Mutmaßl. und tatsächl. röm. Streckenverläufe/Fundplätze n.d. 9-/10-Leugen-Hypothese

Kneblinghausen ist selbst im überpflügten Bereich zum Teil noch gut zu erkennen (dunkelroter Pfeil):

Salve,
die Bilder sind zweifellos beeindruckend. Sie werfen jedoch neue Fragen auf:
Wieso kann man nun nicht relativ schnell offene Fragen beantworten, bezogen auf Marschlager, feste Standorte und Straßen der Römer? Müsste ein Scan rund um Paderborn oder Kalkriese nicht deutliche Hinweise geben oder Spekulationen beenden?
Und wenn das alles dauern sollte, weil Geld und Personal fehlt, ist es dann nicht ein Fehler, die Bilder zu veröffentlichen und Raubgräbern Tür und Tor zu öffnen?:cool:
 
Will heißen, ich vermute, dass die "teure Lidar-Fliegerei" bereits stattgefunden hat, die Scans erfolgt sind, sich dort befinden, wo sie hingehören und die Auswertung zumindest in Arbeit ist (wenn nicht teilweise schon abgeschlossen). (Sicher weiß ich das für alle 16 Bundesländer natürlich nicht.)

Die auf Tim-Online verfügbaren Lidar-Scans sind, der Auflösung geschuldet, jedenfalls kaum geeignet römische Marschlager finden. Weder von Vetera I noch den Übungslagern in der Nähe (die selbst im Luftbild sichtbar sind) ist hier auch nur ein Hauch zu erkennen.

Meines Wissens wird im speziellen Verdachtsfall ein Helikopter losgeschickt, um höher aufgelöste Scans zu erstellen. Das kostet viel Geld, das den meisten Landesdenkmalämtern fehlt.

Daher glaube ich nicht, dass es für die Fachwelt notwendig ist, von einem (sorry) interessierten Laien mit auf Google Earth und digitalen Messungen basierenden handgemachten These auf vermutete potentielle Fundplätze aufmerksam gemacht zu werden.

Sorry, das hört sich jetzt hart an. Aber auch wenn ich dich da ein wenig bremsen möchte, finde ich es toll, wie du dich engagierst und deine eigenen Thesen aufstellst. Aber bitte vertraue da auch der Fachwelt. Die Archäologen in den zuständigen Behörden haben mit Sicherheit mehr Informationen als du glaubst.

Keine Sorge, in die Sache bin ich durch eigene Neugier geraten, und die ist mehr denn je mein Antrieb. Den zuständigen Behörden werde ich mich nicht aufdrängen.

Laie bin ich vor allem, was die antiken Texte betrifft, und auch von Keramikscherben und Münzen verstehe ich nicht viel. Aber für das spezielle Thema bringe ich einiges an Wissen und Erfahrung mit, das sich bislang als sehr hilfreich erwiesen hat, sei es auf den Gebieten Geologie, Landvermessung, Navigation/Orientierung, sowie dem Marschieren über lange Strecken mit schwerem Gepäck. ;)

Bleibe trotzdem am Thema dran und versuche Dich fachlich besser aufzustellen. - Lese die archäologischen Berichte zu den Orten, die dich interessieren und damit meine ich explizit nicht Wikipedia. Steige in die typologischen und chronologischen Grundlagen der entsprechenden Zeiten ein, stelle deine eigenen "Forschungen" auf ein fachlich breiteres und dickeres Fundament.

Genau das ist mein Bestreben und darum nehme ich den Rat gerne an.
 
Wieso kann man nun nicht relativ schnell offene Fragen beantworten, bezogen auf Marschlager, feste Standorte und Straßen der Römer? Müsste ein Scan rund um Paderborn oder Kalkriese nicht deutliche Hinweise geben oder Spekulationen beenden?

Da kann man gespannt sein. Der Limes wird in vielen Abschnitten schon länger mit solchen Geoscans untersucht und einige Neuigkeiten wurden schon entdeckt. Auch bei keltischen Befestigungen mit ihren nicht selten sehr komplexen Baugeschichten hat LIDAR schon neue Erkenntnisse gebracht. Ganz so einfach ist es aber nicht. So wie ich gehört habe, ist es nicht so ganz einfach, selbst mit LIDAR-Originaldaten zu operieren. Es gibt sicher auch ein paar Umweltparameter, angesprochen wurde schon die Scantiefe im Boden.

Und wenn das alles dauern sollte, weil Geld und Personal fehlt, ist es dann nicht ein Fehler, die Bilder zu veröffentlichen und Raubgräbern Tür und Tor zu öffnen?:cool:

Das sehe ich als Problem an. Es ist aber leider so, dass die Archäologie das LIDAR-Verfahren benutzt und popularisiert, aber im Grunde nicht der Urheber ist. Die großflächigen LIDAR-Befliegungen wurden von den Katasterämtern (heute heißen sie meist anders, z.B. "Amt für Bodenmanagement" in Hessen) unternommen, nicht von den Archäologen selbst. Und die legen dann eben die Benutzung nach ihren Kriterien fest. Ich nehme an, dass LIDAR sehr helfen kann bei der auch heute noch bisher sehr groben Grundstückfestsetzung ("grob" bezieht sich hier auf Außenflächen, nicht Ortslage), auch bei bestimmten geologischen Überlegung, bei Erschließungsverfahren von neuen Baugebieten usw.
 
[FONT=&quot]Huhu Divico

Zwei sichere römische Standorte an einer bekannten römischen Straße.

Quellen:

Lokalisierung Lager Wederath Archaeologie.EU: Wederath - Römisches Militärlager

Lokalisierung Dumnissus vici.org

Straßenverlauf Ausoniusstraße vici.org


Feuer frei!
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Ja, da nehme ich doch an.

Das Militärlager in Belginum/Wederath ist gesichert, dass sich der vicus Dumnissus in/beim heutigen Kirchberg befunden haben muss, ebenfalls.

Genauso ist lange bekannt, dass die vorgeschichtlichen Fernstraßen über den Hunsrück (die von den Römern wahrscheinlich nur ausgebaut wurden) auf oder in der Nähe der Wasserscheiden über den/die Höhenrücken verliefen und streckenweise die heutigen Bundesstraßen 50 und 327 sowie die A 61 genau auf den alten Trassen (oder wenige Meter daneben) liegen. Andere alte Trassen, die nicht durch heutige Straßen aufgenommen wurden, sind bis heute zumindest durch Feldwege noch sichtbar. - Die Wege/Straßen aus provinzialrömischer Zeit führen heute oft noch schnurgerade durchs Gelände.
Das ist auf der Hunsrückhöhenfläche - gerade im Bereich der Wasserscheiden - topographisch relativ einfach, da es - wenn der Aufstieg auf den Hunsrück erst einmal gemacht ist (und man weder an den Rändern die Schluchtentäler, noch im Süden die Höhen von Soon-, Idar- und Hochwald überqueren möchte) - relativ wenige Höhenunterschiede gibt. Große Teile des Hunsrücks sind eben eine Hochfläche mit nur mäßigen Höhenunterschieden. (Übrigens gibt es weit mehr als die genannten vorgeschichtlichen Wege und Straßen auf dem und über den Hunsrück.)
Soweit ok.

Jetzt zu Belginum/Wederath und Dumnissus (Kirchberg bzw. Kirchberg-Denzen).

Der Vicus "am stumpfen Turm" = Belginum (auf der Wasserscheide auf Wederather und Hinzerather Gemarkung) ist ca. 1770 bekannt. – Wohlgemerkt der „VICUS“ nicht das Militärlager. Belginum war nämlich in aller erster Linie ein Vicus, der sich auf ca. 500 Metern Länge beiderseits entlang der modernen Straße (B327/B50) erstreckte. Moderne Ausgrabungen laufen seit den 1950er Jahren. Insbesondere wurde neben kleinen Teilen des römischen Vicus (der bis mindestens ins 4. Jh. n. Chr. bewohnt gewesen sein muss) und Teile des - nur kurzfristig belegten – frühkaiserzeitlichen Militärlagers ein vom 4. Jh. v. Chr. bis zum 4. Jh. n. Chr. durchgängig belegtes Gräberfeld mit ca. 2600 Gräbern ausgegraben. Die ersten davon (noch Hügelgräber) datieren in die ausgehende Frühlatènezeit Lt B2 (ca. um 350/300 v. Chr.) sind einheimisch-keltisch. Weitere Hügelgräber, die nicht untersucht wurden, schließen sich nördlich der Wederather Gemarkungsgrenze an und lassen vermuten, dass die Bestattungs- und Siedlungsgemeinschaft noch älter ist. Das Gräberfeld wurde nicht vollständig ausgegraben und es sind wohl im Laufe der Jahrhunderte Gräber unbeobachtet zerstört worden, so dass wohl zu den bekannten Gräbern noch einige hundert weitere addiert werden können.[/FONT]
[FONT=&quot]Die genaue Lokalisierung der vorrömischen Siedlung ist bisher nicht gelungen. Im Vicus selbst gab es mindestens 3 Tempelbezirke, ein Kulttheater und eine dichte, mehrzeilige Bebauung.[/FONT]
[FONT=&quot]Ich markiere die bekannte Mindestausdehnung des Vicus sowie des Gräberfelds auf den Fotos. [/FONT]

[FONT=&quot]Das Lager, auf das du dich beziehst, war also nur eine kurzfristige Episode in der Geschichte einer lokalen Siedlung, die sowohl deutlich früher begann als auch deutlich länger dauerte als das Militärlager belegt war. Daher halte ich das Militärlager bei Belginum für irrelevant für eine Streckenberechnung. Je nachdem wo man den Startpunkt für eine Streckenberechnung wählt, ergibt sich in Belginum eine Varianz von bis zu ca. 500 Metern. - Falls man das Gräberfeld und seine Ausdehnung, sowie einen ca. 1,5 km östlich des Vicus nachgewiesenen Tempelbezirk noch zu Belginum zählt, wird diese Varianz auf mindestens 2 km erhöht. – Die Frage – bezogen auf deine These - ist also: Wo ist der Startpunkt der Messung? [/FONT]


[FONT=&quot]Ok, dann zu Dumnissus:[/FONT]
[FONT=&quot]Der Vicus Dumnissus kann mit ziemlicher Sicherheit im heutigen Kirchberg lokalisiert werden. Aber das war es auch schon. [/FONT]
[FONT=&quot]Da ergibt sich nämlich schon zu Beginn ein Problem: Sowohl im alten Zentrum des Städtchens Kirchberg als auch im 1928 eingemeindeten Dorf Denzen gibt es zahlreiche römische und sogar noch frühmittelalterliche Funde (das weist auf eine Siedlungskontinuität nach der römischen Zeit hin). Das gewachsene Zentrum von Kirchberg selbst (rund um die Michaelskirche) liegt auf dem höchsten Punkt einer weit sichtbaren Erhebung („Stadt auf dem Berg“), der alte Ortskern von Denzen ist ca. 850m – 1 km nordöstlich der Kirchberger Michaelskirche in einer Senke (über 35 Höhenmeter tiefer) und ca. 450 – 500 m nördlich der mutmaßlichen Trasse der alten Römerstraße (heute K3 und bis zum Bau der neuen Umgehungsstraße B 50). Es wird davon ausgegangen, das sich der Ortsname „Denzen“ vom römischen „Dumnissus“ bzw. „Dumno“ ableitetet. Danach wäre „Dumnissus“ eben nicht in Kirchberg selbst sondern im Ortsteil „Denzen“ zu suchen. Das macht linguistisch auch Sinn, archäologisch ist es schwieriger.[/FONT]

[FONT=&quot]Tatsache ist, dass die genaue Lage und Ausdehnung des Vicus „Dumnissus“ bis heute nicht bekannt ist, auch wenn für meinen Geschmack der alte Stadtkern von Kirchberg ein wenig die Nase vorne hat. [/FONT]
Moderne Ausgrabungen gibt es nicht, Altfunde aber von unterschiedlichen Lokalitäten sowohl in Kirchberg selbst als auch aus Denzen.

Soweit ich sie irgendwie halbwegs lokalisieren konnte, habe ich sie auf dem Foto eingetragen.

Damit ergibt sich für deine These mal wieder die Frage, von wo genau gemessen werden kann/sollte und es gibt Varianzen von mindestens einem Kilometer oder mehr. Und es gibt Hinweise (z. B. mehrere noch nicht untersuchte Hügelgräberfelder) in der näheren Umgebung von Kirchberg, die darauf hinweisen könnten, dass dort bzw. im näheren Umkreis von wenigen Kilometern eine vorrömische Siedlungsgemeinschaft ansässig war. Die Siedlungskontinuität von der Spätantike zum frühen Mittelalter (und bis heute) ist in Denzen (u. evt. auch in Kirchberg) ziemlich wahrscheinlich.

Je nachdem, wo du mit der Messung in Belginum beginnst und in Dumnissus endest, kann die Strecke um mindestens 3 - 5 Kilometer variieren. (Will heißen von Belginum bis Dumnissus könnten es ca. 19 – 24 km gewesen sein.)

Ich schließe daraus, dass das mit den festen Abständen so nicht funktioniert. (Aber ich glaube, das haben auch andere schon gesagt.) Dass sich mittelgroße römische Straßenstationen (und darum handelt es sich wohl u. a. auch bei den vici Belginum und Dumnissus) in plus/minus Tagesetappen voneinander entfernt befanden, halte ich persönlich für ziemlich wahrscheinlich und plausibel. Aber ob die Tagesetappe nun (heutige) 15, 20, 25 oder sogar 30 Kilometer betrug, dürfte auch von der Topographie abhängig gewesen sein.
Zwischen Belginum und Dumnissus ist das Gelände auf der Hochfläche „relativ“ eben mit einigen Auf- und Abstiegen, bei denen die Steigungsabschnitte auch nicht sonderlich steil, sondern eher gestreckt und moderat sind, also gut zu gehen, wenn man „gut zu Fuß“ ist.

Will sagen: Schön, dass du gerade die beiden Orte ausgesucht hast. Aber deine These kannst du mit ihnen nicht untermauern, sondern eher auf die Unsicherheiten und Ungenauigkeiten derselben hinweisen. – Das ist auch ein Ergebnis. J

Zwischen Belginum und Dumnissus gibt es viele weitere vorgeschichtliche und provinzialrömische Bodendenkmäler, nämlich in erster Linie Hügelgräberfelder und villae rusticae (Stand 1993). Ich verfolge mal die alte Straße von West nach Ost:
- Hochscheid: frühlatènezeitliche Prunkgräber; Sirona-Tempel am Fuß des Idarkopfes
- Hirschfeld: eisenzeitliche und provinzialrömische Grabhügel
- Niederweiler und Laufersweiler: mind. 3 od. 4 römische Siedlungsplätze (villae rusticae); eisenzeitliche und provinzialrömische Grabhügel
- Büchenbeuren: eisenzeitliche und provinzialrömische Grabhügel, mind. eine villa rustica
- Sohren: eisenzeitliche Grabhügel, mind. 3 villae rusticae
- Niedersohren: eisenzeitliche Grabhügel, römisches Grabdenkmal
- Dill: eine villa rustica
- Dillendorf: große eisenzeitliche Hügelgräberfelder (insg. noch 67 Grabhügel), provinzialrömische Brandgräber
- Oberkostenz: mittelgroßes eisenzeitliches Hügelgräberfeld (teilweise gegraben), römische Streufunde.

So ähnlich sieht es überall in der Region aus. Durchschnittlich dürften auf jedes moderne Dorf etwa 2 römische villae rusticae kommen. Außerdem gibt es flächendeckend mehr oder weniger große Hügelgräberfelder sowie Grabgärten, die sowohl eisenzeitlich als auch provinzialrömisch sein können.
Im Zuständigkeitsbereich der GDKE Koblenz haben viele Jahrzehnte lang so gut wie keine Grabungen stattgefunden, was sich erst seit ca. 15 Jahren geändert hat.
Diese relative Siedlungsdichte und da die Funktionen der verschiedenen villae rusticae nicht bekannt sind (Gab es auch mansiones - also villae rusticae, die als Gasthäuser und Pferdewechselstationen für Reisende dienten - darunter? – Wir wissen es nicht.) machen deine Berechnungen noch unsicherer.

Sei dir dessen bewusst und genieße den Glühwein - möglichst natürlich mit Moselwein gemacht. ;)
Glühwein von der Mosel im Winter immer zu empfehlen ;) – auch wenn ich nicht mehr in der alten Heimat lebe. - Macht schön warm im Bauch und ein wenig schummrig ums Hirn - passt aber - gerade in den dunklen Wochen im Winter. Und bis dahin geht es mit der Kuscheldecke an die Heizung oder direkt ins Bett .

So, dann mal ran :winke:

VG
Nemetona
 

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Dem Lob meiner Vorredner schließe ich mich an. Bevor ich die Zeit finde, auf diesen Qualitätsbeitrag angemessen zu antworten, möchte ich noch eine rhetorische Frage in die Runde werfen:

Ihr wisst, warum der Moselort Detzem seinen Namen trägt?

Auch auf der kürzesten Wegstrecke heutzutage steht ein Wanderer, der im Ortskern von Detzem in Richtung Trier startet, nach 22,2 km resp. 10 Leugen ("leugas decem", "ad decimum lapidem") direkt an der Porta Nigra; seinerzeit auf vermutlich noch etwas kürzerer antiker Route landete man wohl etwas südlicher mitten in Trier.

Aber das ist alles sicher wieder nur ein lustiger Zufall. ;)
 
Aber das ist alles sicher wieder nur ein lustiger Zufall. ;)
Auf die Gefahr hin, zur Gebetsmühle zu mutieren: Niemand bezweifelt, Divico, daß es Abstände von 10 Leugen gab. Darüber müssen wir nicht diskutieren. Nur zu gern diskutieren würde ich hingegen, ob es a.) 10-Leugen-Distanzen in signifikanter Häufung und b.) in einer bemerkenswert hohen Genauigkeit ausgemessen gab.

Um b.) diskutieren zu können, braucht es hinreichreichend detailliert recherchierte Etappen, also tatsächlich Einzelbeispiele, aber eben mit sehr viel konkreteren Details, als bisher üblicherweise von Dir genannt. Für a.) benötigen wir eine hinreichend umfassende Datensammlung aller Etappen in einem Ausschnitt des römischen Wegenetzes (das Gesamtwegenetz wäre eine Mammutaufgabe sondersgleichen), also eben eigentlich keine Einzelbeispiele. Such' Dir's aus :friends:
 
Ihr wisst, warum der Moselort Detzem seinen Namen trägt?

Auch auf der kürzesten Wegstrecke heutzutage steht ein Wanderer, der im Ortskern von Detzem in Richtung Trier startet, nach 22,2 km resp. 10 Leugen ("leugas decem", "ad decimum lapidem") direkt an der Porta Nigra; seinerzeit auf vermutlich noch etwas kürzerer antiker Route landete man wohl etwas südlicher mitten in Trier.

Das allerdings ist keine Bestätigung deiner Hypothese. An der Mosel ist bedingt durch die Topographie nur begrenzt Platz gewesen zu siedeln. Manche Orte dort waren bis ins letzte Jahrhundert gar nicht über wege sondern nur per Schiff zu erreichen (auch wenn man sich das heute kaum noch vorstellen kann). Wenn nun ein Ort genau zehn Leugen von Trier entfernt ist und daher einfallsloserweise seinen Namen erhalten hat (ein anderer einfallsloser Name ist Longuich < longus vicus - 'langes Dorf'), dann ist das diesen topographischen Zwängen geschuldet, nicht dem Wunsch, unbedingt eine Zehn-Leugen-Strecke absolviert zu haben.

Edit: Im Grunde genommen kann man den Ortsnamen sogar als Beleg gegen die 10-Leugen-These anführen: Wären 10-Leugen-Abstände zwischen zwei Etappen das Standardmaß gewesen, wäre der 10-Leugen-Stein von Detzem keine Besonderheit gewesen, welche die Qualität gehabt hätte, zum - zugegebenermaßen einfallslosen - Ortsnamen zu mutieren. Wesentliches Motiv für die Namensgebung ist die Unterscheidung, die Differenzierung. Der 10-Leugen-Stein wurde hier als das differenzierende Merkmal für die Ortsnamenwahl auserkoren, was belegt: 10-Leugen-Abstände waren nicht so normal, dass viele Orte das Kriterium von einem Messpunkt aus exakt 10-Leugen entfernt zu liegen, aufweisen konnten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Niemand bezweifelt, Divico, daß es Abstände von 10 Leugen gab. Darüber müssen wir nicht diskutieren. Nur zu gern diskutieren würde ich hingegen, ob es a.) 10-Leugen-Distanzen in signifikanter Häufung und b.) in einer bemerkenswert hohen Genauigkeit ausgemessen gab.

Dito.

Um b.) diskutieren zu können, braucht es hinreichreichend detailliert recherchierte Etappen, also tatsächlich Einzelbeispiele, aber eben mit sehr viel konkreteren Details, als bisher üblicherweise von Dir genannt. Für a.) benötigen wir eine hinreichend umfassende Datensammlung aller Etappen in einem Ausschnitt des römischen Wegenetzes (das Gesamtwegenetz wäre eine Mammutaufgabe sondersgleichen), also eben eigentlich keine Einzelbeispiele.

Und genau hier wird es diffizil. Selbst auf längeren bekannten Römerstraßen gibt es immer wieder kurze oder längere Abschnitte, auf denen der Verlauf nicht hundertprozentig sicher ist.

Ein Beispiel ist die Limesstraße. Auf dem sicheren Abschnitt von Vetera nach Gelduba ergibt sich eine sehr genaue Übereinstimmung mit der antiken Entfernungsangabe von 9+9 Leugen.

Weiter rheinaufwärts wird es unsicher, wobei alles darauf hindeutet, dass nachfolgend auch Neuss, Rheinkassel, der Verteilerkreis Köln-Süd, Bonn, Remagen, Andernach, Koblenz, Boppard, Oberwesel und Bingen auf römischer Strecke jeweils 9 oder 10 Leugen voneinander entfernt lagen. Schlussendlich beweisen lässt sich das natürlich nie, zumal Teile der Straße dem seitdem veränderten Rheinverlauf zum Opfer gefallen sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn nun ein Ort genau zehn Leugen von Trier entfernt ist und daher einfallsloserweise seinen Namen erhalten hat [...] dann ist das diesen topographischen Zwängen geschuldet, nicht dem Wunsch, unbedingt eine Zehn-Leugen-Strecke absolviert zu haben.

Wenn ich mir das Luftbild anschaue, scheint mir die Lage von Detzem nicht wirklich geografisch zwingend zu sein. Abgesehen davon, dass es von dort weiter moselabwärts wieder rund 10 Leugen bis nach Filzen sind. ;)

Wären 10-Leugen-Abstände zwischen zwei Etappen das Standardmaß gewesen, wäre der 10-Leugen-Stein von Detzem keine Besonderheit gewesen, welche die Qualität gehabt hätte, zum - zugegebenermaßen einfallslosen - Ortsnamen zu mutieren.

Detzem war der Ort, der moselabwärts 10 Leugen von Trier entfernt lag – einer Stadt, die in einem gewissen regionalen und zeitlichen Kontext buchstäblich synonym mit Rom gewesen ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich mir das Luftbild anschaue, scheint mir die Lage von Detzem nicht wirklich geografisch zwingend zu sein. Abgesehen davon, dass es von dort weiter moselabwärts wieder rund 10 Leugen bis nach Filzen sind.
[...]
Detzem war der Ort, der moselabwärts 10 Leugen von Trier entfernt lag – einer Stadt, die in einem gewissen regionalen und zeitlichen Kontext synonym mit Rom war.

Was ändert das daran, dass ein 10-Leugen-Stein, wenn er das Standardmaß bedeutet hätte, mangels Unterscheidungsmöglichkeiten zur Ortsnamengebung nicht getaugt hätte?
 
Was ändert das daran, dass ein 10-Leugen-Stein, wenn er das Standardmaß bedeutet hätte, mangels Unterscheidungsmöglichkeiten zur Ortsnamengebung nicht getaugt hätte?

Weiter oben schriebst Du:

Wären 10-Leugen-Abstände zwischen zwei Etappen das Standardmaß gewesen, wäre der 10-Leugen-Stein von Detzem keine Besonderheit gewesen, welche die Qualität gehabt hätte, zum - zugegebenermaßen einfallslosen - Ortsnamen zu mutieren.

Dem hatte ich entgegen gehalten, dass es durchaus als Besonderheit angesehen werden kann, der von Trier (="Rom") aus erste Etappenort an der moselabwärts führenden Straße zu sein.

Was die Einfallslosigkeit betrifft, so liegt das auf einer Linie mit den vielen römischen "Mitte-"Orten – vom 20 km von Strassburg entfernten Mittelhausen bis ins oberbayerische Mittenwald an der via raetia, das mittig jeweils 20 km von Reith bei Seefeld und Farchant entfernt liegt.
 
Dann schau mal in den Wikipedia-Artikel zu den italienischen Ortsnamen, den solltest du unbedingt zur Kenntnis nehmen, er zeigt nämlich, dass die Ortsnamengebung nach Meilenangaben gar nicht soooo selten vorkam:

  • Millesimo (Provinz Savona), vom lateinischen ad millesimum passum "beim tausendsten Schritt"
  • Terzo (Provinz Udine, vom lateinischen ad tertium lapidem), am dritten römischen Meilenstein von Aquileia nach Norden
  • Terzo, drei römische Meilen westlich von Acqui (Piemont) an der Straße nach Savona
  • Quarto, an der Küste, vier römische Meilen von Genua Richtung Spezia
  • Quinto, am fünften Meilenstein an der Straße von Genua nach Spezia
  • Quart, östlich von Aosta, an der alten Straße zwischen Frankreich und Oberitalien
  • Quinto, an der Straße von Verona in die Val Pantena
  • Sesto San Giovanni, vom lateinischen ad sextum lapidem "am sechsten Meilenstein", zwischen Mailand und Como
  • Sesto Fiorentino, neun Kilometer (sechs Meilen) nördlich von Florenz
  • Sesto, zwischen dem Kreuzbergpass (Kreuzbergpass) und Innichen (San Candido)
  • Settimo, an der Strecke von Turin nach Mailand, nach zwölf Kilometern (sieben Meilen), am siebten Meilenstein
  • Settimo, zwischen Ivrea und Aosta
  • Quarto, Quinto und Settimo, an einer der Straßen, die aus Mailand hinausführen
  • Ottavo, am achten Meilenstein, an der Straße von Arezzo nach Perugia
  • Diecimo, am zehnten Meilenstein, fünfzehn Kilometer (zehn Meilen) nördlich von Lucca, an der Straße von Lucca nach Castelnuovo di Garfagnana
  • Pontedecimo, zehn römische Meilen vom Mittelmeer, an der Straße von San Pier d’Arena nach Novi Ligure
  • Decimoputzu, auf Sardinien, siebzehn Kilometer (ca. zehn Meilen) von Cagliari (auf italienisch würde dieser Ort Decimo Pozzo "zehnter Brunnen" heißen)
  • Diemoz, bei Aosta, vom lateinischen duodecimum („zwölf“), zwölf Meilen von Aosta entfernt
  • Quintodecimo, am fünfzehnten Meilenstein, einmal in den Abruzzen, ein zweites Mal fünfzehn Meilen von Benevento entfernt
  • Quindici ("fünfzehn") in der Provinz Avellino
  • Tricesimo,

Zumindest in dieser Liste sticht keine Meileneinheit durch Häufigkeit deutlich hervor.
 
Bei ze weih... Sind alle Orte, von denen aus diese Meilen gezählt wurden in ihrem gewissen zeitlichen Kontext synonym mit Rom? ;)
 
Die 9-Leugen-Regel gilt auch auf deutschen Bundesautobahnen.
Stichprobenweise nur für die 9-Leugen-Regel und nur für die A 9 überprüft (nur Anschlusstellen, keine Parkplätze oder Brücken):

Beelitz - Niemegk: 20,0 km
Eisenberg - Lederhose: 20,0 km
Bad Lobenstein - Kreuz Hof: 20,1 km
Berg/Bad Steben - Münchberg-Nord: 19,9 km
Markt Schorgast - Bayreuth-Süd: 20,0 km
Manching - "In der Holledau": 20,0 km

A9 - Autobahnatlas
 
Rund 10 leugen sind aber nicht exakt 10 leugen.

Der exakte Verlauf der römischen Straße, die mal mehr oder mal weniger entlang der Moselschlingen verlief, ist zumindest mir nicht bekannt, daher schrieb ich "rund".

---

Die 9-Leugen-Regel gilt auch auf deutschen Bundesautobahnen.
Stichprobenweise nur für die 9-Leugen-Regel und nur für die A 9 überprüft (nur Anschlusstellen, keine Parkplätze oder Brücken):

Beelitz - Niemegk: 20,0 km
Eisenberg - Lederhose: 20,0 km
Bad Lobenstein - Kreuz Hof: 20,1 km
Berg/Bad Steben - Münchberg-Nord: 19,9 km
Markt Schorgast - Bayreuth-Süd: 20,0 km
Manching - "In der Holledau": 20,0 km

A9 - Autobahnatlas

Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, dass eventuell Planung dahinterstecken könnte? Es wäre immerhin denkbar, dass Germanen des dunklen 20. Jahrhunderts ganz gezielt regelmäßige Knoten an ihren Militärstraßen planten, aber das ist vielleicht zu viel der Spekulation.
 
Der exakte Verlauf der römischen Straße, die mal mehr oder mal weniger entlang der Moselschlingen verlief, ist zumindest mir nicht bekannt, daher schrieb ich "rund".

Ja, aber man kann dann eine ca. Entfernung daher auch schlecht als Beleg für exakt-Entfernungen hernehmen!
 
Auf die Gefahr hin, zur Gebetsmühle zu mutieren: Niemand bezweifelt, Divico, daß es Abstände von 10 Leugen gab. Darüber müssen wir nicht diskutieren. Nur zu gern diskutieren würde ich hingegen, ob es a.) 10-Leugen-Distanzen in signifikanter Häufung und b.) in einer bemerkenswert hohen Genauigkeit ausgemessen gab.

Um b.) diskutieren zu können, braucht es hinreichreichend detailliert recherchierte Etappen, also tatsächlich Einzelbeispiele, aber eben mit sehr viel konkreteren Details, als bisher üblicherweise von Dir genannt.

Vor allem bräuchte es doch erst einmal klare Kriterien, was genau gemessen werden soll. Sind es Entfernungen nur zwischen Militärlagern oder Militärstützpunkten? Wo wird dann gemessen? Am Tor, am zentralen Platz oder wo es gerade passt? Oder darf man auch sonstige römische Siedlungsüberreste hernehmen, also vici, villae, Straßenstationen usw. - wieder mit der Frage nach dem Meßpunkt? Oder kann sogar der Fund von z.B. Inschriften als Beleg hergenommen werden?

Spielt die zeitliche Zuordnung eine Rolle oder kann man beliebig Fundstellen unterschiedlichster Zeiten miteinander kombinieren und aufgrund der richtigen Entfernung frühere Phasen postulieren, ohne dass es entsprechende archäologische Funde gibt?

Wenn all das keine Rolle spielen braucht, dann ist es aufgrund der Unmenge an römischen Funden eher nicht überraschend, dass man viele dieser Fundplätze mit 9 oder 10 Leugen Abständen findet. Vielleicht sollte sich jemand mit zu viel Freizeit die Mühe machen und schauen, ob man ähnlich viele Wege auch mit 7 oder 12 Leugen Abständen finden kann? :scheinheilig::pfeif:
 
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