Otto I. und die Ungarn

Nachstehend die wesentliche Quelle aus Widukinds "Sachsengeschichte", die über die Ereignisse der Schlacht auf dem Lechfeld berichtet. Ihr werdet jedoch feststellen, dass vieles nach wie vor Auslegungssache und Hypothese bleibt:

"Als König Otto Anfang Juli Sachsen betrat, kamen ihm Gesandte der Ungarn entgegen, als wollten sie ihn in alter Treue und Freundschaft besuchen, in der Tat aber, wie auch einige annahmen, um den Ausgang des Bürgerkriegs zu beobachten. Nachdem er sie einige Tage bei sich behalten und, mit einigen kleineren Geschenken geehrt, in Frieden entlassen hatte, erfuhr er durch Boten seines Bruders, d.h. des Herzogs der Bayern: 'Pass auf, die Ungarn dringen in Gruppen aufgeteilt in dein Gebiet ein und haben sich vorgenommen, sich mit dir in eine Schlacht einzulassen.'

Sobald der König dies hörte, brach er sofort gegen die Feinde auf, als hätte er im vergangenen Krieg noch keine Anstrengung auszuhalten gehabt, und nahm sehr wenig Sachsen mit, weil ihnen schon der Krieg mit den Slawen zu schaffen machte.
Im Bereich Augsburg schlug er sein Lager auf, und hier stieß zu ihm das Aufgebot der Franken und Bayern. Mit seinem starken Reiterheer kam auch Herzog Konrad ins Lager, und durch seine Ankunft ermutigt wünschten die Krieger den Kampf nicht länger aufzuschieben. Denn er war von Natur aus ein Draufgänger und, was bei kühnen Männern selten ist, tüchtig im Rat...

Im ersten Dämmerlicht standen sie auf, machten untereinander Frieden und gelobten dann zuerst ihrem Anführer, darauf ein jeder dem andern eidlich seine Unterstützung. Dann rückten sie mit aufgerichteten Feldzeichen aus dem Lager, etwa 8 Legionen an der Zahl. Das Heer wurde durch unwegsames und schwieriges Gelände geführt, um den Feinden keine Gelegenheit zu geben, die Züge in Unordung zu bringen mit ihren Pfeilen, die sie gekonnt einzusetzen verstehen, wenn Gebüsch sie deckt.

Die erste zweite und dritte Legion bildeten die Bayern, an ihrer Spitze standen die Befehlshaber des Herzogs Heinrich...Die vierte bildeten die Franken unter der Leitung und Obhut des Herzogs Konrad. In der fünften, der stärksten, die auch die königliche genannt wurde, war der Fürst selbst, umgeben aus den Auserlesenen aus allen Tausenden von Kriegern und mutigen jungen Männern...Die sechste und siebte bestand aus Schwaben, die Burchard befehligte. In der achten waren tausend böhmische Streiter, besser mit Waffen als mit Glück versehen; hier war auch alles Gepäck und der ganze Tross - als ob am sichersten sei, was sich am hintersten Ende befindet.

Aber die Sache kam anders als man glaubte. Denn die Ungarn durchquerten ohne Zögern den Lech, umgingen das Heer, begannen die letzte Legion mit Pfeilschüssen herauszufordern; darauf unternahmen sie mit ungeheurem Geschrei einen Angriff, bemächtigten sich, nachdem sie die einen getötet oder gefangengenommen hatten, des ganzen Gepäcks und trieben die übrigen Bewaffneten dieser Legion in die Flucht. Ähnlich wurde die siebte und sechste angegriffen; nachdem eine Menge von ihnen getötet war, rannten die anderen auf und davon. Als der König aber bemerkte, dass der Kampf unglücklich verlief und in seinem Rücken die hintersten Heeresteile in Gefahr waren, schickte er den Herzog (Konrad) mit der vierten Legion los, der die Gefangenen befreite, die Beute wieder zurückholte und die plündernden Haufen der Feinde verjagte.

Nachdem die ringsumher plündernden feindlichen Scharen vernichtet waren, kehrte Herzog Konrad mit siegreichen Fahnen zum König zurück. Und erstaunlicherweise schaffte er mit jungen, im Kapf fast unerfahrenen Kriegern den triumphalen Erfolg...

Als der König erkannte, dass nun der Kampf in seiner ganzen Wucht unter ungünstigen Umständen bevorstehe, ergriff er den Schild und die heilige Lanze und richtete selbst als erster sein Pferd gegen die Feinde, wobei er seine Pflicht als tapferster Krieger und bester Feldherr erfüllte. Die Mutigeren unter den Feinden leisteten anfangs Widerstand, dann aber, als sie ihre Gefährten fliehen sahen, erschraken sie, gerieten zwischen unsere Leute und wurden niedergemacht. Von den übrigen indes zogen die, deren Pferde erschöpft waren, in die nächsten Dörfer ab, wurden dort von Bewaffneten umringt und samt den Gebäuden verbrannt. Die anderen schwammen durch den nahen Fluss, aber da das jenseitige Ufer beim Hochklettern keinen Halt bot, wurden sie vom Strom verschlungen und kamen um.

An diesem Tage nahm man das Lager, und alle Gefangenen wurden befreit. Am zweiten und dritten Tag wurde von den benachbarten Burgen aus der Masse der übrigen so sehr der Garaus gemacht, dass keiner oder doch nur wenige entkamen. Aber nicht gerade unblutig war der Sieg über einen so wilden Stamm...

Drei Anführer des Ungarnstammes wurden gefangengenommen, Herzog Heinrich vorgeführt und zu einem schändlichen Tod verurteilt, wie sie ihn verdienten, sie krepierten nämlich durch den Strick.

Durch den herrlichen Sieg mit Ruhm beladen, wurde der König von seinem Heer als Vater des Vaterlandes und Kaiser begrüßt...Denn eines solchen Sieges hatte sich kein König vor ihm in zweihundert Jahren erfreut.

(Widukind von Corvey, Res gestae Saxoniae/Die Sachsengeschichte, Kap. 44, 46-49, aus: Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, Bd. 1, Frühes und hohes Mittelalter, Stuttgart 1995, S. 153-157)
 
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