Moderne Weltmusik und Tanz - Melange von Einflüssen oder Anknüpfung an alte Tradition

rena8

Aktives Mitglied
Einige aktuell laufende Threads haben mich zum Nachdenken über das Thema gebracht und zum Genießen von z.B Malka Moma, mein absoluter Favorit z.Zt. YouTube - Folkloren Hor "Filip Kutev" (part II) Mehrstimmige, mollharmonische Frauenchöre mit einem Hauch Gregorianik, wunderbar, ohne das GF wären die an mir vorbeigegangen.
Gelegentlich höre ich schon in das Genre "Weltmusik" und so hoffe ich mit eurer Hilfe weitere Bildungslücken zu entdecken.
Dabei könnte man auch darüber diskutieren, ob diese meist modernen Auflagen sich eindeutig auf bestimmte Traditionen zurückführen lassen oder eher nicht.

Irish Dance hat vor ein paar Jahren große Begeisterung ausgelöst YouTube - Riverdance (Lord of the dance)
Irish Dance ? Wikipedia

Da würden mich die Meinungen der Kenner interessieren.

Noch ein Beispiel, weil die Komponente Tanz dabei deutlich wird YouTube - Greek Zorba Alexis Zorbas und die einfache Erlernbarkeit.
Es gibt bestimmt folkloristischere Varianten des Sirtaki und zur griechischen Volksmusik und Musikinstrumenten kann mehr als ein amer. Film angeführt werden.

Nach einem guten Beispiel aus dem deutschen Bereich habe ich bisher vergeblich gesucht, kann doch nicht sein?
 
Naja, "Riverdance" und sowas finde ich eher penetrant und nervig. Es geht in der Art der Präsentation schon an dem eigentlichen Geist der Volkstänze vorbei. Ich denke solche Tänze haben ihren Reiz dadurch, dass man mitmacht und nicht dadurch, dass man sie in großen Hallen angestrahlt von ettlichen Scheinwerfern anschaut. Für mich wirkt das etwas arg künstlich, aber nicht im Sinne von Kunst, sondern von unnatürlich.

Also Dich hat ja unsere Meinung interessiert.

Hm, also aus dem deutschen Bereich kenne ich selbst solche Vermarktungen in "Shows" oder sowas nicht so sehr. Bei Trachtentreffen wird aber bisweilen getanzt, glaube ich. Das ist dann aber vom Charakter der Vorführung eher was anderes als "Riverdance" oder ähnliche Konzepte.
 
Noch ein Beispiel, weil die Komponente Tanz dabei deutlich wird YouTube - Greek Zorba Alexis Zorbas und die einfache Erlernbarkeit.
Es gibt bestimmt folkloristischere Varianten des Sirtaki und zur griechischen Volksmusik und Musikinstrumenten kann mehr als ein amer. Film angeführt werden.

Der Syrtaki wurde meines Wissens extra für Anthony Quinn und Alexis Sorbas erfunden. Behauptete jedenfalls mein Vater, als ich als Jugendlicher den Film erstmal sah.
 
Hm, also aus dem deutschen Bereich kenne ich selbst solche Vermarktungen in "Shows" oder sowas nicht so sehr. Bei Trachtentreffen wird aber bisweilen getanzt, glaube ich. Das ist dann aber vom Charakter der Vorführung eher was anderes als "Riverdance" oder ähnliche Konzepte.

Die Vermarktung von Ethno-Pop ist ein wichtiger Punkt. Dazu könnte man auch die Folklore-Abende in der Tourismus-Industrie zählen.
Dabei wird deutlich, dass es auch bei der Kultur von Musik und Tanz einen Trend weg vom globalen Einheitsbrei und zur Adaption von traditionellen Elementen gibt, ähnlich wie in der Esskultur.

Den Mitmachcharakter von Tanz wollte ich keineswegs unterbewerten, Zorbas habe ich schließlich in Erinnerung an meine mit Sirtaki durchtanzte Nacht der Abifeier gewählt.
 
Werte rena8

Als erstes möchte ich mich bei dir, für diesen schönen Thread bedanken, der eine sehr intessante Fragestellung hat.

Um mal die genannte Fragestellung zu beantworten zu versuchen: Es ist wohl beides.
Jede Weltmusik wird durch gewisse Strömungen beeinflusst. Seien es melodische Einflüsse, oder seien es die Inhalte der Texte. Der Großteil aber, ist Anknüpfung der Tradition: Menschen singen über das was sie bewegt, sie beschäftigt, sie zum lachen, zur Freude, zum weinen und zur Schwermut bewegt.
Ich kann jetzt leider nur Beispiele aus Bulgarien nehmen, da ich von anderer weniger Ahnung habe. Die Sänger spiegeln ihre Umgebung wieder, und das, was in ihrer Umgebung geschieht.

Zusammengefasst: Keine Frage, es gibt Einflüsse von aussen, der Hauptteil aber, ist eine Anknüpfung an Traditionen, zumindest in Bulgarien.


Die Vermarktung von Ethno-Pop ist ein wichtiger Punkt. Dazu könnte man auch die Folklore-Abende in der Tourismus-Industrie zählen.
Dabei wird deutlich, dass es auch bei der Kultur von Musik und Tanz einen Trend weg vom globalen Einheitsbrei und zur Adaption von traditionellen Elementen gibt, ähnlich wie in der Esskultur.

Das ist ein sehr interessanter Punkt.

Musik ist ein wichtiges Mittel der Selbstidentifikation, wie alles andere, das mit Folklore zu tun hat. Daher ist sie aber auch ein wichtiges Mittel für Menschen, eine Wurzel zu finden, bei der man sich anhalten kann.
Es ist aber auch zur Fremdidentifikation sehr wichtig. Jeder Mensch hat Assoziationen, zB bei Polka denke ich an Deutschland, Österreich oder die Schweiz, Panflöte an Südamerika, und Didgeridoo an Australien. Assoziationen sind aber auch ein wichtiges Instrument der Vermarktung.

Ethno-Pop ist wohl immer diese Gattung von Musik, die am Meisten durchmischt ist. Es gibt zB bei den Bulgaren, die sogenannte Chalga, die ich am ehesten mit Pop-Folk oder Ethno-Pop übersetzen würde. Die Musik ist durchsetzt mit Einfüssen von moderner Pop-Musik, Bulgarischer Volksmusik, und Einflüssen der Volksmusik der Nachbarn, besonders der Serben, Mazedonen, Griechen und Türken.

YouTube - ("v") KaMeLia ^-^ CeLuVai Me ("v") By: EmRaH_A$IK

Die traditionellen Bulgarischen Volkslieder aber (entschuldigung, das ich wieder Beispiele aus dem Bulgarischen nehme), sind auf keinen Fall darunter Einzuordnen. Die gehören schon zu Folklore, und werden auch tatsächlich gesungen, auf Hochzeiten und anderen Festen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Bei Trachtentreffen wird aber bisweilen getanzt, glaube ich. Das ist dann aber vom Charakter der Vorführung eher was anderes als "Riverdance" oder ähnliche Konzepte.

Nahezu alles, was man heute vorgesetzt bekommt, ist fürs Fernsehen (oder für Touristen) auf einem sehr, sehr hohen Niveau choreographiert. Nicht von ungefähr handelt es sich bei Fokloredarstellungen oft um "Nationalensembles", deren Mitglieder (semi-)professionell tanzen; manche durchaus auch mit Ballett-Hintergrund. Die Choreographen sind natürlich auch von Hollywoodfilmen inspiriert. Schrittmaterial und Bewegungsmuster sind ganz global gar nicht so vielfältig wie man vielleicht glauben mag.

Größere Kostüm-Veranstaltungen mit gemischtem Niveau findet man z.B.im Square Dance, der auch in Deutschland in den Ländern der amerikanischen Zone recht weit verbreitet ist. Hier mischt sich die Tradition des amerikanischen frühen 19. Jahrhunderts mit modernisierter Choreographie. Und natürlich hat der Plattenspieler (!) den Stehgeiger abgelöst. Neuerdings auch der MP3-Spieler....
 
Der Syrtaki wurde meines Wissens extra für Anthony Quinn und Alexis Sorbas erfunden. Behauptete jedenfalls mein Vater, als ich als Jugendlicher den Film erstmal sah.
Habe ich auch so im Kopf, und in der Wikipedia wird es auch so dargestellt:
Sirtaki ? Wikipedia
Davon abgesehen haben sich "Volksmusik" und "Kunstmusik" immer gegenseitig beeinflusst, seit es professionelle Komponisten gibt.
Einerseits bieten Ethno-Pop und Weltmusik die Möglichkeit auch andere als US-amerikanische Traditionen einzubringen. Andererseits wird all das natürlich, wenn das "Produkt geht", auch vermarktet und für die Vermarktung zugerichtet. Nicht ganz vegessen sollte man dabei, dass auch Pop von popular kommt und ursprünglich eher etwas dem Mainstream zuwiderlaufendes war.
Statische Kultur ist tote Kultur.
 
mal ne Frage zur bayrischen Folklore:

Die Bayern (oder Teile davon, besonders ländliche) gelten ja als traditionsbewusst und pflegen intensiv ihre Folklore in Trachten, Liedern und Tänzen. (mit der traurigen Auswirkung, dass große Teile des Auslands denken, dass wäre nun der typische Deutsche).

Ich habe aber mal im Vorbeigehen in einer Dokumentation aufgeschnappt, dass diese Trachten noch gar nicht sooo alt seien, ja geradezu jung seien, denn sie sollen überwiegend vom Ende des 19. Jh. stammen.
Stimmt es?
 
mal ne Frage zur bayrischen Folklore:

Die Bayern (oder Teile davon, besonders ländliche) gelten ja als traditionsbewusst und pflegen intensiv ihre Folklore in Trachten, Liedern und Tänzen. (mit der traurigen Auswirkung, dass große Teile des Auslands denken, dass wäre nun der typische Deutsche).

Ich habe aber mal im Vorbeigehen in einer Dokumentation aufgeschnappt, dass diese Trachten noch gar nicht sooo alt seien, ja geradezu jung seien, denn sie sollen überwiegend vom Ende des 19. Jh. stammen.
Stimmt es?

Also laut meinem Freund (sry, dass ich den jetzt hernehm, aber der ist ein gebürtiger Rottaler :D ) gibt es Unterschiede zwischen "Tracht" und "Traditionelle Tracht". Während man heute angeblich traditionelle Trachten in vielen Landhausmärkten bekommt, sind die wirklich echten traditionellen Trachten mitnichten Kunterbunt... eher gedeckte Farben, dafür farbige Schürzen. Und die reichen weiter zurück als bis ins 19. Jahrhundert, eher bis ins 17. und 18. ... Ich muss dazu aber sagen, dass ich keine Fachfrau für Trachtenkunde bin - genaueres kann ich dir leider auch nicht sagen. Und was Bayern generell angeht: sie tragen oft "Trachten" um sich gegenüber den "Restdeutschen" abzugrenzen. Sind halt ein verschrobenes Völkchen. Stolz auf Traditionen, die gar keine sind, einfach um sich "anders" zu fühlen... aber dennoch liebenswert :D


Was Folklore aus den USA angeht, kann ich mich nicht dazu durchringen von "amerikanischer Tradition" zu sprechen... die meisten der traditionellen Musikarten und Tänze entstammen den Europäischen Einwanderern, die ihrerseits IHRE Traditionen mitgenommen haben und weiter praktizierten.

Was mich allerdings sehr fasziniert ist nicht der sogenannte Ethno-Pop... viel mehr die moderne Umsetzung traditioneller Lieder, wie das z.b. Clannad oder, weil diese Interpretationen doch schon weiter zurückliegen, Flogging Molly tun.

Und umgekehrt, die Umsetzung moderner Musik in mittelalterlichem Rahmen, wie z.b. Schandmaul das tut. Der Boom von Mittelalterbands dürfte ja nicht unbemerkt geblieben sein, Bands wie In Extremo, Schandmaul, Subway to Sally und deren andere Kollegen in der Gothic-Szene finde ich doch bemerkenswert.

Grundsätzlich denke ich lässt sich sagen: Traditionen haben wir, weil der Mensch auch zu einem Stück in der Vergangenheit lebt. Musik und Tanz an sich sind wohl so alt wie die Welt, ob es nun rituelle Tänze sind oder traditionelle Tänze beim Feiern.

Dazu fällt mir im Übrigen ein... weiß jemand, seit wann der Walzer der traditionelle Tanz bei einer Hochzeit ist? Soviel ich weiß, war der Walzer bis ins späte 18. Jahrhundert in der feinen Gesellschaft eher verpönt (zumindest in England :D )
 
Einige aktuell laufende Threads haben mich zum Nachdenken über das Thema gebracht und zum Genießen von z.B Malka Moma, mein absoluter Favorit z.Zt. YouTube - Folkloren Hor "Filip Kutev" (part II) Mehrstimmige, mollharmonische Frauenchöre mit einem Hauch Gregorianik, wunderbar, ohne das GF wären die an mir vorbeigegangen.
Gelegentlich höre ich schon in das Genre "Weltmusik" und so hoffe ich mit eurer Hilfe weitere Bildungslücken zu entdecken.

Dieser Chor singt keine Weltmusik. Das ist moderne Volksmusik.
 
Nach einem guten Beispiel aus dem deutschen Bereich habe ich bisher vergeblich gesucht, kann doch nicht sein?

Dass du da schwer etwas findest, hat damit zu tun, dass die "Volksmusik" durch die Nazizeit schwer kompromittiert wurde, wovon sie sich immer noch nicht erholt hat. Wenn du dich damit näher beschäftigen willst, könntest du dich mit den Festivals auf der Burg Waldeck beschäftigen.
Burg Waldeck (Hunsrück ? Wikipedia)
Peter-Rohland-Stiftung - Wer war Peter Rohland? - Inhalte

Vielleicht ist noch der Hinweis auf ein frühes Stück Weltmusik aus einer Zeit interessant als es den Begriff so noch gar nicht gab. El condor pasa wurde von Facio Santillan in der Tradition der Musik in den Anden geschaffen. Als Simon & Garfunkel einen Welterfolg damit hatten, musste er gegen die prozessieren und hat (wenn ich mich recht erinnere) sogar weitgehend verloren.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Dass du da schwer etwas findest, hat damit zu tun, dass die "Volksmusik" durch die Nazizeit schwer kompromittiert wurde, wovon sie sich immer noch nicht erholt hat. Wenn du dich damit näher beschäftigen willst, könntest du dich mit den Festivals auf der Burg Waldeck beschäftigen.
Burg Waldeck (Hunsrück ? Wikipedia)
Peter-Rohland-Stiftung - Wer war Peter Rohland? - Inhalte

Vielleicht ist noch der Hinweis auf ein frühes Stück Weltmusik aus einer Zeit interessant als es den Begriff so noch gar nicht gab. El condor pasa wurde von Facio Santillan in der Tradition der Musik in den Anden geschaffen. Als Simon & Garfunkel einen Welterfolg damit hatten, musste er gegen die prozessieren und hat (wenn ich mich recht erinnere) sogar weitgehend verloren.
Ja, das stimmt, "El condor pasa" ist ein schönes Beispiel.
Ein wieder aktuell gewordenes ist "The lion sleeps tonight" Mbube ? Wikipedia

Mit den Definitionen tue ich mich weiterhin schwer. Die genannten Beispiele kann man mE nun wirklich nicht Volksmusik nennen. Da wird ein Lied/Tanz aus dem Brauchtum irgendeines Volkes der Welt von einem modernen "Komponisten"/Choreographen neu arrangiert, wobei es durchaus gewollt zu sein scheint, das die manchmal exotische Herkunft durchscheint.

@sergej chalga kann ich damit eher nicht im Zusammenhang sehen, das würde ich ganz vorsichtig als bulgarischen Schlager oder Pendant zu unserer volkstümlichen Musik bezeichnen. Bei diesen, auch modernen Kreationen bleibt man aber meist im jeweiligen eigenen Land.

Wenn ich nach deutschen Beispielen suche, danke @Pfeiferhans für die Waldeck-Links, komme ich erstmal zu den Volksliedern im engeren Sinne, ich habe da früher gern das Liederbuch mit den Ungerer - Zeichnungen benutzt Amazon.de: Das große Liederbuch. 204 deutsche Volks- und Kinderlieder. Mit 156 bunten Bildern von Tomi Ungerer: Anne Diekmann, Willi Gohl, Tomi Ungerer: Bücher, das ist aber eine andere Ebene, diese Lieder singt man heute weniger in geselliger Runde, vielleicht noch eher mit den Kindern, da die Melodien noch im Ohr sind und man die Liederbücher zur Textgedächtnisstütze braucht, so wie die früher bekannte Mundorgel.

Ich wüßte nicht, dass solche Lieder, wie "Die Gedanken sind frei" oder "Der Mond ist aufgegangen" in einer modernen Auflage analog @Sergej "Malka Moma" (übersetze das Lied bitte mal) bei uns oder in einem ganz anderen Land richtig populär geworden wäre.

Höchstens die Beethoven Vorliebe und Popularität in Fernost fällt mir als Beispiel ein.

Bei Tänzen aus dem deutschen Bereich fällt mir noch weniger ein. Nach meinem Verständnis sollten das einfache Tänze sein, die jeder sofort kann und die auf Familienfesten alle mitmachen können, etwa analog den Reihentänzen von türkischen Hochzeiten. Für den bei uns gebräuchlichen Hochzeitswalzer absolvieren die Brautpaare oft vorher die Tanzschule und in Diskos, auf Partys wird ein buntes Durcheinander von Tanzstilen der ganzen Welt gepflegt, wobei man zumindest weiß, das die Samba aus Südamerika kommt und die entsprechende Musik dazu am besten paßt. Nur, was hat diese Disko-Samba mit den südamerikanischen Traditionen zu tun?
 
Zurück
Oben