Mein Problem stellt die Karikatur Walter Schnackenbergs dar.
Die Karikatur trägt den Titel: Anarchie ist Helfer der Reaktion und Hungersnot. Das ist die Karikatur, worauf ein großer Engel, vor einem Anarchsiten abgebildet ist (falls das jmd. kennt?).
Mein Problem ist das Karikaturverständnis, was die Intention ist und warum der Engel in seiner Hand das Blatt Papier mit der Aufschrift "Nationalversammlung festhält".
Ich versuche mal was. Allerdings sagt mir der Name Schnackenberg gar nichts und ich finde den Lebenslauf auf der angegebenen Seite auch etwas arg dünn. Aus mehreren Gründen (dazu gleich mehr) empfehle ich dir, da genauere Informationen zu beschaffen, insbesondere zur politischen Einstellung von Schnackenberg.
Nach der Karikatur würde ich ihn vorsichtig als 'bürgerlich' bezeichnen, eher sogar als Sympathisanten der Nazis. Ein Beleg dafür findet sich direkt in der Karikatur, da Schnackenberg den Begriff 'Reaktion' benutzt, den auch die Nazis verwendeten, um so die konservativen Kräfte zu bezeichnen. Ein weiterer Beleg ergibt sich aus dem Lebenslauf auf der Seite, da dort vermerkt wird, Schnackenbergs sei nach 1933 'unangetastet geblieben'. Daher kann er auf keinen Fall als Gegner des Nazisystems aufgefallen sein.
Schnackenberg setzt bei seiner Karikatur auch ein falsches Bild vom Anarchismus ein, den er offenbar mit Chaos und daher großer Not, inklusive Hunger, gleichsetzt. Ich vermute mal, er sieht die Lage mit dem Begriff 'Anarchie' (gemeint ist jedoch: Chaos) gut beschrieben an - und dafür ist es wichtig, daß du weißt, in welchem Jahr die Karikatur entstanden ist.
Die Darstellung der 'Anarchie' als Engel bzw. junge Frau soll auch etwas aussagen. Das rote Kleid darf wohl so gesehen werden, daß es den politischen Standort 'Links' hervorheben soll (zB rote Fahne).
Andererseits wendet sich die Engelfigur einem als Subproletarier dargestellten Menschen zu (die anderen erkennt man erst gar nicht deutlich, sie sind also eine gesichts/gestaltlose Masse) - man könnte es so sehen, daß der Engel und das, wofür er steht, sich dem Pöbel zuwendet und für diesen attraktiv ist. Die Übernahme der Herrschaft durch den Pöbel stellt für den Zeichner die 'Anarchie' dar.
Der Zettel mit der Aufschrift 'Nationalversammlung' - hmmm, ich vermute dahinter auch eher rechtes Gedankengut - Parlamentarismus und parlamentarische Demokratie wurden ja von den Nazis abgelehnt, das Parlament als arbeitsunfähig gesehen, weil da verschiedene Meinungen vorhanden waren, was es in den Augen der Nazis als nur ineffektiv erscheinen ließ. Der Nationalsozialismus stellte das sogen. Führerprinzip heraus und befürwortete dies als schnelles, wirkungsvolles System, um notwendige Anordnungen umzusetzen (klar, wenn nur von oben nach unten befohlen wird, entfällt jede Diskussion, ob eine Anordnung/ein Gesetz auch sinnvoll ist, da auf den unteren Ebenen als Antwort nur noch "Jau, wird gemacht" erwünscht und möglich ist). Daraus ergibt sich, daß jedes Parlament aus Sicht der Nazis nur als Chaos wahrgenommen werden kann.
Aber aufgrund der in der Weimarer Republik herrschenden Verhältnisse ist es auch möglich, daß von einem bürgerlichen Standpunkt aus kritisiert wird: die Vielzahl kleiner und kleinster Splitterparteien, die nur mehr oder weniger stabilen Koalitionen eine auch nicht immer regierungsfähige Mehrheit erlaubte. -- Von daher ist es sehr wichtig, daß du Schnackenbergs politische Meinung sowie das Entstehungsjahr der Karikatur kennst.