Lilien auf Rüstung

Amrum

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Hallo, was bedeuten die Liliendarstellungen auf Ritterrüstungen 16./17. Jh.? Und was die Halskrause bei Epitaphien derZeit?
 
Hast du denn ein Bild von so einer Darstellung?
Bei Lilien kommt mir als erstes der französische Hof in den Sinn, siehe hier http://de.wikipedia.org/wiki/Lilie_(Heraldik)

Könnte also vermutlich bedeuten, dass es französische Rüstungen sind, ich hab da aber wirklich überhaupt keine Ahnung und ich bitte um Berichtigung wenns falsch ist!

Was die Halskrause angeht... da hab ich keine Idee. Vielleicht ist es ja nur eine Modeerscheinung?
 
... was bedeuten die Liliendarstellungen auf Ritterrüstungen 16./17. Jh.?

Zunächst eine kleine Bitte: schreibe diesbezüglich besser von Plattenrüstungen oder Plattenpanzern, denn im 16./17. Jh. war die Zeit des klassischen Rittertums längst abgelaufen.

Aber zur Thematik: Seit dem 16. Jh. war das Plattnerhandwerk dahingehend perfektioniert, daß nicht nur die gewünschte Schutzwirkung der Rüstung erreicht werden konnte, sondern zudem auch die optische Qualität von Material (lichtes Eisen, d.h. de facto polierter Stahl) und Ausführung (kunstvolle figürliche und ornamentale Darstellungen in getriebener Arbeit sowie dementsprechend reichhaltige Dekors durch Gravieren, Niellieren, Tauschieren, Vergolden, Ätzen, Feilen und Bohren des Metalls) ihre höchste Ausprägung erreicht hatte.
Für Bsp. siehe:
Bild 14.101 > L'88 Rüstung
Bild 14.100a > L'88 Rüstungen und Waffen

Ich möchte hierbei zusätzlich anmerken, daß derart reich gravierte bzw. dekorierte Rüstungen meist sog. Prachtrüstungen waren, die gewöhnlich nicht zum Kämpfen gedacht waren bzw. eingesetzt wurden.

Was nun gravierte, geätzte, tauschierte etc. Lilien betrifft, so läßt sich eine pauschale Antwort sicher nicht einfach so geben: grundsätzlich läßt sich sagen, daß dies zunächst ein modisches Element von Rüstungen der Spätgotik bzw. der Renaissance ist, wobei sich dieses aber auch praktisch in die Konstruktion einer solchen Rüstung einfügte.
Natürlich ist heraldisch gesehen zunächst - wie bereits von Rinoabutzile ausgeführt - der französische Raum naheliegend (Fleur-de-Lys/Fleur de Lys/Fleur de Lis), ebenso aber ist auch ein Bezug zu Florenz möglich, da dort die Lilie ebenso ab dem 14. Jh. gebräuchlich war und zudem Florenz eine der bedeutenden italienischen Harnischschmieden war.
Es ist jedoch ebensogut möglich, daß es einfach eine Rüstung im französischen Stil (alla Francese) war, die jedoch in einer italienischen Stadt für einen deutschen Auftraggeber gefertigt wurde.
Oder ganz unspektakulär: es ist auch möglich, daß die Lilie bspw. ganz einfach als gefeilte Verzierung der Harnischbrust die zentrale Spitze des Unterbauchblechs am Abschluß der geschlagenen Faltenbündel bildete.

Um dafür irgendeinen konkreten Anhaltspunkt zu haben, müßten wir jedoch wirklich ein (möglichst in den Details gut einsehbares) Bild der betreffenden Plattenrüstung vorliegen haben.

Und was die Halskrause bei Epitaphien derZeit?

Dies ist definitiv ein modisches Element; die spanische Halskrause ist während des 16./17. Jh. in ihrer typischen Fältelung ein modischer Standard, der auf Epitaphen von Adligen o.ä. Personen gehobener Stände ebensowenig als zeitgenössisches Element fehlen durfte wie die standesgemäße Kleidung (z.B. ein Bischofsornat) oder die Rüstung.



Dies an der Stelle jetzt erst einmal so auf die Schnelle und quasi aus dem Handgelenk... :fs:
 
Im Dom zu Güstrow habe ich die Lilien auf der Rüstung des im 16. Jh. gestorbenen mecklenburgischen Herzogs Ulrich bzw. dem ihm zu Ehren geschaffenen Ulrichmonumentes gesehen. Französischer Einfluss scheint mir eher nicht zu passen. Dem Hinweis auf Heraldik werde ich nachgehen.
Die Halskause als modisches Element der Zeit leuchtet mir auch eher ein als der mir vor Ort genannte Grund: norddeutsch/protestantisch.
Leider habe ich kein Bild, aber in mehreren Epitaphien für norddeutsche Adlige des 16./17.Jh. sind solche Merkmale anzutreffen.
 
Im Dom zu Güstrow habe ich die Lilien auf der Rüstung des im 16. Jh. gestorbenen mecklenburgischen Herzogs Ulrich bzw. dem ihm zu Ehren geschaffenen Ulrichmonumentes gesehen. Französischer Einfluss scheint mir eher nicht zu passen. Dem Hinweis auf Heraldik werde ich nachgehen.
Die Halskause als modisches Element der Zeit leuchtet mir auch eher ein als der mir vor Ort genannte Grund: norddeutsch/protestantisch.
Leider habe ich kein Bild, aber in mehreren Epitaphien für norddeutsche Adlige des 16./17.Jh. sind solche Merkmale anzutreffen.
Man könnte zumindest sagen, dass sich in manchen Ländern die Halskrause besonders lange hielt. Grundsätzlich typisch protestantisch war sie aber nicht.
Es gibt ein postum erschienenes Buch von Janet Arnold speziell zu dem Thema. Sie ist eigentlich meines Wissens die absolute Koryphäe hinsichtlich der Beschäftigung mit der Mode des 16.Jh. gewesen.
Patterns of Fashion 4: The Cut and Construction of Linen Shirts, Smocks, Neckwear, Headwear and Accessories for Men and Women C. 1540 - 1660: Amazon.de: Janet Arnold: Englische Bücher
 
Danke für die hilfreichen Tips, insbesondere auch für die Links zu den Rüstungen. Das Thma ist ja spannender als ich dachte!
 

Und hier ist noch eins: Image



Im Dom zu Güstrow habe ich die Lilien auf der Rüstung des im 16. Jh. gestorbenen mecklenburgischen Herzogs Ulrich bzw. dem ihm zu Ehren geschaffenen Ulrichmonumentes gesehen. Französischer Einfluss scheint mir eher nicht zu passen. Dem Hinweis auf Heraldik werde ich nachgehen.

Gut zu wissen; dann läßt sich der französische Raum wohl doch eher ausschließen.

Die symmetrischen - und nicht in den Brustbereich überlappenden - Schultern mit den zur Verstärkung unter den Achseln angehängten Schwebscheiben kennzeichnen diese Rüstung mE jedoch recht deutlich als eine Armatura alla Francese - mW zeigen sowohl die Armatura alla Tedesca als auch die Armatura all'Italiana und die Armatura spagnola diese Charakteristika nämlich nicht.

Wie dem auch sei: die Aufbringung der Lilien erscheint mir unabhängig davon eher ornamental denn heraldisch - wiewohl die Symbolik der Lilie für Reinheit, Barmherzigkeit und Milde einerseits wie auch für Ritterlichkeit andererseits nicht ganz ausgeblendet werden sollte.
Ich gebe aber zu, daß ich mich irren mag und ggf. dann für jegliche Präzisierungen und/oder Korrekturen dankbar bin.

Daß der Herzog von Mecklenburg als Hochadliger und Reichsfürst in Rüstung wiedergegeben wird, ist natürlich als zeitgenössisches Standesattribut anzusehen.

Die Halskause als modisches Element der Zeit leuchtet mir auch eher ein als der mir vor Ort genannte Grund: norddeutsch/protestantisch.
Leider habe ich kein Bild, aber in mehreren Epitaphien für norddeutsche Adlige des 16./17.Jh. sind solche Merkmale anzutreffen.

Mit der Konfession des Betreffenden hatte das in der Tat nichts zu tun (und auch nicht mit der Region); es war - wie bereits geschrieben - einfach die Mode des 16. und 17. Jh. (spanische Epoche -> spanische Halskrause; d.h., Europa befand sich modisch gesehen nahezu vollständig unter spanischem Einfluß).
Die einzige Besonderheit bzgl. Norddeutschland allgemein und Mecklenburg speziell war mW die Tatsache, daß dort die modischen Entwicklungen vergleichsweise später einsetzten als in anderen Regionen.
 
@timo: Die einzige Besonderheit bzgl. Norddeutschland allgemein und Mecklenburg speziell war mW die Tatsache, daß dort die modischen Entwicklungen vergleichsweise später einsetzten als in anderen Regionen.
Wie bitteschön darf ich das denn verstehen? :motz:

Es ist doch wohl sicher, dass die herzögliche Rüstung nicht im Lande von einem Dorfschmied gefertigt wurde, sondern in Flandern, Süddeutschland oder Italien.
 
Wie bitteschön darf ich das denn verstehen? :motz:

Es ist doch wohl sicher, dass die herzögliche Rüstung nicht im Lande von einem Dorfschmied gefertigt wurde, sondern in Flandern, Süddeutschland oder Italien.

Ich bin mir durchaus einigermaßen sicher, daß die Rüstung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine süddeutsche oder sogar italienische Anfertigung war.
Was ich damit aber meinte: Anhand von Baustilen, Kunstwerken etc. ist deutlich erkennbar, daß der norddeutsche Raum bzgl. modischer Neuerungen dem west- und süddeutschen Raum (und erst recht dem französischen und zu jener Zeit v.a. dem spanischen Raum) um einige Jahre nachstand. Das ist nicht abwertend gemeint o. dgl., sondern ein Effekt, den Dir jeder Kunsthistoriker bestätigen wird.

Anm.: Vom Dorfschmied kam übrigens keine Rüstung, nicht einmal der einfachste Küraß eines Landsknechts o.ä., denn ein Dorfschmied war für das Plattnerhandwerk - deswegen sprechen wir vom Plattner und nicht einfach vom Schmied - weder spezialisiert genug ausgebildet noch ausgerüstet.
 
Die einzige Besonderheit bzgl. Norddeutschland allgemein und Mecklenburg speziell war mW die Tatsache, daß dort die modischen Entwicklungen vergleichsweise später einsetzten als in anderen Regionen.
Kann das an einem Mangel an größeren Städten liegen?
Du meinst ja sicherlich die dünner bevölkerten Regionen und nicht die Handelszentren wie Hamburg, oder?
 
Kann das an einem Mangel an größeren Städten liegen?

Das würde ich nicht meinen, zumal bis in die Frühe Neuzeit die Hanse - Du sprichst ja selbst die Handelszentren an - gerade auch den norddeutschen Raum beherrschte und prägte (auch wenn die großen Zeiten der Hanse bereits seit dem Spätmittelalter vorüber waren).

Du meinst ja sicherlich die dünner bevölkerten Regionen und nicht die Handelszentren wie Hamburg, oder?

Es ging um die Abfolge modischer Neuerungen, welche grundsätzlich eher von West nach Ost und von Süd nach Nord gingen als umgekehrt.
Freilich stimme ich dem zu, daß man dabei noch zwischen den Handelszentren und den ländlichen Gebieten differenzieren muß.
 
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