Es war doch noch Anfang des 19. Jahrhunderts (Kissinger - Das Gleichgewicht der Großmächte) ein widersinniger Gedanke Staaten entlang von ethnischen oder sprachlichen Grenzen zu definieren.
Das an und für sich schon, nur musste sich ja das Attribut "deutsch" nicht unbedingt als ethnische oder sprachliche Zuschreibung verstehen lassen.
Es gab ja zweifellos so etwas wie die Vorstellung eines "Deutschlands" oder eines "Deutschen Gebietes" als Kategorie eines geographischen Begriffs.
Der "Deutsche Bund" von 1815 definierte keinen Staat und keine Nation, wohl aber einen klar abgegrenzten Raum, der von den Zeitgenossen als "deutsch" verstanden wurde und mit ethnischen oder sprachlichen Grenzen nicht unbedingt deckungsgleich war.
Wenn man sich die Frage stellt, wann und wie lange sich die Österreicher als "Deutsche" verstanden, sollte man dass, denke ich nicht bloß von der schmalen Plattform ethnischer oder sprachlicher Zuordnung her tun.
Man konnte sich ja in Österreich bereits dadurch als deutsch verstehen, dass Österrreich (im engerenn Sinne) selbst im kollektiven Bewusstsein zu einer Region gehörte, die als Teil eines geographischen deutschen Raumes definiert war.
Dieses Konzept mag zwar eher vormoderen anmuten, hält sich in seinen Rudimenten aber bis ins 20. Jahrhundert hinein, wenn man sich z.B. anschaut, wie in Deutschland das eigene Staatsvolk bis in die Weimarer Zeit hinein definiert wurde:
Die einheitliche Deutsche Staatsangehörigkeit, wie wir sie heute haben, wurde von der Konzeption her (natürlich damals mit anderen Implikationen, Kriterien und Zielen) erst von den Nazis 1934 eingeführt.
Im Kaiserreich und auch in der Weimarer Republik ist das noch anders geregelt da gibt es die rechtliche Konstruktion der "mittelbaren Reichsangehörigkeit".
Das bedeutete dass es eine direkte Deutsche Staatsangehörigkeit nicht gab, sondern es gab lediglich die Staatsbürgerschaft der Einzelstaaten.
Wer sich mal Ausweispapierte, Bewerbungsschreiben etc. etc. aus dem Kaisserreich oder der Weimarer Zeit anschaut, der wird da die Angabe "Deutsche(e)r" oder "Deutschland" unter dem Punkt "Staatsangehörigkeit" nicht finden, sondern der wird da Angaben finden, wie "Kgr. Sachsen", "Freistaat Preußen", "Großherzogtum Mecklenburg-Steiltz" "Sachsen-Coburg-Eisenach" oder ähnliches.
Die damalige Rechtsauffassung sah vor, dass wer die Staatsanghörigkeit eines Gliedstaates im Reichsverband hatte, damit fiktiv gleichzeitig als "Reichsangehöriger" galt. (Diese Konstruktion ermöglichte es in den 1930er Jahren Hitler die braunschweigische Staatsanngehörigkeit zu verschaffen und ihm damit als "Reichsangehörigem" die Möglichkeit einzuräumen höchste politische Ämter zu bekleiden).
Ein Grundsatz, der noch Anfang der 1930er Jahre aus dieser Gesetzgebung sprach, war dass im rechtlichen Sinne als Deutscher galt, wer irgendwo im als "Deutschland" oder "Deutsches Reich" definierten Vertragsgebiet zu dem sich die Einzelstaaten zusammengeschlossen hatten seine Heimat hatte und die nähere Zugehörigkeit zu einer darin zusammengefassten Region (Staatsangehörigkeit der Einzelstaaten) vorweisen konnte.
Im Sinne dieses Verständnisses konnte natürlich auch ein Österreicher sich Anfang des 19. Jahrhunderts als "deutsch" verstehen, ohne dass damit notwendigerweise ein im näheren Sinne nationales Selbstverständnis gemeint sein musste und das was hier vom Deutschen Bund als regionaler/geographischer definition eines deutschen Gebietes/Raums gelten konnte, ließ sich ja durchaus auch auf das alte Reich, in dem es ja den definierten Bereich des "Regnum Teutonicum" auch schon gab, auf den dieses Reich zunehmend zusammenschrumpfte, unter Umtänden auch schon übertragen.
Von dieser Warte aus, halte ich die im faden angeführte Behauptung, dass etwa Mozart sich im 18. Jahrhundert möglicherweise durchaus als "deutsch" verstanden haben würde für durchaus nicht abwegig.
Ob diese Zuschreibung mehr einer nationalen, als geographischen Idee entsprungen wäre, dass wäre freilich eine andere Frage.
Wenn man aber davon ausgeht, dass sich die vorhandene geographische Vorstellung eines irgendwie deutschen Raumes, die es auch in Österreich gab, sukzessive in ein kulturell-nationales Verständnis umwandelte, erscheint es sinnvoll anzunehmen, dass die Bewohner Österreichs, die sich selbst in das geographsiche Verständnis des Begriffs "deutsch" von dem dann auszugehen wäre inkludieren konnten, diesen Begriffswandel von Anfang an mitmachten und sich im Prinzip als Teil einer deutschen Nation verstanden, seit dem diese Vorstellung aufgekommen war.