Reichsbahn in der DDR

Xander

Aktives Mitglied
Moin, moin,

als Wessi beschäftigt mich schon länger eine Frage: warum wurde die Reichsbahn in der DDR nicht umbenannt?

Es wurde doch sonst so vieles aus den Namenslisten getilgt was an Zeiten des Reiches (egal ob Kaiser oder die Nazis) erinnerte?

Hat da jemand Infos?

Mit besten Grüßen

Xander
 
Moin, moin,

als Wessi beschäftigt mich schon länger eine Frage: warum wurde die Reichsbahn in der DDR nicht umbenannt?

Es wurde doch sonst so vieles aus den Namenslisten getilgt was an Zeiten des Reiches (egal ob Kaiser oder die Nazis) erinnerte?

Hat da jemand Infos?

Mit besten Grüßen

Xander

Es waren wohl vertragsrechtliche Gründe, die insbesondere im Zuge der deutsch-deutschen Konkurrenz während des Kalten Krieges eine Rolle spielten.

Vgl.

Für die Bahneinrichtungen, die sich in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), der späteren DDR befanden, wurde die Bezeichnung Deutsche Reichsbahn beibehalten. Gründe dafür waren:


  1. Ein Befehl der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), der die Deutsche Reichsbahn beauftragte, den geregelten, schienengebundenen Güter- und Personenverkehr im Gebiet der SBZ wieder aufzunehmen (Befehl Nr. 8 der Transportabteilung der SMAD)
  2. Mit Zustimmung der Westalliierten wurden zunächst die gesamten Anlagen in den drei Westsektoren Berlins von der Deutschen Reichsbahn betreut (Fernbahnnetz, Bahnhöfe, Betriebswerke und Verwaltungseinrichtungen der Bahn). Das betraf auch den Betrieb der S-Bahn in den drei Westsektoren von Berlin. Die westlichen Alliierten erhielten als Gegenleistung Zusicherungen unter anderem über die freie Nutzung der Transitwege.
  3. Nach dem ersten Berliner S-Bahn-Streik im Sommer 1949 wurden der Reichsbahn jedoch auf alliierte Anordnung die Nutzungsrechte des nicht unmittelbar dem Betrieb dienenden Vermögens und Liegenschaften in West-Berlin entzogen und der Verwaltung des ehemaligen Reichsbahnvermögens (VdeR) unterstellt.
  4. Die DDR war sich ohnehin nicht sicher, ob sie in West-Berlin die Betriebsrechte behielte, würde sich der Name der Deutschen Reichsbahn ändern, weil nur dieser seitens der Westallierten die Betriebsrechte gewährt wurden. Einer DDR-Staatsbahn, wie auch immer sie firmiert hätte (Deutsche Staatsbahn oder Deutsche Bahn lauteten u. a. die Vorschläge), hätten die Rechte entzogen werden können. Für die DDR war es aber auch propagandistisch wichtig, die DR-Strecken in West-Berlin als eigenes Territorium deklarieren zu können. Dies führt bis zur Wiedervereinigung 1990 immer wieder zu Streitigkeiten zwischen östlichen, westlichen und alliierten Behörden wegen unterschiedlicher Rechtsauffassungen. Auch spielten Vermögenswerte der DR im Ausland, wo sich DB und DR ebenso stritten, eine Rolle, den Namen zu behalten. Dies betraf besonders die Servicegesellschaft Mitropa. Eine Diskussion zum Namen der DDR-Staatsbahn wurde in der DDR in den späten 50er Jahren von offizieller Seite unterbunden.
  5. Die Deutsche Reichsbahn war Mitglied verschiedener internationaler Organisationen. Man befürchtete, dass sich die neue Staatsbahn wieder neu anmelden müsste, was mit entsprechenden Kosten verbunden wäre. Es bestünde auch die Gefahr, dass eine erneute Aufnahme durch andere Bahnverwaltungen boykottiert würde. Außerdem würden bestimmte Privilegien verloren gehen.
Deutsche Reichsbahn (DDR) ? Wikipedia
 
Soweit mir bekannt ist, hat baltic Recht.
Die Westberliner s-Bahn zum Beispiel wurde auch von der deutschen Reichsbahn betrieben.
Hätte man die umbenannt, währe das weg. Ebenso verhielt es sich mit der Mitropa, die ja auch keine Erfindung der DDR war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich erinnere mich dunkel, daß mir mein Vater erzählt hat, das hätte mit einem eventuellen Recht auf das alte Reichsbahnvermögen zu tun gehabt. Die Sowjets hätten die Übernahme des Namens damals aus diesem Grund befohlen.
 
Auch ich kann nur vom Hörensagen berichten, dass es wahrscheinlich ein Verdienst des prominenten DDR Anwalts Prof. Friedrich Karl Kaul war, dass der Name Reichsbahn behalten blieb. Dies hat mutmaßlich wertvolle ausländische Aktien vorwiegend aus Nordeuropa an Land gebracht. Belegen kann ich dieses nicht, wie gesagt, es war in den 60er Jahren ein offenes Gerücht.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Da gab es eine Sendung im DDR Fernsehen. "Fragen sie prof Kaul"
Ich habe da mal was gefragt und sogar eine Antwort bekommen. Das war so um 1979.
 
Moin, moin

Danke euch für die Antworten!

Hätte ja nicht geglaubt, dass man sich während des kalten Krieges um solche rechlichen Belange geschert hat!

Mit besten Grüßen

Xander
 
Hätte ja nicht geglaubt, dass man sich während des kalten Krieges um solche rechlichen Belange geschert hat!

So verwunderlich ist das gar nicht, boten doch "rechtliche Belange" eine Argumentationsgrundlage in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner, die nicht ohne weiteres unter Verweis auf ideologische Voreingenommenheiten vom Tisch gewischt werden konnte.
 
Warum blieb der Name bis 1990 erhalten? Wäre es für eine „Arbeiter und Bauernregierung“ (was für ein Witz) nicht logischer gewesen, die Bahn in Volksbahn, Bahn der DDR oder was auch immer umzubenennen. Als an den Namen Reichsbahn fest zuhalten. Vor allem, da man sich eben nicht als Nachfolgestaat des Deutschen Reiches ansehen wollte.
 
Warum blieb der Name bis 1990 erhalten?
Die West-Allierten hatten der Reichsbahn die Betriebsrechte für West-Berlin erteilt. Das betraf vor allem die S-Bahn, die vor der Wiedervereinigung auch im Westen von der (Ost-)Reichsbahn betrieben wurde. Einige West-Berliner weigerten sich daher auch die S-Bahn zu nutzen. Die Leitung der Reichsbahn war sich nicht sicher, ob sie die Betriebsrechte in West-Berlin behalten würde, wenn sie ihren Namen ändern würde, denn diese Betriebserlaubnis war explizit der "Reichsbahn" erteilt worden. Daher behielt man den Namen bis 1990 bei.
 
Dazu noch ein wenig unsicheres Halbwissen von meiner Seite:

Insofern der Sitz der Reichsbahn auf DDR-Gebiet lag versuchte die DDR so weit mir bekannt auch mal die Reichsbahn insgesamt als Staatseigentum der DDR zu beanspruchen, inklusive des ehemals im Besitz der Reichsbahn befindlichen Schienennetzes im Westen, mit der Absicht von der Bundesrepublik bzw. späteren Bundesbahn Gebühren für die Benutzung einstreichen zu können.
Um diese Fiktion aufrecht erhalten zu können, musste die Reichsbahn unter diesem Namen natürlich weiterbestehen.
 
Dem steht die "Verwaltung des ehemaligen Reichsbahnvermögens" (VdeR) entgegen. Diese war dem (West-)Berliner Finanzsenator unterstellt, war aber eigentlich eine Außenstelle der Bundesbahn. Sie wurde auf Anordnung der West-Alliierten in West-Berlin eingerichtet. Die VdeR verwaltete Eisenbahnimmobilien, Anschlussgleise von Industrien, Diensträume, Lagerhallen, etc und vermietete in den West-Berliner Bahnhöfen auch an Kioske und andere Geschäfte. Der Reichsbahn (Ost) blieben de facto nur die Gleise in West-Berlin, inklusive deren Instandhaltungskosten und das Personal zum Betrieb der S-Bahn, wo auch West-Berliner arbeiteten. Mit dem Mauerbau wurde auch die S-Bahn fast überall in Ost und West getrennt. Die S-Bahn im Westen wurde aus politischen Gründen immer weniger genutzt. Daher war deren Betrieb alles in allem ein arges Minus-Geschäft für die Reichsbahn.

Im Jahr 1980 streikten auch noch die West-Berliner S-Bahnangestellten wegen der schlechten Arbeitsbedingungen der Reichsbahn. Dabei wurde auch der Transitverkehr von West-Berlin in die Bundesrepublik lahmgelegt.
Im Jahr 1984 einigten sich schließlich der West-Berliner Senat und die Reichsbahn, dass der Betrieb der Berliner S-Bahn von der Reichsbahn an die West-Berliner BVG übergeht. Nur der Transitverkehr von West-Berlin durch die DDR in die Bundesrepublik wurde noch von der Reichsbahn betrieben.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges übernahmen die Besatzungsmächte die Reichsbahn in ihren Zonen. 1946 schlossen sich die britische und amerikanische Reichsbahndirektorien zur "Hauptverwaltung der Eisenbahnen des amerikanischen und britischen Besatzungsgebiets" zusammen. Die französische Besatzungszone hatte die "Betriebsvereinigung der Südwestdeutschen Eisenbahnen". Im Bundesbahngesetz von 1952 wurden diese beiden Bahnen dann zur westdeutschen Staatsbahn Bundesbahn zusammengefasst.
In der sowjetischen Zone wurde der Name "Reichsbahn" beibehalten. Man konnte aber keine Ansprüche auf Strecken, Bahnhöfe, Immobilien oder sonstiges Vermögen der Vorkriegs-Reichsbahn in den West-Zonen stellen, weil diese zunächst west-alliierter Kontrolle unterlagen. Etwas anderes war es in West-Berlin - wie oben dargelegt.
 
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