... leider ist mir aus den Geschichtsunterlagen über die ich verfüge unklar, weshalb es überhaupt im damaligen Reichsgebiet ein zentrales Gericht gab. Da die juristische Macht doch im wesentlichen bei den jeweiligen Fürstentümern lag fehlte für ein allgemein geltendes Recht jegliche Grundlage.
Wenn ich mir eine Empfehlung erlauben darf, kann ich Dir diesbezüglich bspw.
Wilhelm Volkert "Adel bis Zunft: ein Lexikon des Mittelalters" - C.H. Beck - München, 1991 empfehlen. Da die Wiedergabe der Kapitel
Gerichtsbarkeit und
Reichsgerichte hier den Rahmen bei weitem sprengen würde (da es nicht gerade wenig Text ist), möchte ich versuchen, den Kontext der Reichsgerichte in verkürzter Form wiederzugeben...
Reichsgerichte
1. Das Königsgericht im frühen Mittelalter
Seit der Karolingerzeit galt der König als Garant der Rechts- und Friedensordnung; das Gericht unter Vorsitz des Königs bzw. später auch des Pfalzgrafen von Aachen hatte weitreichende, allgemeine Wirksamkeit. Zu jener Zeit - wie auch in späteren Jahrhunderten im ostfränkischen Reich bzw. HRR - trat die Kompetenz örtlicher Gerichte zurück, wenn der König als oberster Gerichtsherr an ebenjenem Ort weilte. Das Königsgericht behandelte vornehmlich Angelegenheiten um Grund und Boden (ergo Eigentumsrecht), weniger strafrechtliche Fälle, da diese über das Fehderecht sowie Bußleistungen abgegolten und ausgeglichen wurden. Die Acht wurde als Strafe ausgesprochen, wenn ein Beklagter sich nicht auf die Klage einließ und nicht vor Gericht erschien.
Da im 12. Jh. erhebliche soziale Umwälzungen und neue wirtschaftliche Entwicklungen einsetzten, konnte das Königsgericht seine Aufgaben in dieser Form etwa um 1200 nicht mehr erfüllen.
2. Das Reichshofgericht
Wahrscheinlich das Großhofgericht von Sizilien zum Vorbild nehmend, versuchte
Kaiser Friedrich II. ein am Königshof tagendes Reichshofgericht zu organisieren, dem ein dem Hochadel angehörender Reichshofrichter vorsitzen sollte, welchem ein Hofgerichtsnotar zur Seite gestellt werden sollte. Mit dem
Landfrieden von Mainz (1235) sollte dieses Gericht installiert werden, entfaltete aber zunächst noch keine Neuerungen, da sowohl das alte Verfahren beibehalten wurde als auch noch kein fester Sitz des Hofgerichts gefunden wurde.
Unter
König Rudolf von Habsburg und dessen Nachfolgern erst - v.a. dann unter
König Ludwig dem Bayern - erlangte die neue Gerichtsform größere Bedeutung. Insbesondere der ritterliche Niederadel und die reichsstädtische bürgerliche Oberschicht erwirkten über das Hofgericht viele Urteilssprüche. Demgegenüber versuchte der reichsfürstliche Hochadel, dem Reichshofgericht entgegenzuarbeiten, da es ihm um Sicherung und Ausbau seiner territorialen Rechtssprechung durch damit verbundene Gerichtsprivilegien ging.
Im Jahre 1451 hob
König Friedrich III. das Reichshofgericht auf, da das königliche Kammergericht mehr und mehr hervorgetreten war und zudem häufiger angerufen wurde.
3. Das königliche Kammergericht
Besonders in Angelegenheiten der mit dem privilegierten Gerichtsstand vor dem König ausgestatteten Reichsfürsten war am königlichen Hof auch immer neben dem Reichshofgericht Recht gesprochen worden. Dieses Gericht tagte unter Vorsitz des Königs oder eines von ihm bestellten Kammerrichters, und es hatte königliche Räte als Beisitzer - weswegen es in enger Beziehung zur königlichen Kammer stand (deswegen auch der Name
Kammergericht). Unter der Leitung des Erzbischofs von Mainz erlangte es besondere Bedeutung, als 1471 eine Kammergerichtsordnung mit genauen Bestimmungen über die Besetzung des Gerichts erlassen wurden.
Da der Einfluß des Königs und des königlichen Hofes sehr stark war, forderten die Reichsstände eine Reform des Gerichts.
4. Das Reichskammergericht
Auf dem
Reichstag von Worms (1495) einigten sich
Kaiser Maximilian I. und die Reichsstände über die Neuordnung der obersten Gerichtsinstanz des Reiches; das königliche Kammergericht wurde in das Reichskammergericht umgewandelt. Zur Regelung des Verfahrens erging noch im selben Jahr die
Reichskammergerichtsordnung.
Weitere Details im bereits verlinkten Artikel der Wikipedia - in Stichpunkten kurz soviel:
- fester Sitz (in der Reichskammergerichtsordnung noch nicht festgelegt)
- Unabhängigkeit vom Königshof
- Finanzierung durch die Reichsstände über in der Reichsmatrikel festgelegte Beiträge
- Vorsitz: vom König bestellter Kammerrichter
- Beisitzer: von Reichsständen vorgeschlagene Assessoren
- örtliche Zuständigkeit: nördlich der Alpen (abgelehnt durch die Schweizer Eidgenossenschaft seit 1499)
- rechtliche Zuständigkeit: Zivil- und Straffälle, in welche Reichsunmittelbare verwickelt waren; Appellationsgericht für Berufungen gegen Urteile territorialer Gerichte
Größere Wirksamkeit erlangte das Reichskammergericht erst in der Frühen Neuzeit, nachdem es in der
Reichsstadt Speyer endgültig installiert worden war.
5. Weitere auf das Reich bezogene Gerichte
Regionale Gerichte, welche als
kaiserliche Landgerichte Bedeutung erlangten, erhielten sich im Süden und Südwesten des Reiches; vom Reich legitimiert waren zudem die
Femegerichte in Westfalen.
PS: Was den Kontext um Luther und Worms angeht, so darf ich mich
Lukrezia anschließen, wobei ich zudem darauf hinweisen möchte, daß Du dabei wahrscheinlich weniger im Forum "Mittelalter" als vielmehr im Forum "Neuzeit" fündig wirst.
:fs: