Römische Aktivitäten in Germanien um das Jahr 0

askan schrieb:
Schon lange vor den Römern gab es Metallverarbeitung im relativ grossem Stil in Germanien.
Im Vorharzgebiet ist zum Beispiel das Erdreich in den Flussauen seit ca. 3000 Jahren mit Blei und anderen giftigen Schwermetallen angereichert. Blei ist ein begleitelement und damit Nebenprodukt bei der Zinn und/oder Silbergewinnung.

Woher hast du die Zahl 3000? Ich meine mich zu erinnern, dass man letztes Jahr die "sensationelle" Meldung brachte, das der Harz so um die erste Jahrtausendwende nach Christus ein großes Metallverarbeitungsgebiet war und das es damals eine Umweltkatastrophe gegeben haben muß, wegen den von dir genannten Schwermetallen. Aber das sind 1000 Jahre, keine 3000! Kann es sein, dass du vor- mit nachchristlich verwechselt hast?
 
Hallo Tib.

Soest war ja "nur" ein Verarbeitungszentrum. Das Erz könnte nach Isotopenuntersuchung aus dem Sauerland gekommen sein. Jedenfalls wurde vor Ort kein Bergbau betrieben.
 
Tib. Gabinius schrieb:
- Der Abbau wurde von Römern eingerichtet bzw. die dort lebenden Germanen von diesen darin unterwiesen. Das erklärt dann allerdings kaum die Rolle des Verucla (hat jemand eigentlich ne Übersetzung für diesen Cognomen?), außer vielleicht als Vermittler, evtl. sogar als Teil der Gegenleistung eines "Sondervertrages"....
Ich hab mal nachgeschlagen:

veruculus heißt laut Lewis/Short "mit einer kleinen Spitze versehen" und vericulum ("der kleine Speer") ist auch verwandt. Bei Flavus würde ich auf Blond tippen... :p
 
Schini schrieb:
Ich hab mal nachgeschlagen:

veruculus heißt laut Lewis/Short "mit einer kleinen Spitze versehen" und vericulum ("der kleine Speer") ist auch verwandt. Bei Flavus würde ich auf Blond tippen... :p

Ja, bei Flavus bin ich auch hellhörig geworden. Schließlich wurde Arminius' Bruder aufgrund seiner wahrscheinlich blonden Haare, auch Flavus genannt. Eine familiäre Beziehung zwischen Verucla und dem Cherusker Flavus halte ich aber für ausgeschlossen.
Veruclas blonde Haare könnten aber daraufhin weisen, dass er keltischer oder germanischer Herkunft war, aber eben aufgrund seines lateinischen Namens romanisiert war. Vielleicht war er ein Ubier aus Colonia Aggripina oder Treverer aus Augusta Treverorum. Darüber kann man aber nur spekulieren.
 
Man kann an den Ablagerungen in den Flussbetten zurückdatieren, wie lange schon mit Erzen an den jeweiligen Flussbetten gearbeitet wurden. Die Zahl 3000 habe ich von der hiesigen B.U.N.D. und die Geo-wissenschaftliche Fakultät in Göttingen hat auch schon mehrere Gutachten zu dem Thema verfasst.

Das Metallverarbeitungsgebiet um die erste Jahrtausendwende, damit ist der Rammelsberg bei Goslar gemeint. Dort wurde zum ersten Mal im grossen Stil an ein und demselben Ort Bergbau betrieben.
Aber anhand der Sedimente der Flussauen muß es schon lange vorher Abbau und Verhüttung gegeben haben, denn die Bleiverbindungen die gefunden werden sind künstlicher Herkunft.
 
Ich bin der Meinung, man darf die Präsenz der Römer an der Lippe nicht isoliert betrachten, sondern sollte parallel dazu die römischen Bestrebungen an der Lahn heranziehen.

In der Zeitschrift AID (Archäologie in Deutschland), Ausgabe 5/2004 äußert sich Prof. v. Schnurbein zu Waldgirmes.

Er schreibt:
„Hier hat Rom begonnen, eine regelrechte Stadt zu bauen. Sie entstand nicht aus einem militärischen Stützpunkt, sondern wurde „auf der grünen Wiese“ neu errichtet. Zwar war das ca. 7,7 ha große Areal genau wie ein Militärlager durch zwei Gräben und eine Mauer aus Holz und Erde geschützt, doch wurden im Inneren Gebäude errichtet, die ganz dem städtischen Muster des Mittelmeergebietes entsprechen; keine einzige Kaserne ist bislang entdeckt.“
Siegmar von Schnurbein, in: AID-Archäologie in Deutschland; Ausgabe 5/2004, Stuttgart, 2004, S.43


Es ist also nicht so, wie gelegentlich behauptet wurde, dass es sich in Waldgirmes um ein einziges größeres Gebäude handelt. In Waldgirmes gab es eine ganze Anzahl von Häusern aus Holz-Lehm-Fachwerk, sowie einen steinernen Zentralbau von 45 m x 45 m Seitenlänge.

„Der große Innenhof, die quer anschließende Halle und die drei Annexräume an deren Rückseite entsprechen dem Typus eines römischen Stadtmittelpunktes, einem Forum.“
(...) Darauf (auf einem Sockel aus Sandsteinen, Anm.d.Verf.) dürfte das lebensgroße, aus Bronze gegossene und vergoldete Reiterstandbild gestanden haben, von dem inzwischen über 150 Fragmente geborgen werden konnten. Es ist das älteste seiner Art, das wir nördlich der Alpen kennen und es stand im ältesten nördlich der Alpen bisher nachgewiesenen auf Steinfundamenten errichteten Forum (von Waldgirmes, Anm.d.Verf.). Mit Sicherheit handelt es sich um ein Standbild des Kaisers Augustus, mit dem Rom im Bewusstsein stabilen Friedens seine Herrschaft in Germanien zum Ausdruck gebracht hat. Das von Augustus in seinem Tatenbericht formulierte „Germanien habe ich befriedet“ wird hier eindringlich dokumentiert.(...)

Siegmar von Schnurbein, in: AID-Archäologie in Deutschland; Ausgabe 5/2004, Stuttgart, 2004, S.43


Von Schnurbein erwähnt ausdrücklich die Stelle aus den „res gestae“ des Augustus, die lange Zeit nicht eingeordnet werden konnte. Auch die Überlieferungen der erwähnten römischen Chronisten wurden bis in die neunziger Jahre angezweifelt, da eine Bestätigung durch archäologische Funde weitgehend fehlte.

Nach den zahlreichen archäologischen Entdeckungen der letzten 15 Jahre im rechtsrheinischen Germanien, hat sich die Beurteilung der Wissenschaft zur Situation in Germanien um das Jahr 9 jedoch grundlegend geändert (siehe auch Diss. von R. Jahn).
Seit geraumer Zeit kommt also Bewegung ins Spiel, nicht zuletzt dank der neuen Möglichkeiten der Luftbildarchäologie, sowie des privaten Sondengehens (obwohl ich letzterer Sache eher skeptisch gegenüber stehe.)

Gruß,
Cato
 
Könnte es nicht so gewesen sein, dass die Römer einen Teil des rechtsrheinischen Germanien "abschnüren" wollten, um es so besser romanisieren zu können.Die Lager an der Lippe, sowie Waldgirmes an der Lahn zeugen davon. Das Lahntal weiter hinauf hätten dann ihre Lager ebenso die hessische Senke durchzogen und wären dann weiter bis zur Weser verlaufen, wo sie sich mit den Lagern, die von der Lippe ausgingen, vereint hätten.(?)
Wäre aber aufgrund der Dichte der Lager und der großen Truppenmengen, die benötigt wurden,sehr kostspielig gewesen.

Gruß

Aragorn
 
Zuletzt bearbeitet:
Liminith schrieb:
Sicher gab es auch diesen friedlichen Handel, aber genauso möglich und für mich viel wahrscheinlicher wäre eine Ausbeutung der germanischen Ressourcen durch Rom. Das würde wiederum auf eine stärkere Provinzialisierung hindeuten und eine der möglichen Erklärungen für die Ereignisse im Jahr 9.
Gruß
Liminith

Die Römer haben sich nicht umsonst in einer Gegend ausgebreitet. Es gab immer irgendwelche Rohstoffe oder Waren, die in ihrem Interesse lagen. So war es auch in Germanien. Nach Tiberius erfolgreichem Feldzug im Jahre 4 n.Chr. hatte er einige germanische Stämme im Landesinneren (z.B. Langobarden) unterworfen bzw. mit Bündnisverträgen (z.B. die Cherusker) an sich gebunden.
Die Römer haben die Lage in Germanien nicht mehr als so "wild und unbeugsam" eingeschätzt. Durch ihren Kastellweg von der Lippe (kam den Römern sehr gelegen, da dieser Fluß von Ost nach West fließt) konnten sie auch in die "Mitte Germaniens" vorstoßen. Im Zeitraum nach 4 n.Chr. waren die Römer im Beginn einer "Provinzialisierung" einzelner Gebiete (z.B. Waldgirmes) und Tiberius konnte sich daher auf den einzigen germanischen Stamm ohne Abkommen: die Markomannen unter Marbod konzentrieren.

Die Gegend um Mainz und die Rheinlager bildeten für die Römer eine ausgezeichnete Möglichkeit sich in einer Zangenbewegung den germannischen Stämmen zu nähern (siehe auch die Drusus-Expeditonsfeldzüge v. Chr.).

Der Handel zwischen Germanen und Römern setzte nach Kriegen immer wieder aus. So wurde z.B. an der Weser ein Stück Knochen gefunden, auf dem eine Inschrift eingeritzt war. Diese Inschrift besagte, daß ein Germane sich die Händler zurückwünschte. Anscheinend hat es hier kurz zuvor kriegerische Auseinandersetzungen gegeben und die Händler mit ihren Schiffen kamen in dem darauffolgenden Jahr nicht in das Gebiet. So hat dieser Germane diesen Gegenstand den Göttern geopfert, um seinen Wunsch Ausdruck zu verleihen.
Gegen den gegenseitigen Handel haben die Germanen auch nichts auszusetzen gehabt. Vielmehr die römischen Inbesitznahmen der Gebiete mit der dahergehenden Rechtsprechung und Steuergesetzgebung brachten die kriegerischen Auseinandersetzungen....
 
Bislang wußte ich nichts von der Mauer, was m.E. nach immerhin auf eine größere Siedlung als ein einziges Gebäude schließen läßt. Nach wie vor warte ich aber den Abschluß der Grabungen ab.
Und die Aussage bleibt bestehen: es handelt sich bis dato um ein einziges, größeres Gebäude mit dauerhaftem Charakter. Das verneint keineswegs die Existenz von Holzbauten.

Cato schrieb:
Mit Sicherheit handelt es sich um ein Standbild des Kaisers Augustus, mit dem Rom im Bewusstsein stabilen Friedens seine Herrschaft in Germanien zum Ausdruck gebracht hat. Das von Augustus in seinem Tatenbericht formulierte ?Germanien habe ich befriedet? wird hier eindringlich dokumentiert.
Nicht ganz schlüssig die Argumentation, abgesehn von der Ungenauigkeit. Diese Statuen, vor allem die Standbilder mit ausgestrecktem Arm werden zu der relativ späten Lebenszeit des Augustus abgelöst durch die sog. priesterliche Variante, also weitab von der Res Gestae, die noch im Rahmen seiner Kampagne zur Popularisierung verbreitet wurde.
Dazu kommt die Frage der Nomenklatur, denn Germania wurde ähnliche wie Gallia in mehreren Bereichen gesehn.
Dazu kommt die Propagandawirkung...
Wie gesagt, ich kann dieser Argumentation nicht folgen, auch wenn sie sicherlich ein Mosaik in der These des "absoluten Friedens" ist.

Cherusker schrieb:
Die Römer haben sich nicht umsonst in einer Gegend ausgebreitet. Es gab immer irgendwelche Rohstoffe oder Waren, die in ihrem Interesse lagen. So war es auch in Germanien.
Das ist so nicht richtig. Die größte Ausbreitung hatten die Römer nie im Zuge wirschaftlichen Imperialismus. Griechenland und Makedonien nahmen sie, nachdem die makedonischen Herrscher auf Seiten der Karthager gegen sie stritten und selbst dann zogen sie sich zweimal zurück und blieben erst als Perseus es übertrieb.
Asia Minor wurde ihnen geschenkt.
Sizilien nahmen sie nach dem ersten punischen Krieg in Besitz, obwohl dort außer Getreide nicht viel zu holen war, im Gegenteil, der Aufwand Syrakus zu erobern überstieg jeden möglichen Gewinn bei weitem. Ebenso die beiden anderen Mittelmeerinseln. Flottenbau, wie er nötig war um diesen Krieg zu führen und die Wege zu sichern überstieg beinah jede mögliche Reserve Roms. Man mußte sogar das Privatvermögen der Bürger aufbieten.
Nordafrika schließlich ist ebenfalls nicht so reich, wie es nötig gewesen wäre.
Natürlich stimmt diese These, berücksichtigt man, das überall, wo Rom Fuß fasste bald Rohstoffe abgebaut wurden, aber nicht immer kann man den Kriegsgrund einfach darauf schieben.
In meinen Augen war Rom vielmehr darauf aus, sich seine Grenzen zu sichern und unliebsame Nachbarn unschädlich zu machen.
So sah man lange Zeit zu, wie die Daker immer wieder die Grenze überschritten, bevor man gegen sie vorging (Domitian) oder sie gar zur Provinz machte (2. Dakerkrieg unter Trajan).

Die Tendenzen nach Germanien hinein werden sicherlich auch ihre Gründe gehabt haben. WO exakt diese zu suchen sind wird aber wohl umstritten bleiben, da die Römer Germanien nicht gerade als Reich ansahen, wie sie dies etwa im vorderasiatischen Raum taten.
Aber wer weiß, vielleicht hatten sie Ahnungen über unentdeckte Bodenschätze oder sie hatten vor, dass, was die Germanen nicht richtig nutzten auszuschöpfen...

Definitives Wissen in diesem Bereich bleibt aber, trotz neuer Erkentnisse, nur Theorie.
 
Tib. Gabinius schrieb:
Nicht ganz schlüssig die Argumentation, abgesehn von der Ungenauigkeit. Diese Statuen, vor allem die Standbilder mit ausgestrecktem Arm werden zu der relativ späten Lebenszeit des Augustus abgelöst durch die sog. priesterliche Variante, also weitab von der Res Gestae, die noch im Rahmen seiner Kampagne zur Popularisierung verbreitet wurde.
Dazu kommt die Frage der Nomenklatur, denn Germania wurde ähnliche wie Gallia in mehreren Bereichen gesehn.
Dazu kommt die Propagandawirkung...
Wie gesagt, ich kann dieser Argumentation nicht folgen, auch wenn sie sicherlich ein Mosaik in der These des "absoluten Friedens" ist.

Deinen Einwand halte ich für etwas gewagt. Siegmar von Schnurbein, der hier von mir zitiert wurde, ist zwar nicht unfehlbar, aber zumindest der Direktor der Römisch-Germanischen Kommission des DAI. Seinen Ausführungen schenke ich eher Glauben, als irgendwelchen Vermutungen.

Jetzt könnte natürlich der Einwand kommen, dass v.Schnurbein zum derzeitigen Stand auch eine Verbindung von Kalkriese mit der Varusschlacht für die Wahrscheinlichste hält. Der Unterschied liegt allerdings darin begründet, dass v. Schnurbein an der Waldgirmes-Kampagne direkt beteiligt ist, sich aber aus der hitzigen, äußerst hitzigen, Kalkriese-Diskussion weitgehend heraushält und den Ergebnissen seiner Kollegen vertraut.
Gegen das, was sich die Kalkriese-Kontrahenten öffentlich an Auseinandersetzungen liefern, ist unsere Diskussion nämlich nur ein Kaffeekränzchen (war an die Mods gerichtet).
Über Waldgirmes dagegen gibt es keine konträre Diskussion in der Forschung.
 
Tib. Gabinius schrieb:
Das ist so nicht richtig. Die größte Ausbreitung hatten die Römer nie im Zuge wirschaftlichen Imperialismus. In meinen Augen war Rom vielmehr darauf aus, sich seine Grenzen zu sichern und unliebsame Nachbarn unschädlich zu machen.

Entschuldigung, Tib. Gabinius, es gehört zwar nicht wirklich in diesen thread, aber in Deinen Ausführungen klingt das so, als habe Rom aus lauter Selbstverteidigung andere Länder erobert. Und schwups, hatte man plötzlich ein Weltreich ! :p
 
Cato schrieb:
Entschuldigung, Tib. Gabinius, es gehört zwar nicht wirklich in diesen thread, aber in Deinen Ausführungen klingt das so, als habe Rom aus lauter Selbstverteidigung andere Länder erobert. Und schwups, hatte man plötzlich ein Weltreich ! :p

Hm dann habe ich mich falsch ausgedrückt...


Und es liegt mir fern, Dr. v. Schnurbein als Person zu kritisieren, zudem habe ich nichts gesagt, was nicht fakt ist.

Waldgirmes ist noch nicht zu Ende analysiert. Ein Vergleich mit der Siedlungspolitik z.B. an der armenischen Grenze blieb bislang völlig aus...
Die Statuenform der späten augusteischen Zeit ist nicht gleichzusetzen mit der Form, welche mit den Res Gestae verbunden werden kann...alles Fakten.
Was ich erreichen will ist lediglich ein kritischer Umgang in einem Bereich, in dem klare Aussagen getroffen werden, ob interpretierbaren Materials.
 
Hallo Tib. Gabinius,
wie sah denn Deiner Meinung nach die römische Siedlungspolitik für das rechtsrheinische Germanien aus ?
 
Meine Meinung ist natürlich nur eine weitere These und keineswegs wasserdicht.

Meiner Meinung nach betrieben die Römer an der germanischen Grenze das ihnen angetragene Spiel, bis ihnen der Kragen platzte. Damit denke ich, kommen wir der "Spontanität" einer sich ständig verändernden Lage wesentlich näher als von festen und unbeirrbar durchgeführten Plänen zu sprechen.

Sprich, Caesar überschritt noch als Machtbeweis den Rhein. Nach ihm nahm man Rhein und Donau zur Grenze und zog dazwischen eine möglichst klare Verbindung als Grenze.
Da man schnell merkte das dies nicht klappt, man also noch immer nicht die nötige Ruhe hatte, um die Grenze zu konsolidieren, verstärkte man die Tendenzen gegen Osten, vermutlich um dort eine stabilere und weniger "angetastete" Grenze zu errichten und die Problemkinder ins Reich zu nehmen, wenigstens aber, um im späteren Germania interferior und im nördlichen Raetien eine stabile Lage zu erzeugen.
Drusus Zug 10 / 9 v. Chr. bis in die Region des heutigen Magdeburg stellt sich von daher für mich auch als eine Art deutlich vorgetragene Erkundung mit einem weiteren Machtbeweis dar. Immerhin ging dies in eine den römischen Soldaten völlig fremde Region, umgeben von Feinden und vermutlich auch in die Nähe von bislang unbekannten Stämmen. Blickt man auf die Karte ist die Elbe auch eine Ebenso gute Grenze wie der Rhein.

Die folgenden Kämpfe, Feldzüge und vorgeschobenen Siedlungen (!) dienten nun wohl zum einen dazu die Stärke des Gegners kennen zu lernen als auch die Germanen von sich aus mit den Römern näher zu verbinden, was für mich weitaus vernünftiger klingt, oder der Wegbereitung, die Grenze in den folgenden Jahren zu verschieben.
Die dabei geschlagenen Schlachten konnten kaum als Entscheidung akzeptiert werden, wohl aber als große Schritte in die gewünschte Richtung, und manch einer wird sich so früh zu einer Siegesmeldung, zu einer Friedensmeinung ähnlich wie deiner hinreißen gelassen haben.
Unterstützung fand solches denken durch die Propaganda, welche natürlich jeden Erfolg feiern ließ wie nur sonstwas.

Ich nehme an, dass die verschiedenen Feldzüge Ausdruck des auf und ab in der Entwickung zwischen Römern und Germanen waren, und das die Römer so einen deutlichen Eindruck gewannen, mit wem sie es eigentlich zu tun hatten.
Die letzte Phase der Osttendenz zu augusts' Zeiten wird von einer kurzen und ruhigen Phase am Ende des ersten nachristlichen Jahrzehnts eingeläutet. Manch ein Römer, vielleicht auch Varus, wird sich davon haben einlullen lassen.
Der Schlag gegen 3 volle Legionen und deren Hilfstruppen, die daraus resultierende halbe Blöße an der Reichsgrenze und die Möglichkeit, vieler vereinter Stämme an selbiger dürfte da wie ein Glockenschlag aus der Hölle gewirkt haben.
An Siedlung war jetzt nicht mehr zu denken, dass erklärt für mich auch die Aufgabe der Vorposten.
Die Rachefeldzüge sind bloß noch ein "Muß". Hätte man dies jetzt so dastehen lassen wäre die Moral des eigenen Volks gravierend verletzt, der direkte Feind und alle anderen Gegner Roms bestärkt und die Grenze wäre vielleicht schwereren Angriffen ausgesetzt als zuvor.

Wie du also siehst Cato, sind unsere Meinungen gar nicht sooo weit auseinander (auch wenn du schon von fester Etablierung ausgehst und ich erst von einem sondierenden siedeln einiger weniger mit wenig Aussagekraft, sprich das kann auch anders ausgelegt werden), der Unterschied ist lediglich, außer der Quantität, unsere Ansicht zum "Frieden" und das ich nicht davon ausgehe, die Wahrheit unbedingt getroffen zu haben.

Dazu ergänzend noch folgendes:
Blicken wir nach Asia sehen wir, dass die Römer sehr wohl außerhalb der Reichsgrenzen siedelten, meist aber nicht im großen Maßstab. Ein kurzer Blick auf die Auseinandersetzungen mit den Parthern, also über die germanische Grenze hinaus zeichnet so ebenso ein typisches Bild der römischen Vorgehensweise wie der nach Dakien und Moesien.
Ich würde behaupten, dass diese Situationen typisch sind, und wesentlich stärker beachtet werden sollten.

Und noch ein Ausflug, diesmal temporär. Domitian trachtete danach, da er bislang wenig ansehen errungen hatte, wenigstens militärisch zu Ruhm zu gelangen. Darum faßte er Germanien wieder ins Auge, wurde allerdings durch die Daker "unterbrochen".
 
@ Cherusker; @ Tib. Können wir uns darauf einigen, dass dort wo Rom Fuß fasste, auch recht bald Rohstoffe abgebaut wurden – dass Rom Germanien (speziell diesen Teil) erobert hatte und im Begriff war ihn vollständig zu befrieden und der Abbau demnach auf eine verstärkte Provinzialisierung hindeutet? Kommen wir so unter einen Hut?
 
Tib. Gabinius schrieb:
Meine Meinung ist natürlich nur eine weitere These und keineswegs wasserdicht.

Meiner Meinung nach betrieben die Römer an der germanischen Grenze das ihnen angetragene Spiel, bis ihnen der Kragen platzte. Damit denke ich, kommen wir der "Spontanität" einer sich ständig verändernden Lage wesentlich näher als von festen und unbeirrbar durchgeführten Plänen zu sprechen. ....


Die folgenden Kämpfe, Feldzüge und vorgeschobenen Siedlungen (!) dienten nun wohl zum einen dazu die Stärke des Gegners kennen zu lernen als auch die Germanen von sich aus mit den Römern näher zu verbinden, was für mich weitaus vernünftiger klingt, oder der Wegbereitung, die Grenze in den folgenden Jahren zu verschieben.
Die dabei geschlagenen Schlachten konnten kaum als Entscheidung akzeptiert werden, wohl aber als große Schritte in die gewünschte Richtung, und manch einer wird sich so früh zu einer Siegesmeldung, zu einer Friedensmeinung ähnlich wie deiner hinreißen gelassen haben.
Unterstützung fand solches denken durch die Propaganda, welche natürlich jeden Erfolg feiern ließ wie nur sonstwas.
...

DasThema behandelt hier die römischen Aktivitäten um das Jahr 0 in Germanien.
In diesem Zeitraum berichten die Römer nur von einem "immensum bellum" in Germanien. Was war vorher geschehen? Warum hatten die Römer doch feste Pläne?
Im Jahre 16 v.Chr. gibt es die erste, der zwei schweren Niederlagen, unter der Regentschaft des Augustus. Der römische Kommandant und Statthalter des Kaisers, M.Lollius geriet gegen die Germanen in einen Hinterhalt und eine ganze Legion mußte sich ergeben. Die Römer verloren dabei ihr Lager und den Adler der V.Legion. (Sueton (Augustus23)).
Daraufhin setzte Augustus seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius ein, die das gallische Gebiet bis zur Donau eroberten. Die Grenze belief sich jetzt vom Rhein bis zur Donau. Die Römer machten durch ihre Forderungen zur Unterwerfung und Tributzahlungen die germanischen Stämmen zu ihren Feinden. Die germanischen Stämme, die vorher nur einzeln und in freier Willkür ihre Kämpfe austrugen, schlossen sich jetzt zu Bündnissen zusammen.
Beim Bündnis zwischen Cherusker, Sugambrer und Sueben werden 20 römische Centurionen an das Kreuz (atypische germanische Hinrichtungsart) geschlagen.

Augustus rächt sich im Jahre 8 v.Chr. an den Sugambrer, in dem er ihre adligen Anführer zu sich kommen läßt und diese einkerkert. Die Sugambrer begehen in der Gefangenschaft Selbstmord und ein Großteil des führungslosen Volk der Sugambrer wird dann linksrheinisch umgesiedelt.
In den Jahren 12-9 v.Chr. sind Drusus (Statthalter Galliens) und sein Bruder Tiberius in Germanien eingesetzt. Drusus führt etliche erfolgreiche Schlachten und seine Expeditonsfeldzüge führen die Römer bis an die Elbe. Sein ehemaliger Heerführer Domitius Ahenobarbus zieht vom Süden her sogar bis an die Havel (weiteste römische Vordringen). Allerdings wird Drusus fast in der Schlacht von Arbalo von den Cheruskern vernichtet.

Im Jahre 9 v.Chr. stirbt Drusus in Germanien und das Gebiet ist nicht unterworfen und die römischen Unternehmungen haben sich nur auf einzelne Feldzüge beschränkt. Die Römer beschränken sich auf Gründungen nicht allzuweit vom Rhein und der Küste entfernt. Sie nutzen die Lippe, um so mit dem vom Osten nach Westen fließenden Fluß in die germanische "Mitte" vorzudringen.

Nach D.Ahenobarbus gibt keine Aufzeichnungen mehr. Nur der Hinweis auf den "immensum bellum" ist gegeben. Es ist zu vermuten, daß die von Drusus begonnende "Beruhigung" im germanischen Gebiet gescheitert ist und daraufhin wird Tiberius im Jahre 4 n.Chr. zur Rückkehr bewogen. Er brachte die Legionen wieder auf Vordermann und begann mit seinen Feldzügen gegen die kleineren germanischen Stämme und den Bündnisverhandlungen mit den Cheruskern. Bis zum Jahre 6 n.Chr. hatte er "Germanien" beruhigt und konnte sich somit
dem Feldzug gegen die Markomannen unter Herrschaft des Marbod widmen. Hierfür benötigte er 12Legionen um gegen das stehende Heer des Mabod anzutreten. Es kam aber nicht zur Schlacht, da kurz vorher der Pannonische Aufstand ausbrach und die Römer gen Süden abzogen. Nordgermanien war für die Römer eine beruhigte und befriedete Region, in der man den mächtigen Stamm der Cherusker als Bündnispartner hatte. Bei den Cheruskern gab es eine starke römerfreundliche Fraktion unter dem Adligen Segestes (erst nach der Varusschlacht schwand sein Einfluß). Rom hatte unter Augustus somit doch gezielte Pläne und ließ sich nicht durch germanische Überfalle provozieren (den mußte nicht der Kragen platzen).
Es konnte daher begonnen werden, dieses Gebiet zu provinzialisieren. Die Römer haben aber mit Sicherheit keine Gründungen in ungesicherten germanischen Gebiet errichtet, um so die Stärke der Germanen zu testen. Sollten das "Versuchskaninchen" sein? Man wußte doch von den jährlichen Raubzügen der Germanen (sogar nach Gallien). Auch FRIEBE irrt sich, wenn er bei Halberstadt eine römische Domäne (seine Übersetzung des Wortes "saltus") sieht. Umgeben von germanischen Stämmen, wäre eine Römersiedlung für die Germanen wie ein "Supermarkt" gewesen! :) Jedes Jahr hätten sie alles geplündert.
Also nur ein befriedetes und beruhigtes Gebiet hätte römische Gründungen erlaubt.

Varus war auch nicht mit seinen 3Legionen allein im Sommerlager. Zur gleichen Zeit hielt sich auch sein Neffe Asprenas mit 2Legionen (vielleicht die 14. und 21.Legion) im germanischen Gebiet auf. Die einen Historiker sehen ihn im Gebiet der Chatten und die anderen im Gebiet der Cherusker. Asprenas soll Eigentum des Varus und seiner Legionen vom Sommerlager ins Winterlager transportiert haben, da man ihm später vorwirft, daß er sich am Erbe der Gefallenen bereichert hat. (Paterculus II,120).
Ein Angriff der Germanen auf die römische Rheingrenze war nicht zu erwarten, da zu diesem Zeitpunkt die germanischen Stämme in ihrem Bündnis für solch umfangreiche Feldzüge nicht organisiert waren (erst bei den Germanicus-Feldzügen wäre vielleicht so eine Unternehmung möglich gewesen). Außerdem hat die Ablehnung seitens Marbod nach der Varusschlacht eine größere Unternehmung sowieso zum Scheitern verurteilt. Die römische Panik war somit unbegründet. Die Grenze des Imperiums war sicher, da Asprenas auch noch 2Legionen heil zurückbrachte.
 
Zitat:" Die Römer haben aber mit Sicherheit keine Gründungen in ungesicherten germanischen Gebiet errichtet, um so die Stärke der Germanen zu testen. Sollten das "Versuchskaninchen" sein?"

Ähem, also auf ARTE gab es vor ein paar Wochen einen Bericht darüber, das es im genauso ungesichtertem südlicheren Germanien mehrere solche Siedlungen gab. Sie waren nur mäßig geschützt, und dienten als Handelsvorposten, im Bericht wurde der Vergleich zu den Tradingposts in der US-Pionierzeit gezogen.
Wenn man einmal überlegt: Auch wenn man räuberischer Germane ist, muß man denn unbedingt seinen Weinhändler überfallen?
 
askan schrieb:
Ähem, also auf ARTE gab es vor ein paar Wochen einen Bericht darüber, das es im genauso ungesichtertem südlicheren Germanien mehrere solche Siedlungen gab. Sie waren nur mäßig geschützt, und dienten als Handelsvorposten, im Bericht wurde der Vergleich zu den Tradingposts in der US-Pionierzeit gezogen.
Wenn man einmal überlegt: Auch wenn man räuberischer Germane ist, muß man denn unbedingt seinen Weinhändler überfallen?

Lieber Askan,
Du soltest hier zwischen dem Handelswesen und dem politischen bzw. militärischen Vorgehen unterscheiden.
Römische Händler gab es auch vor 11 v. Chr. in Germanien, ebenso nach 16 n.Chr. Zivile römische Siedlungen dagegen nicht ! Eine zivile Siedlung wie jene von Waldgirmes wird von der Wissenschaft, ich habe oben v.Schnurbein zitiert, als Beginn einer Provinzialisierung in einem gesicherten Gebiet gesehen. Deine angeführten Siedlungen in Süddeutschland stellen doch ein fabelhaftes Beispiel eines solchen Prozesses dar.
Ich möchte noch einmal betonen, dass das rechtsrheinische Germanien noch nicht zur Provinz ernannt worden war, aufgrund der militärischen Kontrolle aber erhebliche Vorbereitungen dazu getroffen wurden.

Die Erschliessung des amerikanischen Westens ist wenig vergleichbar, da sie unter ganz anderen Umständen stattfand, als die Einrichtung einer römischen Provinz. Wer also von Planwagentrecks römischer Siedler im tiefen Germanien träumt liegt falsch. :D Für Rom gab es um das Jahr 0 keinen Emigrantendruck, der sich nach Germanien hätte ausbreiten müssen. Die römischen Interessen an Germanien lagen somit im wirtschaftlichen Bereich.
 
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Limnith, in etwa, yap.
Cherusker, zum Thema der Befriedung habe ich im ovrhinein etwas gesagt.
Im übrigen ist das Argument falsch, da es römische Siedler überall jenseits der Grenzen gibt, ob Frieden oder nicht.

Cato, du hast schon recht das askans Vergleich hinkt, welcher Vergleich tut dies nicht, aber in Neuengland gabs ebenfalls keineswegs von Anfang an diesen Westwärtsdruck und trotzdem bauten viele Siedler und Händler kleine Posten tief im westlichen Gebiet, oft umgeben von Indianern, denen man derartiges wie von Cherusker beschrieben auch gerne zutraute.

Desweiteren gehts wirklich um Details in zwei Theorien. Ich finde, da wäre es angebracht hin und wieder einen solchen rhetorischen Hinweis zu liefern, statt unnötiger Ironie.

Letztlich ist mir der Zug des Asprenas völlig neu. Weiterführende Literaturangabe zu diesem Thema wäre nett.


Nachtrag: 16. n Chr. dürfte es nach Varus im besonderen, spätestens aber nach den Rachefeldzügen klar gewesen sein, dass friedliche Koexistenz mit den Germanen einfach nicht drin ist, weder im möglichen "provinzialen" Maßstab noch als Vorposten.

Im übrigen sagte man vor ein paar Jahren noch das es gar keine rechtsrheinischen römischen Siedlungen gab :D
 
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