Publius Quinctilius Varus

White_Wolf schrieb:
In dem von mir, in diesem Fall schon oft zitiertes Buch, "Die größten Fehlschlage der Militärgeschichte" von Saul David, fand ich folgende Textstelle, die ich als Quelle annahm:
Ich habe dieses Buch ebenfalls. Es ist kein Standartwerk noch anerkanntes Lehrmaterial, schon gar nicht an den Universitäten oder gar über die Römer. Die Sichtweise ist, wie du bestimmt festgestellt hast anglo-zentralistisch.
Im übrigen ist dies keine Quelle sondern Literatur, in diesem Fall Sekundärlit.

"...Doch während die Legionen sich ihren weg durch den Wald freischlugen, kamen sie in einen Heftigen Regen, der ihre Lage weiter verschlimmerte. Dio Cassius zufolge wurde der Boden schlammig und "sehr tückisch" Die Kronen der Baume brachen ab, und stürtzten herunter und brachten große verwirrung hervor...."
Die besten Quellen zu Varus finden sich im Jahrzehnte später lebenden Tacitus, Frontinus und Paterculus.

Den ersten Angriff konnten die Römer solange beschäftigen, dass sie primitive Palisaden errichtet hatten.
Wäre mir neu. Man geht in Kalkriese, dem momentan noch ausgeschilderten aber umstrittenen Varusschlachtstandort davon aus, dass die Germanen Wälle anlegten, welche den fliehenden Römern den Weg verlegen sollten.

Zudem muss ich, wenn ich mich weiter auf dieses Buch beziehe, dich in so fern enttäuschen, dass nur ein Narr seine Leute noch in "Frieden" marschieren lassen würde, was, wie wir feststellten, Varus wohl kaum war. Hier die Erleuterung, weshalb die kolonne zum zeitpunkt des regens, wohl schon beschildet war:
Du enttäuschst mich nur, wenn du ausschließlich auf der Grundlage dieses einen Buches diskutierst.
Zur Legion gibt es dutzende gute Bücher. Ich empfehle einen Blick in diese Literaturempfehlungen hier im Forum. Bei Bedarf kann ich dir gerne eine Lit. Liste zusenden, die tiefer einführt.
Wenn wir von einem unter den langgezogenen Heerzug befindlichen Troß ausgehen und einem auseinander dehnen bzw. der Anwesenheit der Familien sprechen, dann ist nur die beschriebene Variante des Marsches, die ich hier lapidar als Frieden bezeichnet habe möglich. Alles andere widerspricht der üblichen vorgehensweise der Legion.

Nachdem seine Vorhut, aus einigen Patrollien bestehend, nicht zurückkehrte, aus dem Vorliegenden terrain, befahl Varus der Marschkolonne auf die Straße zu marschieren, jene über den Dören-Pass nach Aliso führte. Jedoch erfuhr er bald darauf, dass Aliso belagert würde, er sah sich nun gezwungen nach Münster im Emsland auszuweichen. (spätestens seit dieser Nachricht müsste er auf Alarmbereitschaft gewesen sein, in dieser Situation in "Friedenspositionen" zu marschieren wäre leichtsinn ohnes gleichen)" danach folgt der bereits oben zitierte abschnitt.
Zitiere dazu bitte die bestimmende Quelle und wir werden sehen ob dies Spekulation, Dichtung oder ratifizierte Überlieferung ist. Das ist nämlich eines der Probleme solcher Bücher. Sie treffen Aussagen, beschreiben aber nicht, woher sie die Schlüsse dahinter bekommen.

"... Als sie am nächsten Morgen ihren Marsch fortsetzten gerieten sie erneut in schweren Regen, der es ihnen schwer machte auch nur sicheren Halt zu finden. Und ausserdem konnten sie weder Bogen noch speere wirkungsvoll einsetzen und auch nicht ihre (Leder-) Schilde, die sich Gründlich mit Wasser voll gesogen hatten..."
Es gibt nur einen einzigen Lederschild in römischen Diensten, die sog. parma equestris.
Ich bitte dich, im römischen Forum etwas zu lesen, da ich nicht jedesmal alles beschreiben kann und möchte. Der zitierte Absatz jeenfalls strotzt vor Unlogik und Fehlern.

Wenn dieses Buch fehlinformationen beinhalten sollte, so danke ich dir für evtl. berichtigung, wenn nicht so ist es meine Pflicht deinen Text zu ergänzen.
MFG White_Wolf
Absolut richtig, aber sei versichert, ich habe ein wenig Ahnung vom römischen Militär und mache nur selten noch Fehler :) Trotzdem Danke (und das ist ehrlich gemeint).
 
Tib. Gabinius schrieb:
Es gibt nur einen einzigen Lederschild in römischen Diensten, die sog. parma equestris.
Ich bitte dich, im römischen Forum etwas zu lesen, da ich nicht jedesmal alles beschreiben kann und möchte. Der zitierte Absatz jeenfalls strotzt vor Unlogik und Fehlern.

Aber kann sie nicht auch ein Holzschild mit Wasser vollsaugen. Das ist nur ein kleiner Ansatz der mir gerade beim lesen aufgefallen ist...

Gruß
 
Kein Problem, finde ich das nötigste hier, oder hasste auch gute links im petto??, denn wenn ich mit dieser literatur gar so falsch liege, will ich diesen fehler natürlich wieder ausmertzen. Immerhin habe ich weiterhin vor, mit euch hier über derartige themen, qualifiziert zu texten. also, vielen dank, und ich werde sehn, ob ich es auch vermag noch etwas mehr ahnung von solchen dingen zu bekommen. :)
Denn ich verstehe mich mehr auf Taktik und strategie, aber in diesem Punkt wurde jedoch alles gesagt, bis auf eines:
Wenn Varus wusste, dass aliso belagert wird, weshalb weicht er aus? war die belagernde Macht so groß?? ich fand dazu weder in Meiner Literatur, noch in meinen etwas qualifizierteren Büchern eine eindeutige aussage.

Ich entschuldige mich zudem bei allen, denen ich durch evtl. Falschangaben meiner Literatur, die ich als Quelle in diesem thema heranzog, unrecht getan, oder auch nur verwirrt habe. Sorry! ;-)
 
Wulfnoth schrieb:
Aber kann sie nicht auch ein Holzschild mit Wasser vollsaugen. Das ist nur ein kleiner Ansatz der mir gerade beim lesen aufgefallen ist...

Gruß
Kann, aber dazu muß es wirklich mit Wasser übergoßen werden bis es quillt, oder in Wasser gelegt werden. Solche Regenfälle würden ein fortkommen nicht nur beschweren, sondern m.E. unmöglich machen (mit den Calligae sinkt man dann nach kurzer Zeit zu tief ein usw.)
Außerdem befindet sich über dem Holz eine bemalte, und durch Ölverwendung vermutlich auch etwas wasserabweisende Schicht Leder oder Leinen, und beim Marsch ohne erwartete Feindeinwirkung eine weitere Schutzhülle. Da dieses Leder keine Rohhaut ist, besteht kaum Gefahr, dass diese übermäßig viel Wasser aufnimmt.

Wenn Varus wusste, dass aliso belagert wird, weshalb weicht er aus? war die belagernde Macht so groß?? ich fand dazu weder in Meiner Literatur, noch in meinen etwas qualifizierteren Büchern eine eindeutige aussage.
Gute Frage und ein Kritikpunkt an dieser Interpretation. Mit drei Legionen einem Lager oder Kastell nicht zu Hilfe zu kommen, sondern sogar auszuweichen ist unverständlich. Die Feindmacht kann nicht so groß gewesen sein, dass Varus mit seiner "vereinigten" Heermacht keine Chancen sah.
 
Zuletzt bearbeitet:
White_Wolf schrieb:
"...Doch während die Legionen sich ihren weg durch den Wald freischlugen, kamen sie in einen Heftigen Regen, der ihre Lage weiter verschlimmerte. Dio Cassius zufolge wurde der Boden schlammig und "sehr tückisch" Die Kronen der Baume brachen ab, und stürtzten herunter und brachten große verwirrung hervor...."
Diese Angabe stimmt mit Cassius Dio 56,20,3 überein.

White_Wolf schrieb:
Den ersten Angriff konnten die Römer solange beschäftigen, dass sie primitive Palisaden errichtet hatten.
Hmm, von Pallisaden kann ich nichts lesen. Bei Cassius Dio 56,21,1 steht zwar, dass die Römer ein Ort und Stelle ein Lager aufschlugen, von Pallisaden steht dort kein Wort.

White_Wolf schrieb:
Zudem muss ich, wenn ich mich weiter auf dieses Buch beziehe, dich in so fern enttäuschen, dass nur ein Narr seine Leute noch in "Frieden" marschieren lassen würde, was, wie wir feststellten, Varus wohl kaum war. Hier die Erleuterung, weshalb die kolonne zum zeitpunkt des regens, wohl schon beschildet war:
Varus ließ die Kolonne nur am ersten Tag in lockerer Ordnung marschieren. Am zweiten Tag ging der Marsch in besserer Ordnung weiter und sie erreichten kurzfristig sogar offenes Gelände (vgl. Cassius Dio 56,2,1).

White_Wolf schrieb:
Nachdem seine Vorhut, aus einigen Patrollien bestehend, nicht zurückkehrte, aus dem Vorliegenden terrain, befahl Varus der Marschkolonne auf die Straße zu marschieren, jene über den Dören-Pass nach Aliso führte.
Davon steht nichts in den Quellen drin.

White_Wolf schrieb:
Jedoch erfuhr er bald darauf, dass Aliso belagert würde, er sah sich nun gezwungen nach Münster im Emsland auszuweichen. (spätestens seit dieser Nachricht müsste er auf Alarmbereitschaft gewesen sein, in dieser Situation in "Friedenspositionen" zu marschieren wäre leichtsinn ohnes gleichen)" danach folgt der bereits oben zitierte abschnitt.
Weiter geht es::
Das wäre mir neu, zumal Aliso erst nach der Schlacht (und somit nach dem Tode des Varus) angegriffen wurde.

White_Wolf schrieb:
"... Als sie am nächsten Morgen ihren Marsch fortsetzten gerieten sie erneut in schweren Regen, der es ihnen schwer machte auch nur sicheren Halt zu finden. Und ausserdem konnten sie weder Bogen noch speere wirkungsvoll einsetzen und auch nicht ihre (Leder-) Schilde, die sich Gründlich mit Wasser voll gesogen hatten..."
Erst am vierten Tag waren laut Cassius Dio die römischen Waffen nicht mehr zu gebrauchen (Cassius Dio 56,21,3).
 
Germanicus schrieb:
Varus ließ die Kolonne nur am ersten Tag in lockerer Ordnung marschieren. Am zweiten Tag ging der Marsch in besserer Ordnung weiter und sie erreichten kurzfristig sogar offenes Gelände (vgl. Cassius Dio 56,2,1).
Was ziemlich begeistert, immerhin schweigen sich die älteren Quellen dazu aus und beim guten Cassius wird sogar die Landschaft beschrieben und die einzelnen Befehle überliefert.... Dem würde ich nicht allzu sehr trauen. Wie schon einmal gesagt, Cassius ist nur für spätere Zeiten wirklich zuverlässig und nicht übermäßig zu bekriteln.


Das wäre mir neu, zumal Aliso erst nach der Schlacht (und somit nach dem Tode des Varus) angegriffen wurde.
Stimmt, ist mir gar nicht aufgefallen. Dabei gehts um die Feldzüge nach Varus, also 14 / 15 n. Chr. Gutes Auge, Germanicus :D


Erst am vierten Tag waren laut Cassius Dio die römischen Waffen nicht mehr zu gebrauchen (Cassius Dio 56,21,3).
Warum sollte dem so sein?
 
Tib. Gabinius schrieb:
Was ziemlich begeistert, immerhin schweigen sich die älteren Quellen dazu aus und beim guten Cassius wird sogar die Landschaft beschrieben und die einzelnen Befehle überliefert.... Dem würde ich nicht allzu sehr trauen. Wie schon einmal gesagt, Cassius ist nur für spätere Zeiten wirklich zuverlässig und nicht übermäßig zu bekriteln
Warum sollte dem so sein?;
Ich habe nur anhand von Cassius Dio vergleiche Angestellt, auf den wohl der Autor des Buches zurückgegriffen hat. ;)?
 
Zuletzt bearbeitet:
Zwischenbemerkung

Es wurde ja auch wirklich langsam Zeit, daß in diesem Geschichtsform endlich einmal über die Varusschlacht diskutiert wird.

Weitermachen, Leute!
 
White_Wolf schrieb:
Wenn Varus wusste, dass aliso belagert wird, weshalb weicht er aus? war die belagernde Macht so groß?? ich fand dazu weder in Meiner Literatur, noch in meinen etwas qualifizierteren Büchern eine eindeutige aussage.

Lieber White Wolf, wenn Varus wußre, dass Aliso belagert wird, dann wußte er auch, dass sich nicht nur ein Stamm erhoben hatte, sondern sich ganz Germanien mindestens bis zur Weser sich in Aufruhr befand. :(
 
@ Heinz,
vermutlich hast du recht, aber so war es ja wohl nicht, da aliso wohl erst nach der Schlacht im Teutoburger wald angegriffen wurde. Es wäre, wie es Tib. Gabinius sagte wohl sehr unlogisch sich mit Drei Legionen + Hilfstruppen, die sich allesamt im Rücken des Feindes befanden, abzudrehen, dies käme feigheit vor dem Feind gleich, wenn es so gewesen wäre, was hier inzwischen bereits gestürtzt wurde.
 
hyokkose schrieb:
Es wurde ja auch wirklich langsam Zeit, daß in diesem Geschichtsform endlich einmal über die Varusschlacht diskutiert wird.

Weitermachen, Leute!
Ich erinnere mich an lange Diskussionen mit Marbod, Cherusker und Cato rund um die Germanenfeldzüge 9 v. Chr. bis 16 n. Chr. Da kam das Thema schon vor.



White_Wolf, Aliso findest du bei Frontinus 4,7 behandelt. Dort geht es um ein Kastell, welches den Rhein überwachte. Da der Angriff des Arminius der erste Schlag der Germanen gegen die Römer war wäre es unlogisch schon im Vorfeld die Kastelle zu belagern. Auch wird von einem anrückenden Entsatzheer des Tiberius gesprochen, nicht von Varus.
Außerdem zu finden bei Vellius 2, 120.
Diese Ereignisse sind zu 99,9% nach der Varusschlacht anzusiedeln. Literaturempfehlungen schicke ich dir per PN.
 
White_Wolf schrieb:
@ Heinz,
vermutlich hast du recht, aber so war es ja wohl nicht, da aliso wohl erst nach der Schlacht im Teutoburger wald angegriffen wurde.

Lieber White Wolf, das wird die Erklärung darüber sein. Arminius hat diesen Aufstand gut organisiert und erst nach der Schlacht Alisio angegriffen. :(
 
Dass die Niederlage der Römer allein auf den Wald oder das Wetter zurückzuführen ist, wie Cassius Dio behauptet, erscheint mir mehr als Rechtfertigung denn als Tatsachenbericht. Velleius Paterculus, der im Gegensatz zu Dio nicht nur ein Zeitzeuge war, sondern selbst als Offizier in Germanien gewesen ist, macht vielmehr die "Schlaffheit des Feldherrn" für die Katastrophe verantwortlich. Ich sehe keinen Grund, an dieser Angabe zu zweifeln (wobei die Frage, was unter der betreffenden "Schlaffheit" zu verstehen ist, noch zu beantworten wäre).

Dasselbe gilt umso mehr für die Behauptung, Varus' Truppen seien träge und kampfunfähig geworden. Das steht doch im Widerspruch zu Paterculus, der betont, dass es sich um Elitetruppen ("das tapferste Heer von allen, an Manneszucht und Kriegserfahrung das erste unter den römischen Soldaten") gehandelt hat.

Übrigens denke ich, dass der Abschluss der Schlacht in offenem Gelände vor sich gegangen ist, da wiederum Paterculus berichtet, die Reiterei habe das übrige Heer im Stich gelassen und sei in Richtung Rhein durchgebrochen. Dabei kann sich die Kavallerie doch wohl nur in offenem Gelände zu einer wirkungsvollen Attacke formiert haben, nicht im Wald.
 
Zuletzt bearbeitet:
Paterculus schreibt aber auch in 118, I, dass die Germanen das vschlagene und verlogene Volk waren und sie nur Streitigkeiten erfanden und fingierten, um durch die anschließenden Prozesse vor Varus diesen in Sicherheit zu wiegen....
Paterculus mag Offizier gewesen sein, objektive und neutrale Meinung scheint er aber keinesfalls vertreten zu haben.

Witzig auch seine Einschätzung der Legionen unter Varus: er nennt sie die tapferste Armee unter allen. Varus wird dafür gleich als Feigling gebrandmarkt, der sich selbst tötet (etwas, das schon Marcus Antonius nach verlorener Schlacht getan hatte und darob keineswegs als Feige galt), genau wie seine feigen Ahnen...

Es bleibt nach wie vor folgendes zu sagen, und das hören die Varustheoretiker gar nicht gerne: An den Quellen ist viel wahres und viel falsches, was nun aber was davon ist, diese Aufgabe ist gingantisch und vielleicht unlösbar.
 
"Paterculus mag Offizier gewesen sein, objektive und neutrale Meinung scheint er aber keinesfalls vertreten zu haben."

Natürlich hat er die Angelegenheit aus römischer Sicht geschildert und war daher genausowenig "objektiv", wie andere Historiker der damaligen Zeit auch. Die Arroganz gegenüber von "Barbaren" und die Charakterisierung der Germanen spricht für sich. Als Quelle kann man ihn deswegen aber noch lange nicht verwerfen, sondern man muss genau abwägen. Es ist offensichtlich, dass er Varus herabwürdigt, wo nur möglich. So unterstellt er ihm etwa auch Korruption: Er habe Syrien als armer Mann betreten und als reicher Mann verlassen. Dasselbe Motiv der Habgier verwendet Paterculus auch bei M. Lollius, der ebenfalls eine Niederlage gegen die Germanen erlitten hat. Zufall? Das denke ich nicht. Aber wenn man dieses Schema durchschaut hat, kann man Paterculus durchaus verwenden (ebenso wie man sich bei Tacitus über dessen Anliegen im klaren sein muss, den verderblichen Einfluss der Macht auf den Charakter des jeweiligen Herrschers aufzuzeigen). Wenn er nun von der "Schlaffheit des Feldherrn" spricht, so muss man sich dieser Auffassung ja keineswegs anschließen. Es gilt zu eruieren, was Paterculus damit meint. Bedeutsam und nicht tendenziös erscheint mir jedenfalls, dass er nicht die die von Dio zur Rechtfertigung herangezogenen Umstände für die Katastrophe verantwortlich macht, sondern Handlungen des Feldherrn (mögen wir sie nun auch für "schlaff" halten oder nicht).

"Witzig auch seine Einschätzung der Legionen unter Varus: er nennt sie die tapferste Armee unter allen. Varus wird dafür gleich als Feigling gebrandmarkt"

Das ist kein Widerspruch. In den Augen von Paterculus, der sich in diesem Punkt sicher auskannte, handelte es sich um Elitetruppen (was einer Charakterisierung derselben Truppen als "träge und kampfunfähig" klar widerspricht - mehr wollte ich nicht sagen), während Varus selbst feige handelte. Dass du oder ich andere Ansichten darüber haben, ob Varus wirklich feige war, tut wenig zur Sache.
 
Beetlebum schrieb:
"Paterculus mag Offizier gewesen sein, objektive und neutrale Meinung scheint er aber keinesfalls vertreten zu haben."

Natürlich hat er die Angelegenheit aus römischer Sicht geschildert und war daher genausowenig "objektiv", wie andere Historiker der damaligen Zeit auch. Die Arroganz gegenüber von "Barbaren" und die Charakterisierung der Germanen spricht für sich.
Tacitus Einschätzung, auch eine römische, wenngleich vielleicht eines in Gallien geborenen, klingt da extremst anders. Natürlich jubelt dieser seinerseits die Germanen zu hoch um etwas zu verdeutlichen und greift auch wieder auf Barbarentum als Klischee zurück. Trotzdem heißt dies nicht, das Pat. in seiner Subjektivität im Schnitt liegt. Seine Einschätzung der Germanen verblüfft wirklich und ist ausgesprochen fremd.

Als Quelle kann man ihn deswegen aber noch lange nicht verwerfen, sondern man muss genau abwägen.
Wenn man wenig hat muß man nehmen was man bekommt. Jede Quelle ist eben das, die Frage ist eben nur die, wofür sie genutzt werden kann und wozu nicht. Eben Quellenkritik. Es gibt einige Schreiber in diesem Forum, die das Wort von mir nicht mehr lesen können.

Bedeutsam und nicht tendenziös erscheint mir jedenfalls, dass er nicht die die von Dio zur Rechtfertigung herangezogenen Umstände für die Katastrophe verantwortlich macht, sondern Handlungen des Feldherrn (mögen wir sie nun auch für "schlaff" halten oder nicht).
Bedeutsam ja. Aber im Sinne welcher Bedeutung? Es gab nicht viele Überlebende, und aus dem direkten Stab des Varus dürften dies noch weniger sein. Daher ist und bleibt es erstaunlich, woher die Quellen zu berichten wissen, was er dachte, fühlte und tat, zumal ja fast sämtliche Verbindungen abgerissen waren, will man den gleichen Quellen glauben schenken.

"Witzig auch seine Einschätzung der Legionen unter Varus: er nennt sie die tapferste Armee unter allen. Varus wird dafür gleich als Feigling gebrandmarkt"

Das ist kein Widerspruch. In den Augen von Paterculus, der sich in diesem Punkt sicher auskannte, handelte es sich um Elitetruppen (was einer Charakterisierung derselben Truppen als "träge und kampfunfähig" klar widerspricht - mehr wollte ich nicht sagen), während Varus selbst feige handelte. Dass du oder ich andere Ansichten darüber haben, ob Varus wirklich feige war, tut wenig zur Sache.
Das ist in der Tat ein Widerspruch. Obwohl es zu diesem Zeitpunkt und unmittelbar zuvor an den römischen Grenzen schlimme Kämpfe gab (der vielfach zitierte Pannonische Aufstand sei hier genannt), die auch Truppenverschiebungen bedingten und nach diesen Quellen die Römer sich ja sicher fühlten sollten sie ihre besten Truppen zur Provinzialisierung stehen lassen? Und diese besten Truppen verfügen nicht über die geeigneten Offiziere sondern nur eine ganze Reihe dilletantischer Feiglinge? Augenscheinlich nicht ganz zusammen passend.

Außerdem sind beides starke Aussagen, der superlativ ist damals wie heute bedeutend und wird nicht einfach so eingestreut. Es stellt sich also die Frage nach der Einschätzung des Paterculus. Befähigen ihn seine Tätigkeiten als Offizier und sein Aufenthalt in Germanien wirklich objektive, klare und vor allem qualifizierte Angaben zur und detaillierte Angaben über die Schlacht zu machen?
Teilweise sicherlich, teilweise bleibt es fragwürdig. Nicht umsonst zog man bislang sogar Tacitus vor.
Auch Frontinus mit seinen Kriegslisten wird da recht selten rangelassen.
 
Beetlebum schrieb:
Velleius Paterculus, der im Gegensatz zu Dio nicht nur ein Zeitzeuge war, sondern selbst als Offizier in Germanien gewesen ist.
Allgemein gesprochen: Nur weil jemand Zeitzeuge war, macht dies seine Aussage nicht glaubwürdiger.

Beetlebum schrieb:
macht vielmehr die "Schlaffheit des Feldherrn" für die Katastrophe verantwortlich. Ich sehe keinen Grund, an dieser Angabe zu zweifeln (wobei die Frage, was unter der betreffenden "Schlaffheit" zu verstehen ist, noch zu beantworten wäre).
Dass Varus militärisch nicht so unfähig gewesen ist, wie von Velleius behauptet wird, beweist seine, im übrigen gut dokumentierte, Statthalterschaft in Syrien. Gewisse Eigenschaften, die Velleius überliefert hat, könnten stimmen, wenn man sie mit den Überlieferungen des Josephus vergleicht. Dort galt Varus als friedfertig, ruhig, zurückhaltend und bequem (bequem im Sinne von mehr an das "Palastleben" gewöhnt als an das Feldlager - dies waren aber viele römische Feldherren). Was man Varus in dem Zusammenhang mit der Schlacht vorwerfen kann, ist, dass er Arminius in unbekanntes Gebiet gefolgt ist. Von da an war das Schicksal der Römer besiegelt. Die länge des Trosses ist ihm bedingt vorzuwerfen. Natürlich hätte er aufpassen und seine Truppen zusammenhalten sollen, doch marschierte Varus zunächst ins Winterlager - wie die übrigen Jahre davor auch (ich gehe davon aus, dass in den vorangegangenen Jahren die länge des Zuges beim Marsch ins Winterlager nicht viel kleiner war) . Erst unterwegs, als sich der lange Tross gebildete hatte, erhielt Varus die Nachricht über einen (angeblichen) Aufstand. Er beschloss wohl, da es lange gedauert hätte, bis sich der Zug an einer geeigneten Stelle wieder zusammengefunden hätte, mit den vorderen Truppen den Aufstand niederzuschlagen bzw. niederzuschlagen zu lassen.

Beetlebum schrieb:
In den Augen von Paterculus, der sich in diesem Punkt sicher auskannte, handelte es sich um Elitetruppen (was einer Charakterisierung derselben Truppen als "träge und kampfunfähig" klar widerspricht - mehr wollte ich nicht sagen), während Varus selbst feige handelte. Dass du oder ich andere Ansichten darüber haben, ob Varus wirklich feige war, tut wenig zur Sache.
Ich weiß nicht, in wie weit du über den Pannonischen Aufstand (da er schon mehrfach angesprochen wurde, werde ich demnächst einen Thread über ihn eröffnen) Informiert bist, aber Tiberius kämpfte mit zehn Legionärs- und 70 Auxiliarskohorten in Pannonien gegen über 200.000 Aufständische. Es wäre von Augustus geradezu fahrlässig gewesen, einen militärisch unerfahrenen und unfähigen Statthalter an der wichtigen Rheingrenze einzusetzen. Zudem werden die Legionen, wie ich schon geschrieben habe, für bestimmte Aufgaben eingesetzt worden sein - angesichts der Lage in Illyrien wäre es geradezu fahrlässig gewesen, diese nicht "Gefechtsbereit" zu halten.
 
Beetlebum schrieb:
Dass die Niederlage der Römer allein auf den Wald oder das Wetter zurückzuführen ist, wie Cassius Dio behauptet, erscheint mir mehr als Rechtfertigung denn als Tatsachenbericht. Velleius Paterculus, der im Gegensatz zu Dio nicht nur ein Zeitzeuge war, sondern selbst als Offizier in Germanien gewesen ist, macht vielmehr die "Schlaffheit des Feldherrn" für die Katastrophe verantwortlich. Ich sehe keinen Grund, an dieser Angabe zu zweifeln (wobei die Frage, was unter der betreffenden "Schlaffheit" zu verstehen ist, noch zu beantworten wäre).
Dasselbe gilt umso mehr für die Behauptung, Varus' Truppen seien träge und kampfunfähig geworden.Übrigens denke ich, dass der Abschluss der Schlacht in offenem Gelände vor sich gegangen ist, da wiederum Paterculus berichtet, die Reiterei habe das übrige Heer im Stich gelassen und sei in Richtung Rhein durchgebrochen. Dabei kann sich die Kavallerie doch wohl nur in offenem Gelände zu einer wirkungsvollen Attacke formiert haben, nicht im Wald.

Lieber Beetlebum,
bis auf eine Kleinigkeit gebe ich Dir durchaus recht. Vielleicht war Varus schlaff, aber unerfahren war er durchaus nicht. Schließlich hatte er schon soviel ich weiß ein Amt in Syrien begleitet. Sein Fehler war, die Reaktion der germanischen Bevölkerung mit dem Verhalten der Bevölkerung in Syrien gleichzusetzen. :(
 
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