Karthago ohne Chance

hi Ravenik,
Und auch wenn einige römische Könige (der Sage nach allerdings nur der drittletzte und der letzte) Etrusker waren, war die Masse des Volkes das offenkundig nicht, wie man daran erkennen kann, dass die Römer Latinisch sprachen, nicht Etruskisch.
dies ist ein, verzeih, schwaches Argument. Friedrich der Große sprach am Hofe auch französisch. Es geht auch mehr um Technologietransfer, und der ist in der Richtung Etrusker > Römer ausgewiesen.
Die Könige persönlich werden nicht unbedingt große Nautiker gewesen sein, und es fällt auch auf, dass, obwohl Rom der Überlieferung nach schon frühzeitig Zugang zum Meer gehabt haben soll, dieselbe Überlieferung aber fast nichts von frühen römischen Aktivitäten auf dem Meer berichtet.
Könige sind selten Kapitäne oder Schiffsbaumeister. Und vor Rom war Etrurien eine der führenden Seehandelskräfte auf dem Mittelmeer. Um 550 v.Chr. verbündete sich Karthago mit dem etruskischen Städtebund gegen auf aufstrebende Griechenland um der Bedrohung im Hinterhof (Marseille) zu begegnen. Diodorus Siclus notierte: 'sie [die Etrusker] und sie beherrschte lange das Meer, so dass die Gewässer vor Italien von ihnen den Namen Thyrrhenische See erhielten'. Der Rammsporn der Antike wird den Etruskern zugeschrieben (Plinius).
Dann und wann eine Gesandtschaft per Schiff, das war's. Nichts von der Teilnahme an den Seekonflikten zwischen Etruskern, Griechen und Karthagern, stattdessen nur zig Geschichten von endlosen Kriegen gegen diverse Nachbarn zu Land.
Seeschlacht bei Cumae 474 v.Chr. vielleicht, wo die griechische (Syrakus) Flotte die etruskische Flotte schlug?
 
Sprechen nicht die sizilischen Kriege, die schließlich in den ersten römisch-punischen Krieg führten, eine andere Sprache?

Die Punier waren stets diejenigen, die auf Aggressionen von Syrakus und anderen Griechenstädten reagierten. An einer Ausweitung ihres Machtbereichs im westlichen Winkel Siziliens hatten sie kein Interesse und auch an keinen kriegerischen Verwicklungen, die nur den friedlichen Handel störten. Das Aggressionspotenzial befand sich also eindeutig auf griechischer Seite. Kam das zum Ausbruch, griff allerdings Karthago mit militärischen Mitteln - Flotte und Truppen - ein.

Ist es nicht gerade so, dass Karthago schon hier und schon vor dem ersten punischen Krieg einen Paradigmenwechsel vollzog von einer Handelspostenpolitik zu einer Eroberung von Territorien? Spätestens aber mit dem Verlust von Sizilien, Korsika und Sardinien - also Territorien - vollzog sich mit der Eroberung der spanischen Mittelmeerküste und ihres Hinterlandes und der Deklassierung der punischen Kolonien dort zu karthagischen Stützpunkten als eine echte Territorialpolitik.

Der Weg zur Territorialpolitik vollzog sich - wie ich oben beschrieben habe - erst im Vorfeld des 2. Punischen Kriegs. Der verlorene 1. Punische Krieg zog erstmalig die Besetzung eines großen Territoriums nach sich, wobei festzustellen ist, dass die Barkiden das quasi im Alleingang vollzogen und die Staatsführung damit zunächst nicht unbedingt glücklich war.

Exkurs: Hier ist nun mehrfach - sicher ohne dass das intendiert war - etwas von den Volkscharakteren der Römer und der Punier in die Diskussion eingeflossen. Die Römer als ein an die Scholle gebundenes Bauernvolk, die Karthager als Handelsnation. Dies kann man natürlich auch in der Literatur, vor allem in der älteren Literatur immer wieder so nachlesen und das hat Spuren in unseren Köpfen hinterlassen. Dennoch sollte man damit vorsichtig umgehen, denn letztendlich steckt da nichts anderes hinter als der im 19. Jahrhundert populär gewordene angebliche Gegensatz zwischen den semitischen Handelsnationen, die sich hinter angeworbenen Söldnern versteckten und den ehrlichen arischen Völkern, die ihre Scholle, wenn sie diese denn verteidigen mussten, selbst verteidigten. Sprich: Diese Charakterzuschreibungen von Römern und Karthagern stammen aus dem 19. Jahrhundert und sind mit einer ordentlichen Prise Zeitgeist gewürzt, der sich durch die römischen Quellen bestätigt empfand, und zu diesem Zeitgeist gehört eben auch der aufkommende Rassenantisemitismus. Umso kritischer sollten wir heute, im 21. Jhdt. mit diesen Charakterzuschreibungen umgehen.

Die negativen Charakterbeschreibungen der Phönizier und später der Punier finden sich bereits bei einer ganzen Reihe griechischer und römischer Autoren, nachzulesen in dem von mir im ersten Beitrag dieses Threads zitierten Werk (leider finde ich moment die Quellenzitate nicht mehr). Die Kriegspropaganda der Römer zu Hannibal lautete, er hätte die typisch karthagischen Eigenschaften Habgier und Herrschsucht und sei moralisch durch und durch verderbt. Dieses negative Bild teilten auch die Griechen, von denen Homer in der "Odyssee" sagt, sie seien insgesamt gewinnsüchtige Betrüger und Halunken. Reisende Helden: Die Anfänge der griechischen Kultur im Homerischen Zeitalter - Robin Lane Fox - Google Books

Phönizier und Punier waren im Mittelmeer verschrien als gewinnsüchtig, hart, betrügerisch und verschlagen, was sich auch im Alten Testament wiederfinden soll.

Das so entschieden negative Bild, das die Karthager bei ihren römischen Nachbarn hervorriefen, teilten sie im übrigen mit ihren Ahnen und Stammesbrüdern, den Phöniziern im Ostmittelmeerraum, in deren Verhältnis zu den Griechen. Aufschlussreich ist der Vergleich mit der verächtlichen Charakterisierung der schon früh im ersten Jahrtausend v. Chr. im Mittelmeerraum aktiven und bekannten phönizischen Kufleute in der "Odyssee" Homers, wo diese als gewinnsüchtige Betrüger und ausdrücklich als Halunken beschrieben werden (14, 288-291; 15,415-422).

Jedenfalls ist festzuhalten, dass die europäischen Nachbarn gleichermaßen die phönizische wie die karthagisch-punische Kultur eher verabscheuten und als feindlich, mindestens aber als durch und durch fremd begriffen haben. Kein Wunder also, dass die Nachrichten über Phönizier und Punier, die sich in der griechischenn und lateinischen Überlieferung finden lassen ... oft genug die tatsächlichen Verhältnisse verzerren. Dies gilt übrigens auch für die Geschichtsbücher im Alten Testament.

(Hans Georg Niemyer, Mythos und Geschichte, Orient und Okzident, in: Hannibal ad portas, Stuttgart 2004, S. 39 f.)

Als sicher kann gelten, dass die Phönizier gleichermaßen wie ihre Nachfahren, die Punier, eine äußerst schlechte Presse bei den Anrainern des Mittelmeers hatten. Warum, das ist erklärlich:

Die Griechen waren auf die Phözier schlecht zu sprechen, weil sie sich seit etwa 800 v. Chr. in einem Konkurrenzkampf mit ihnen befanden. Beide Völker standen in der Phase der Kolonisation und gründeten Pflanzstädte an den Küsten des Mittelmeers. Dabei kamen sie sich oft ins Gehege. Diese Auseinandesetzung setzte sich fort im Gegensatz der Griechen und Karthager auf Sizilien. Somit wünschten die griechischen Geschichtsschreiber den Karthagern alles erdenklich schlechte.

Die Römer waren aus bekannten Gründen schlecht auf die Karthager zu sprechen, doch beginnt dieser Gegensatz erst mit dem 1. Punischen Krieg. Aus den Jahrhunderten zuvor sind Verträge mit den Puniern bekannt, die von freundlicher Koexistenz geprägt sind.

Vollends als grausam und hartherzig verscrien waren die Karthager durch den angeblichen Brauch, kleine Kinder und Säuglinge den Göttern Karthagos zu opfern und in der tat haben Archäologen in den Tophets zahlreiche Überreste solcher Kindesopfer in Urnen gefunden. Allerdings behaupten einige Forscher, bei diesen Kindern würde es sich um Totgeburten und verstorbene Kinder handeln - das ganze ist also umstritten.
 
Hmhm, so umstritten ist das mit den Kinderopfern nicht mehr – nur noch toughe Apologeten streiten das unumwunden ab. Ganz sicher gab es aber keine "Opfermaschine" und Orgien, wie Flaubert sie von C. Dio und D. Siculus übernahm.

Im ersten punischen Krieg scheiterten die Karthager sichtlich deshalb, weil sie diesen Krieg selber nicht verstanden: sie fochten ihn üblicherweise gegen andere Stadtstaaten, meistens bis zum bestmöglichen Friedensvertrag, in den seltensten Fällen bis zur Eroberung einer Stadt (die nicht auf ihrem Anspruchsgebiet lag). Das raumgreifende römische Konzept war ihnen schlicht fremd. Zum anderen kann man die Kriegszüge der Karthager oft als "Franchises" betrachten: Unternehmergeneräle mit bestimmten staatlichen Mitteln rüsteten Heere aus und versuchten damit ihre Ziele zu erreichen. Oft genug liest man bei einem Feldzug, dass er daran scheiterte, dass kein Nachschub erfolgte: ein karthagischer Krieg durfte sein Budget nicht überschreiten (und meistens einigte man sich ja irgendwie). Hamilkar Barkas war der erste, der den römischen Gegenspieler "begriff" und der mit seiner spanischen Unternehmung anschließend Territorium erwarb, das Rom auf Augenhöhe zu begegnen ermöglichte. Die Karthager begannen, Verbündete zu umwerben anstatt Söldner zu kaufen, und machten sich mit dem für sie fremden Vewalten von Flächen vertraut. Die Römer waren ihnen aber da bereits meilenweit voraus und die sonst sehr technisch-fortschrittlichen Karthager diesbezüglich schwer beweglich.

Der zweite punische Krieg wurde von den Römern nur um Haaresbreite nicht verloren.

Beim dritten ist es dann ganz eindeutig die erdrückende Übermacht der römischen Ressourcen.

Zusammenfassend: meiner Meinung nach hätte Karthago Rom besiegen können, vielleicht sogar im ersten punischen Krieg. Aber wie alle historischen Fakten bestehen auch die punischen Kriege aus 100% ist und 0% hätte.
 
Nun Kinder schlachten, die Alten ermorden un d was es sonst noch gibt sind ja allgemein übliche Behauptungen über fremde Völker, deren Besitz man gerne hätte...
Nun ist Karthago ja eine Kolonie der Seestadt Tyros, nicht unbedingt eine mit Landwirtschaft gesegneten Stadt. Auch wenn Karthago mit mehr Fruchtabarem Land gesegnet war, ohne Handel und Veredelungswirtschaft war die wohl nicht lebensfähig.

Griechen und (auch Römer) hingegen wollten nun mal im Falle eines Bevölkerungsüberschusses fruchtbares Land zum selbst bewirtschaften. ( lassen).

Das das knallt , dürfte klar sein, denn wer läßt schon gerne zu, das die Leute, die einen Ernähren und einem die eigenen Erzeugnisse abkaufen, ohne ihre Erwerbsquellen sind? Und die Nahrungsmittel nicht einem selbst, sondern dem entsprechenden Mutterland zu fließen? Die Barkiden erschließen also in Spanien neue Quellen,(nach dem mit Sizilien , Korsika etc kein Geschäft mehr zu machen war) die auch die Römer gerne hätten. Das interessiert aber die anderen Handelsherren erst ein mal wenig, denn verglichen mit Persien und Ägypten sind die Römern und die griechischen Kolonien ja eigentlich kaum der Rede wert. Vielleicht etwas lästig mit der Zeit...
Mit den griechischen Kolonien hat man sich dann ja auch "geeinigt". Problematisch wird das doch erst für die Barkiden, als die italischen Stämme und die "zwangsverbündten " Etrusker, anfingen, selber Nahrungsmittel gegen Fertigwaren und Stahl zu tauschen. Ohne die Karthager ... Und dann eben der erstarkende Einfluß im nördlichen und westlichen Mittelmeer. Und das eben auch noch als "zentraler Territorialstaat".

Als Handels und Seemacht ist schlecht gegen so etwas ankommen, da eben immer auch Landungsunternehmen fällig sind. Die entweder aus dem Land oder von See her versorgt werden müssen. Es gibt zwar unheimlich große Resourcen für Karthago, aber auch unheimlich lange Wege. Die Römer und Griechen hingegen standen "mit dem Rücken zum eigenen Acker". Deswegen hatte Karthago eigentlich keine Chance, diese Kriege militärisch zu gewinnen. Und die wollten eben am Ende das fruchtbare Nordafrika.
 
Die Barkiden erschließen also in Spanien neue Quellen,(nach dem mit Sizilien , Korsika etc kein Geschäft mehr zu machen war) die auch die Römer gerne hätten.

In Spanien ging es um die reichen Erz- und Silberminen, nicht aber um Nahrungsquellen.
Geschäfte machten die Karthager im gesamten Mittelmeerraum, also auch mit Seleukiden, Ägyptern, Illyrern, Ligurern, Kelten, Syrern und natürlich mit Römern und Griechen.

Mit den griechischen Kolonien hat man sich dann ja auch "geeinigt". Problematisch wird das doch erst für die Barkiden, als die italischen Stämme und die "zwangsverbündten " Etrusker, anfingen, selber Nahrungsmittel gegen Fertigwaren und Stahl zu tauschen. Ohne die Karthager ... Und dann eben der erstarkende Einfluß im nördlichen und westlichen Mittelmeer. Und das eben auch noch als "zentraler Territorialstaat".

Die Karthager haben selbstverständlich nicht nur mit Nahrungsmitteln wie Öl, Wein, Fisch oder Oliven gehandelt. Den meisten Ertrag lieferten Luxus- und Gebrauchsartikel wie Keramikgeschirr, Vasen, Amphoren, Amulette, luxuriöses Mobiliar, Holzwaren, Gläser usw. Diese Artikel produzierten die Karthager teilweise auch als Massenware in Manufakturen, wobei sie vielfach griechische Kunst imitierten.

Die Römer und Griechen hingegen standen "mit dem Rücken zum eigenen Acker". Deswegen hatte Karthago eigentlich keine Chance, diese Kriege militärisch zu gewinnen. Und die wollten eben am Ende das fruchtbare Nordafrika.

Die Punischen Kriege waren primär keine Handelskriege, sondern Kriege um territorialen Einfluss. Es ging als zunächst um Machtpolitik.
Was die Griechen betrifft, so war der Makedonenkönig Philipp V. mit Karthago verbündet.
 
Dieter , ich glaube , Du hast mich nicht ganz richtig verstanden.
Um Rohstoffe und Nahrungsmittel für die eigene Stadt zu bekommem, kann mans machen wie die Römer, Land erobern und ausbeuten durch "innerstaatlichen Handel", oder wie die Karthager, gegen Fertigwaren von überall her eintauschen.
Für die letzte Variante braucht man zahlungskräftige Kunden und deren Nachfrage. Und das haben "die Römer " im nordwestlichen Mittelmeer unterbunden. Jetzt nicht mit Absicht, nur durch die Art der Verwaltung und des Lebensstils.
 
Für die letzte Variante braucht man zahlungskräftige Kunden und deren Nachfrage. Und das haben "die Römer " im nordwestlichen Mittelmeer unterbunden. J

Wie schon gesagt, handelten die Karthager im gesamten Mittelmerraum. Eine Unterbrechung des Handels mit Korsika, Sardinien und Italien hätte sie nicht in die Knie gezwungen. Viel stärker traf die Karthager der Verlust nahezu der gesamten Kriegsflotte im 1. Punischen Krieg, was sie dazu zwang, im 2. Punischen Krieg einen reinen Landkrieg zu führen.
 
Die Karthager traf der Verlust vielleicht nicht, aber die Barkiden, weswegen die einen Landkrieg führten
 
Die Karthager traf der Verlust vielleicht nicht, aber die Barkiden, weswegen die einen Landkrieg führten

Den zweiten Punischen Krieg haben nicht die Barkiden geführt, sondern der kartgaische Staat. Dass sich der Barkide Hannibal dabei auszeichnete, ist sein persönlicher Verdienst
 
Karthagos Verhältnis zu seinem Hinterland

Meine erste Aussage war wohl zuwenig differenziert, dann also etwas ausführlicher.
Die Küstenstädte phönizischer Heerkunft befanden sich in einer Art Handels und Schutzbeziehung zu Karthago, für Schutz leisteten sie Abgaben, viele hatten wohl auch ein gutes Verhältnis zu Karthago.
Anders als Rom war Karthagos Hinterland in Nordafrika immer anfällig für Invasoren.
Agathokles von Syrakus schaffte es noch vor den Pyrrhuskriegen sich eine Machtbasis im Hinterland Karthagos zu erobern, vor allem durch die Unterstützung unzufriedener Bewohner.
Bei Ausbruch des Söldnerkrieges rief der Söldnerführer Mathos zu einem Freiheitskampf gegen Karthago auf. Ab jetzt zitiere ich Huss, die Karthager S 184:
Die Verwendung der Freiheitsparole war nur deswegen möglich, weil sich weite Teile Lybiens von Karthago ausgebeutet fühlten... (Mit Lybien ist das karthagische Hinterland nicht der heutige Staat gemeint)....Die Stimmung im Lande war insbesondere deswegen weithin antikarthagisch, weil die Karthager während des letzten Krieges auf die Resourcen Libyens zurückgegriffen hatten. Sie hatten nicht nur den Tribut der Städte verdoppelt, sondern auch die Hälfte der Feldfrüchte eingefordert.
Wäre Hannibal auf eine derartige Stimmung in Italien getroffen, wäre es mit dem römischen Bündnissystem schon nach der Schlacht am Trasimerischen See vorbei gewesen.

Die Barkiden in Spanien waren wohl geschickter als ihre Mutterstadt, die Spanier an sich zu binden. Deren Herrschafft existierte aber nur kurz und war noch nicht gefestigt. Als Scipio Afrikanus die Geiseln der spanischen Stämme durch die Einnahme von Neu Karthago in seine Hand bekam, war die Loyalität der meisten spanischen Stämme zu den Barkiden beendet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Den zweiten Punischen Krieg haben nicht die Barkiden geführt, sondern der kartgaische Staat. Dass sich der Barkide Hannibal dabei auszeichnete, ist sein persönlicher Verdienst

Die Barkiden und ihr Anhang dürften ganz wesentliche Träger des Krieges gewesen sein. Der karthagische Staat hat Hannibal doch zu keiner Zeit in dem Umfange unterstützt, wie es geboten gewesen wäre. Die karthagischen Politiker hatten noch nicht so recht begriffen, auf was sie sich für eine Auseinandersetzung eingelassen hatten.
 
Die Barkiden und ihr Anhang dürften ganz wesentliche Träger des Krieges gewesen sein. Der karthagische Staat hat Hannibal doch zu keiner Zeit in dem Umfange unterstützt, wie es geboten gewesen wäre. Die karthagischen Politiker hatten noch nicht so recht begriffen, auf was sie sich für eine Auseinandersetzung eingelassen hatten.

Auch dass unterschreibe ich.
Dazu muß man wohl anmerken, dass es in Karthago zwei "Parteien" gab, einerseits die "Alten" und die "Neuen". Ich beziehe mich hier wiederum auf Huss.
Die Neuen wurden später zu den Barkiden, Exponent war Hannibals Vater Hamilkar, während die Alten von "Hanno dem Großen" angeführt wurden. Letzterer verdiente seinen Beinahmen in einem Krieg im Süden Lybiens gegen dort ansässige Stämme und Völker. Karthagos Machtbereich wurde erheblich erweitert und Beute gemacht. Klar ist aber auch, dass dieser Krieg Teile der Lybier gegen Karthago aufbrachte, so dass sich diese später im Söldnerkrieg gegen Karthago stellten.
Interessant ist, dass dieser Krieg geführt wurde, während Hamilkar im Kampf um Sizilien stand, nachdem die Flotte Roms restlos vernichtet worden war. Anstatt jetzt alles daran zu setzen, Rom entscheidend zu schlagen, führt man diesen Krieg im Hinterland.
Das nur als Beispiel wie weit diese Fehleinschätzung seitens der Alten auch im ersten punischen Krieg ging. Die Rivalität zwischen den Parteien und deren Anführern ist so groß, dass man der Gegenpartei vielleicht entscheidende Mittel gegen den Hauptfeind Karthagos vorenthält. Geschichte wiederholt sich!
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Barkiden und ihr Anhang dürften ganz wesentliche Träger des Krieges gewesen sein. Der karthagische Staat hat Hannibal doch zu keiner Zeit in dem Umfange unterstützt, wie es geboten gewesen wäre. Die karthagischen Politiker hatten noch nicht so recht begriffen, auf was sie sich für eine Auseinandersetzung eingelassen hatten.
Ich denke eher, dass sie es allzu gut begriffen hatten - und wussten, dass sie nur verlieren konnten. Entweder Hannibal würde verlieren - dann wäre auch das Schicksal Karthagos so gut wie besiegelt. Oder er würde gewinnen - dann würde er als strahlender Sieger heimkehren, dem das Volk zujubeln würde, noch mächtiger als es die Barkiden dank Spanien ohnehin schon waren, und es stünde ihm dann frei, die herrschende Oligarchie zu beseitigen. So oder so, während des Krieges wäre der Handel auf jeden Fall arg beeinträchtigt und Karthago finanziell arg belastet.

Man darf nicht vergessen, dass Hannibal den Krieg auf eigene Faust in die Wege geleitet hatte, ohne Rücksprache mit Karthago. Die Oligarchen versuchten zunächst auch ein bisschen, Hannibal als Alleingänger hinzustellen, wohl um im Falle seines raschen Scheiterns sich den Römern gegenüber damit rechtfertigen zu können, dass sie für seine Tat nichts konnten, in der vagen Hoffnung, dass Karthago dann nicht allzu hart bestraft würde.

Später, als keine Hoffnung mehr bestand, schnell und unbeschadet aus Hannibals Krieg herauszukommen, setzte man in Karthago primär auf die Sicherung Spaniens, das wegen seiner Bodenschätze und als Söldnerreservoir für Karthago wichtig war. Wir haben schon in einem anderen Thread diskutiert, ob es überhaupt sinnvoll gewesen wäre, noch mehr Truppen nach Italien zu schicken.
 
Wenn sie es begriffen haben sollten, dann hätten sie sich ihr Engagement in Sizilien schenken sollen. Der Krieg musste in Italien gewonnen werden, das war Hannibal vollkommen klar, das nach Hasdrubals Niederlage zum Nebenkriegsschauplatz verkam. Ich bezweifle, dass das auch dem Rat der Karthager wirklich klar wurde, denn ansonsten hätte man die knappen Kräfte nicht zersplittert.
 
Ich glaube, es ging eher darum, die römischen Kräfte zu zersplittern, indem man sie an möglichst vielen Schauplätzen beschäftigte. Außerdem waren Sizilien und Sardinien für Rom als Getreidelieferanten wichtig, zumal jetzt, wo große Teile Italiens aufständisch oder verwüstet waren. Primär versuchten die Karthager außerdem, auf den beiden Inseln einheimische Aufstände anzuzetteln bzw. Syrakus gegen Rom zu instrumentalisieren. Der Einsatz karthagischer Truppen war eigentlich nur eine Unterstützungsmaßnahme.

In Italien war, da Rom nicht zum Frieden bereit war, dem Hannibal aber auch keine große Schlacht mehr lieferte, ohnehin nicht mehr viel auszurichten. Karthago konnte eigentlich nur noch versuchen, Rom möglichst zu zermürben und auszubluten, dabei aber darauf zu achten, dass ihm nicht seine eigenen Machtgrundlagen (also Spanien und nach dessen allfälligem Verlust und der dann zu erwartenden Invasion Afrika) verloren gingen.
 
1) Dass die Alten Angst vor einem zu mächtigen Hannibal hatten, mag in der Tat ein wesentliches Motiv gewesen sein, Hannibal weitere Truppen UND die dafür notwendige Versorgung zu versagen.
2) Dass weitere Truppen in Italien nicht versorgt werden können, stimmt nicht. Anders als heute war das Hinterland Karthagos damals sehr fruchtbar und hatte massiven Nahrungsüberschuss. Bis zum Ende der Kaiserzeit war die spätere Provinz Afrika Kornkammer Roms. Es war selbst deutlich überlegenen Flotten damals nicht möglich dauerhafte Blockaden durchzuziehen. Immer wieder kamen gegnerische Verbände durch.
Wer eine Armee nach Sardinien und deren Versorung nach Sardinien schaffen kann (215), der kann auch Versorgung nach Italien schaffen. Ich könnte hier noch mehr Beispiele aus dem 2. punischen Krieg für Flottenoperationen Karthagos mit erheblicher Tranportkapaziät nennen.

Die Behauptung dass Hannibal den Krieg auf eigene Faust in die Wege geleitet hätte, ist zwar in den Quellen so überliefert, aber fast alle modernen Historiker die ich kenne, halten das für römische Siegergeschichtsschreibung. Ich nenne Huss, Barcelo, Dodge, Seibert, Du Beer.
Vielmehr ist es zutreffend, dass Rom alle 3 punischen Kriege verursacht und verschuldet hat.
Rom hat niemals die Interessensphären anderer Grossmächte als gleichrangig zu den eigenen betrachtet und respektiert. Eine Ausnahme war wohl, als Rom 225 in den Gallierkrieg verwickelt war. Da war man gerne bereit die Interessen Karthagos in Spanien zu respektieren, damit sich Hasdrubal der Schöne (Schwiegersohn Hamilkars) aus diesem Krieg heraushält.
Wenn Hannibal akzeptiert hätte, dass Sagunt sich auf Rom bezieht, und es in Folge dessen ungeschoren bleibt, dann hätten andere Spanischen Städte oder Stämme das gleiche tun können, was dann Karthagos Macht in Spanien langsam zerbröckelt hätte.

Wenn Hannibal die Karthagische Macht in Spanien erhalten wollte, was ja laut Ravenik auch die "Alten" wollten, dann mußte er Sagunt angreifen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielleicht klärt sich das an Deinem Begriff "Schlachtschiff". Die 700 von Octavian um 30/25 BC werden mit rd. 200 auf Triremen geschätzt, eine geringere Zahl größerer Schiffe (alles zusammen "Capital Ships" in der angelsächsischen Literatur) und als Rest dann ca. 400-450 kleinere Kriegsschiffe unterhalb der Triremen. Viereck geht dann bei den Zahlen des Kaiserreiches bis 1000 hoch.
Du hast Recht, ich habe mich mit Schlachtschiffe etwas missverständlich ausgedrückt. Gemeint sind große Kriegsschiffe von Trireme aufwärts. Im Kaiserreich verringerte sich die Anzahl dieser Einheiten zugunsten kleinerer, wendigerer, für den Polizeidienst geeigneter Liburnen. Große "Schlachtschiffe" waren nach der Befriedung des Mittelmeeres überflüssig geworden und dienten nur noch als Flaggschiffe und Transporter. Es gab natürlich eine viel größere Anzahl kleinerer Kriegsschiffe, 1000 halte ich mit den ganzen Provinzial-und Flussflotten für völlig realistisch.Quadriremen, Quinqueremen und Hexeren gehörten wohl ab dem 2. nachchristlichen Jh. der Vergangenheit an. Seit Konstantin gab es nur noch einreihig geruderte, max. 32 Meter lange Schiffe, Dreißig-und Dünfzigruderer. Wobei hier die Gesamtzahl der Riemen gemeint ist (bei einer Pentekonteris 25 Riemen pro Seite, bei der Triakonteris 15).
 
Zuletzt bearbeitet:
Man darf nicht vergessen, dass Hannibal den Krieg auf eigene Faust in die Wege geleitet hatte, ohne Rücksprache mit Karthago. Die Oligarchen versuchten zunächst auch ein bisschen, Hannibal als Alleingänger hinzustellen, wohl um im Falle seines raschen Scheiterns sich den Römern gegenüber damit rechtfertigen zu können, dass sie für seine Tat nichts konnten, in der vagen Hoffnung, dass Karthago dann nicht allzu hart bestraft würde.

Wobei das ja schon fast einer Bewertung gleichkommt, die Kriegsschuldfrage bei Hannibal zu suchen. Den casus belli sahen die Römer aber durch den Überfall auf Saguntum gegeben, was nach dem Ebro-Vertrag im barkidischen Einflussbereich lag. Damit waren es die Römer, die den Vertrag brachen, indem sie sich zur Schutzmacht der iberischen Festung aufschwangen. (Ich weiß natürlich um Appian, und dem, was Barceló daraus macht). www.geschichtsforum.de/f28/kriegsschuldfrage-zum-zweiten-punischen-krieg-228/
 
Um die Kriegsschuldfrage geht es mir gar nicht, zumindest nicht in einem juristischen oder moralischen Sinn. Hannibal griff Saguntum an, und die Römer schickten an ihn eine Gesandtschaft, die ihn auffordern sollte, die Stadt in Ruhe zu lassen. Hannibal ließ sie abblitzen. Spätestens jetzt musste ihm klar sein, dass die Römer den Angriff auf Saguntum eventuell für eine militärische Reaktion nutzen würden, und er nahm das offensichtlich in Kauf. Somit ist es letztlich egal, ob er das "Recht" hatte, Saguntum anzugreifen, oder ob die Römer das Recht hatten, sich da einzumischen. Hannibal nahm den Krieg in Kauf - und das eigenmächtig, ohne Rücksprache mit der Regierung Karthagos.
 
In Italien war, da Rom nicht zum Frieden bereit war, dem Hannibal aber auch keine große Schlacht mehr lieferte, ohnehin nicht mehr viel auszurichten.
Richtig ist dass Roms Cunctator Taktik nach Cannae die römische Militärdroktrin wurde. Das bedeutet aber keineswegs, dass man sich immer einer Feldschlacht entziehen konnte, bzw. dass alle römischen Kommandanten dieser Strategie bedingslos folgten.
Auch nach Cannae kam es in Italien noch zu etlichen Feldschlachten gegen Hannibal. Einige davon waren Belagerungen oder Sturmangriffe auf Städte. Die flogende Liste habe ich einfach mal aus Wikipedia kopiert:
Nola INola II – – Nola IIIBeneventum ITarentum ICapua IBeneventum IISilarusHerdonia I – – Capua IIHerdonia IINumistroAsculumTarentum IIGrumentumMetaurusCrotona

Einige davon waren desaströs, Herdonia I und II für Rom, Metaurus für Hannibals Bruder Hasdrubal.
Dass man in Italien nicht viel ausrichten konnte, halte ich für nicht zutreffend. Nur hier wäre eine Entscheidung zugunsten Karthagos möglich gewesen.
Hannibals Spielraum war nach Cannae eingeschränkt. Er mußte sich aus dem Land versorgen, konnte also nicht über einen monatelangen Zeitraum an einem Ort bleiben um eine längere systematische Belagerung durchzuführen. Mit zusätzlicher Versorgung und mehr Truppen wäre ihm diese Option wieder eröffnet worden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben