Nebenbei: Die Darstellung in dem Aufruf zu Löwen ist bereits falsch. Siehe die Untersuchung von Schöller, Der Fall Löwen und das Weissbuch, den ich schon mal zitiert habe.
Der Aufruf diente der Propaganda und enthielt viele Falschdarstellungen. Im neutralen Ausland wirkte er verheerend. Wenn sich schon die deutsche Intelligenz so einhellig hinter den deutschen Militarismus stellte, wie sah es da erst beim einfachen Volk aus? - Der "Aufruf der 93" ist ein Beispiel dafür, wie Propaganda (über Völkerrechtsbrüche) nach hinten los gehen kann.
silesia schrieb:
Pohl.
"Es wäre ratsam gewesen, an dem durchschlagenden Notstands-Argument festzuhalten und auf andere Rechtfertigungsversuche zu verzichten. ...
Man muss in der tat fragen: aus welchem Grunde schloß Belgien für den Fall einer englischen Landung nicht auch ein Abkommen mit der deutschen Generalstab? Jedenfalls wäre eine gleiche Behandlung aller Vertragsmächte loyal gewesen. Ein direkter Rechtsbruch läßt sich der belgischen Regierung in diesem Punkte vielkeicht nicht nachweisen; sie hat nur zugelassen, dass ihre Militärs zeitweise in recht bedenklicher Weise mit dem Feuer spielten."
Nun ja, das Notstandsargument ist ja keins. Nur weil D mit F Krieg führen will, ergibt sich daraus kein Recht durch B nach F zu ziehen, zumal sich D hinsichtlich Bs Grenzen vertraglich dazu verpflichtet hatte, diese zu achten.
Und was den Rest angeht:
Pohl räumt ja selbst ein, dass Belgien kein direkter Rechtsbruch "nachzuweisen ist". Er konstruiert dann aber so etwas wie einen "indirekten Rechtsbruch", weil seine Militärs mit dem Feuer gespielt hätten. Denen wirft er vor, Gespräche mit den Alliierten über das Verteidigungsverhaltens Belgiens im Falle eines deutschen Angriffs geführt zu haben. Das aber wiederum durften diese. Ein Land darf sich zu seiner Verteidigung auf einen Angriff durch seinen Nachbarn vorbereiten, auch dann wenn es sich dabei um den deutschen Nachbarn handelt. Am Schluss bleibt da nur Pohls Empörung, dass die Belgier keine derartigen Gespräche mit dem deutschen Generalstab geführt haben für den Fall eines alliierten Angriffs auf Belgien. Doch gab es denn auf deutscher Seite überhaupt das Interesse an solchen Gesprächen? Das deutsche Interesse an Belgien sah doch ganz anders aus: KW2 fragte mal bei einem Besuch in Brüssel den belgischen König, ob dieser im Falle eines deutsch-französischen Krieges bereit wäre, entgegen dem Garantievertrag deutsche Truppen durch Belgien ziehen zu lassen; die gemeinsame Verteidigung Belgiens im Falle eines alliierten Angriffs auf Belgien spielte in dem Gespräch gar keine Rolle.
silesia schrieb:
Das Notstands-Argument versucht er durch eine sehr detaillierte Untersuchung der geschichtlichen Vorfälle bei Zustandekommen des Garantievertrages, durch Vorgänge danach und durch "ähnliche Verhaltensweisen" der Entente-Mächte gegenüber anderen Ländern (auch Englands Verhalten 1870) nachzuweisen.
Dann ist seine Untersuchung nicht sorgfältig genug.
Gewöhnlicherweise beginnen die Apologeten mit einer "gründlichen Untersuchung" der Außenpolitik von Ludwig XIV., um nachzuweisen, dass es da so etwas wie eine aggressive rote Linie in der französischen Außenpolitik gibt, weshalb sich Deutschland gegenüber Frankreich immer in der Defensive befindet, selbst dann wenn es vereint ist und auf dem Kontinent Hegemonialmacht wurde.