Kataphrakt oder Ritter - Lamellen- oder Kettenpanzer ?

Stimmt, da hast du recht.
Als Fazit kann man wohl sagen, dass das Kettenhemd aus wirtschaftlichen Blickwinkel heraus betrachtet nicht überlegen war, aber sein praktischer Nutzen größer als der des Schuppenpanzers war und es sich so im Rittertum und später auch in anderen Militärkulturen durchsetzte.
 
Das Kettenhemd hatte sich bereits lange vor dem Rittertum durchgesetzt ;) zumal die Römer es vermutlich bereits von den Kelten im 4. Jhdt.vor Christus übernahmen.
 
Beispiel Römer:
die Vorzüge und Nachteile der unterschiedlichen Rüstungstypen sind am Beispiel der Römer recht gut untersucht worden.
Die lorica segmentata (der Schienenpanzer), mit dem die Legionäre oft assoziiert werden, bot hervorragenden Schutz, war relativ einfach herzustellen und blieb nur 200 Jahre in Gebrauch. Sie kam auf, nachdem in der Schlacht im Teutoburger Wald (oder Kalkriese) 9 n. Chr. drei römische Legionen verloren waren. Schnelle Neuaufstellungen mussten her und in dem Zusammenhang wurde die lorica segmentata eingeführt, angeblich (das wird aber oft bezweifelt) standen Gladiatorenrüstungen Pate.
Die Umrüstung dauerte Jahrzehnte, zuerst wurden die Legionen im Westen des Imperiums (darunter die drei Neuauftsellungen) mit der lorica segmentata ausgerüstet. In der Schlacht von Cremona (69 n. Chr.) kämpfte die Lergio VII Galbiana (für den Thronanwärter Vespasian) gegen die Legio XXII, die zu Kaiser Vitellius hielt. Die Legio VII hatte die lorica segmentata, die Legio XXII die lorica hamata (den Ringelpanzer bzw. das Kettenhemd). Bei verschiedenen Infanterieauxiliareinheiten blieb die lorica hamata auch später in Gebrauch, verschiedenen militärische Sonderfunktionen behielten sie ebenfalls. Der Vorteil (auch gegenüber der lorica squamata, dem Schuppenpanzer) lag einfach darin, dass kaum Pflege betrieben werden mußte. Es gab keine verbindenden Elemente aus Stoff oder Leder, die gepflegt, trockengehalten oder repariert oder gar ersetzt werden mußten. Ein Kettenhemd kann eigentlich lange Zeit am Mann getragen werden, durch die Bewegung reibt sich Flugrost sogar selbst ab. Andererseits lassen sich Kettenhemden schnell anlegen, schneller jedenfalls als Schuppenpanzer oder Schienenpanzer.
Die Pflege, die den Stoff- oder Lederschnürungen anderer Rüstungstypen zuteil werden musste, sollten sie nicht unbrauchbar werden, konnte man wohl von einem Legionär erwarten, von Auxiliaren eher nicht. Daher überstand die lorica segmentata die "Barbarisierung" der römischen Armee nicht.
Vgl. Graham Sumner: Die römische Armee, Stuttgart 1987.
Ein Umstand verdient aber noch Beachtung, der bislang auch vielen Reenactors entgangen ist: steckt in einem Kettenhemd ein Pfeil, war das Ausziehen des Kettenhemdes notwendig, um die Wunde zu behandeln, gleichzeitig mit großen Schmerzen verbunden, wie man sich leicht vorstellen kann.
Eine Renaissance erlebten die Kettenhemden in Nordamerika: englisch, holländische, farnzösische und schwedische Siedler rüsteten sich in großer Zahl damit aus, um sich gegen die Pfeile der Indianer zu schützen. Bei den spanischen Truppen in Mexiko waren sie lange Zeit verbreitet (nachdem sie in Europa längst obsolet waren), vereinzelte Exemplare gelangten in die Hände von Pawnees und Sioux und wurden weiterhin für den Kampfeinsatz genutzt.
Die von den Eskimos von den grönländischen Wikingern erbeuteten Kettenhemden wurden hingegen als Kuriosa betrachtet und weitergegeben (bis hin zu den Polareskimos) und überdauerten nur in Fragmenten die Zeiten.
 
Die Annahme die Segmentata sei als Resultat der Verluste an Kettenhemden durch die Schlacht im Teutoburger Wald eingeführt worden ist bereits seit mehreren Jahren überholt. Hierdurch wird die Leistungsfähigkeit der römischen Wirtschaft unterschätzt. Auch ist sie schon auf den Schlachtfeldern von Kalkriese nachgewiesen (zumindest in frühen Formen, was dafür sprechen würde, dass sie auch bereits vorher im Einsatz war.)

Sie dürfte zwar durchaus einfacher herzustellen sein, aber der Fakt, dass sie sich scheinbar nie komplett gegen die Hamata durchgesetzt hat, und das archäologische Funde in Kastellen u.ä. Unmengen an Verschlussteilen aufweisen, zum Einen als Ersatzteile, zum Anderen zerstörte weisen auf großen Verschleiß an den Belastungsstellen hin.

Aus welchen Quellen nimmst du das Wissen, dass die neuen Legionen komplett mit der Segmentata ausgerüstet wurden? Archäologisch und Schriftquellentechnisch dürfte diese These nicht zu beweisen sein

Auch die von dir angesprochene Barbarisierungd er römischen Armee ist in den letzten Jahren stark diskutiert worden und diese Ansicht eher veraltet.

Was von Inuit erbeutete Kettenhemden angeht.. hier hätte ich gerne archäologische Belege, denn Schriftquellen habe ich für diesen Zusammenhang noch nicht gefunden.

Als Ergänzung zu dem von dir zitierten, meiner Meinung nach veralteten Werk empfehle ich dir: Lorica Segmentata Vol. I -A Handbook of Articulated Plate Armour (M.C. Bishop) sowie Arms and Armour of the Imperial Roman Soldier (Sumner), teilweise fragwürdig aber brauchbare Bilder.
 
Hatte mich bei der Quellenangabe vertan: es muss heißen "Stuttgart 2007".
Aber das nur am Rande.
Die Quelle zu den Funden von Kettenhemdfragmenten:
Herman Schöppl v. Sonnwalden: Die Kriegführung der Eskimo und der Aleuten,Wyk 1988,
und:
Harald Steinert: Tausend Jahre neue Welt, Stuttgart 1982,
und:
Die Kriegführung der Eskimo und der Untergang der Grönlandwikinger, in: Pallasch , Zeitschrift für Militärgeschichte, Heft 30 (Jahrgang 2009).
Übrigens war der Begriff Inuit die Selbstbezeichnung der kanadischen Eskimo, bis 1977 Vertreter verschiedener Eskimo-Gruppen auf einer Konferenz in Barrow beschlossen, ihn als Sammelbezeichnung zu verwenden. Allerdnigs zogen da die Grönland-Eskimo, die größte Gruppe immerhin, nicht mit.
 
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