Dann geh mal ad fontes.
Sieben Monate lang? Auch 1506 brauchte man nicht sieben Monate, um von Burgos nach Granada zu gelangen.
Aber es wird wohl auch schon 1506 vorgekommen sein, dass sich die Dauer einer Reise aufgrund von Hindernissen verzögert hat, dass Reiserouten geändert wurden oder letztlich das Ziel einer Reise.
Offensichtlich gab es für die Reise ursprünglich einen ganz normalen Grund: Philipp sollte in Granada bestattet werden und daher seine Leiche dorthin gebracht werden. Auch dass die Witwe ihrem Ehemann auf dieser Reise das Geleit gibt, ist noch kein Beweis dafür, dass sie wahnsinnig war.
Wenn zuvor das Herz des Toten in die Niederlande geschickt wurde, ist das zumindest ein Hinweis dafür, dass die Leiche geöffnet wurde. Bei dieser Gelegenheit könnte auch die übrigenen Innereien entnommen worden sein, was eine durchaus übliche Vorgehensweise zu dieser Zeit war, wenn die Leiche noch zu ihrer Begräbnisstätte überführt wurde.
Bedenklich wirkt da nur, dass Juana darauf bestanden haben soll, nachts zu reisen. Aber andererseits gibt es auch für nächtliches Reisen plausible Gründe. Gerade bei hohen Temperaturen ist es auch heute noch üblich, das Reisen, wenn möglich, auf die Nacht zu verlegen, wo es etwas kühler ist.
Aber selbst wenn Juana darauf bestand, aus rein persönlichen Gründen, ist Reisen bei Nacht noch kein Beweis dafür, dass jemand geisteskrank ist. (Wenn wir alle Menschen, die den einen oder anderen "Tik" haben, deshalb gleich für geistesgestört erklären, wie viele Normale bleiben da noch übrig?)
Zum Zeitpunkt der Abreise gibt es jedenfalls keinen Grund davon auszugehen, dass Juana tatsächlich schon geistesgestört. Natürlich wäre vorstellbar, dass die Geisteskrankheit erst auf der Reise ausgebrochen ist.
Fakt ist, die Reise führte zuletzt nicht nach Granada.
Die gängige Darstellung ist, dass Juana stattdessen begann, ziellos mit der Leiche in der Gegend herumzureisen. Wenn wir davon ausgehen, dass Juana spätestens zu diesem Zeitpunkt spägeistesgestört war, ist alles recht plausibel.
Räumen wir allerdings die Möglichkeit ein, dass Juana vielleicht etwas eigen oder mental angeschlagen war, aber keineswegs geisteskrank, ist zu überlegen, ob es für das ziellose Herumreisen eine andere Erklärung geben könnte.
Eine mögliche Erklärung:
- Juana musste die Reise auf irgendeinem Grund vorübergehend unterbrechen, und eine Weiterreise wurde durch die Einmischung ihres Vaters verhindert. Das ziellose Herumreisen ist vielleicht nur eine Dazuerfindung.
- Eine weitere Möglichkeit wäre, dass der Eindruck, Juana wäre ziellos herumgereist, dadurch entstand, weil die Reiseroute mehrmals geändert werden musste. Die Gründe dafür, eigentlich plausibel (z. B. Witterungsprobleme, verkehrstechnische Gebrechen ...) wurden allerdings nicht überliefert.
Neben einer absichtlichen "Unterschlagung" dieser Information aufgrund einer parteiischen Überlieferung könnte es auch sein, dass die Historiker/innen Hinweise diesbezüglich bisher übersehen haben. Wenn z. B. ein lokaler Chronist über Unwetter in diesem Zeitraum berichtet, die eine Reiseunterbrechung erklären würden, aber nicht direkt Juanas Reise erwähnt, kann es durchaus sein, dass dieser Zusammenhang noch zu entdecken ist.
Auf jeden Fall bleibt die Frage: wie zuverlässig sind die Quellen?
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Was wäre eigentlich gewesen, wenn Isabella ihre Tochter wegen mentaler Krankheit tatsächlich von der Erbfolge ausgeschlossen hätte? Wer hätte dann geerbt? Wer hätte in diesem Fall Widerstand leisten können? Warum wollte das Isabella nicht? Warum wollte Isabella Juana und somit Philip nicht von der Erbfolge ausschließen?