Impfen, Herdenschutz und Impfpflicht.
Schau ich mir an mit welch Raffinesse und Aufwand heute Impfstoffe entwickelt werden, dann bin ich doch erstaunt wie früh solche Bemühungen Ergebnisse hervorbrachten.
Wie
@Kochant schon anmerkte, bereits 1874 führte das DR, drei Jahre nach seiner Gründung, eine allgemeine Impfpflicht bei bestimmten Infektionskrankheiten ein.
Es ging wohl zunächst um das Pockenvirus (falls ich hier falsch liege bitte Korrektur).
Diese Gesetzgebung hatte gut 100 Jahre Bestand, in beiden Teilen Deutschlands.
https://zeithistorische-forschungen.de/site/40209384/default.aspx
Ich selbst bin alt genug um eine (unscheinbare) Pocken-Impfnarbe am linken Oberarm zu tragen.
Es war wohl 1969 als wir uns als Schüler in einer Reihe aufstellten und einer nach dem anderen einen kleinen Schnitt an bezeichneter Stelle mit einem Skalpell erhielten.
Einer ist gleich zusammengeklappt, was ja nicht weiter verwunderlich ist, denn manche kriegen halt beim Ritzen einen Kreislaufkasper. Aber es ist halt blöd für das Renommee eines frühpubertären Buben, wenn alle anderen stehen bleiben, und das war gewiss die stärkste Nebenwirkung für diesen fröhlichen Gesellen
Klar war, die Wunde kann sich entzünden, meine tat es ein wenig, Du kannst Schmerzen haben und Schwellungen. Doch, na und?
Den letzten „Pockenfall“ in Deutschland hab ich übrigens selbst erlebt als Zivi bei den Sanis im Frühsommer 1978..


Der „Hauptamtliche“, ich nenn ihn mal Schorschi, sagte nach einem Telefonat: 'Hanne (er nannte mich aus unerfindlichem Grund stets so und wahrscheinlich andere auch)..
Hanne wir haben einen Pockenfall nach Nürnberg (Klinikum), der Dr. Dings hat angerufen.'
Ja was muss man denn da machen?
Ach da stellen wir nachher den Defensor (eine kompakte Desinfektionsnebel-Apparatur) in den Krankenwagen.
Nachdem wir mit dem verunsicherten Seuchenkobel eingetroffen waren, war der Teufel los. Gebäudesperrung, Umleitung aller Rettungswagen, Weißkittel in großer Anzahl und auch großem Abstand zum Seuchenkobel, zu dem ich in die enge Kammer des hinteren Teils des Krankenwagens verbannt wurde. Und der schwitzte nicht schlecht, ich auch.
Schließlich kam der Chefarzt der Hautklinik, und der hatte den Mut Windpocken zu diagnostizieren, nicht ohne die ausgesprochene Furcht „morgen in der Zeitung zu stehen“,
und nicht ohne uns als Deppen rauf und runter zu beschimpfen.
Es gab offenkundig keinen verfügbaren Arzt in diesem doch großen Klinikum der je Pocken gesehen hatte.
Der hauptamtliche Schorschi jedenfalls war sehr erleichtert, dass der teure Krankenwagen nicht verbrannt wurde, ich auch, und der Seuchenkobel entspannte sich auch, und hat doch so verstört geschaut als könnte er sich gar keinen Reim auf das Geschehene machen.
Nach Wiki verstarb wohl das letzte tatsächliche Pockenopfer der Welt wenige Wochen später.
https://de.wikipedia.org/wiki/Janet_Parker
Die schreckliche Geisel Pocken wurde besiegt.
Der Kampf gegen diese durch Impfung geht erstaunlich weit zurück vor die Impfp1icht des DR von 1874. (Pockenschorf abraspeln und in die Nase blasen)
Erstgenannte Quelle zeichnet hier nicht nur die Konkurrenz zwischen verschiedenen deutschen Gesellschaftsentwürfen der Nachkriegszeit, sondern auch die sich entwickelnde unterschiedliche Art der Überzeugungsversuche der DDR und BRD.
Die BRD setzte ab den späten 60ern wohl eher, und auch erfolgreich, auf das Instrument der Überzeugung durch das Instrument der Werbung im Stil der Marktwirtschaft.
„
Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam“. Wie wahr!
Und jetzt?
Kann eine Impfpflicht mit den Grundsätzen einer liberalen Gesellschaft vereinbart werden?
Wird sich ohne diese Pflicht ein Herdenschutz, so wie bei den Pocken oder Polio, durch Impfung erreichen lassen?
Und wie steht es mit dem Konzept der Überzeugung durch staatliche Kampagnen, wenn jeder beliebige Blödsinn durch das unredigierte Internet diese marginalisieren kann?
Herdenschutz ist dann gegeben, wenn bei gegebener Infektionsrate R (welche keine Konstante ist sondern schwankt) der Anteil der immunen Gesellschaft größer 1-1/R ist.
Und das gilt auch für Viren, die als schädliche Vorstellungen die Gehirne von Menschen befallen.
Deren Rate der Reproduktion harrt noch der Beurteilung , lässt jedoch wenig Gutes erahnen.