Aber da wir schon beim "Erfinden" einer Religion sind - es gibt dafür tatsächlich ein schönes Beispiel: die ersten 4 "Bücher Mose". Diese Texte sind literarische Produke von Priesterautoren zur Zeit des Babylonischen Exils. Das ist in der Religionswissenschaft ziemlich unbestritten, was dir aber unbekannt zu sein scheint, obwohl ich es in diesem Forum schon öfters angesprochen habe.
Äh... nein. Richtig ist, dass im babylonischen Exil ein großer Teil der Bibel fixiert wurde, auch Teile aus dem Kanon herausflogen, es redaktionell schwerwiegende Überarbeitungen gab. Der jüdische Monotheismus scheint im babylonischen Exil seine endgültige Gestalt angenommen zu haben, während er zuvor noch mit polytheistischen Elementen im Widerstreit lag, von denen er in der Exilszeit gereinigt wurde. Dass alle Texte erst im babylonischen Exil geschrieben wurden, kann man aber nicht sagen, denn viele biblische Texte weisen auch Archaismen auf, die außer Mode gekommen waren.
(3) Dir scheint jedes Wissen darüber zu fehlen, wie die Genesis-Geschichte sowie diverse Mythologeme wie Sintflut, Sprachverwirrung usw. aus Elementen anderer Religionen zusammengebastelt wurde. Ein solches bewusstes Zusammenbasteln durch israelitische Priesterautoren in Babylon kann man mit Fug und Recht als "gezielte Erfindung" einer Religion bezeichnen.
Wenn diese Mytheme nicht schon vor dem Exil in die religiösen Texte der Juden Eingang gefunden haben...
Eine sehr ungewöhnliche Figur und eine unglaubwürdige dazu. Ein Bürger von Tarsus, Pharisäer und Sohn eines Pharisäers, ausgebildet von einem Pharisäer Gamaliel, der vor dem Hohen Rat die Jesusjünger verteidigte und in Schutz nahm.
Nehmen wir mal an, Paulus sei erfunden worden: Warum hätte man eine Figur erfinden sollen, die den Zeitgenossen unglaubwürdig vorkam? Welchen Sinn hätte das ergeben? Die Zeitgenossen sollten doch gerade an die Existenz glauben...
Du tust so, als sei das alles ganz problemlos vonstatten gegangen... Zunächst ist Šā'ūl ein radikaler Christenverfolger.
Wie aus dem radikalen Christenverfolger tatsächlich ein Christ wurde, darüber kann man nur spekulieren. Womöglich hat er sich im Rahmen seiner Verfolgung der Christen so intensiv mit dem Christentum befasst, dass er hierin einen besseren Weg sah, so ähnlich wie die mittelalterlichen Mönche, die aus dem Studium der Bibel heraus zum Judentum kamen.
Dieser Pharisäer Saulus/Paulus verfolgt die Jesusjünger bis aufs Blut. Hat Gefallen am Tod des Stephanus. Bricht auf zu weiteren Verfolgungen und fällt dabei vor Damaskus vom Pferd (wie sehr oft zu lesen ist, ohne daß in der Apg. etwas davon steht) und hat eine Vision. (Hat man doch eine Verbindung gesehen zu Josephus, der vom Pferd fiel, eine Vision von Vespasian als neuem Messias hat und dies Vespasian auch sofort mitteilt. Dem konnte es nur recht sein und er nahm den Josephus zum Dank in seine Familie der Flavier auf.)
In der Apostelgeschichte ist immerhin von einem physischen Sturz die Rede, im Rahmen von Josephus Flavius Prophezeiung steht weder etwas von einem Pferd noch von einem Sturz, auch nichts von einem Messias/Christos. Dort steht: " σὺ Καῖσαρ, Οὐεσπασιανέ, καὶ αὐτοκράτωρ, σὺ καὶ παῖς ὁ σὸς οὗτος - Du [wirst] Kaiser, Vesapasian, und Autokrat, du und dein dir folgender Junge/Sohn."
Sohn ist an dieser Stelle natürlich sinnvoller als
Junge, weil Titus zum damaligen Zeitpunkt ja auch schon erwachsen war. Da Josephus die Kaiserschaft Domitians nicht erwähnt, können wir wohl davon ausgehen, dass er diesen Text noch während der Herrschaft Titus' niederschrieb.
Und Saulus/Paulus ging daran seine Vision eines himmlischen Erlösers und Gottessohnes mit Prophezeiungen und Schriftstellen aus der Thora zu unterfüttern. Kenner der Materie nehmen an, daß er des Hebräischen nicht mächtig war und wohl seine „Beweise“ der Septuaginta entnommen hat.
Butter bei die Fische: Wer sind diese "Kenner"? Worauf gründen sich ihre Annahmen?
Was immer die Jesusjünger geglaubt haben, ihr Gerechter Jakobus kann kein Christentum vertreten haben. Er war ganz dem Glauben des jüdischen Volkes und seiner Thora verpflichtet.
Das ist argumentativ alles andere als einwandfrei. Wenn du nicht weißt, an was die Jakobusgemeinde geglaubt hat, kannst du auch nicht sagen, an was sie nicht geglaubt hat. Wir wissen aus den Quellen vom Apostelstreit und wir wissen, tatsächlich, dass die Jakobusgemeinde sich der Torah verpflichtet gefühlt hat. Aber waren sie deswegen keine Christen?!
Für und wider die Historizität des Paulus wird hier - aufgrund meiner diversen Interventionen - schon seit Jahren debattiert.
Und genauso lange ignorierst du Argumente und Nachfragen, etwa welchen Sinn es gemacht habe, 100 Jahre nach den Ereignissen Briefe zu verfassen, welche eine deutliche Endzeiterwartung transportieren, die sich 100 Jahre später als haltlos herausgestellt hatte. Oder wie die Leute glauben konnten, dass eine aus dem Nichts auftauchende Bewegung schon seit 100 Jahren existierte. Die müssen sich doch alle gefragt haben, warum sie in den Jahren und Jahrzehnten davor so rein gar nichts von dieser Gruppe mitbekommen haben. Wieso konnte Tacitus von den Christenverfolgungen in Rom sprechen? Ach ja, die Stelle hat ja ein Christ interpoliert und dabei Tacitus in den Mund gelegt, dass die Christen "Feinde des Menschengeschlechts" seien. Und ein anderer hat sich dumm gestellt und statt Christos Chrestos geschrieben...
Wer also auch immer hinter der Figur des Paulus steckt, er oder sie (Einzahl) oder sie (Mehrzahl) hat (oder haben) ideelle Wurzeln im antiken Mysteriendenken.
Der Glaube an Opfertod, Wiederaufstehung und Erlösung der Menschheit dadurch ist ein Mysterienglaube. Selbstverständlich. Was denn sonst?