In dem Text, den verlinkt hast, wird das nicht ganz so absolut dargestellt. Zumindest in dem dort beschriebenen Versuch, konnten die Versuchspersonen einen auf einem Bildschirm erscheinenden Kreis schneller erkennen, wenn er aus einer anderen Farbkategorie der jeweiligen Sprache als der Hintergrund bestand und brauchten länger wenn er aus derselben Farbkategorie stammt. Das bedeutet aber nicht, dass sie dann keine Unterschiede wahrnehmen können.
Ich habe auch ein bisschen nach weiteren Artikeln dazu gesucht und es scheint generell so zu sein, dass die Tests in der Regel die Kategorisierung und Erinnerung von Farben entsprechend der in einer Sprache vorhanden Farbkategorien untersuchen und nicht die Unterscheidbarkeit an sich.
Näheres dazu findet man z. B. hier:
(PDF) Colour categories and category acquisition in Himba and English (researchgate.net)
Dort ist beschrieben, wie sich die Kategorisierung von Farben bei Kinder mit Himba oder Englisch als Muttersprache ändert, sobald die Kinder die jeweiligen Farbkategorien der Sprache erlernen.
Vorher unterscheiden sie Farben nach Ähnlichkeit, nach erlernen der Farbwörter dann eher nach den Farbkategorien. Sie machen bei Erinnerungsaufgaben dann eher Fehler innerhalb einer Farbkategorie als außerhalb.
"In our longitudinal study, from an initial reliance on perceptual similarity,
an advantage for the (language appropriate) set of focal colours became evident
as soon as children acquired colour terms. Of those children knowing one or
more colour terms at the first time of testing, English children showed superior
memory performance for the items that are focal to English, but not to Himba
categories, while Himba children showed the reverse pattern. Such rapid
divergence in the cognitive organization of colour for the two groups, from the
time that the first terms are learnt, suggests that cognitive colour categories are
learned rather than innate. Thus, these data, like those for adult Himba and
Berinmo speakers, argue against an innate origin for the eleven basic colour
terms in English."
Es macht auch keinen Sinn, dass man blau und grün erst unterscheiden kann, wenn man unterschiedliche Begriffe dafür hat. Menschen können ja ohnehin mehr Farben und Farbtöne unterscheiden als es Begriffe dafür gibt.
Als Beispiel möchte ich noch mal die Farbe des Telekom-Logos erwähnen. Aus diversen Pressberichten über diesbezügliche Rechtsstreitigkeiten ist den meisten wahrscheinlich bekannt, dass es sich dabei um Magenta handelt. Aber ändert sich durch dieses Wissen die Farbwahrnehmung des Logos oder wird die Farbe erst dadurch z. B. von der Farbe einer roten Rose unterscheidbar? Oder ändert sich die Farbwahrnehmung, wenn man weiß, dass Magenta nicht einfach der Name für irgendeinen Rotton ist, sondern das Magenta im CMYK-Farbsystem eine der Grundfarben ist? Ich denke eher nicht.
Dieses Wissen hilft allerdings bei der Wiedererkennung und Kategorisierung der Farbe des Logos, da man neben dem visuellen Farbeindruck eben auch die Information "Magenta" anstelle von "irgendein Rotton" abspeichert und erinnert sich dann bei Gegenständen in ähnlicher Farbe daran "Ah, Magenta!".
Dasselbe gilt auch für Cyan bzw. Türkis. El Quichote konnte als kleines Kind erkennen, dass die Farbe seiner Pantoffeln kein typisches blau oder grün ist, konnte sie also von blau und grün unterscheiden, obwohl er damals wohl kein Wort für diese Farbe hatte.
Im Übrigen ist die unterschiedliche visuelle Wahrnehmung von blau und grün ja auch überhaupt erst die Voraussetzung dafür, dass der Wunsch auftaucht, dafür unterschiedliche Begriffe zu haben. Wenn man die Farben ohne die Begriffe nicht unterscheiden könnte, würde man ja gar nicht auf die Idee kommen, dafür unterschiedliche Begriffe zu verwenden.