angeblich kluge Leute verhalten. Gegen so manche wirkt Conan wie Einstein.

Dion hat insofern recht, dass es für den Großteil der möglichen Konsumenten Identifikationsfiguren gibt. Da war ich eben sicher zu kryptisch.
 
Anfangs fand ich die Serie recht interessant, und einzelne Aspekte (wie die schauspielerische Leistung von Peter Dinklage und Charles Dance) machten die ersten vier, fünf Staffeln für mich durchaus sehenswert.

Die literarische Vorlage ist gar nicht mal schlecht geschrieben, hin und wieder scheint schriftstellerische Klasse durch; die Bücher beziehen ihren Reiz aus der Unvorhersehbarkeit der Handlung, aus dem Bruch mit Konventionen (etwa dem plötzlichen Tod von Protagonisten), und aus einfühlsam geschilderten seelischen Wunden vieler Figuren der Handlung. Anfangs ist die Atmosphäre wirklich überwältigend dicht.

Aber sowohl die Bücher als auch die Serie haben große Schwächen. Sobald man sich an das Konzept gewöhnt hat, verliert es seinen Reiz. Das Ziel, dem Fantasy-Genre durch menschliche Abgründe mehr Realismus einzuhauchen, wird bis zur Karikatur übertrieben; der herzerwärmenden Utopie eines 'Herrn der Ringe' setzt 'Das Lied von Eis von Feuer' eine von Abschaum bevölkerte Dystopie entgegen.

Auch dürfte G.R.R. Martin zu weit ausgeholt haben. Ich denke nicht, dass er diese seit Jahren unvollendete Reihe beenden wird oder auch nur kann, und ich meine damit nicht sein Alter. Wenn man die Rosenkriege als oft zitierten Vergleich heranzieht, befindet sich Martin nach sieben Büchern und zigtausend Seiten Geschichte vielleicht im Jahr 1471. Da sind noch so viele Fäden wieder zusammenzuführen.

Die letzten drei Staffeln der Fernsehserie sind für mich großer Schrott.

Die Showrunner David Benioff und Daniel Weiss hatten keine Romanvorlage mehr, und das spürt man. Die Qualität der Dialoge fällt unglaublich ab, die Logiklücken werden riesengroß, und man merkt, dass die beiden ratlos waren, wie sie den Plot zum Abschluss bringen sollten. Also haben sie irgendetwas aufs Papier gerotzt, um nur rasch fertig zu werden und den 'Star Wars'-Film machen zu können, für den sie unterschrieben hatten. Viele der Schauspieler haben durchblicken lassen, dass sie not amused waren.

Außerdem habe ich mit Martin, Benioff und Weiss noch deswegen ein Hühnchen zu rupfen, weil mit ihnen dieser visuelle Stil nach Hollywood zurückkehrte, das Mittelalter und mittelalterhafte Settings als schmutzige, stinkende Kloaken darzustellen, wo alles in dunklen Fellen und Lumpen herumläuft und den lieben langen Tag nichts anderes tut, als einander umzubringen.
 
Ja, @muck, den letzten 3 Staffeln merkt man an, dass ihnen die literarische Vorlage fehlte, weil der Autor G.R.R. Martin zu langsam beim Scheiben war bzw. ist. Er ist zwar schon 75 oder so, aber er behauptet, er hätte die Erzählstränge im Griff und würde sie sicher zu Ende führen.

Erfrischend und für Amerikaner sicher ungewöhnlich, war das Sterben von (liebgewonnen) Protagonisten mittendrin. Entsprechend gibt es unerwartete Wendungen, was jede Story interessant und fesselnd macht.

Protagonisten sind nicht immer gut oder immer böse, sondern mal so und mal anders. Und alle haben Geschichten hinter sich, die erst nach und nach bekannt und die Motive ihrer Handlungen – auch im Nachhinein – erklären. Man nimmt sich auch Zeit dafür, was zur Glaubwürdigkeit der Personen wie auch des Ganzen beiträgt.

Die Mittelalterklischees (dunkle Kleidung, Schmutz, etc.) werden öfters gebrochen, denn die Teilreiche unterscheiden sich untereinander deutlich, schon allein durch die Natur, in die sie gesetzt sind. Und Frauen sind eben nicht nur schöne Staffage für edle Ritter, sondern sind handelnde Personen, die an Härte den Männer nicht nachstehen.

Die Computeranimationen erkennt man als solche nicht oder kaum, dies auch, weil einiges in echt rauer Natur bei Minusgraden etc. gedreht wurde. Jedenfalls wurde den Schauspielern und der Crew einiges abverlangt, wenn man der offiziellen Web-Seite der Serie glaubt.

Im Unterschied zu „Herr der Ringe“ ist „GOT“ wesentlich komplexer aufgebaut, was von den Zuschauern eine intellektuelle Leistung verlangt, was man bis dahin nicht kannte. Es gibt nicht nur ein Ziel und einen Bösen, sondern viele.

Ich wünsche mir einen Mittelalterfilm nach Machart von GOT, aber ohne der Fantasieelemente wie Drachen, Untoten etc. Die Geschichtswissenschaft hat mittlerweile doch genug Fakten zusammengetragen, um ein Mittelalter so in Szene zu setzen, dass dieses real wirken müsste. Z.B. die Geschichte der Merowinger, Karolinger, Ottonen ...
 
Wenn man Verantwortliche in einer Produktion hat, die zu weiten Teilen aus dem gleichen Kulturkreis kommen und möglicherweise nicht die versiertesten Kenner der Geschichte anderer Regionen sind, kommt eben eine gewisse Gleichförmigkeit dabei heraus, zumal wenn man bedenkt, dass die meisten in Hollywood produzierten Filme sich natürlich auch in erster Linie an ein amerikanisches Publikum richten, dass möglicherweise andere Erwartungen hat, als wir hier.
Für den Kinoerfolg ist es meist entscheidend, dass man dem Geschmack eines männlich-jungem Publikum trifft, weil diese Gruppe die häufigsten Kinogänger sind. Sowohl bei der Story auch als bei den gecasteten Schauspielern wirkt sich das aus.

Der Wurm muss bekanntermaßen dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Daher würde ich bei der in dem Faden an den Verantwortlichen in der Filmindustrie geäußerte Kritik nicht immer teilen. Was nützt es, wenn man einen Film dreht, den die entscheidende Gruppe nicht sehen will. Eine Boudicca in knapper Kleidung auf einem Streitwagen wird wahrscheinlich an der Kinokasse größeren Erfolg haben, als irgendeine Heldin aus einem islamischem Kulturkreis im Hijab. Kann man bedauern, aber am Schluss muss man die Geldgeber von einem Filmprojekt überzeugen.
 
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Für den Kinoerfolg ist es meist entscheidend, dass man dem Geschmack eines männlich-jungem Publikum trifft, weil diese Gruppe die häufigsten Kinogänger sind. Sowohl bei der Story auch als bei den gecasteten Schauspielern wirkt sich das aus.
Die Studios – zumindest die amerikanischen – haben sich tatsächlich davon entfernt. Wie gesagt, so dämlich die Phrase ist, und trotz der teils extremen Ideologie, die dahintersteht, hat "get woke, go broke" (etwa: "übernimmst du die Woke-Ideologie, gehst du pleite") doch einen wahren Kern: Es wird mitunter an der Kundschaft vorbei produziert. Hollywood, das immer weniger seiner Einnahmen in den USA erwirtschaftet, versucht, sich neu zu positionieren, dabei tobt ein Deutungskampf.

US-Filme werden für ein repräsentatives Testpublikum entwickelt. Das sind sechzig Menschen, die früher nach knallhart kapitalistischen Gesichtspunkten der Marktforschung ausgewählt wurden. Bei den Pixar Studios z.B. weiß man, dass Filme für ein Testpublikum aus vierzig Kindern und zwanzig Erwachsenen der weißen Mittelschicht getrimmt wurden, weil die Marktforschung ergeben hatte, dass in den USA dieses demographische Segment die größte Einzelgruppe der Kundschaft ausmachte: Kinder nicht gerade armer Haushalte, die mehrheitlich mit einem erwachsenen Verwandten ins Kino gehen. (Deswegen enthalten auch Filme wie 'Toy Story' immer ein paar Witze, die Kinder eher nicht verstehen.)

Heute aber wird das Testpublikum bei den meisten Studios aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit streng paritätisch als Spiegelbild der amerikanischen Gesellschaft besetzt, d.h. 50% Männer und 50% Frauen, aufgeteilt gemäß der Alterspyramide, der ethnischen Zugehörigkeit usw. usf. So will man auch eine "globale Gesellschaft" abbilden, um die wirtschaftlich wichtigen Märkte in Europa und v.a. China zu bedienen. Die Studios tun sich jedoch sehr schwer damit, das Feedback dieser Testkunden zu deuten.

Manche haben die langweilige, aber erfolgreiche Strategie der absoluten Risikominimierung gewählt. Marvel etwa produziert mittlerweile nurmehr Filme von Fließband, die mit schier wissenschaftlicher Präzision darauf ausgerichtet sind, möglichst vielen demographischen Segmenten zu gefallen. Obendrein werden immer weniger Genre-Filme produziert. Es ist nun mal nicht jedes Sujet für alle Demographien gleich ansprechend. Das Team um 'Le Mans 66' hat eindrücklich geschildert, gegen welche Widerstände es kämpfen musste, um 2019 einen 1. Motorsport-Film ohne 2. weibliche Hauptrolle drehen zu können.

Andere Studios gehen andere Wege, mit wechselndem Erfolg. Manche haben die Politik als gemeinsamen Nenner ihrer Kunden entdeckt. So holte im Zuge des politischen Umschwungs in den Zehnerjahren, d.h. vor dem Hintergrund der Wahlsiege von Barack Obama und dem erwarteten Wahlsieg Hillary Clintons, Kathleen Kennedy von Lucasfilms ein ausschließlich weibliches Berater-Team für die Ausgestaltung der neuen 'Star Wars'-Filme in ihr Studio. Fast die Hälfte der Damen kam aus dem Aktivisten-Pool des Bernie Sanders-Lagers. So hoffte man, die vorher unter 'Star Wars'-Fans unterrepräsentierten Frauen und ethnischen Minderheiten als Zielgruppen zu eröffnen. Das schlug sich natürlich im Produkt nieder.
 
Eine Boudicca in knapper Kleidung auf einem Streitwagen wird wahrscheinlich an der Kinokasse größeren Erfolg haben, als irgendeine Heldin aus einem islamischem Kulturkreis im Hijab. Kann man bedauern, aber am Schluss muss man die Geldgeber von einem Filmprojekt überzeugen.

Es geht mir da gar nicht so sehr um die Art von Figuren und wie sie dargestellt werden, sondern eher damit, das ein Großteil des Publikums damit nichts anfangen kann.

Völlig unabhängig davon, wie man eine Boudicca darstellt, dass ist eine historische Figur, mit denen die Bewohner Großbritanniens etwas anfangen können, ggf. Amerikaner mit britischen Vorfahren, die sich für die britische Geschichte interessieren und ggf. der eine oder andere Westeuropäer, der sich irgendwie für das römische Reich oder den keltischen Kulturkreis interessiert.
Allen anderen, sagt diese Geschichte und ihre Rezeption nicht besonders viel.

Das ist an und für sich nicht schlimm, wird aber zum Problem, wenn ein Großteil der Produzenten eben einen ähnlichen Hintergrund hat und immer wieder den gleichen Stoff, aus dem Bewusstsein des gleichen Kulturkreises und dessen Perspektive anspricht.
Das macht die Sache ziemlich einförmig, zumal das auch ein Rekurs auf immer die gleichen Erzähltraditionen ist.

Das so zu machen, funktionierte, als Filme vor allem für den amerikanischen und den westeuropäischen Markt produziert wurden, einem weltweiten Publikum aber immer wieder US-Amerikanische oder Westeuropäische Erzählungen vorzusetzen, in dem es sich nicht wiederfindet, funktioniert aber eben nicht.
 
In der Redensart, dass der, der allen gefallen will, niemandem richtig gefällt, liegt durchaus Wahrheit.

Heute ist das Problem, dass kritisiert wird, wenn es allen gefallen soll und auch Gruppen Filme sehen wollen, die nicht zur klassischen Zielgruppe gehören.

Manchmal werden sogar Aussagen verkehrt. Oft gelingt es Autoren und Regisseuren nicht mehr, ihre Werke in einem komplexen System so anzusiedeln, dass ein breiteres Publikum es versteht, weshalb das System geändert wird. Schon bei Star Trek nervig, wird es in Werken, die in der noch komplexeren realen Welt spielen, bedenklich. Auch in der Fantasy ist das zu erkennen. Bei der Herr der Ringe Verfilmung wurde das Ende laut Regisseur Peter Jackson deshalb verändert, weil Amerikaner nicht verstanden hätten, wenn - wie im Buch - das Auenland besetzt und teils zerstört worden wäre und erst noch hätte befreit und wiederaufgebaut hätte werden müssen.

Es gibt auch eine Redensart, nach der sich Altbekanntes am besten verkauft. In einer diversen Gesellschaft ergibt das dann dasselbe Problem.

Aber das Kino zeigt immer wieder, dass Neues durchaus sein Publikum findet. Sonst hätte Avatar geflopt. Die Frage ist, wie es verkauft wird. Fange ich eine Filmserie mit Nofretete an und komme dann zu unbekannteren Herrscherinnen wie etwa Zenobia, lässt sich das auch abmildern. Es ließe sich sogar eine Filmserie von Hatschepsut über Nofretete zu Anchese-Amun realisieren, ohne auf allzu Unbekanntes zu treffen. Es ist nur als Stoff für Filme noch nicht abgegriffen. Auch Theophanu, Adelheid und Kunigunde lassen sich bewerben. Unbekannter, aber doch gut zu bewerben. Und ist es so nicht auch mit afrikanischen (Shaka Zulu), südamerikanischen (Aguirre, der Zorn Gottes) und anderen Themen, die als "Ja, das gab es auch noch." bekannt sind. Ein allzu großes Hindernis sehe ich nicht, neue Geschichten zu erzählen, da sie ja auch fast immer schon bekannte literarische oder historische Geschichten spiegeln. Neu ist doch zumeist nur der Rahmen. "Erleben sie x, y und z, eine Geschichte von a, b und c.", um es altmodisch auszudrücken.

Dann ist es eben auch so, dass tote Musketiere, die gen Himmel schreiten, von anderer Qualität sind als die Ergänzung so einer Story um fiktive Luftschiffe. Die toten Musketiere sind immer noch modern, sind sie doch auch eine Äußerung zum Wandel der Kunstform. Die Luftschiffe sind als Effekthascherei nach Thema X gestaltet, fragen nicht etwa, wie die neuen Möglichkeiten eingesetzt werden, auf was etwa Peter Jackson im Hobbit mit der unterschiedlichen Art der Integration von 3D in den Filmen anspielt. Nicht jeden interessiert das, nicht jeder bemerkt das, bei den neueren Filnen wurde es aber im erwähnten Sinn diskutiert, während das ältere für uns heutige natürlich aus der Filmgeschichte stammt.
 
Der "Critical Drinker" hat ein Video zu 'Cleopatra' veröffentlicht:

Queen Cleopatra - The Most Hated Show Of All Time?


(Link fehlt aus bekannten Gründen)

Das Video sei auch denen empfohlen, die Will Jordan aufgrund seiner politischen Ansichten oder seines Stils nicht mögen (die Laufzeit beträgt nur rund 10 Minuten). Er deckt alle wesentlichen Kritikpunkte gekonnt ab. Beachtlich erscheint mir vor allem die Konfrontation der Macher der Serie, die immerhin dokumentarisch zu sein behauptet, mit der in Ägypten laut gewordenen Kritik.
 
Gerade im Netz gefunden: Ich liebe es.

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