Ostgerm. und reiternomad. Verbindungen der Thüringer in der späten VWZ (D2)

Das bedeutsame Merkmal der Fibeltracht der Goten ist die paarige Anordnung an den Schultern, wie bei der Rekonstruktionszeichnung zum Grabfund Domagnano dargestellt. Die Fibel dienten wahrscheinlich zum Verschluss einen peblosartigen Gewandes. Meistens handelte es sich um Bügelfibeln, also abstrakte Formen, Adlerfibeln und Zikadenfibel kommen aber auch vor. Die gotische Peblostracht ist von der gleichzeitigen romanischen Einfibeltracht und den "westgermanischen" Vierfibeltrachten unterscheidbar. (vgl. Fibel- und Fibeltracht. Sonnderband zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde)
Der Unterschied zwischen der idealtypischen gotischen Fibeltracht und der Fundlage in Oßmannstedt könnte nicht größer sein. In Oßmannstedt trug die Dame eine einzelne Fibel im Beckenbereich.

Eine alanische Fibeltracht kommt in den Handbüchern nicht vor. Für Spanien und Nordafrika konnte keine Unterscheidung zwischen Vandalen und Alanen vorgenommen werden. Die Funde vom Schwarzen Meer werden in gewohnter Gotomanie nicht den Alanen sondern den Krimgoten zu geschlagen. Ein Fibelfund aus den aus der Geschichtsschreibung bekannten alanisch besiedeltem Gebieten wird also immer gotisch, vandalisch, gepidisch ..., aber auch jeden Fall germanisch gedeutet.

Das Adlermotiv kommt auch bei Kleinfibeln (Vogelfibel, S-Fibel) der Franken, Alamannen, Thüringer und Bajuwaren. Es ist keineswegs eine gotische Besonderheit.

Zur Verbreitung des polychromen Stils bzw. des Zellwerks mit insbesondere roten Granaten (teilweise auch andersfarbige Steine und Glas) wie bei der Adlerfibel und der Gürtelschnalle von Oßmannstedt während der Völkerwanderungszeit empfehle ich dir den Artikel "Vom Karfunkelstein" aus dem Austellungskatalog "Karfunkelstein und Seide. Neue Schätz aus Bayerns Frühzeit" (2010). Der Artikel ist online verfügbar.
Dort heißt es: "Solche granatbeschmückten Objekte wurden von Skandinavien bis Nordafrika und von Portugal bis ans Schwarze Meer, einzelene Schmuckstücke sogar in West (Boma, Autonome Provinz Xinjiang), Kirgistan (Samsi) und Nubien (Ballane und Qustl, Ägypten) gefunden (Abb.1). Der Ursprung dieses Schmuckstils ist in der Fachwelt umstritten, wird aber wohl im Gebiet des Schwarzen Meers (Kaukasus, Krim), eventuell auch Persien anzusiedeln sein." S. 87, 88 ebd.
Mit dem "Ursprung des Schmuckstils" ist der Ursprung dieser Mode gemeint.
Im Artikel wird auch die aufwendige Herstellung der Schmuckstücke beschrieben. Der Aufwand ist bei einem flächendeckenden Zellwerk wie bei den Stücken aus Oßmannstedt am größten, da jeder einzelne Stein passend für das Mosaik anepasst werden muss.
 
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Was somit für mich übrig bleibt, ist ein Tote die aus dem Karpatenbecken stammt, vermutlich Gotin war und deren Tracht an die byzantinische Oberschicht angelehnt war, oder diese nachgeahmt hat. Bis auf den Kamm, können alle anderen Fundgegenstände, erst Recht die Adlerfibel für die ja komischerweise, im Gegensatz zur Schnalle, Bemmann keine byz. Vorbilder anführt,auch im Karpatenbacken von einheimischen, germanischen Goldschmieden angefertigt worden sein.
Die Verfügbarkeit von fähigen Goldschmieden war zumindest begrenzt. Das zeigt zumindest die folgende Geschichte aus kurzlebigen germanischen Königreich der Rugier (453 - 488, Niederösterreich/Pannonien). Sie spielt im 5. Jahrhundert, also ungefähr zu Lebzeiten der in Oßmannstedt bestatteten Dame. Später wurde das Königreich der Rugier von italischen König Odoaker, dem Sohn des skirisch-thürinigschen(?) Königs Edekon, vernichtet.

In der Severinsvita des Eugippius ist eine Anekdote aus dem Reich der Rugier überliefert, die zeigt, wie schwer es war, an gute Goldschmiede zu kommen. überfielen regelmäßig das noch stark romanisierte Noricum südlich der Donau, plünderten und machten Gefangene. Der Mangel an Goldschmieden am Königshof der Rugier war offenbar so groß, dass am rugischen Königshof zwei Goldschmiede in Zwangsarbeit für Königin Giso Schmuckstücke herstellen mussten. Die Goldschmiede entführten daraufhin den rugischen Königssohn Fredericus und erpressten die Königin. Durch die Vermittlung des Abtes Severin konnte die Freilassung des Prinzen und der Goldschmiede erreicht werden.

Wohin die Schmiede gingen ist nicht überliefert, bei den Rugiern wollten sie jedenfalls nicht bleiben.
Dieser Quelle ist jedenfalls zu entnehmen, dass der rugische Königshof zumindest eine Zeit lang über hervorragende Goldschmiede verfügte.
 
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Guten Morgen, vielen Dank für die letzten Beiträge. Wahrscheinlich komme ich erst am Wochenende zum gründlichen Lesen und Nachdenken. Vielen Dank auch dafür, dass mir ein Forumsmitglied den Text von Kampers über die Verbindungen zwischen thüringischen und ostgotischen Dynastien zugesandt hat, auch diesen werde ich wohl erst am nächsten Wochenende für das Forum aufarbeiten können.
Grundsätzlich, ich kann Herrn Bemmann auch einmal anschreiben, und verschiedene Fragen stellen, z.B. zur byzantinischen Provinienz der Fundstücke und der ethnischen Zuordnung. Jedoch möchte ich einschränkend darauf hinweisen, dass das Grab zwar ausführlich besprochen wird, jedoch nur als ein Teil der Zusammenfassung der Funde in Thüringen - Bemmann geht es da auch um die Begründung und Darstellung eines Wandels in der archäologischen Kultur in Thüringen um 450. Daher wäre eventuell ergänzend hinzuzuziehen Wolfgang Timpel: Inventar eines ostgotischen Frauengrabes aus Oßmannstedt. In: Historische Kommission für Hessen (Hrsg.): Hessen und Thüringen “ von den Anfängen bis zur Reformation. Eine Ausstellung des Landes Hessen. Katalog. Wiesbaden 1992.
Zur ethnischen Interpretation archäologischer Kulturen in Thüringen aus einem von Sebastian Brather herausgegebenen Band:
(PDF) Methodik der ethnischen~Deutung: Überlegungen zur Interpretation der Grabfunde aus dem thüringischen Siedlungsgebiet
Zur byzantinischen Provenienz der Adlerfibel: es wäre interessant, @schwedenmann, wenn dir der Text von Nawroth über die byzantinischen Einflüsse auf die gotische Tracht vorliegt, diesen hier kurz darzustellen. Warum wird für die spätere Adlerfibel aus Domagnano eine germanische Werkstatt angenommen?
Zu den Heiratskreisen ein Artikel aus einem interessanten Tagungsband über weibliche Eliten:
WEIBLICHE ELITEN IN DER FRÜHGESCHICHTE-FEMALE ELITES IN PROTOHISTORIC EUROPE
Internationale Tagung vom 13. bis zum 14. Juni 2008 im RGZM im Rahmen des Forschungsschwerpunktes »Eliten«
Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 2011
(PDF) Die Regionalisierung der reichen Frauentracht und die Nachweismöglichkeiten jüngerkaiserzeitlicher Heiratskreise am Beispiel Nordeuropas

Kurze Gedankengänge zur byzantinischen Provenienz: im sehr guten Text, danke Maglor, "Vom Karfunkelstein",
(PDF) Vom Karfunkelstein
werden Fundcluster verschiedener Granatgruppen erstellt, dabei stellt sich heraus, dass man 5 Hauptgruppen erstellen kann, ganz grob, zwei Fundgruppen beziehen sich auf die frühen Funde vor 520 nach Chr. von aus Ostafrika und aus Indien/Sri Lanka importierten Steinen. Der Autor meint, dass sich aus diesem wahrscheinlich
über den Seefahrt bezogenen Importgut der Edelsteine eine zentrale Rolle des oströmischen Reiches (zumindest als Mittler) ergibt. Über den Bruch in den Fernhandelsbeziehungen spekuliert er kurz, kommt dort jedoch zu keinem Ergebnis. Möglich ist, da die Almandine (eine Unterart der Granate) der Oßmannstedter Fibel aus Sri Lanka stammen sollen, die byzantinische Herkunft so hergeleitet wird.
Wichtig, die späteren skandinavischen, portugiesisch -spanischen und mitteleuropäischen Funde bezogen ihre Granate aus europäischen Quellen in (westlich) Portugal, Schweden und Böhmen (nach 520).
Ein Hinweis noch, es scheint in Alabanda (Karien, westliches Kleinasien Alabanda – Wikipedia )
eine lange Tradition der Almandinverarbeitung gegeben zu haben, der Alamandin ist nach dieser Stadt benannt, Plinius der Ältere (Plin. n. h. XXXVII 92)erwähnt Alabanda als Fund-und Verarbeitungsort von Almandinen (Alabandicus), auch wegen des dort vorhandenen Korunds als Schleifmittel. "In der einzigen merowingerzeitlichen Schrift, welche auch Edelsteine systematisch bespricht, den Etymologiae des hl. Isidor von Sevilla, werden nur die schon von antiken Autoren, vor allem Plinius dem Älteren, genannten Vorkommen der verschiedenen Arten des Granats wiederholt. ... die Granate des Menderes Massifs in der heutigen Türkei wurden bei Orthosia in Karien gewonnen, im nahen Alabanda wegen des dort ebenfalls vorhandenen Schmiergels (Korunds) verarbeitet, und kamen über die Hafenstadt Milet in den Handel" Vom Karfunkelstein, Gilg, Gast, Calligaro, 2010.
Ein Forschungsprojekt zum Thema Handelsbeziehungen:
Handelsbeziehungen bei mittelalterlichem Granatschmuck
 
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Rote Granate, Almandine, sind sehr leicht im Alpenraum zu finden. Ich kenne Fundstellen im Seebertal (Granatkogel) und im Ultental. Ich weiß nicht inwieweit Lagerstätten im Alpenraum oder in Böhmen ausgebeutet wurden, aber es kann sein dass Goldschmiede auf traditionelle Handelswege und Lieferketten bis nach Indien zurückgriffen, auch wenn andere Fundstätten viel näher waren. Es mussten ja in der Cloisonné-Technik verschiedene Materialen kombiniert werden, die alle für den Goldschmied verfügbar waren.
 
Sicherlich noch hilfreich: Bierbrauer (2008): "Ethnos und Mobilität im 5. Jahrhundert aus archäologischer Sicht: Vom Kaukasus bis Niederösterreich" Link zum PDF
Dem Autor stellt verschiedene Kriterien zur Unterscheidung ethnischer Gruppen in Osteuropa vor.

Nach Bierbrauer werden die ostgermanische Frauen an ihrer Peplos-Fibeltracht und die reiternomadischen Frauen an ihrer fibelosen Tracht identifiziert. Das Tragen von Ohrringen gilt auch als typisch reiternomadisch.
Die Fibeltracht der Dame von Oßmannstedt ist meiner Meinung nach eine schwer deutbare Zwischenform. Die Adlerfibel im Beckenbereich befindet sich direkt neben der Gürtelschnalle, wurde vielleicht wie ein Gürtelbeschlag getragen. Hat hier etwa eine reiternomadische Frau eine Adlerfibel zweckentfremdet, weil sie schlicht keinen Peplos trug?
Andererseits tauchen Fibeln im Beckenbereich als Ersatz für die Gürtelschließe auch bei der "westgermanischen" (einschließlich langobardischen und thüringischen) Vier-Fibel-Tracht auf - allerdings mehrere Jahrzehnte später. So gesehen wäre die Dame von Oßmannstedt vielleicht ein Trendsetterin.

Zum Thema Schädeldeformation und Spiegelbeigabe erwähnt Bierbrauer (S. 53, 54), dass Schädeldeformation und Spiegelbeigaben auch von Ostgermanen und Romanen übernommen worden seien und daher ethnisch nicht aussagekräftig seien.
Ich bin hier jedoch anderer Meinung. Die Schädeldeformation und Brauch einer Toten einen zerbrochenen Spiegel beizugeben, haben meines Erachtens eine andere Qualität als die Fibel- und Gürteltracht. Eine Tracht kann man nämlich leicht wechseln, wenn man sich einfach neu einkleidet, während man sich der Erziehungs- und Zurichtungsmethode der Schädeformation nachträglich nicht mehr ändern kann.Auch sollte man beachten, dass die Schädeldeformation in den antiken Schriftquellen (u.a. Jordanes) als typisch hunnisch gedeutet wurde. Wenn mutmaßliche Romanen oder Ostgermanen ebenfalls für ihre Kinder Schädeldeformation haben, bedeutet das meiner Meinung nach vor allem, dass sie sich den Hunnen zugehörig fühlten und die reiternomadische Kultur insoweit übernommen haben.
Den Bestattungssitten einer Kultur kann man sich nur schwer entziehen kann und unterliegen meiner Ansicht nach nicht so sehr dem Diktat der schnelllebigen Mode, sondern viel mehr den religiösen Vorstellungen.

Meine Deutung ist daher, dass die Dame von Oßmannstedt innerhalb der reiternomadischen Kultur erzogen (erkennbar an der Schädeldeformation) und innerhalb der reiternomadischen Kultur bestattet wurde (erkennbar amn zerbrochenen Spiegel). Ihre reiternomadische Tracht wurde mit hochwertigem byzantisch-romanischen Schmuckstücken aufgerüstet. Da die Fibel in der reiternomadischen Kultur keinen funktionalen Platz hat, wurde sie am Gürtel getragen.
 
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