Literatur zur Langlebigkeit des römischen Reiches

Das ist schon irgendwo eine steile These, wenn man die Reiche der Goten, Vandalen, Sueben, Franken und Burgunder mitberücksichtigt. ....

Da haben wir den Satz mit dem Konstrukt beide vollkommen unterschiedlich verstanden.

Für mich hat das römische Reich 476 seine italischen Provinzen verloren, die ohnehin von einem Usurpator okkupiert worden waren. Das war Alles. Danach war es keinesfalls ein Konstrukt. Das Reich endete an der Adria und funktionierte prächtig.

Wenn mit Konstrukt die eher theoretische Vorstellung gemeint war, daß der Kaiser als eine Art "Lehnsherr" der Franken, Goten und Burgunder über den Westen herrschte, dann habe ich den Satz so nicht verstanden.
 
Das Funktionierte ja seit der späten Republik nicht mehr, ich meine die Wehrpflicht oder meintest eine Aushebung von Söldnern???

Es würde, abgesehen von der Zeit unmittelbar nach der Varusschlacht, nicht versucht. Das ist etwas anderes als ein Nicht-Funktionieren.

Zudem ist nicht die Praktikabilität fraglich, was nur eine Was-wäre-wenn-Frage ist, sondern der mangelnde Versuch ist verwunderlich. Rom hatte sich militärisch immer auf neue Zeiten eingestellt. Warum jetzt nicht? Wenn ein fester Glaube daran, dass es nicht anders geht zu konstatieren ist, ist die Frage, welche Gründe es dafür gab.
 
Wenn mit Konstrukt die eher theoretische Vorstellung gemeint war, daß der Kaiser als eine Art "Lehnsherr" der Franken, Goten und Burgunder über den Westen herrschte, dann habe ich den Satz so nicht verstanden.

Staaten und Reiche sind immer nur theoretisch. Es gibt keinen Staat den man Anfassen kann. Die zu stellende Frage ist, inwieweit ein Staat wirksam ist. Und wenn fränkische Könige sich zu Patriziern und Statthaltern ernennen lassen, Symbole und Einrichtungen übernehmen, ist der Römische Staat noch im Frankenreich wirksam.

Da hilft nicht zu sagen, dass sei zu wenig, um zu zählen. Es ist festzustellen und damit existent. Goten, Franken, Burgunder und auch Odoaker wollten das Reich nicht zerstören. Sie wollten nur an Macht und Reichtum teilhaben. Irgendwann war im Westen alles verteilt und der Kaiser nur Ballast: Der Westen brauchte keinen Kaiser mehr, wie Odoaker nach Konstantinopel melden ließ. Das Reich im Westen wurde nicht aufgelöst, es wurde immer weiter marginalisiert. Es kann darüber diskutiert werden, wann die Wirksamkeit des Reiches endete.

Ein "Das zählt nicht." ist da aber nur Affekt. Existenz wird immer noch durch ein Beispiel bewiesen.
 
Für mich hat das römische Reich 476 seine italischen Provinzen verloren,
Es steht ja außer Frage, dass das Oströmische Reich (ORR) ein Fortsetzer des Römisches Reichs (RR) war. Nur war mit dem Wegfall des Westteils gewissermaßen auch das Kernland - Rom! - kein Teil des RR mehr.

Nach 476 war das RR auf seine Hälfte, nach ca. 650 auf weniger als ein Viertel seiner ursprünglichen Ausdehnung geschrumpft. Dass bis 1453 teilweise konkurrierende Rumpfstaaten (Kaiserreich Byzanz, Kaiserreich Trapezunt) in dieser selben Kontinuität weiterbestanden, ist fast ein Wunder.
 
Das Funktionierte ja seit der späten Republik nicht mehr, ich meine die Wehrpflicht oder meintest eine Aushebung von Söldnern???

Und wieso funktionierte es nicht mehr mit der Wehrpflicht in der späten Republik? Marius, Sulla, Caesar und noch etliche andere konnten sich mit Soldaten versorgen. Da ja auch die Bewaffnung der verschiedenen Soldaten vereinheitlichte musste der Staat erst ein mal in Vorkasse treten. Sowohl in der Republik, als auch der Kaiserzeit, mussten Rekruten das Bürgerrecht haben um in die Legion ein zu treten. Wer kein Bürgerrecht hatte kam zu den Hilfstruppen. Söldner wurden als Spezialtruppen ausgehoben.
 
Wobei seit der Eroberung der punischen Gebiete in Spanien das System arg in Bedrängnis geriet. Statt zwischen Saat und Ernte im Dienst, und zu den Stresszeiten wieder zuhause, mussten Bürgersoldaten plötzlich den Herbst in Spanien verbringen bis im Sommer die Ablösung kam. Das hatte Auswirkungen für die heimischen Höfe, wo die Hauptarbeitskraft fehlte und führte letztlich zur Verarmung der Kleinbauern und zur Vergrößerung des Latifundienbesitzes.
 
Bisher hat es funktioniert.
Man kann Menschen nicht nach Belieben formen. Nur weil man einem Menschen Waffen in die Hand drückt, wird er noch kein Soldat. Dafür braucht es auch eine passende Mentalität. Mangelnden Kampfgeist kann man zwar in Grenzen durch langen Drill wettmachen, aber ein kampfunwilliger Zwangsrekrut wird nie denselben Kampfwert haben wie jemand, der aus echter Motivation heraus (sei es aus Kampflust, sei es, weil er es zumindest für seine Pflicht hält) Kriegsdienst leistet.
Diese kriegerische Mentalität ist der Bevölkerung Italiens im Laufe der Kaiserzeit wohl abhanden gekommen. Nicht grundlos setzten sich die römischen Armeen der Kaiserzeit in immer höherem Maße aus Provinzialen zusammen statt aus Italikern.

Es steht ja außer Frage, dass das Oströmische Reich (ORR) ein Fortsetzer des Römisches Reichs (RR) war. Nur war mit dem Wegfall des Westteils gewissermaßen auch das Kernland - Rom! - kein Teil des RR mehr.
Die Stadt Rom selbst allerdings blieb nach der Niederwerfung der Goten bis ins 8. Jhdt., als eine Art fliegender Wechsel zu den Franken erfolgte, unter römischer Herrschaft. Mitte des 7. Jhdt.s besuchte noch Kaiser Konstans II. persönlich Rom - nicht als Staatsgast, sondern als Herrscher.
Auch Ravenna blieb bis Mitte des 8. Jhdts. römisch, Teile Süditaliens bis ins 11. Jhdt.

Das ist schon irgendwo eine steile These, wenn man die Reiche der Goten, Vandalen, Sueben, Franken und Burgunder mitberücksichtigt. Sicher, es gab, auf Kosten oder Ostgoten und Vandalen eine byzantinische "Reconquista" von Teilen des weströmischen Reichsteils, aber das war ja auch nur von kurzer Dauer. Was unter Belisar restituiert wurde, ging auch bald wieder an Westgoten, Langobarden und Muslime verloren.
In Italien wirkte die "Reconquista" bis ins 11. Jhdt. nach. Auch auf Sardinien hielten sich die Römer noch lange.
Dazu kommt noch die ideelle Bedeutung der römischen Herrschaft im Westen: Kaiser Maurikios plante, das Reich administrativ unter seinen Söhnen in einen West- und einen Ostteil zu teilen. Kaiser Konstans II. führte persönlich einen (erfolglosen) Feldzug gegen die Langobarden. Bis ins 11. Jhdt. wurde immer wieder erbittert um Italien und Sizilien gekämpft. All das zeigt hinlänglich, dass die Römer Italien nicht aufgegeben hatten, sondern sich erbittert an ihre dortigen Territorien klammerten (und das teilweise zu Zeiten, als der Großteil des Balkan und sogar Griechenlands sowie so manche Ägäis-Insel unter Fremdherrschaft standen und Konstantinopel selbst von Arabern und Bulgaren bedroht wurde). Rein von den Territorien her ging zwar mit dem Einfall der Langobarden ein Gutteil Italiens verloren, aber in der Wahrnehmung der Römer bildeten ihre dortigen Restgebiete offenkundig nach wie vor einen wesentlichen Reichsteil.
 
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