Ein weiteres literarisches Zeugnis aus dem 13. Jh. ist "Räuberin" aus den Heinrich von Morungen zugeschriebenen Minneliedern.
Ich denke, ich bin da
fündig geworden:
"1.
Sîn hiez mir nie widersagen
unde warp iedoch
unde wirbet noch hiute ûf den schaden mîn.
des enmac ich langer niht verdagen,
wan si wil ie noch
elliu lant behern und sîn ein rouberîn.
Daz machent alle ir tugende und ir schoene, die
mengem man tuont wê.
der sî an siht,
der muoz ir gevangen sîn
und in sorgen leben iemer mê.
2.
In den dingen ich ir dienstman
und ir eigen was dô,
dô ich sî dur triuwe und dur guot an sach,
dô kam si mit ir minnen an
und vienc mich alsô,
dô si mich wol gruozte und wider mich sô sprach.
Des bin ich an vröiden siech und an herzen sêre wunt;
und ir ougen klâr
diu hânt mich beroubet gar
und ir rôsevarwer rôter munt."
oder auf Neuhochdeutsch:
"1.
Noch nie hat sie mir die Fehde ansagen lassen,
und doch
sann sie stets und sinnt noch heute darauf,
wie sie mir schaden kann. Dazu vermag ich nicht
länger zu schweigen, denn sie hat noch immer
die Absicht, alle Länder zu verheeren und eine
Räuberin zu sein. Das kommt von all ihren
Vorzügen und von ihrer Schönheit,
die manch einem Mann Leid zufügen.
Wenn einer sie anschaut, dann muß er ihr
Gefangener sein und immerfort in Kummer leben.
2.
Damals, als ich mich in ihrem Dienste befand,
ja ihr Leibeigener war, auf sie in treuer Ergebenheit
und ohne Arg schaute, da überfiel sie mich mit
ihrer Liebe und nahm mich gefangen, indem sie mir
einen schönen Gruß entbot und mich freundlich
ansprach. Daher bin ich, was meine Freude betrifft,
krank und in meinem Herzen schwer verwundet.
Ihre hellen Augen
und ihr roter Mund
haben mich gänzlich ausgeraubt."
In diesem Minnelied geht es wohl eher darum, dass die besungene holde Dame dem lyrischen Ich das Herz geraubt hat - und weniger um strafrechtlich relevante Handlungen.