nordamerikanische Festungen vor und während des Sezessionskriegs

dekumatland

Aktives Mitglied
Um den aktuellen Faden über den Sezessionskrieg nicht mit Nebenaspekten unübersichtlich zu machen, habe ich mir erlaubt, ausgehend von den Fragen und Überlegungen von @Shinigami
eine fachmännische Einschätzung zu den Fortifikationen um Vicksburg beisteuern könntest, würde mich das sehr interessen, auch im Hinblick auf eine Bewertung von Grants Vorgehensweise
Fort Sumter selbst war ja eine US-Amerikanische Bundesfestung mit einer entsprechendem Garnison, die aber auf dem Territorium von South Carolina lag, bzw. auf einer künstlichen vorgelagerten Insel, die South Carolina aber beanspruchte.
hier mit ein paar Bemerkungen zu den nordamerikanischen Festungen zu beginnen.

...wir kennen aus den zahlreichen Western das populäre cineastische Aussehen des typischen Militär-Fort: ein Viereck aus Holzpalisaden (gerne ohne vorgelagerten Graben) mit hölzernen Ecktürmen - ganz offensichtlich ungeeignet, um Artillerie darin aufzustellen (keine Geschützplattformen) und ebenso ungeeignet, um einem artilleristischen Angriff zeitweise zu widerstehen. Ähnliche Anlagen gab es aber: Kasernen und Depots für stationierte kleinere Militäreinheiten, umzäunt - das waren aber keine eigentlichen Festungen und solche Arreale befanden entweder im Schutz von wirklichen Fortifikationen (innerhalb eines Festungsrayons) oder in Gebieten, in denen nicht mit artilleristischen Angriffen zu rechnen war.

17.-18. Jh.
An wichtigen Häfen etc legten alle Kolonialmächte zum Schutz wie auch zur Repräsentation (Machtdarstellung) typische bastionierte Sternforts an, welche der Manier a la Vauban & Co. folgten - wir finden spanische, portugiesische, holländische, englische, französische und sogar ein paar preussische solche Forts in "Übersee". Bastionierte Stadtumwallungen, Zitadellen, auch detachierte Sternforts usw. Ein schönes Beispiel ist die Zitadelle in Quebec oder das Fort Ticonderoga.
weitere Anlagen mit wechselhafter Geschichte:


19. Jh. bis 1885 allgemein
Im ersten Drittel des 19. Jhs. wurden Reichweite, Präzision und Durchschlagkraft der Artillerie drastisch erhöht: die gezogenen Rohre. Der traditionelle Festungsbau a la Vauban (Bastionärsystem der 3. Manier) bot gegen diese Artillerie nicht mehr genügend Widerstand. So planerisch ästhetische "Weihnachtssterne" wie Neuf Brisach oder auch die österr. Festung Theresienstadt waren veraltet - aber diese Erkenntnis kam nicht überall an... Die deutschen Bundesfestungen (Koblenz, Germersheim, Ulm, Köln, Magdeburg, Minden u.a.) die nun als Polygonalfestungen mit detachiertem Fortgürtel gestaltet wurden - neudeutsche polygonale Manier - erwiesen sich als stärker; England übernahm diese Manier peu a peu (z.B. die Forts auf Alderney), Österreich übernahm sie sofort (Festungsviereck Verona, Komorn u.a.), in Russland wurde sie bei Neubauten integriert (Zitadelle Modlin) Frankreich und Spanien setzten weiter auf das Bastionärsystem, allerdings wurden die Festungen (Fortgürtel) nun weit ausgedehnter. Die Zernierung der Pariser Sternforts 1870/71 war dann Anlass, zur neudeutschen Manier zu wechseln (Polygonalsystem, z.B. Belfort, jüngerer äusserster Pariser Fortgruppen-Gürtel)
- Die Konkurrenz zwischen Bastionär- und Polygonalsystem ist weltweit in der 1. Hälfte des 19. Jhs. zu beobachten.
- Militärs waren "vernetzt", Festungsbaumanieren & -techniken blieben nicht geheim, ein Militäringenieur konnte bei verschiedenen Mächten in Dienst treten, lernen, lehren. (Der russ. "Kadett" Modest Mussorgski (sic!) studierte polygonale deutsche Festungspläne)
- Festungsbau in der Ära der gezogenen Geschütze war teuer und aufwändig (erstes "Festungssterben" im 19. Jh., das zweite nach 1885 (Brisanzkrise) interessiert uns hier nicht)
- die artilleristischen und fortifikatorischen Kontroversen wie auch Entwicklungen schwappten auch in die neue Welt über!

19. Jh. bis 1861 speziell in Nordamerika
an wichtigen Häfen waren Militäranlagen zum Hafenschutz sowie verstreut zum Küstenschutz angelegt, ebenso an Häfen im Landesinneren (Wasserstraßen) - es waren überwiegend bastionäre Anlagen (Sternforts, isolierte Inselforts (eigentlich Sperrbatterien), Geschütztürme, Lünetten etc) Teilweise aufwändig mit Kasematten, dicken Mauern, teilweise als reine Erdwerke. Und jeweils orientiert am Gelände, d.h. so günstig wie möglich platziert.
Der nordamerikanischen Festungsbau war nicht so umfangreich wie der britische oder französische, aber es gab ihn:
Fort Stark – Wikipedia (eines der Forts der Festung Portsmouth)
Dem nordamerikanischen Militär war klar, dass diese Festungsbauten gegen seinerzeit moderne Artillerie keine langfristige Widerstandskraft hatten, sondern dass die massiven und weithin sichtbaren bastionierten Forts als Depots und Knotenpunkte in ein System vorgelagerter Feldbefestigungen (passagere Verteidigungslinien) integriert werden mussten und dass sie nicht die zentralen Plätze zur Aufstellung der Verteidigungsartillerie sein durften (sie hätten leicht das Belagerungsfeuer auf sich gezogen).
Ein Beispiel für ein passageres Sperrwerk aus dem Sezessionskrieg ist das sogenannte Fort Wagner – Wikipedia

Die Festung Vicksburg galt als besonders stark, siehe Der Amerikanische Bürgerkrieg. Geschichte des Volks der Vereinigten Staaten, vor, während und nach der Rebellion, etc ab S. 254. Zwar waren ihre Forts und Batterien von der Bauweise (Überhöhung im Gelände, Bastionärsystem) veraltet, aber der Festungsring konnte nach dem Vorbild der passageren Totlebenschen Befestigungen in Sewastopol Fort Malakow – Wikipedia und Belagerung von Sewastopol – Wikipedia organisiert und im günstigen bergigen Gelände ausgebaut werden: ein schwer anzugreifendes System von geländeangepassten Erdschanzen, gestaffelten Schützengräben, Streichwehren. Siehe auch Schlacht um Vicksburg – Wikipedia

Später, nach dem Sezessionskrieg, nach der Brisanzkrise bauten die USA dann ebenfalls gesplittete Befestigungsgruppen und Panzerbatterien nach dt.-franz.-russ. Vorbild.
 
Die Festung Vicksburg galt als besonders stark
und das war sie auch, vergleichbar mit Sewastopol im Krimkrieg (die veraltete bastionäre Festung hielt monatelang einer Belagerung stand dank der vorgelagerten Feldbefestigungen)
Bzgl. Vicksburg ist auch zu bedenken, wie mühsam es war, genügend Artillerie von der Landseite her aufzustellen - von der Wasserseite her erwiesen sich Angriffe trotz Panzerschiffen als eher wirkungslos.
 
zwei Beispiel für den amerikanischen Festungsbau nach der Brisanzkrise (Stahlbeton"Bunker"):
 
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