"I'm in the army (zivi) now"

collo

Aktives Mitglied
Viele Männer hier haben ja noch Wehr- oder Zivildienst geleistet, welche Erinnerungen habt Ihr daran?

Ich bin, nachdem ich nach der ersten Musterung wegen einer Sportverletzung als "vorübergehend untauglich" eingestuft worden war, kurz nach meinem 23. Geburtstag eingezogen worden. Völlig untypisch nur 30km von Zuhause weg.

Völlig untypisch auch der Truppenteil, 861. Transportbataillon, eine Einheit des Territorialheeres (bei der Stammeinheit in Stadtallendorf bei Marburg kannte die Verwaltung den Standort und die Einheit überhaupt nicht).

Die ersten Tage dürften ja für die meisten gleich verlaufen sein. Stube beziehen, Einkleidung, Friseur, wenn nötig Formalausbildung (unser Zugführer ließ uns nach "Ein Hut, ein Stock, ein Regenschirm, und vorwärts, rückwärts, seitwärts" marschieren. Muss mit 40 Mann komisch ausgesehen haben).

Auch das Schießen und die infanteristische Ausbildung dürfte sich nicht großartig unterschieden haben. Unsere Kompanie bestand aber aus 50% "mit Einschränkungen in der Grundausbildung", kurz T3, Tauglichen. Sprich, nur kurze Märsche und Entlastung beim Marschgepäck.

Als T3er waren wir prädestiniert für einen Bürojob, wir wurden für dem "Materialnachweistrupp" ausgebildet, der zum Instandsetzungszug der Stabskompanie eines Bataillons gehörte.

Unsere Waffe war eine Schreibmaschine, mechanisch, die Munition das Anforderungsformular mit 5 Durchschlägen im Format A5. Der Materialkatalog, der auch einzelne Schrauben, Muttern und Dichtungsringe enthielt war hochmodern auf Mikrofiche abgespeichert.

Man sieht, schon damals war die Bundeswehr technisch auf dem allerneusten Stand.

Da ich nicht direkt nach dem Abitur zur Bundeswehr kam, war mein Quartal mit Leuten besetzt, die schon eine Ausbildung hinter sich und wenigstens ein paar Monate richtig gearbeitet hatten. Mit mir gabs nur noch 3 mit Abitur. Manche Kameraden fanden das nicht so toll.

Nach 3 Monaten Grundausbildung gings eben nach Stadtallendorf. Meine Einheit war eigentlich die 1. Kompanie des Panzerbataillon 141, da dieses aber "gekadert", sprich nicht vollständig aktiv war, verrichtete ich meinen Dienst in der 1. PzBtl 143.

Viel zu tun gabs nicht. Die Wartung und Instandhaltung brauchten Ersatzteile, ich suchte im Katalog die verschiedenen Nummern raus und tippte das 6-fache Formular, vom Vorgesetzten unterschreiben lassen. Das Gros machte Treibstoff und Munition aus

Der MatNachwTrp wurde von einem Feldwebel geführt, ihm zur Seite stand ein Unteroffizier, mit mir 3 Manschaftsdienstgrade, aber nur für 3 Monate, dann erst mal zu zweit, bis der nächste Neuling kam.

Ich war zweimal auf Truppenübungsplätzen, Baumholder und Bergen. Im herbstlichen Manöver im Raum Alsfeld war dann das PzBtl 141 tatsächlich mit Reservisten aufgefüllt und ich dort tätig. Von den "Kämpfen" hab ich nichts mitbekommen, der Bataillonsstab war günstig in einer Gaststätte aufgebaut.

Unsere Einheit musste turnusgemäß ein Unterstützungskommando für ein "Sonderwaffenlager" der US Army stellen. Mit erhöhter Alarmbereitschaft, kein Ausgang, aber auch keinen normalen Dienst, G3 auf Stube.

Wir hatten das Pech, tatsächlich alarmiert zu werden. Eine Viertelstunde, um gefechtsbereit, sprich mit 80 Schuss scharfer Munition pro Mann abzurücken. Nach einer weiteren halben Stunde dann vorbereitete Stellungen beziehen. Mit dem scharf geladenem Gewehr die Spaziergänger beobachten.

Nach einer Stunde war dieser Spuk vorbei. Weil wir wohl nicht schnell genug vor Ort waren, durften wir zwei Tage später wieder raus. Allerdings brauchten wir nicht mehr absitzen, wir waren wohl schnell genug da.

Im Stabsgebäude gabs eine große Vitrine mit "Erinnerungsstücken" des 5. Panzerregiments der Wehrmacht, in dessen Tradition sich das Bataillon sah. Dies war auch im Abzeichen des Bataillons sichtbar. Der "Kampfruf" der Transporttruppe lautete, "Räder müssen - Rollen!". Heute undenkbar, damals gang und gebe.

Auf dem Truppenübungsplatz Bergen hätte man die Gedenkstätte Bergen-Belsen im Rahmen des gesellschaftlichen Unterrichts besuchen können. Stattdessen gings ins Panzermuseum Munster.

Ich will damit nicht sagen, dass die Bundeswehr damals voller Neonazis war, aber es galt noch das Märchen von der "guten Wehrmacht" und einen gewissen Stolz vor deren militärischen Leistungen.

Ich will hier keine "dummen Sprüche" der Ausbilder zitieren und bitte auch darum, dass zu unterlassen. Aber ein, wie ich immer noch finde kluger Satz meines Kompaniechefs meiner Ausbildungskompanie, Hauptmann und Zeitsoldat, hat sich bei mir eingebrannt:

"Ich bin Soldat geworden, damit ich nie auf Andere schießen muss"

Mit meiner Geschichte, Sohn eines schwer Kriegsbeschädigten, hätte ich eine Kriegsdienstverweigerung selbst vor dem 1983 abgeschafften Prüfungsausschuss ohne Mühe durchgebracht. Meine Klassenkameraden mussten das noch durchlaufen, 1987 genügte das Begründungsschreiben. Als "abgebrochener" Student wollte ich aber nicht noch mehr Zeit verlieren.

Da ich bereits am 1. März meinen Vorbereitungsdienst bei der Bundespost antrat, bekam ich den letzten Monat "geschenkt" (ich hatte nur noch eine Woche Urlaub) und musste nur zur Uniformabgabe noch einmal für zwei Tage zurück in die Kaserne.
 
Letztlich kann ich hier nicht mitreden, da ausgerechnet ich Festungsfreak als t5 ausgemustert wurde.
Zuvor hatte ich verweigert, es kam auch zu einer "Verhandlung", deren Ergebnis darin bestand, dass man meine Begründungen zwar als logisch korrekt und nicht widerlegbar anerkannte, mir aber attestierte, dass bei mir keine "Gewissensnot" vorliege.
...bon. Ich hätte was nützliches als Zivi gemacht, das wollte man nicht, also machte ich nichts nützliches als Zivi, sondern war ganz raus. War mir auch recht.
 
Die Gewissensprüfung war vielleicht das Schlechteste an der alten Bundesrepublik.
(Ich habe mich wegen des Studiums zurückstellen lassen und wurde dann einfach nicht mehr eingezogen, wohl weil der Geburtenjahrgang zu stark war.)
 
Ich habe recht durchwachsene Erinnerungen an meinen Wehrdienst.

Ich gehörte zu den Letzten, die noch acht Monate absolvierten, ehe die Verkürzung auf sechs Monate in Kraft trat.

Einerseits war es keine angenehme Zeit, andererseits war ich aus Überzeugung zum Bundesheer gegangen und würde es wieder tun. Ich hatte das erste Mal in meinem Leben das Gefühl, etwas von Bedeutung zu tun (vor allem während eines siebenwöchigen Grenzeinsatzes).

Ich war (wie so oft im Leben) ein Außenseiter, da ich meinen Wehrdienst erst nach dem Studium absolvierte und somit nicht nur älter als meine Kameraden war, sondern auch der einzige Akademiker in der Kompanie. Eigentlich wollte ich das möglichst geheimhalten, aber ein Vorgesetzter wies mich an, auf mein Namensschild an der Uniform meinen akademischen Grad zu schreiben.

Was mich am meisten geärgert hatte (und noch heute ärgert), waren die Kollektivbestrafungen. Wenn also jemand etwas angestellt hatte, wurde dafür nicht nur er, sondern der gesamte Zug (oder sogar die gesamte Kompanie) bestraft (verschärfte Variante: alle wurden bestraft, nur nicht der Übeltäter). Ich fand das nicht nur ungerecht, sondern auch frustrierend: Obwohl ich mir selbst nie etwas zuschulden kommen ließ und immer darauf sah, meine Sachen in Ordnung zu haben, wurde ich ständig mitbestraft. Leider gab es Typen, denen alles egal war oder die sogar bewusst provozieren wollten - und wir mussten es mitausbaden. Und wozu das alles? Unsere Vorgesetzten bestritten, dass damit ein "Code Red" (Bestrafung, also Misshandlung, eines Soldaten durch seine Kameraden) provoziert werden sollte, und ich glaube ihnen auch, dass sie, wenn es dazu gekommen wäre, zu scharfen Maßnahmen gegriffen hätten.

Daneben kam es natürlich auch vor, dass ein Übertäter nur allein bestraft wurde, vor allem mit Ausgangsverbot. Ein Fall einer wesentlich drastischeren Bestrafung ist mir in Erinnerung geblieben: Ein Kamerad hatte (irrtümlich, aber im guten Glauben) nach einem langen Tag zu früh geduscht, also ehe noch die formelle Erlaubnis erteilt worden war. Als Strafe musste er sich bis auf die Unterhose ausziehen, wir mussten ihn am ganzen Körper mit Tarnfarbe anmalen, dann musste er ein Stück durch den Schnee robben und sich dann wieder sauber machen (Tarnfarbe ist schon im Gesicht schwer wegzubekommen).
 
Mein Vater hat nie gedient. Nicht, weil sein ältester Bruder im Krieg gewesen war (er kam wieder), nicht, weil er vier ältere Brüder hatte. Nö, er gehörte einfach zu einem geburtenstarken Jahrgang. Er wurde nie gezogen, aber bei seinem letzten Umzug bekam er einen Strafbescheid vom Kreiswehrersatzamt, dass er seinen Umzug nicht gemeldet habe, schließlich habe er seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet. Mein Vater: "Ihr habt mich doch gefunden, also könne dieses Versäumnis doch nicht so schlimm sein." - Er hat nie wieder was dazu gehört.

Ein Bekannter, sehr katholisch, hatte aus Gewissensgründen verweigert. Einige Jahre zu früh, noch während des Kalten Krieges. Seine Verweigerung kam nicht durch und er ist bei der Bundeswehr wohl richtig fertig gemacht worden. Vor seiner Bundeswehrzeit sehr engagiert, kam er danach zunächst in die Psychiatrie und zog sich danach sehr zurück.

Bei uns in der Stufe haben - bis auf die Rechten - praktisch alle verweigert. War auch Ender 1990er kein Problem mehr. Nur ein einziger kam mit seiner Verweigerung nicht durch. Der hat es in drei Anläufen nicht geschafft, eine einseitige Begründung zu verfassen, warum er aus Gewissensgründen keine Waffe in die Hand nehmen wolle. Als Abiturient!

Was zehn Jahre doch für einen Unterschied ausmachen können.

Ich selbst habe beim Kreiswehrersatzamt, als ich gefragt wurde, wo ich denn hinwollte, sagen wollen, dass ich verweigern wolle und wenn... - da reichte mir der Befrager schon das Formular für die Verweigerung. Eigentlich hatte ich noch sagen wollen, dass ich, wenn die Verweigerung nicht durchkäme, gerne zur Marine wollte (dann hätte ich sogar verlängert, um auf's Schiff zu kommen, ich war schon immer reisegeil - zum Glück ist das nicht passiert, Schiffsfahrten, die länger als vier, fünf Stunden dauern, sind einfach anstrengend vor Langeweile.
Aber es war schon cool. Dreizehn Monate dauerte der Wehrersatz- a.k.a. Zivildienst, zehn der Wehrdienst. Dafür, dass wir weiterhin zuhause wohnten und aßen, bekamen wir auch noch zum Sold Wohn- und Kostgeld. Die 600 Mark waren viel für mich. In verschiedenen Abständen wurde unser Sold erhöht und daher ich in der Pflege beschäftigt war, konnte ich nach sechs Monaten den Antrag auf Soldstufe III stellen. Das waren dann in Summe (Soldstufe III + Wohn- und Kostgeld) mehr als 900 DM, 200 DM drückte ich zuhause ab.

Was mich immer wieder erstaunt hat, war, dass ich unsportliches Wesen T2 war, wohingegen ich sportliche Typen kannte, die wegen angeblicher Rückenprobleme ausgemustert wurden. Wer eine zu hohe Dioptrin hatte, wurde auch ausgemustert.

Ich habe meinen Zivildienst aus Überzeugung und gerne gemacht und habe sicherlich einiges gelernt. Es war eine gute Zeit, die mir Lebenserfahrung gebracht und Demut gelehrt hat. Es war eine harte Zeit, weil man auch mit Leuten zusammenkam, die einem gar nicht lagen.
 
So ging es mir beim Wehrdienst auch. Ich war, nachdem ich mein bisheriges Leben hauptsächlich mit Gleichgearteten (also vor allem aus derselben Schule) verbracht hatte, plötzlich mit jungen Männern aus verschiedenen sozialen und Bildungs-Schichten, mit denen ich sonst nie in Kontakt gekommen wäre, zusammengesperrt, sogar mit ein paar Vorbestraften. Das hatte freilich seine guten und schlechten Seiten.
 
Ich habe meinen Zivildienst aus Überzeugung und gerne gemacht und habe sicherlich einiges gelernt. Es war eine gute Zeit, die mir Lebenserfahrung gebracht und Demut gelehrt hat. Es war eine harte Zeit, weil man auch mit Leuten zusammenkam, die einem gar nicht lagen.

Haargenau so geht es mir mit der Zeit in Gefangenschaft. Ich hätte damals 5 Jahre meines Lebens dafür gegeben, dass der Kelch an mir vorübergeht. Rückblickend frage ich mich manchmal, wie ich diese Tortur ertragen konnte.

Ich habe wahre Abgründe menschlicher Niedertracht erlebt, aber auch beeindruckende Beispiele von Solidarität und Zivilcourage.

Es klingt verrückt, aber rückblickend wollte ich die Zeit nicht missen, ich habe sehr viel gelernt: Etwas Russisch, etwas Spanisch, wie man aus Baumwollfetzen Zunder herstellt, wie man ohne Feuerzeug und Streichhölzer Feuer macht, wie man Schulden eintreibt und Allianzen schmiedet und vor allem wie man geduldig wartet.

Im Moment schreibe ich an einem Erlebnisbericht, ich habe viele gute Geschichten gehört, die es wert sind, erzählt zu werden.

Eines nur bedaure ich zutiefst: Dass ich die Kochrezepte meiner Gefährten nicht aufgeschrieben und gesammelt habe! Ich könnte mich ohrfeigen dafür, einige kochten ganz hervorragend, und bedenkt man, dass die Auswahl der Zutaten recht eingeschränkt war, so war doch beeindruckend, was manche daraus gemacht haben.
 
Ich darf gar nicht daran denken, dass das mittlerweile 30 Jahre her ist ...
1991 trat ich zum 4. Quartal meinen Grundwehrdienst an. Ich hatte mich dazu entschlossen, das direkt nach der Ausbildung hinter mich zu bringen und meldete mich sozusagen "proaktiv". Meine Grundausbildung sollte im tiefsten Harz erfolgen. Jeden Sonntagabend ging es mit dem ICE nach Goslar und dann weiter im BW-Bus nach Clausthal-Zellerfeld. Die Fernmelde-Ausbildungskompanie war in drei Züge unterteilt. Die Kraftfahrer, Tastfunker und Horchfunker. Dass die Kraftfahrer (von uns liebevoll "Spatenpaulis" genannt) sich überwiegend im "Grünen" aufhielten, war klar. Die Tastis hatten aber als Zugführer einen frischgebackenen Oberleutnant, der noch richtig "brannte", was für seine Truppe jetzt auch nicht sooo toll war. Der Zugführer bei uns im 3. war ein alter, erfahrener Hauptfeldwebel. Und mit einem solchen Haudegen lief es für uns "Gummibären" (den Spitznamen bekamen wir verpasst, weil uns beim leichtesten Niederschlag Regenschutz befohlen wurde) recht entspannt. Wir münzten die Abkürzung EloKa gerne von "Elektronischer Kampfaufklärung" in "Elite ohne Kampfauftrag" um. Ganz ausgeflippt ist der Herr OLt. als die Auswertung der Soldatenprüfung, nach einem 5-tägigen Biwak, für unseren Zug eine höhere Punktzahl ergab, als für den seinen.
Nach der Grundausbildung folgte dann die 3-monatige Spezialausbildung, in der uns rudimentär polnisch bzw. russisch beigebracht wurde. Kurz nach dem Fall der Mauer hieß es: "Polen ist von nun an der potentielle Feind Nr.1" und beim Nacht-Alarm wurden wir mit den Worten: "Im 1. Stock wird schon mit Zloty bezahlt!" aus den Federn geholt.
Nach den 3 Monaten waren wir dann bereit für den Einsatz in Rotenburg an der Wümme. Es folgten 6 Monate im Schichtdienst, in denen 24/7 Funkverkehr aufgespürt, abgehorcht und per Triangulation geortet wurde.
Alles in allem, hätte es mich schlechter treffen können. Die 12 Monate waren eine lehrreiche Zeit. Auch wenn man jetzt nicht einer Elite-Kampfeinheit angehörte, wurde man teilweise an die Grenzen und darüber hinaus geführt. So eine fünftägige Outdoor-Erfahrung im winterlichen Harz, hat man nun auch nicht für gewöhnlich. Ich habe viel über mich selber gelernt und den Absprung vom Elternhaus hat es mit Sicherheit auch gefördert. Ich denke gerne an die Zeit zurück.
 
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1991 trat ich zum 4. Quartal meinen Grundwehrdienst an.
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Kurz nach dem Fall der Mauer hieß es: "Polen ist von nun an der potentielle Feind Nr.1" und beim Nacht-Alarm wurden wir mit den Worten: "Im 1. Stock wird schon mit Zloty bezahlt!" aus den Federn geholt.
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1991 standen noch genug russische Truppen in den neuen Ländern, die uns gegen die Polen hätten verteidigen können.
 
So eine fünftägige Outdoor-Erfahrung im winterlichen Harz, hat man nun auch nicht für gewöhnlich.
Eine 6-tägige "Feldwoche" in einem verschneiten Wald hatte ich auch. Besonders "lustig" war u. a. das Ausheben der Schützenlöcher rund ums Lager im gefrorenen Boden. Im Laufe der Woche hatten wir einen krankheitsbedingten Ausfall von ca. einem Drittel der Mannschaften.

Es gab zwei Lager, jedes für einen Zug. Jeder Zug hatte einen Wimpel, der streng zu bewachen war. Ich wartete die ganze Woche darauf, dass Freiwillige gesucht würden, um im Schutz der Dunkelheit ins gegnerische Lager zu schleichen und den dortigen Wimpel zu entwenden. (Ich hätte mich sofort gemeldet.) Leider wartete ich vergeblich.
 
1991 standen noch genug russische Truppen in den neuen Ländern, die uns gegen die Polen hätten verteidigen können.
Richtig, der Abzug der russischen Truppen wurde von unseren Russischsprachlern überwacht. Im Grunde kann ich auch nicht beurteilen, wieviel Sinn das alles hatte. Jedenfalls sagte man uns seinerzeit, dass wir innerhalb der Bundeswehr die einzige Truppe mit Auftrag waren.
 
Bei uns wurde peinlich darauf geachtet, den Begriff "Feind" nicht zu verwenden. Das war der "potenzielle Gegner".

Zum Herbstmanöver hatten sich auch NVA-Offiziere angemeldet, nach KSZE-Regeln war das vorgesehen. Uns einfachen Soldaten wurde eingeschärft, nicht mehr als die Einheit preiszugeben, wie bei Gefangenname.

Wenn ich darüber nachdenke, mein Cousin hatte sich zur gleichen Zeit wie ich beim Bund war auf 4 Jahre bei der NVA verpflichtet. Im Falle eines Falles hätten wir aufeinander schießen müssen (ich wäre auch nicht der Einzige gewesen, der Ostverwandtschaft hatte).
 
Die Gewissensprüfung war vielleicht das Schlechteste an der alten Bundesrepublik.

Bei mir (Zivi 77/78) ging das so;
Ich hatte meine Begründung ausgearbeitet und formuliert.
Dann kam der Leo. Der war ein alter gemütlicher und lustiger Mann, bekannt als Kommunalpolitiker und Genosse. Der sagte „Bub“, so nannte er mich immer,
„Bub, ich bin Beisitzer bei solchen Verhandlungen und ich darf dich deshalb nicht beraten. Und das mach ich auch gar nicht.
Und jetzt zeigst mir Deine Begründung.“
Die las er durch, redigierte ein wenig und fand sie recht gut.
Und dann trainierte er mich ein wenig auf die Fragen die da so oder ähnlich kommen.
Z.B. ein Klassiker: Du stehst an der Flak und ein Bomber fliegt Richtung Großstadt. Wirst Du schießen?

Bei der Verhandlung saß ich vier Gestalten gegenüber. Diese waren in einer Linie aufgereiht.
Rechts einer kleiner gedrungener mit dickem Kopf der grob aber neutral daherschaute. (Beisitzer)
Dann kam der Vorsitzende. Ein stattlicher Richter a. D..
Links davon ein Mensch an den ich mich nicht erinnere,
und der dritte Beisitzer war ein junger Amtmann.
Die Beisitzer stimmen über die Ablehnung ab
Der Vorsitzende liest Deine Begründung vor und führt dann die Verhandlung.
D. h. er versucht dich permanent auf das Glatteis zu führen um die Glaubwürdigkeit deiner Gewissensnot zu zerstören.
Das Spiel dauerte vielleicht eine Stunde, ich weiß es nicht mehr genau.
Und es war auch mit guter Vorbereitung schwer die ganzen Fangfragen zu parieren.
Der gute junge Amtmann ganz links half mir mit zahlreichen dezenten Grimassen und hat mindestens einmal mein Ausrutschen verhindert.

Ich bestand die Gewissensprüfung durchaus mit Glück. Nachdem ich aber schon vor der Musterung verweigert hatte, hätten sie mich nicht gleich holen können.

Ob die „Gewissensprüfung“ das vielleicht Schlechteste“ war?
Ich weis es nicht.
Es war jedenfalls nicht das Schlechteste dazu gezwungen zu sein sich mit dem eigenen Gewissen auseinander zu setzen.
 
Verstellung, ja: lügen nicht über äußere Tatsachen, sondern bezüglich der eigenen Motivation, oder das eigene Gewissen.
 
Ich glaube, ich verstehe worauf Du anspielst.

In meiner Klasse gab es zwei "Lager" von Verweigerern, die eine waren die "Pazifisten", die das Militär ablehnten (weil echte Pazifisten oder im kommenden Atomkrieg nutzlos). Auch wenn ich dann später doch zum Bund ging, zählte ich mich, durch meinen im Krieg verkrüppelten Vater, dazu.

Hier sehe ich keine Veranlassung, über die eigene Motivation oder gar das Gewissen zu lügen. Die Verweigerung war der unbequeme Weg, aufgrund der Prüfung, weil der Dienst länger ging und häufig eben unangenehm war.

Es gab aber auch eine kleinere Gruppe, zwei, drei, die wollten nicht zur Bundeswehr, weil sie lieber etwas sinnvolles machen wollten und nichtvin der Kaserne "rumgammeln".

Diese Gruppe musste tatsächlich andere Gründe nennen, um durchzukommen. Lügen würde ich das nicht nennen, wer will schon jemanden töten (müssen)? Die Gewissensgründe wurden eher aufgebauscht.

Im Endeffekt war es in der Gewissensprüfung bus 83 immer die gleiche Frage, auf die es ankam.

Was tun Sie, wenn ihre Freundin/Mutter/Stadt angegriffen wird und Sie haben zufällig eine Waffe in der Hand?

Die war so abgegriffen, dass die "passenden" Antworten von Jahrgang zu Jahrgang weitergegeben wurden bzw. in den Ratgebern standen.
 
Was tun Sie, wenn ihre Freundin/Mutter/Stadt angegriffen wird und Sie haben zufällig eine Waffe in der Hand?

Die war so abgegriffen, dass die "passenden" Antworten von Jahrgang zu Jahrgang weitergegeben wurden bzw. in den Ratgebern standen.
Was war denn die richtige Antwort auf diese Frage?

Zu meinen Zeiten genügte eine schriftliche Begründung. Bei der Musterung musste man nach der Untersuchung noch in ein Zimmer mit drei Herren vom Kreiswehrersatzamt. Mich hat man nach einem Blick in die Akte gleich wieder hinausgeschickt mit der Bemerkung: "Sie haben ja verweigert." Ich habe dann Zivi im Pflegeheim gemacht. Nominell habe ich dort als Zivi 1/3 Stelle besetzt, tatsächlich stand ich dann im Dienstplan mit einer vollen Stelle. War halt damals schon Pflegenotstand.
 
Was war denn die richtige Antwort auf diese Frage?

Befragung eines Kriedsdienstverweigerers von Franz Josef Degenhardt schrieb:
Was sagen Sie uns da? Sie wehren sich, weil sie ja in Notwehr sind? Ätsch
Das ist aber falsch, durften sie nicht sagen
Richtig ist die Antwort, nämlich die
Ich werfe meine Waffe fort, und dann bitte ich die Herr'n, mit der Vergewaltigung doch bitte aufzuhör'n
 
Zuletzt bearbeitet:
Was war denn die richtige Antwort auf diese Frage?

Da bin ich der falsche Ansprechpartner, ich kam nie in die Verlegenheit

Wenn ich jetzt darauf antworten müsste (mit 40 Jahren mehr Lebenserfahrung), würde ich den Unterschied zwischen Dienst an der Waffe und töten auf Befehl zu individueller Notwehrsituation verweisen. Und auf die Absurdität einer solchen Frage.

Mein Plan war es mit zwei Fotos von meinem Vater reinzugehen (bzw. 1986 der Begründung beizufügen). Das ein vom 17-jährigen, schneidigen SS-Mann in schwarzer Uniform, dass andere Bild, mein gerade 20 Jahre alter Vater ausgemergelt in einer Gruppe Beinamputierter stehend. Und dann zu fragen, "Brauchen Sie noch mehr Gründe?"
 
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